Stellaris Nexus

Stellaris Nexus User-Artikel

Allmachtsphantasien in der Mittagspause

Vampiro / 31. Dezember 2023 - 19:51 — vor 19 Wochen aktualisiert

Teaser

Stellaris Nexus will eure Mittagspause kapern. Denn eine Partie soll nur rund eine Stunde dauern. Ob unter dieser Prämisse knackige Grand Strategy möglich ist, verrate ich euch in meinem User-Test.
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Egal ob Stellaris, Europa Universalis 4, Victoria 3 oder Hearts of Iron 4. Die Titel von Paradox Development und Paradox Tinto haben zwei Dinge gemeinsam: Erstens erfreuen sie sich bei Freuden der Grand Strategy großer Beliebheit und zweitens sind sie, auch wegen ihrer Komplexität, echte Zeitfresser. Bei letzterem möchte Stellaris Nexus ansetzen. Hinter dem Titel steckt dabei gar kein Paradox-Studio, sondern Whatboy Games. Die hatten zuvor das Fantasy-Deckbuilding-Hexfeld-Abenteuer Trials of Fire veröffentlicht und pitchten bei Paradox Arc, dem "Indie-Publishing-Label" von Paradox, ein 4X-Science-Fiction-Strategiespiel.

Die Besonderheit: Eine ganze Partie sollte in einer Stunde spielbar sein, auch im Multiplayer – und weiterhin eine tolle 4X-Erfahrung bieten. Ganz schön ambitioniert. Paradox Arc war scheinbar schwer beeindruckt vom Konzept. Sie entschieden sich nicht nur, den Prototyp ins Portfolio aufzunehmen, sondern ihn gleich zu einem neuen Eintrag im Stellaris-Franchise zu machen. Anders als in Star Trek - Infinite (im Check), das direkt auf Stellaris aufsetzt, werdet ihr aber kaum Anleihen vom großen Bruder in Stellaris Nexus erkennen. Eigentlich nur ein bisschen Lore hier und da. Stattdessen ist das frisch in den Early Access gestartete Stellaris Nexus im Kern ein Card-Driven-Boardgame, in dem ihr ständig wichtige Entscheidungen trefft und das sich sehr dynamisch entwickelt. Wie das genau funktioniert und warum ihr unbedingt anfangen solltet, in der Mittagspause nach den Sternen zu greifen, möchte ich euch in den nächsten Zeilen verraten.

Disclaimer: Ich habe auf Englisch gespielt. Es gibt auch eine deutsche Lokalisation. Die Begriffe habe ich mittels Kodex übersetzt.
 
Im aufgeräumten UI habt ihr alles Relevante stets im Blick. Unten links die wichtigen Erlasse.
 

Solo-Einstieg, grundlegende Spielmechaniken und Völkervielfalt

Stellaris Nexus spielt sich nicht wie Stellaris, auch wenn es im gleichen Universum angesiedelt ist. Im Hauptspielmodus Thronfolge kämpft ihr darum, zum Herrscher des Galaktischen Rats gekrönt zu werden – und dafür müsst ihr nicht mal zwingend einen Schuss abfeuern! Spielen könnt ihr gegen  bis zu acht menschliche Spieler, könnt das Feld aber auch mit der KI auffüllen. Für den Einstieg gibt es ein integriertes Einsteiger-Video, ein Tutorial und derzeit vier Story-basierte Missionen, die euch auch in Spielmechaniken, etwa die des intriganten Rattenvolkes, einführen. Paradox-typisch werdet ihr auch bereits mit umfangreichen Tooltips versorgt, es gibt zudem einen Kodex und eine Enzyklopädie.

Rundenbasiert bedeutet im Falle von Stellaris Nexus, dass alle Spieler gleichzeitig agieren. Ihr könnt alle Aktionen, sei es die Auswahl der Forschung, das Errichten von Gebäuden oder Verlegen von Flotten, jederzeit per Undo-Knopf rückgängig machen. Auch im Multiplayer! Denn Aktionen, die andere betreffen, zum Beispiel diplomatische Angebote und das Verlegen von Flotten, werden erst am Rundenende, einschließlich etwaiger Kämpfe, durchgeführt und berechnet.

