Chris Taylor im Interview:

"Kings & Castles Forever" Interview

Chris Taylors Gas Powered Games ist einer der letzten unabhängigen Top-Entwickler, doch die Luft wird dünner: Dem letzten Großprojekt Kings & Castles ist das Geld ausgegangen, es liegt -- vermutlich für immer -- auf Eis. Wir sprachen mit Taylor über sein neues Projekt Age of Empires Online und die Evolution in der Spielebranche.
Sebastian Horst 27. April 2011 - 11:47 — vor 12 Jahren aktualisiert
PC 360 PS3
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Vor nicht einmal einem Jahr führten wir ein Video-Interview (deutsch untertitelt) mit Chris Taylor. Damals war er noch Feuer und Flamme für sein neues A-Spiel Kings & Castles, das eine Mischung aus Age of Empires, Supreme Commander und Demigod werden sollte, also Aufbau-Teile, Echtzeit-Schlachten samt Formationen und Helden als wichtige Einzelfiguren enthalten sollte. Doch das Projekt konnte nicht ausreichend finanziert werden. GamersGlobal sprach mit einem nicht sonderlich glücklich wirkenden Taylor.

GamersGlobal
: Chris, ist es für immer aus mit Kings and Castles?

Chris Taylor: Wir haben das Spiel in "Kings and Castles Forever" umbenannt.

GamersGlobal: Wie in Duke Nukem Forever?

Chris Taylor: Ja. Damit meine ich: Wir werden vielleicht darauf zurückkommen.

GamersGlobal: In zehn Jahren?

Chris Taylor: Hoffentlich dauert es keine zehn Jahre. Wir haben jetzt gerade eine sehr, sehr aufregende Gelegenheit, an etwas zu arbeiten, das viele von uns im Büro jahrelang gespielt haben. Wir sind sehr große Fans der Age of Empires-Marke. Deshalb sind wir superglücklich, daran arbeiten zu können. Für uns hat es Sinn ergeben, uns für absehbare Zeit darauf zu konzentrieren. Wir werden zu Kings and Castles zurückkommen, wenn die Zeit dafür reif ist.

Kings and Castles wurde Anfang 2010 angekündigt. Fast genau ein Jahr später wurde die Entwicklung eingestellt.
GamersGlobal: Hattet ihr keinen Publisher für Kings and Castles?

Chris Taylor: Wir hatten sogar einen Publisher, aber der Publisher ist nur ein Teil des Puzzles.

GamersGlobal: Welche Teile haben gefehlt?

Chris Taylor: Es lag vor allem an der aktuellen Marktsituation. Es ist zurzeit sehr schwierig. Unser ursprüngliches Spieldesign war zu gleichen Teilen traditionell und online-orientiert. Wir haben erkannt, dass wir uns noch viel mehr in Richtung online bewegen müssen. Es hätte uns zu viel Zeit gekostet, unser grundlegendes Spieldesign zu überdenken. Deshalb ergab es vielmehr Sinn, an Age of Empires Online mitzuarbeiten.

GamersGlobal: Ist es eine Tendenz im Spielemarkt, dass nur noch wenig Geld für traditionelle Spiele zur Verfügung steht? Insbesondere von unabhängigen Entwicklern?

Chris Taylor: Der Markt verändert sich. Er verändert sich so schnell, dass es zwar aufregend, aber auch riskant ist. Zurzeit ist es das Beste, die Veränderungen des Markts mit einem Produkt abzuwarten, das mit einer hohen Wahrscheinlichkeit Erfolg haben wird. Es ist wie bei einem Sturm: Man findet ein sicheres Gebäude, um darin die Nacht zu verbringen, und geht nicht auf dem Ozean segeln.

GamersGlobal: Das viele Geld, das gerade in Casual Games und Apps gepumpt wird, muss doch auch zu Problemen führen: Nicht jede App wird ein Angry Birds. Da mag sich mancher Investor verschätzen.

Chris Taylor: In dem Bereich ist viel los. Es wird viel probiert, es entstehen einige originelle Spielemarken. Aber es werden auch viele alte Spiele neu aufgelegt. Es ist eine Zeit großer Veränderungen. Um einen anderen Vergleich zu benutzen, es ist wie die "Reise nach Jerusalem“: Finde einen Stuhl, setz' dich drauf und sei glücklich und dankbar. Wenn du so eine Gelegenheit hast, wie wir sie jetzt mit dieser unglaublich erfolgreichen Marke haben, musst du sie nutzen. Die Age of Empire-Marke hat 25 Millionen Spiele verkauft. Das ist ein riesiger Erfolg.

