Xrodon

Xrodon User-Artikel

Von Gamern für Gamer

CharlieDerRunkle / 6. Januar 2024 - 1:50 — vor 13 Wochen aktualisiert

Teaser

Der Dämon Xrodon bedroht die Welt! Nur ein Magier weiß von ihm und will den Kampf gegen ihn aufnehmen. Er bezahlt einen hohen Preis dafür, denn die Dinge sind nicht so, wie sie zu sein scheinen…
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Im Jahr 2010 nahm eine Gruppe von Hobby-Entwicklern am Deutschen Multimediapreis mb21 teil. Das Team um Andreas Reich und Martin Dechant nannte sich Golden Vertices und reichte das selbst entwickelte Rollenspiel Xrodon ein (Ksrodon gesprochen, nicht X-Rodon). In diesem linearen Rollenspiel steuern wir einen Magier, der den finsteren sowie titelgebenden Dämon Xrodon bekämpft. Unterstützung erhält er von der Göttin Xiar, allerdings häufen sich die Hinweise, dass etwas nicht stimmt. Doch alles schön der Reihe nach.
 

Auferstanden von den Toten

Unser Abenteuer beginnt auf Eronu. Als einziger Überlebender eines Schiffsunglücks rettet uns Xiar, die Göttin der Unterwelt. Noch hat unsere letzte Stunde nicht geschlagen, denn zuerst müssen wir den Kampf gegen Xrodon aufnehmen. Mit ihm fing alles an: Unser Held hatte in der Vergangenheit immer wieder Visionen des dunklen Dämonen, der in einer Zwischenwelt gefangen ist. Doch niemand schenkte ihm Glauben. Auf seiner Suche nach einem Schlüssel, mit dem er Xrodon endgültig in die ewige Finsternis verbannen kann, brach der Magier das heilige Gesetz Gintharas, denn er beschäftigte sich mit der uralten und verbotenen Macht der Seelenenergie. Weshalb dieses Wissen verboten ist, liegt auf der Hand: Mithilfe der Energie gesammelter Seelen kann ein Magier seine Kräfte stärken und mächtiger werden. Wessen Seele er dafür benutzt, ist prinzipiell egal. Schon im ersten Level können wir beispielsweise ein Bauern-Ehepaar töten, was nicht nur ungestraft bleibt, sondern uns sogar Vorteile bringt. Denn je mehr Seelen wir sammeln, umso mehr Möglichkeiten haben wir, unsere Werte zu verbessern, neue Ausrüstung zu erlangen oder neue Zauber zu erlernen. Der Zweck heiligt die Mittel, nicht wahr?
Auf dem Weg zum alten Turm erschrecken wir ein paar Bauern.

Zu Beginn stehen uns nur ein Heilzauber und Feuerbälle zur Verfügung, außerdem eine Robe des Wandermagiers sowie ein einfacher Magierstab, die keinerlei Boni besitzen. Unsere Lebensenergie und Mana sind nicht allzu hoch, doch durch die ersten gesammelten Seelen können wir unsere Werte etwas aufbessern. Später kaufen wir bessere Zauber und Ausrüstung, vorausgesetzt, wir waren fleißig und haben genug Kreaturen vernichtet. Oder Menschen... Der alte Alchemistenturm, den wir im ersten Level erreichen, fungiert als Basis, zu der wir nach jeder erfolgreichen Mission zurückkehren und wo wir unsere Seelenenergie eintauschen können. Außerdem gibt es im Untergeschoss ein Reiseportal, von dem aus wir zur nächsten Mission aufbrechen können. Sehr praktisch.
 