Card-Driven bedeutet, dass ihr viele eurer Aktionen über das Ausspielen von Erlass-Karten durchführt. Dazu steht euch ein Kartendeck mit Erlassen zur Verfügung, das im Spielverlauf auch anwachsen kann, das sogenannte Erlassdeck. Etwa, wenn ihr euren Leader auflevelt oder einzigartige Ressourcen entdeckt. Ihr habt auch eine Vorschau, was für Karten als nächstes gezogen werden. Mit den Karten betreibt ihr Forschung und Diplomatie, baut eure Planeten aus, spioniert und sabotiert was das Zeug hält oder setzt Spezialitäten ein. Der Politik-Erlass ist besonders mächtig, denn ihr könnt es gegen jede beliebige Karte eintauschen. Neben einem Standardsatz Erlasse gibt es Karten, die sich nach dem von euch ausgewählten Volk und Anführer richten. Es gibt derzeit neun Völker mit jeweils drei Anführern, wobei ihr jeweils zwei Anführer freispielen müsst. Das Geniale: Die Völker spielen sich teils dramatisch unterschiedlich und erfordern komplett unterschiedliche Strategien. Auch der Anführer eurer Wahl, den ihr im Laufe einer Partie bei Levelaufstiegen weiter spezialisiert, sollte zur von euch bevorzugten Strategie passen. Wirklich overpowered kam mir in knapp 20 Spielstunden kein Volk vor. Ihr müsst nur entsprechend spielen. Ich kam zum Beispiel mit dem handelsorientierten Chinorr Combine bislang nicht so gut klar, obwohl sie, richtig gespielt, sicher stark sein können.
Was ihr bauen könnt, hängt von Forschungsstand und Planetentyp ab.


Neben den Erlassen stehen euch noch andere Aktionen zur Verfügung: Der Bau von Schiffen und Raumbasen, das Bewegen von Flotten oder die Invasion von Planeten. Denn jede Aktion kostet grundsätzlich Unterstützung, eine der vier Ressourcen (Unterstützung, Materialien, Credits, Spezialressource je nach Volk). Dabei wird jede Aktion einer Runde um jeweils ein Unterstützung teurer. Ihr solltet euch also, ähnlich wie in Old World, gut überlegen, wie ihr agiert. Wenn ihr nur noch Krieg führt, werdet ihr kaum noch Erlasse ausspielen können – außer ihr habt eine ausreichende Unterstützungs-Infrastruktur aufgebaut oder Unterstützung gehamstert. Unterstützung ist aber auch für die Forschung im Bereich Sozialwissenschaften und manche Erlasse nötig. Ihr erhaltet Unterstützung vor allem durch Gebäude, aber, entsprechende Forschung vorausgesetzt, zum Beispiel auch, wenn eine Flotte das System wechselt. Jeder Planet in eurem Imperium reduziert euer Unterstützungs-Einkommen standardmäßig um eins. Wenn ihr ins Minus kommt, kann das zu Revolten führen.

Materialien benötigt ihr beispielsweise um Gebäude zu errichten. Die verbrauchen auch jeweils einen Slot "Availaible Population" auf dem Planeten. Neue, freie Kapazitäten könnt ihr aber beispielsweise mit der Konstruktion von Häusern schaffen. Außerdem finanziert ihr mit Materialien Projekte auf einem Planeten, ein Projekt erhöht zum Beispiel die Materialien-Produktion um 50 Prozent. Diese Projekte lassen sich pro Planet, anders als Gebäude, nur einmal errichten, verbrauchen dafür aber keine Kapazität. Was ihr auf einem Planeten bauen könnt, hängt vom Planetentypen ab. Ihr benötigt Materialienaber auch zur Forschung und zum Bau von Megastrukturen und Sternenbasen. Haupteinkommensquelle für Materialien sind eure Planeten. Credits sind ebenfalls eine Art Joker, die ihr statt Materialien oder Unterstützung einsetzen könnt. Ihr verdient sie durch den Handel mit euren Rivalen oder neutralen Planeten.
Zufällig bekommt ihr pro Techstufe je Kategorie zwei Technologien zur Auswahl. Alle anderen müsst ihr erhandeln oder klauen.


Daneben gibt es für euer Imperium noch weitere, sehr wichtige Kennzahlen. Ihr habt eine Science-Kapazität, die zum Beispiel durch Labore erhöht wird. Ist sie erschöpft, könnt ihr nicht mehr forschen. Techologien tauschen oder klauen bleibt aber möglich. Munitions steht für eure militärische Infrastruktur und Waffenproduktionsfähigkeiten. Der Wert bestimmt letztlich eure Flottenkapazität, ausgebaut wird er vor allem durch Gebäude. Wenn ihr über eure Kapazität kommt, etwa weil ihr einen wichtigen Planeten verliert, entsprechende Abkommen beendet werden oder durch Diplomatie oder Erlasse eure Flotte wächst, verliert ihr jede Runde, die ihr über dem Limit seid, einen Teil eurer Flotte.