GamersGlobal: Wie seid ihr dazu gekommen, an Age of Empires Online zu arbeiten?

Chris Taylor: Ursprünglich wurden wir angeheuert, um Zusatzinhalte zu entwickeln. Nach vier bis sechs Monaten haben wir die Möglichkeit bekommen, die Führungsrolle in der Entwicklung zu übernehmen. Wir haben das dankend angenommen.

GamersGlobal: Was ist mit dem eigentlichen Entwicklungsteam passiert?

Chris Taylor: Das andere Team war Robot Entertainment. Sie haben immer betont, dass sie nur den Kern des Spiels entwerfen werden. Alles lief sehr einverständlich ab. Jeder hat profitiert, und das ist großartig.

GamersGlobal: Musstet du nach der Kings and Castles-Entscheidung Mitarbeiter entlassen?

Chris Taylor:  Ich habe an meinem gesamten Team festgehalten. Das war ein sehr großes Risiko für mich und hat eine Menge Geld gekostet. Aber ich glaube an mein Team und an jeden einzelnen dieser wunderbaren Leute. Also habe ich alles getan, was ich konnte, um sie zu behalten.

Die Entwicklung von Age of Empires Online wurde von Robot Entertainment begonnen. Im Februar 2010 wurde bekannt gegeben, dass Gas Powered Games die Produktion des Spiels übernimmt.

GamersGlobal: Was genau macht Gas Powered Games eigentlich an Age of Empires Online?

Chris Taylor: Wir arbeiten an einer Menge neuer Inhalte. Wir sind also sehr stark an der Entwicklung beteiligt, auch wenn das Spiel im wesentlichen fertig ist. Wir werden eine Tonne an Zusatzinhalten erstellen, die für einige Jahre reichen werden.

GamersGlobal: Age of Empires Online ist also euer neues Hauptprojekt für die nächsten Jahre?

Chris Taylor: Ja, auf jeden Fall. Wir arbeiten zwar auch an anderen unangekündigten Projekten, aber die kommen erst später.

GamersGlobal: Sind diese Projekte auch im Online-Bereich angesiedelt?

Chris Taylor: Ja, definitiv. Alles spielt sich für mich nur noch online ab und gehört auch dorthin. Es löst einfach so viele Probleme: Es senkt die Kosten, begegnet der Softwarepiraterie und verbessert die Beziehung zu deinen Kunden.

GamersGlobal: Indem du sie alle paar Stunden anstatt einmal pro Monat bezahlen lässt?

Bei unserem Bezahlmodell bekommst du einen Großteil des Spiels ohne Kosten
Chris Taylor: Nein, in dem speziellen Modell, worüber wir reden, ist es nicht so. Es dreht sich im Wesentlichen um den Kauf von Premium-Inhalten. Das ist etwas ganz anderes. Ich mag persönlich keine monatlichen Gebühren für Spiele. Ich mag sie nicht, weil es immer mal wieder Monate gibt, in denen ich gar nicht spiele. Bei unserem Bezahlmodell bekommst du einen unglaublich großen Teil des Spiels ohne Kosten und nur wenn du möchtest, kannst du diese Erfahrung erweitern, indem du kleine, feste Beträge zahlst. Das ist ein sehr gutes Bezahlmodell.

GamersGlobal: Wenn ihr ein solches Spieldesign wählt, bedeutet das auch, dass ihr kontinuierlich Wege finden müsst, dass die Spieler Premium-Inhalte kaufen wollen. Ist das Spieldesign auf diese Weise nicht eher darauf ausgerichtet, die Spieler bezahlen zu lassen, als ihnen eine einzigartige Spielerfahrung zu bieten?