Leichen pflastern seinen Weg

Unsere erste Mission führt uns in den Feenwald. Unser Auftrag ist klar und lässt keinerlei Zweifel zu: Wir sollen die Feenkönigin finden und töten. Ein fetter Brocken, denn unterschiedliche Lebewesen geben uns unterschiedlich viel Seelenenergie. Und letztendlich geht es doch darum, Xrodon zu besiegen, und daher ist uns jedes Mittel recht. Außerdem – wer sind wir, um uns dem Willen einer Göttin zu widersetzen? Auf unseren ersten Missionen wacht Xiar über uns und gibt uns wertvolle Hinweise. Prinzipiell sind uns alle Kreaturen, denen wir begegnen, feindlich gesinnt, bestenfalls neutral, was uns natürlich nicht daran hindert, sie um ihre Seelen zu erleichtern. Denn stärkere Zauber benötigen mehr Mana, daher müssen wir zwangsläufig unsere Werte verbessern. Wir sollten unsere Gegner nicht unterschätzen, denn bis auf Fernkampf, also Zauber wie Feuerbälle oder Blitze, haben wir keine andere Möglichkeit, uns zur Wehr zu setzen. Wir sollten also darauf achten, Kreaturen rechtzeitig zu entdecken und aus der Ferne zu bekämpfen, anderenfalls können wir ernstzunehmenden Schaden nehmen. Und natürlich sollten wir uns rechtzeitig heilen. Vorausgesetzt, wir haben genug Mana. Ist unsere Zauberenergie aufgebraucht, müssen wir warten, bis sie sich wieder soweit regeneriert hat, dass wir weitere Zauber wirken können. Es kann manchmal also sinnvoller sein, kurz zu verschnaufen und unser Mana regenerieren zu lassen, statt einfach drauflos zu rennen.
Das Licht der Sterne leitet uns bei unserem Vorhaben, die Population des Feenwaldes zu dezimieren.

Haben wir die Feenkönigin erschlagen, führt uns der Weg in die Hafenstadt Kardia, die Heimat des Magiers. Hier wird das Kephalo-Fest zu Ehren der Ahnen abgehalten. Und hier soll die Krone der Ahnen zu finden sein, die wir für unseren Kampf gegen Xrodon benötigen. Der Besuch in der Stadt entpuppt sich als Falle. Nur mit Mühe schaffen wir es aus der Stadt heraus, so manche Wache fällt uns zum Opfer. In den Zwischensequenzen erfahren wir mehr über unseren Helden; so hatte er einst eine Frau, Tara. Und sie musste seiner Aussage nach "auf dem Altar der Macht geopfert werden", was auch immer das heißen mag. Wir bekommen die ersten Zweifel, ob die Absichten des Magiers wirklich so edel sind, wie sie zu sein scheinen. In der nächsten Mission folgen wir dem Inquisitor (offensichtlich ein hohes Tier im magischen Rat) in eine kleine Siedlung in einem Sumpf. Dort müssen wir uns allerlei widerlichem Getier erwehren und am Ende stehen wir dem Inquisitor gegenüber. Ein weiteres Opfer für unseren Kampf gegen Xrodon.
 

Wir werden verraten

Dass der Weg, den wir beschreiten, uns tiefer in die Finsternis führt, wird immer offensichtlicher. Natürlich geht es letztendlich um das Wohl der Menschheit, denn Xrodon führt nichts gutes im Schilde und sollte er entfesselt werden, bedeutet dies ewige Verdammnis für die gesamte Welt. Doch ab wann ist der Preis, den unser Held zu bezahlen hat, zu hoch? Und… ist er überhaupt der Held der Geschichte? Zweifel über Zweifel. Die sich bestätigen, als uns die Göttin Xiar in eine alte Nekropole schickt, denn hier soll die bereits erwähnte Krone der Ahnen zu finden sein. Doch sie hintergeht uns und hetzt uns die Untoten auf den Hals. Entgegen ihrer Erwartung können wir uns erfolgreich gegen die Geister, Skelette und Zombies zur Wehr setzen. Ab da an steht die Göttin der Unterwelt ebenfalls auf unserer Abschussliste.
 
Wir schaffen es zum Verlies, in welchem Xrodon auf seine Befreiung wartet. Doch zunächst stellen sich uns mehrere göttliche Avatare in den Weg, die wir besiegen müssen. Dabei hören wir bereits die Stimme Xrodons, der nach uns ruft. Doch es ist zu spät für Zweifel: Der Versuch unserer Gegner, uns mit Worten zur Vernunft zu bringen oder wenigstens durch Kämpfe aufzuhalten, scheitert. Uns wird ein weiterer Grund für das Verbot des dunklen Wissens um die Macht der Seelenenergie offenbart: Sie korrumpiert uns. Wir haben längst unser edles Ziel, die Menschen vor Xrodon zu bewahren, aus den Augen verloren. Denn sind Menschen nichts anderes als wandelnde Seelen, bei denen wir uns nur zu bedienen brauchen? Die ungeheure Macht vor Augen, die sich uns durch die Seelenenergie offenbart, erkennen wir zu spät, dass wir nur ein willfähriges Werkzeug Xrodons waren. Von Anfang an waren es Wahnvorstellungen, die unseren Geist vergifteten und uns dazu brachten, ein Massaker anzurichten und letztendlich den finsteren Dämon Xrodon zu befreien. Am Ende ergibt alles einen Sinn, doch dieser gefällt uns ganz und gar nicht.
Trotz seiner treuen Anhänger fällt uns der Inquisitor letztendlich zum Opfer. Ein Feuerregen besiegelt sein Schicksal.
 