Militär legt eure Militärstärke fest und wird vor allem durch Gebäude erhöht. Der Wert bestimmt auch, wie viele Schiffe ein Gegner braucht um einen Planeten zu besetzen, wie viele Schiffe es euch kostet, einen Planeten zu besetzen und wie viel ihr dort plündert. In der Defensive wird Militär durch die Zahl der Planeten geteilt. Wenn ihr also "wide" spielt, sprich viele Planeten besiedelt, braucht ihr einen deutlich höheren Wert als wenn ihr "tall" mit nur einem oder zwei Planeten spielt, um dem Gegner eine Invasion möglichst schwer zu machen. Klar, wenn der Gegner eure Gegenwehr in der Luft schon gebrochen hat, ist das sowieso ein Problem. Aber eine dezimierte Flotte kann bei ausreichend starkem Militär-Wert vielleicht nicht direkt im nächsten Zug eine Invasion starten! Der vor allem durch Gebäude steigerbare Handelswert bestimmt vor allem, wie viele Credits ihr beim Handeln verdient. Mit neutralen Systemen entspricht euer Handelswert den Credits, die ihr bekommt. Wenn ihr mit einem Rivalen handelseinig wertet, bekommt jeder (!) die Summe der Handelswerte der beiden Reiche als Credits gutgeschrieben. Mit der Fraktionsressource jedes Volkes spielt ihr vor allem volksspezifische Erlasse.

Es gibt noch eine Vielzahl kleinerer Mechaniken, zum Beispiel könnt ihr die nach Schere-Stein-Papier-Prinzip aufgebauten Flottentypen, die ihre Kräfte hübsch visualisiert messen (ihr könnt die optische Darbietung jederzeit abbrechen), per Erlass ebenso wie Sternenbasen weiter spezialisieren. Oder wie ihr eure Kultur im Weltall verbreiten könnt, um zum Beispiel in entsprechenden Systemen besser spionieren zu können. Auch über diese Spionage oder den Unterstützungs-Malus für eure Kriegsgegner, wenn in ihrem Reich Planeten eurer Kultur frönen, ließen sich Absätze schreiben. Einen Bonus bekommt ihr von kulturell unterjochten Planeten natürlich auch.

Nicht fehlen dürfen jedoch nähere Ausführungen zum eigentlichen Spielziel: Herrscher des Galaktischen Rats zu werden.
 
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Am Ende bekommt ihr das Ergebnis präsentiert. Stimmen für nicht gewählte Optionen gehen nicht verloren, sondern werden zur nächsten Abstimmung übernommen.
 

Politische Machtkämpfe im Thronfolge-Spielmodus

Herzstück von Stellaris Nexus ist der Thronfolge-Modus. Alle acht Jahre trifft sich der Neue Bündnisrat, über den ihr Herrscher des Galaktischen Rats werden wollt. Wenn ihr bei einer Sitzung als erster die Marke von 100 Thronfolge-Punkten überschreitet, habt ihr gewonnen. Wenn ihr schon vor der Sitzung 100 Punkte erlangt, nützt euch das noch nichts. Und wenn mehrere Spieler bei einer Sitzung die 100 Punkte überschreiten, gewinnt der Spieler mit der höchsten Punktezahl. Die 100 Punkte sind übrigens nur die Standardeinstellung. Die könnt ihr auf 60 senken oder auf 150 erhöhen, was entsprechend Einfluss auf die Länge einer Partie hat.

