Schläft sie denn nur? Um Goal endgültig wach zu bekommen, muss Rufus halb Deponia durchqueren.

Oh wie schön ist's doch im MüllDie meisten Adventures der vergangenen Jahre setzen auf die bewährte "2,5D-Technik", also vorgerenderte Hintergründe und 3D-Charaktere. Und selbst in Spielen mit handgezeichneten Hintergründen wie Lost Horizon agierten zumeist dreidimensionale Charaktere. Bei Daedalic ist das seit der Gründung vor ziemlich genau fünf Jahren anders. All ihre Spiele sind reinrassige 2D-Adventures. Und Deponia ist zweifellos ein Beispiel dafür, weshalb die Hamburger gut an dieser Entscheidung getan haben. Die rund 30 liebevoll gezeichneten Szenen können zwar nicht mit realistischer Beleuchtung oder Partikeleffekten dienen, quellen aber nur so über vor Comic-Charme. Hier und da hätte eine zusätzliche Hintergrundanimation vielleicht gut getan, denn statische Wolken am Himmel sehen anno 2012 einfach doof aus. Doch im Vergleich mit den vorherigen Daedalic-Spielen haben sich die Entwickler nochmal klar gesteigert und sorgen mit Flammen im Ofen, einer Kaugummi-Blasen pustenden Passantin oder einem im Hintergrund schwenkenden Kran für genügend Bewegung im Bild. Ganz besonders hat uns die Einsatzzentrale von Gizmo gefallen, die sich per Schalter jeweils ins passende Büro für jeden seiner drei Berufe verwandelt. Wie schon Harveys neue Augen erstrahlt Deponia in nativer Full-HD-Auflösung; im direkten Vergleich fällt auf, wie minimalistisch die meisten Szenen im Edna-bricht-aus-Nachfolger eigentlich waren.

Kein Sorge: Rufus springt hier nicht in ein Becken voll mit ätzender Säure. Wollen wir es hoffen...

Sehr stark fällt der Unterschied auch bei den Charakteren auf, die in Deponia über eine wesentlich ausgeprägtere Mimik und Gestik verfügen. Besonders schön finden wir, dass Rufus und Co. deutlich mehr unterschiedliche Gemütszustände abbilden können. Perfekt ist das Spiel in dieser Hinsicht deshalb aber noch nicht. Zwischendrin kann es immer wieder kleinere Ruckler geben, wodurch einzelne oder auch mehrere Animationsphasen einfach übersprungen werden. In den Dialogen kommt es auch vor, dass die Bewegungen sichtbar zeitversetzt abgespult werden.

Nicht so schön ist auch, dass Rufus' Charaktermodell an einigen Stellen offensichtlich schlecht skaliert wurde. Im Bürgermeisterbüro ist er ganz vorne und recht groß im Bild zu sehen und wirkt schrecklich unscharf. Möglicherweise hängt es auch damit zusammen, dass Daedalic erst im Sommer damit begonnen hat, sämtliches Material für die 1080er Auflösung nochmal neu zu bearbeiten. Ursprünglich sollte das Spiel nämlich eine native Auflösung von 1440x900 haben. Das stört die Atmosphäre insgesamt aber nicht, zumal Daedalic bei den Spezialanimationen einige sehr schöne und aufwändige Sachen eingebaut hat. Dazu zählt nicht zuletzt ein Minenbike (eine Art Strandbuggy auf Schienen), mit dem Rufus über die Gleise heizt. Und erwähnt werden sollten auch die Zwischensequenzen, die ebenfalls in 1080p vorliegen. Die mit Abstand beste davon ist sicherlich die unmittelbar nach dem Start von Rufus' Fluchtversuch, die uns schon beim Zusehen weh tut. All diese Videos könnt ihr euch später noch beliebig oft über das Spielmenü anschauen.

Müllmann sucht Tippgeber

Sehen diese drei so aus, als wenn sie euch helfen wollten?