Kritik oder nicht, das ist hier die Frage

Wie schon das eine oder andere mal erwähnt, beleuchten meine Artikel auch immer die negativen Seiten eines Spiels. Hier habe ich aber mit mir gerungen. Immerhin handelt es sich nicht um eine kommerzielle Veröffentlichung. Für gewöhnlich hat ein Spieler für ein Spiel zu löhnen, darf also eine gewisse Qualität erwarten. Oder dass es einfach nur läuft. Ist keine Selbstverständlichkeit, leider. Xrodon hingegen hatte nie den Anspruch, ein (professionelles) Spiel in einem kommerziellen Sinne zu sein. Die Dinge aufzuzeigen, die mir an diesem Titel nicht so gut gefallen haben, erschien mir daher ein wenig unfair. Andererseits ist es diesem Spiel gegenüber auch nicht fair, es mit Samthandschuhen anzufassen, nur weil es nicht von einem großen Publisher stammt und verkauft wurde. Doch das wäre ein Trugschluss. Denn was macht ein Spiel aus? Was ist eigentlich ein Videospiel? Wir überspringen diese philosophische Thematik und einigen uns darauf, dass es ein Videospiel nicht ausmacht, kommerziell vermarktet zu werden. Ist denn ein kostenloses Spiel automatisch weniger wert? Oder eben kein Videospiel? Blödsinn. Von daher ist es durchaus angebracht, auch die Aspekte von Xrodon darzulegen, die nicht so gut funktionieren. Gleiches Recht für alle.
 
Es ist dennoch anzumerken, dass ich persönlich keinen allzu kritischen Maßstab anlege. Natürlich funktionieren einige Dinge nicht so gut, aber man kann darüber hinwegsehen. Die Grafik ist vollkommen in Ordnung, kann aber natürlich mit einem AAA-Titel aus der Zeit nicht mithalten. Und genau das meine ich – es ist sinnlos, Xrodon mit einem anderen (kommerziellen/professionellen) Titel von 2010 zu vergleichen. Mit professionell meine ich in diesem Kontext, dass bei der Entwicklung beispielsweise ein ganzes Team aus Grafikern zur Verfügung stand. Damit kann ein kleines Hobby-Entwickler-Team gar nicht mithalten. Und muss es auch nicht. Xrodon sieht für die Umstände ganz gut aus, es brennen dem Spieler nicht die Augen, wenn er es ansieht. Und das reicht vollkommen aus für so ein Spiel. Auch das Kampfsystem hat seine Schwächen: Gerade in den Bosskämpfen läuft es gerne darauf hinaus, dass wir im Kreis laufen und dabei den Fernkampf-Attacken der Gegner ausweichen oder von ihnen davonlaufen, bis sich unser Mana regeneriert hat und wir selbst wieder angreifen können. Aber es funktioniert und ich habe schon (kommerzielle) Spiele mit schlechterem Kampfsystem gesehen.
Wir bekämpfen den Sonnenavatar. Wer auch immer das ist.

Mein Hauptkritikpunkt an Xrodon ist ein anderer. Dafür eine kleine Exkursion zum Thema Storytelling, also wie man eine Geschichte erzählt. Konkret geht es um die Regel "Show, don’t tell!", das hier an einigen Stellen missachtet wurde. Erzählen wir eine Geschichte, ist es wichtig, den Spieler/Zuschauer/Leser diese Geschichte erleben zu lassen. Deshalb ist es ein schlechter Stil, ihn mit Hintergrundwissen und Fakten zuzuballern.