Doch wie kommt ihr an die Thronfolge-Punkte? Da gibt es verschiedene Wege: Diplomatische Pakte, etwa ein Nichtangriffspakt, bringen euch Punkte. Und zwar kontinuierlich, aber auch pro neuem Pakt. Allerdings sinkt der Wert für jeden bereits mit einem Imperium geschlossenen Pakt um eins. Ihr solltet eure Freundschaft also diversifizieren, wenn ihr so an viele Punkte kommen wollt. Der Bruch eines Paktes, häufig der Nichtangriffspakt im Lategame, kostet euch Punkte. Je länger der Pakt bestand, desto weniger Punkte verliert ihr. Punkte gibt es auch für den Bau von speziellen Megastrukturen. Zunächst sind das nur Galaktische Monumente (+3), ihr könnt aber weitere freischalten. Die Kontrolle des Nexus-Planeten im Zeitpunkt des Ratstreffen bringt euch ganze zwölf Punkte. Die gibt es auch für die Verbreitung eurer Kultur, das Aufleveln eures Leaders und vor allem die Erlangung von Titeln - ein paar seht ihr oben in den Screenshots. Um welchen Titel als nächstes gerungen wird, wird beim Ratstreffen abgestimmt. Ratsstimmen bekommt ihr vor allem durch die Kontrolle von Systemen und die Verbreitung eurer Kultur. Der Titel, der die Abstimmung gewinnt, kann erworben werden. Wem es zuerst gelingt, der bekommt zwölf Punkte. Bei einem geteilten ersten Platz kriegt jeder die volle Punktzahl. Der Wettbewerb um den Titel, oder besser gesagt jeweils verbliebenen Plätze, bleibt bis zum jeweils nächsten Treffen offen. Wer von den verbliebenen Reichen dann auf "Platz 1" landet, also der jeweils Beste vom Rest wird, bekommt dafür immer weniger Punkte. Es ist also wichtig, möglichst schnell den Sack zuzumachen und, wenn ihr eine Chance auf den ersten Platz habt, eure Taktik darauf auszurichten. Das heißt dann beispielsweise, den Planeten mit der höchsten Materialien-Produktion zu kontrollieren. Einen Überblick über die "Titelrennen" habt ihr jeweils am oberen Bildschirmrand.
Die verschiedenen Völker spielen sich teils drastisch unterschiedlich.


Neben den Titeln gibt es noch Beschlüsse, die das Spiel ganz schön durcheinanderwirbeln können. Zum Beispiel wenn einfach alle existierenden Pakte gelöscht werden. Eure Ratsstimmen könnt ihr zwischen Titeln und Beschlüssen aufsplitten. Stimmen für einen "Verlierer-Titel" werden zum nächsten Ratstreffen übertragen, bleiben aber an die Stimmabgabe gebunden. Das heißt, abgegebene Stimmen bleiben gültig, bis der Titel gewählt wurde. Über eure jeweils aktuellen Stimmen könnt ihr unabhängig davon frei verfügen.

Die KI spielt bereits auf dem normalen Schwierigkeitsgrad Taktiker ziemlich gut und wird euch vor eine Herausforderung stellen. Das gilt erst recht für die höchsten Schwierigkeitsgrade, die ihr für jede KI einzeln einstellen könnt. Was die unterschiedlichen Schwierigkeitsgrade bewirken, verrät das Spiel derzeit leider nicht. Insgesamt agiert die KI gut, kann zum Beispiel den Nexus verteidigen. Im Vergleich zu Partien gegen menschliche Spieler fällt mir jedoch auf, dass die KI, auch auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad, tendenziell zu passiv ist, wenn sie euch eigentlich aus dem Nexus-System rausschmeißen sollte. Auch eine koordinierte Attacke aller Rivalen, wie es menschliche Gegner eher machen, habe ich nicht erlebt. Dabei wäre es doch wichtig, die Fraktion, die davonzieht, notfalls gemeinsam zu stoppen. Das gelingt Menschen besser, die derzeit aber auch tendenziell zu spät versuchen, davoneilende Spieler in die Schranken zu weisen. Das liegt allerdings auch daran, dass die Partien oft ziemlich knapp ausgehen! Wer also der "wahre Feind" ist, ist nicht immer klar auszumachen. Zumal manche Spieler im letzten Spieldrittel schon aussichtslos zurückliegen und daher nicht unbedingt alles geben, damit Spieler A statt Spieler B gewinnt. Eine zweite Schwäche der KI scheint mir die Spionageabwehr. Ich hatte glaube ich nie den Fall, dass die KI meine Spionageattacken, vom Coup über den Technologiediebstahl bis zum Anzetteln einer Meuterei, erfolgreich abgewehrt hat. Dafür gibt es Technologien und Gebäude. Menschen gelingt das hingegen ziemlich oft.

Eine Partie im Thronfolge-Modus dauerte bei mir anfangs ungefähr 70 Minuten. Mittlerweile kenne ich die Erlasse ganz gut und kann, gerade mit meinen Lieblingsvölkern, eine Partie in 40 Minuten beenden. Und während dieser Partien wird die komplette 4X-Klaviatur gespielt, von bescheidenen Anfängen bis hin zu epischen Raumschlachten. Trotz der genannten KI-Schwächen, von denen 4X-Spiele ja nie ganz frei sind, macht Stellaris Nexus nicht nur in den Story-Missionen, sondern auch im Thronfolge-Modus gegen die KI viel Spaß. Und der Multiplayer legt nochmal eine ganze Schippe drauf!
 
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Rausgezoomt seht ihr beispielsweise alle Pakte und Tech-Stufen (meine werden falsch angezeigt, der einzige Bug der mir auffiel).
 