Chris Taylor: Das müssen nur Entwickler tun, deren Titel niemand spielen möchte. Bei Games, die man gerne spielt, ist das anders. Ich spiele zum Beispiel zurzeit Minecraft, bin gerade gestorben und habe meine ganzen Ausrüstungsgegenstände verloren. Trotzdem möchte ich mir mehr Inhalte kaufen. Ich möchte, dass die Entwickler mein Geld nehmen, weil sie sich so bestätigt fühlen, mehr Inhalte zu erstellen. Es ist besser als dass die Entwickler rumsitzen und überlegen: Wie bekommen wir Chris dazu, uns Geld zu geben? Das ist genau das Gegenteil, und das funktioniert nicht. Im Grunde ist es der Kunde, der sagt: "Ich liebe diese Spielerfahrung. Kann ich noch mehr davon bekommen? Nehmt mein Geld, es ist ja nur ein kleiner Betrag. Ein paar Euro hier, ein paar Euro da sind nicht schlimm für mich."

Minecraft wird seit Anfang 2009 vom Schweden Markus Perssons entwickelt und soll bis zum 11.11.2011 fertig sein.

pauly19 15 Kenner - 2957 - 27. April 2011 - 12:10 #

Mal wieder ein richtig gutes Interview. Vielen Dank.

Baran 12 Trollwächter - 826 - 27. April 2011 - 13:01 #

Feines Interview. Vor allen Dingen ist es weit informativer als das mit dem von mir höchst geschätzten Miyamoto-San, was natürlich nachvollziehbar ist, da Mr. Taylor sehr viel größere, aber dennoch sympathische Labertasche ist als der Nintendo Chief of Game Design. Dazu kommt noch, daß es hier auch mal um eine negative Erfahrung geht und nicht nur um die Promo für ein tolles neues Spiel (auch wenn er natürlich immer wieder mit "übergroßer" Freude seine Teilnahme an AoEO bekundet, er ist halt Profi).

Gerne mehr Interviews solchen Kalibers, auch mit einer solchen Ausrichtung, die dann nicht eine reine Promotion-Fragerunde darstellt.

In welchem Zusammenhang ist das Interview eigentlich entstanden? Er wird dem Jörg wahrscheinlich nicht einfach so in München über den Weg gelaufen sein, oder? ;) AoEO-Promo-Tag?

Jörg Langer Chefredakteur - P - 469388 - 27. April 2011 - 23:20 #

Nein, es stammt noch vom letzten Tag der GDC :-) Sind die letzten Wochen nur nicht dazu gekommen, es abzutippen.

rapidthor 14 Komm-Experte - 2693 - 27. April 2011 - 19:30 #

Super Interview, aber gerade bei Chris Taylor hätte ich gerne wieder ein Videointerview gehabt.

JakillSlavik 17 Shapeshifter - 7253 - 27. April 2011 - 20:40 #

"Hello GlobalGamers, i'm Chris Taylor from Gas Powered Games and... oh wait...!?"

Auja, das wäre fein = )
Aber im Allgemeinen bin ich immer sehr mit den Interviews von Jörg zufrieden. Die sind immer ein interessanter Grad zwischen Ergänzung und Herausforderung. Mir wird immer stark der Eindruck eines harmonischen Gesprächs mit vielen Erläuterungen für den Endempfänger vermittelt.

Anonymous (unregistriert) 27. April 2011 - 21:00 #

Also ich bin nicht so begeistert von seinen Ansichten, weil ich am liebsten Blockbuster Filme ansehe und nicht vielleicht häppchenweise einen Film wo ich noch "Premiuminhalte" zusätzlich dazukaufen muss um die ganze Geschichte zu erfahren.

Hartmann (unregistriert) 28. April 2011 - 0:57 #

..dann hast du nicht aufmerksam gelesen was er aussagt: er meint, der Spiele-Markt wird facettenreicher und diversifizierter; nicht, dass er sich in nur eine best. Richtung bewegt.

Zumbi (unregistriert) 28. April 2011 - 7:50 #

Ein Interview kann nur so gut sein, wie sein Interviewer. Und dieses Interview finde ich richtig gut! Danke Jörg.

Asto 15 Kenner - 2904 - 20. Juli 2011 - 18:38 #

Signed. Bin immer wieder beeindruckt :)

Heinzel (unregistriert) 29. April 2011 - 16:31 #

Der Typ hat doch einen an der Tüte: Große Videospiele und Computerspiele wird es immer geben nicht nur noch ein paar Jahre. Das Brwoserzeug ist doch alles mist. Independents sind was andres, aber wer will denn nur indi-zeugs spielen?