Der Klassiker hierbei ist der Bösewicht – was macht ihn böse? Viele schlecht geschriebene Geschichten machen diesen Fehler. Der Bösewicht ist böse, weil er eben böse ist. Was genau ist es denn, das ihn böse macht? Na ja, die Tatsache, dass er halt böse ist. Es wird also gesagt, dass er böse sei (tell), statt es zu zeigen (show). Besser ist es, den Bösewicht etwas böses machen zu lassen, sodass der Spieler/Zuschauer/Leser selbst auf den Trichter kommt, dass der Bösewicht ziemlich böse ist und deshalb bekämpft werden muss. Die Königsdisziplin ist es, den Bösewicht böse sein zu lassen, ihm aber trotzdem eine Motivation zu geben, sodass der Spieler/Zuschauer/Leser denkt: "Ja, ok, der ist böse, aber ich weiß, wieso. Ich kann nachvollziehen, weshalb er das macht, finde es aber trotzdem verwerflich." Ein – meiner Meinung nach – sehr gut geschriebener Bösewicht ist Malcolm Dreyfuss aus der Serie Sleepy Hollow. Er ist ein Genie, dem sein verdienter Erfolg verwehrt geblieben ist. Seine einzige Möglichkeit bestand darin, dem Teufel seine Seele zu verlaufen. Nun ist er Milliardär und benutzt sein Geld, um einen Weg zu finden, den Teufel zu überlisten, um nicht auf ewig in der Hölle zu landen. Absolut nachvollziehbar, bis zu dem Punkt, wo es ihm egal ist, dass er für seine Zwecke unschuldige Menschen töten muss.
 
Wozu dieser ungefragte Exkurs? Nun, dieses Problem haben wir bei Xrodon: Was macht diesen Dämon denn böse? Woher wissen wir, dass er wirklich existiert und nicht nur das Hirngespinst eines wahnsinnigen Magiers ist? Außerdem werden uns vor allem zum Ende hin Fakten vor den Latz geknallt, mit denen wir nur wenig anfangen können. Beispielsweise erfahren wir, dass der Magier vor Jahren der Göttin Pyra die Treue geschworen, sie aber hintergangen hat. Das finden Götter grundsätzlich nicht sonderlich gut, und das erklärt auch, weshalb wir ein paar göttliche Avatare (oder diese Götter selbst, genau weiß ich das nicht) besiegen müssen, ehe wir zu Xrodon gelangen können. "Du bist fast am Ende deiner Reise angekommen. Ach ja, übrigens hattest du ja vor Jahren dieser Göttin, die bis jetzt kein einziges Mal erwähnt wurde, die Treue geschworen und sie hintergangen, deshalb musst du jetzt gegen sie kämpfen!" Kein guter Stil.
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In Zwischensequenzen wird die Geschichte weitererzählt.  Gelegentlich mit (zu) vielen Informationen für den Spieler.

Apfelsaft 17 Shapeshifter - P - 6913 - 6. Januar 2024 - 23:11 #

Ist damals komplett an mir vorbeigegangen. Scheint leider generell untergegangen zu sein, denn über Google findet man fast nichts dazu, obwohl das ein sehr ambitioniertes Projekt gewesen zu sein scheint.

edit: Hier übrigens die Xrodon Webseite in der archivierten Version von 2013: https://web.archive.org/web/20130612144210/http://goldenvertices.de/

Juuunior 14 Komm-Experte - P - 2647 - 6. Januar 2024 - 12:14 #

Jeder dieser Screenshots schreit "Gothic!". Krass...

CharlieDerRunkle 17 Shapeshifter - 7630 - 6. Januar 2024 - 13:23 #

Ja, das stimmt, das habe ich auch immer mal wieder gedacht an einigen Stellen ^^

Claus 31 Gamer-Veteran - - 421769 - 6. Januar 2024 - 12:16 #

Danke für den tollen Artikel!
Ich habe eben mal nach besten Wissen und Gewissen einen Steckbrief zum Spiel angelegt, falls du deinen Artikel damit noch verlinken möchtest:
https://www.gamersglobal.de/spiel/276735/xrodon

CharlieDerRunkle 17 Shapeshifter - 7630 - 6. Januar 2024 - 13:23 #

danke^^

Kirkegard 20 Gold-Gamer - 21178 - 6. Januar 2024 - 18:33 #

Wow, danke für den Artikel.

Deklest 13 Koop-Gamer - 1550 - 7. Januar 2024 - 18:16 #

Was für ein toller Artikel. Danke für die ganzen Infos. Sehr interessantes Spiel und auch deine Überlegungen fand ich sehr interessant. Danke dafür.

MicBass 21 AAA-Gamer - P - 29006 - 8. Januar 2024 - 16:52 #

Danke für den Artikel. Ein Artikel mit Seele, genau wie das Spiel :) Ich finde es übrigens total legitim, selbst ein kostenloses Spiel zu kritisieren und seine Schwächen offenzulegen. Schließlich investiert man etwas kostbareres als Geld, nämlich Lebenszeit.