Allmachtsphantasien im Multiplayer

Der Thronfolge-Modus im Multiplayer funktioniert exakt wie im Singleplayer. In eine Partie kommt ihr über die Suchfunktion, wobei ihr ein Volk auswählen oder es dem Zufall überlassen könnt, was die Wartezeit senken soll. Nach fünf Minuten kommt der Hinweis, dass es etwas still im Internet ist und ihr mal nach Custom Games schauen sollt. Ich war nach acht Minuten in einer Partie. Bei den Custom Games tauchen meist nur zwei, drei Partien auf. Das ist zum Teil sicherlich den Feiertagen geschuldet. Allerdings ist das Release-Fenster aus meiner Sicht auch denkbar ungünstig. Wie viele Spieler starten kurz vor Weihnachten in einem Jahr voller Zeitfresser-Titel ein Early-Access-Spiel? Ich kam jedenfalls ganz gut in Multiplayer-Partien, würde mir aber wünschen, dass die Spielerbasis wächst. Angesichts der Qualität des Titels gehe ich auch fest davon aus. Denn der Multiplayer-Modus ist ein ziemlicher Kracher.

Klar, spielmechanisch funktioniert er wie ein Match gegen die KI. Aber: Die menschliche Psychologie spielt mit! Ihr könnt sowohl mit allen, einem Teil der Spieler oder auch einem einzelnen Spieler chatten. Entweder per Freitext oder per vorgegebener Blöcke. So könnt ihr die Meldung ablassen, dass ein Spieler zu mächtig ist und dringend gestoppt werden müsste. Oder ihr schlagt, ganz informell außerhalb der Mechanik, ein Bündnis vor. Möglich sind natürlich auch "Rollenspiel-Partien" via Voice-Chat, für den ihr aber zum Beispiel auf Discord zurückgreifen müsstet. Aber auch komplett ohne diese Arten der Kommunikation ist eine Partie sehr gut spielbar. Denn Taten zählen mehr als Worte. Wenn ihr einen Technologietausch oder ein Bündnis vorschlagt, werdet ihr ja sehen, was rauskommt. Dabei können auch "schlechte Deals" für euch interessant sein. Zum Beispiel wenn der Deal dem Feind eures Feindes etwas mehr nutzt als euch oder ihr eine niedrigstufigere Technologie abgebt als erhaltet, euer Tauschpartner aber eh weit abgeschlagen ist. Wobei dann die Frage ist: Tauscht er vielleicht zu eurem Nachteil weiter? Und wie wird der Gegner reagieren? Kann er überhaupt reagieren, wenn ihr kulturell per Erlass in sein Reich vordringt? Vielleicht solltet ihr warten, bis er angegriffen wird? Und überhaupt, die Thronfolge-Punkte. Wenn ihr zu schnell davonzieht oder euch den Nexus schnappt, macht ihr euch doch nur Feinde! Viel besser könnte es sein, im vorderen Drittel mitzuschwimmen und einen Endspurt vorzubereiten, den dann hoffentlich niemand mehr stoppen kann!

Zusätzliches Salz in die Suppe kommt durch die Spionage. Die kann zwar abgewehrt werden, wer dahintersteckt, kommt aber nicht heraus. Zumindest bei mir bislang nie. Um agieren zu können, müsst ihr eine Präsenz in der Nachbarschaft des Ziel-Systems haben. Das kann ein eigenes System sein, aber auch verbreitete Kultur oder die Errichtung eines Listening Posts, also Abhörpostens, genügt dafür. Die Anspannung während einer Multiplayer-Partie ist jedenfalls angenehm hoch. Anders als in einem Echtzeitstrategiespiel könnt ihr aber vergleichsweise noch entspannt agieren. Daran ändert auch das standardmäßige Zuglimit von einer Minute nichts (das lässt sich aber auch um- und ausstellen). Wenn ihr keine Ahnung habt, was ihr tun sollt, was die Erlasse bringen oder ihr ständig "Undo" drücken müsst, kommt ihr schon ein wenig in die Bredouille. Ihr solltet also auf jeden Fall zunächst ein wenig Solisten-Erfahrung sammeln. Das Spiel selbst lässt euch erst nach einer Thronfolge-Partie in den Multiplayer. Ich würde euch aber empfehlen, erst mindestens eine Partie mit jedem Volk bestritten zu haben, damit ihr zumindest eine grobe Idee habt, was euch erwartet.
 