Nach dem (für heutige Verhältnisse) ultrakomplexen Edna bricht aus hat Daedalic bei den eigenen Spielen den Schwierigkeitsgrad nach unten und den Spielkomfort deutlich nach oben korrigiert. Die weggefallenen Verben und die Implementierung einer Hotspotanzeige sind nur zwei Belege dafür. Harveys neue Augen war, abgesehen von einzelnen der Minigames, sogar eines der leichtesten Adventures von Daedalic überhaupt. In Deponia zieht die Schwierigkeit der Rätsel prinzipiell nicht an, allerdings kommt es noch eine Spur häufiger vor, dass es an Hinweisen zu einzelnen Rätseln mangelt. Wir hingen zum Beispiel an einer Stelle im sehr langen ersten der drei Kapitel, da wir nicht erkannt hatten, was wir mit den Handschellen anfangen müssen. Erst nach fast einer halben Stunde Stillstand, fiel es uns aufgrund eines Details im Raum wie Schuppen von den Augen.

Natürlich sind Situationen der Ratlosigkeit nichts Ungewöhnliches für Adventures, ohne sie würde jeder Anspruch fehlen. Aber bei einer zwar kleinen, aber umso wichtigeren Aktion wie dieser, wäre ein kleiner Tipp doch sinnvoll gewesen. Dieses Rätsel ist aber gleichzeitig ein gutes Beispiel für die Vielfalt der Anforderungen. Denn es ist nicht nur logisches Denken gefragt, sondern manchmal auch eine gute Beobachtungsgabe. Zum Beispiel könnte euch im Rathaus-Wartesaal direkt auffallen, dass ihr die Hüte einiger Wartenden schon mal irgendwo gesehen habt. Manchmal müsst ihr euch aber auch auf das Verhalten eurer Spielfigur einstellen. Zum Beispiel muss Rufus an einer Stelle eine Yoga-Übung machen – nun, er soll. Dazu würde er "lediglich" sitzend sein Bein hinter den Kopf nehmen müssen. Aber faul wie er ist, tut er es nicht. Stattdessen legt er das Bein eines Skeletts auf die Hutablage des Sessels, auf dem er sitzt. So geht es natürlich auch. Viel habt ihr zu diesem Zeitpunkt nicht im Inventar, aber das ist nur eine der Aktionen, gegen die ihr euch nicht unterbewusst wehren dürft.

Großes Areal mit FreiheitenGrundsätzlich solltet ihr euch darauf einstellen, ein relativ großes Areal zur selben Zeit überblicken zu müssen. Deponia ist wie die meisten Daedalic-Spiele vergleichbar mit The Secret of Monkey Island aufgebaut, sodass ihr einige Aktionen und kleinere Rätselketten in beliebiger Reihenfolge abarbeiten könnt. Für die Hauptaufgaben hat Rufus auch mehrfach einen Merkzettel in der Hand, auf dem ihr die vollständigen Teilziele im Blick behaltelt. Einige davon, die Hauptziele sowieso, laufen später zusammen beziehungsweise kreuzen sie sich auf dem Weg zum Kapitelende. Das sorgt gerade im ersten Kapitel dafür, dass ihr eigentlich immer etwas zu tun habt und es theoretisch nicht so schnell zu größeren Hängern kommt. Vorsicht geboten ist dennoch bei allen Spielern, die auf die Hotspotanzeige freiwillig verzichten: Einzelne Hotspots sind ohne das Highlighting quasi nicht zu erkennen.

Minispiele gibt es auch wieder ein paar; die etwas anspruchsvolleren davon sind quasi direkt überspringbar. Wer also keine Lust haben sollte, etwa ein zerstörtes Mosaik wieder zusammenzusetzen, kann sich die Aufgabe einfach schenken. Den mit Abstand größten Teil der Rätsel von Deponia machen aber wieder Inventar- und Kombinationsrätsel aus. Viele davon finden auch direkt im Inventar statt, das zwischenzeitlich mit bis zu 15 Objekten gefüllt ist. Übrigens dürft ihr das Inventar entweder klassisch über einen Button oder per Mausrad öffnen – oder einfach per i-Taste. Das Spiel speichert bei jedem Szenenwechsel, sodass ihr auch beim impulsiven Beenden keinen wirklichen Verlust erleidet.

Im linken Beld hängt das Skelett noch ganz friedlich vom Signal – die Szene erinnert uns an Monkey Island, wo im Dschungel die Leiche am Baum hängt.	Die Färbung im rechten Bild liegt an Rufus: Er muss sich für ein Rätsel vom Doc zeigen lassen, wie man per Meditation so richtig entspannt.