Fazit

Ich konnte mir kaum vorstellen, wie ein ausgewachsenes 4X-Erlebnis in rund eine Stunde Spielzeit gepackt werden soll. Nach rund 20 Spielstunden, einschließlich eines Sieges im Sechs-Parteien-Multiplayer, darf ich konstatieren: Hut ab, Whatboy Games, mission accomplished. Von den zarten Anfängen einer ins All aufbrechenden Spezies bis zu epischen Raumschlachten und Intrigen im Endgame – Stellaris Nexus bietet die volle 4X-Erfahrung, präsentiert als Card-Driven-Boardgame. Und das ganze wirklich in rund einer Stunde! Brauchte ich anfangs gegen die KI noch eine gute Stunde, bewegte ich mich mit mehr Erfahrung sogar eher im Bereich von 40 Minuten. Die stabil laufenden Multiplayer-Partien mit Standard-Zuglimit dauerten jeweils knapp eine Stunde.
Bislang gibt es vier Story-Missionen. Das dürfen gerne mehr werden!


Erstaunlich ist, dass das frisch in den Early Access gestartete Stellaris Nexus bereits einen sehr runden Eindruck macht. Es gibt Tooltips an allen Ecken und Enden, Kodex und Enzyklopädie, neben der Möglichkeit zur Texteingabe auch gute, vorgefertigte "Kommunikationsbausteine". Es gibt bereits jetzt viele Erlasse und Gebäude sowie neun Fraktionen mit je drei verschiedenen, freischaltbaren Anführern, die euch asymmetrische Vielfalt bieten. Sie unterscheiden sich durch ihre Erlasse, haben aber auch spezifische Stärken und Schwächen. Und nicht jede Fraktion liegt mir gleich gut: Mit den objektiv guten Händlern etwa kam ich schlechter zurecht. Als Solo-Spieler habt ihr vier Story-Missionen zur Verfügung und könnt euch in den Thronfolge-Modus gegen die KI stürzen. Noch mehr Spaß macht mir das im Multiplayer! Und nach jeder Partie gibt es zu allen Bereichen Statistiken und Graphiken.

Wo ist denn da der Early Access? Die KI kann im Laufe der Entwicklung sicher noch etwas in Richtung Niveau der menschlichen Spieler gehoben werden, auch wenn sie euch jetzt schon fordern wird. Für Solisten dürften mehr Story-Missionen auf der Wunschliste stehen. Etwas verwirrt hat mich die Anzeige der Technologiestufen der Empire auf der Karte, ich habe auch beim Entwickler nachgehakt (Die Antwort reiche ich nach). Mir scheint es mittlerweile, dass die höchste von euch selbst erforschte Stufe angezeigt wird und die erhandelten oder geklauten Technologien für die Anzeige nicht berücksichtigt werden. Welche Variante besser ist oder wäre, puh, schwierig. In jedem Fall sollte die Anzeige noch per Tooltip erklärt werden.

Ansonsten dürfte es im Rahmen des Early Access vor allem ums Balancing gehen. Manche Völker liegen mir mehr als andere. Aber das ist von Spieler zu Spieler unterschiedlich. In der Spitze tummeln sich einige Völker, für eine abschließende Beurteilung ist es aber noch zu früh. Vielleicht gibt es ja doch ein, zwei Völker, die statistisch gesehen zu häufig verlieren? Das ein oder andere Detail, wie eben der Tooltip bei der Technologiestufen-Anzeige, lässt sich sicher auch noch optimieren.

Das Fazit ist dennoch klar: Whatboy Games erreicht schon zum Early-Access-Start sein unglaubliches Ziel, euch packende 4X in rund einer Stunde zu bieten. Dieses Erlebnis solltet ihr euch als genre-affine Spieler - erst recht als mit Zeitmangel geplagte Erwachsene - keinesfalls entgehen lassen.
 
Anzeige
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Beim Level-up bekommt ihr Freischaltungsmarken, mit denen ihr neue Leader freischaltet.


 
Vampiro 31. Dezember 2023 - 19:51 — vor 19 Wochen aktualisiert
Vampiro Freier Redakteur - - 122995 - 31. Dezember 2023 - 13:36 #

Viel Spaß beim Lesen!

Und vielen Dank an Jörg, dass ich mich aus besonderem Anlass (Auflösung folgt am Dienstag!) mit dem UA noch reindrängen durfte und an Jürgen, der nach meiner Nachtschicht durch durch die Textwüste gepflügt ist :)

Jürgen (unregistriert) 31. Dezember 2023 - 17:07 #

Sehr gerne. War sowieso wach :)

Vampiro Freier Redakteur - - 122995 - 31. Dezember 2023 - 20:22 #

Echt cool :) Trotzdem hättest du ja Aschenbrödel gucken oder Schokolade essen können :)

StefanH 26 Spiele-Kenner - - 65067 - 31. Dezember 2023 - 14:27 #

Das liest sich ja wirklich sehr gut. Bin mal gespannt, wie die fertige Version ist. Von EA lasse ich aus Prinzip lieber die Finger...

Vampiro Freier Redakteur - - 122995 - 31. Dezember 2023 - 16:42 #

Ich auch :) Hätte ich das Prinzip, bliebe ich auch dabei. Wer auf dem fence sitzt, kann zugreifen, da es schon ziemlich feature complete und rund wirkt. Und die Spielzeit ist ja auch eher niedrig pro Partie und man spoilert sich keine Story wie in einem RPG oder sowas.

Faith 20 Gold-Gamer - P - 20828 - 31. Dezember 2023 - 14:37 #

Hört sich spannend an, da werde ich auch mal reinschnuppern.

Und Danke für den weiteren "Stellaris" Content :D

Vampiro Freier Redakteur - - 122995 - 31. Dezember 2023 - 16:41 #

Vielen Dank und sehr gerne :) Astral Planes kommt auch noch, when it's done. Es kam einfach (mal wieder) zu viel auf einmal.

Vampiro Freier Redakteur - - 122995 - 31. Dezember 2023 - 18:34 #

Noch ein Hinweis; Ich habe drei Verschiebe-Screenshots eingebaut. Due werden mir am Handy nicht angezeigt :( Daher am besten am PC lesen.

Deklest 13 Koop-Gamer - 1550 - 1. Januar 2024 - 17:51 #

Danke für den informativen User-Artikel. Wie du es geschafft hast bei den ganzen komplexen Spielmechaniken alles auf den Punkt zu bringen, Hut ab.
Das ganze klingt recht interessant, allerdings muß ich gestehen, dass mir der Fokus mit der kurzen Spielzeit pro Partie nicht so zusagt.

Vampiro Freier Redakteur - - 122995 - 1. Januar 2024 - 22:01 #

Hi, sehr gerne und vielen Dank für dein super Feedback, das freut mich sehr :)

Ja, ich würde sagen, wenn man gerne mehrere Sessions Stellaris spielt, ist das hier schon deutlich anders. Durch die, ich war schon überrascht, volle 4X-Erfahrung in ca. einer Stunde ist es was ganz besonderes. Man muss aber Lust auf kurze, knackige Partien haben. Durch die stark unterschiedlichen Fraktionen ist der Wiederspiel- und Rumprobierwert schon hoch. Gerade, wenn man auch Lust auf Multiplayer hat. Weil jetzt so nach 20 Stunden würde ich Thronfolge im Singleplayer eher spielen, wenn ich entspannt spielen (zB nebenbei Podcast hören oder Kekse essen :D) oder was neues ausprobieren will.

Deklest 13 Koop-Gamer - 1550 - 2. Januar 2024 - 0:02 #

Du bist aber auch der Profi, ich nicht. Ich muss erstmal mit einem Grandstrategie anfangen und mich da auch mal reinfuchsen.

Vampiro Freier Redakteur - - 122995 - 2. Januar 2024 - 15:39 #

Durch das brettspielartige und die kurze Spielzeit (Fehler machen, lernen, besser machen) ist Nexus ziemlich geeignet. Allerdings halt vor allem auch MP = Stress. Da man in CK3 nicht wirklicj "scheitern" kann, wäre das, wenn das Setting passt, ein guter Einstieg. Im Detail ist einiges aber auch sehr kompliziert (v.a. Erbfolge), aber man kann quasi immer weiterspielen. Hat auch sehr gute Tooltips. EU4 ist imho irgendwie weiterhin der King. Stellaris macht viel Spaß. HoI4 ist tendenziell schwierig, weil man sozusagen erst im Krieg merkt, was man falsch gemacht hat :D Hat aber auch vergleichsweise kurze Runs, was wiederum zum Lernen gut ist. Man lernt aber auch stark einzelne Länder.

Deklest 13 Koop-Gamer - 1550 - 2. Januar 2024 - 23:54 #

Na ja EU 4 habe ich. Deswegen werde ich mich da auch mal bei Gelegenheit wieder dran versuchen. Zur Zeit bin ich nur gerade mit einem anderen Spiel beschäftigt.

Vampiro Freier Redakteur - - 122995 - 3. Januar 2024 - 0:38 #

Ah stimmt ja, das ist cool :) EU4 war auch mein "richtiger" Start, habe aber vorher schon HoI2 gesuchtet :) Dann bist du, sobald die Zeit passt, auf jeden Fall bereit für Nexus :)

Deklest 13 Koop-Gamer - 1550 - 5. Januar 2024 - 0:14 #

Mal schauen wie es wird ;)

Vampiro Freier Redakteur - - 122995 - 5. Januar 2024 - 4:55 #

Ich bin gespannt :)

Deklest 13 Koop-Gamer - 1550 - 6. Januar 2024 - 0:44 #

Ich werde auf jeden Fall davon berichten. Immerhin gibt es ja die DU

Prinz Ipp 15 Kenner - 2821 - 1. Januar 2024 - 21:46 #

Danke für den Artikel, das ist an mir vorbei gegangen. Bei dem Namen hab ich's wahrscheinlich immer für eine Stellaris-Erweiterung gehalten. Habs mir nun auf Steam zugelegt und bin noch in der ersten Partie, aber bisher sehr schön!

Vampiro Freier Redakteur - - 122995 - 2. Januar 2024 - 18:31 #

Sehr gerne :) Es freut mich, dass es dir, vor allem weil der Artikel Anlass des Kaufs war, Spaß macht :) Ich denke, in deinem Fall ist der Name Fluch (man denkt es ist eine Erweiterung) oder auch wenn man denkt, es ist "Stellaris Light". Andererseits bringt es aber auch Publicity. Das gute Stardeus (klar, anderes Genre) läuft vergleochsweise bisschen unter dem Radar, wird aber aufgrund seiner Stärken noch Momentum bekommen.

Jamison Wolf 19 Megatalent - P - 14085 - 2. Januar 2024 - 13:09 #

Guter Artikel, macht lust da mal reinzuschauen!

Vampiro Freier Redakteur - - 122995 - 2. Januar 2024 - 18:31 #

Vielen Dank und für den Fall der Fälle schonmal viel Spaß :)

Sokar 24 Trolljäger - - 48425 - 4. Januar 2024 - 18:30 #

Danke für den Check. Ich hab vor Weihnachten auch in die "Demo" geschaut und die erste Kampagnen-Mission gespielt. Fand ich durchaus ansprechend, auch wenn ich einen zweiten Anlauf brauchte, weil ich im ersten mit zuerst in Richtung des Feindes ausgebreitet hatte und dann innerhalb weniger Züge vernichtet wurde. Neustart und in die andere, dass ich mich erstmal Aufbauen kann hat deutlich besser funktioniert.
Ich hatte gehofft, dass Nexus mir den Einstieg in Stellaris erleichtern könnte, dass ich immer noch vor mir her schiebe. Ich habe sehr viel Respekt vor den Paradox-Titeln, weil sie als Komplexitätsmonster gelten, ich mit keinem wirklich Erfahrung habe und eigentlich auch nicht die Energie und Zeit, mich darin mal wirklich einzuarbeiten. Aber da Nexus deutlich anders funktionieren soll und mehr ein anderes Spiel mit Stellaris-Skin sein soll, würde das zumindest nicht funktionieren. Mal schauen, aktuell habe ich es eher peripher im Auge, zu viel anderes auf der Liste ;)

Vampiro Freier Redakteur - - 122995 - 5. Januar 2024 - 4:54 #

Sehr gerne :)

Ich musste die Stories auch mal neu starten, auf jeden Fall die mit den Ratten hatte ich nicht gleich geschafft, weil mir nicht gleich schnell genug klar war, was ich wie machen muss :D

Der Hauptmodus ist dann ja Succession (Thronfolge), das spielt sich nochmal anders als die Storymissionen.

Nexus hat eigentlich "nur" den Namen von Stellaris, ist hat also auch keinen Stellaris-Skin. Es gibt nur paar wenige Elemente (Namen z.B.), die es auch in Stellaris gibt.

Ich würde in Stellaris einfach einsteigen, wenn dich das interessiert. Du kannst viele Parameter einstellen und es dir richtig einfach (für den Start) einstellen. Das ist ein bisschen wie mit Dark Souls, viele sagen es ist so schwer, aber irgendwie ist es Gatekeeping. Man kann schon gut reinkommen. Falls du Star Trek magst, könntest du vllt. mal in Star Trek Infinite schauen (siehe mein Check). Das macht zwar VIELES anders als Stellaris, baut aber auf einer älteren Version von Stellaris auf, ist also ein Zweig sozusagen. Und ist etwas kompakter als Stellaris. Ansonsten bietet sich z.B. CK3 für einen Einstieg ein, weil man im Prinzip nicht scheitern kann.