Rückblick in die düstere Zukunft

Syndicate Wars: Utopische Nachtmahr User-Artikel

Dieser Inhalt wäre ohne die Premium-User nicht finanzierbar. Doch wir brauchen dringend mehr Unterstützer: Hilf auch du mit!

Ich befehlige bis zu vier Cyborg-Dronen. Ob ich Syndikat oder Kult spiele macht dabei keinen Unterschied.

Das Spiel, die Macher, die Hintergründe
 
Der Ursprung und die Idee zu Syndicate - Syndicate Wars ist der Nachfolger zum Erfolgstitel Syndicate aus dem Jahr 1993 - ist stark geprägt durch populäre Themen der 80er Jahre. Cyberpunk, düstere Sozial- und Kapitalismuskritik, eventuell stilistische Anleihen aus dem Roman Neuromancer, der filmische Cyber-Trash der 80er und Einflüsse aus Blade Runner sowie der legendären Terminator-Reihe bilden wohl zumindest teilweise das Fundament auf dem die Idee zu Syndicate gewachsen ist. Es gibt da aber noch eine andere Version dieser Geschichte. Sie erzählt von einigen sozial frustrierten Typen, die zufällig vor kurzem das extrem erfolgreiche Spiel Populous veröffentlicht hatten und nun etwas ganz anderes machen wollten.
 
Peter Molyneux fragte seine Jungs bei Bullfrog, worauf sie Lust hätten und einer meinte, er habe Lust rauszugehen und Leute umzulegen. Sean Cooper brachte es im Juni dieses Jahres auf den Punkt. Angesprochen auf die Frage, warum Electronic Arts seit fünfzehn Jahren keinen würdigen Nachfolger herausgebracht habe, erklärte der geistige Vater von Syndicate, er glaube nicht, dass die Leute bei Electronic Arts das Spiel verstanden hätten.
“Der Kern des Spiels ist es, Menschen zu töten – und das war’s. Schwere Wummen, kräftige Typen, so `ne Art Terminatoren. Wenn ich Jemanden töten muss, dann mach ich das. Das ist für mich der Kern des Gameplays.”, sagt Sean Cooper.
Gewaltige Waffensysteme in Menschengestalt. Cyborgs sind so kostspielig, dass weltweit nur wenige Hundert verfügbar sind. Ihre Kampfkraft und Durchhaltefähigkeit sind gefürchtet und lassen auch unter Beschuss kaum nach.

Debatte um exzessive Gewaltdarstellungen

Das Spiel löste weltweit eine breite Debatte über exzessive Gewaltdarstellungen in Videospielen aus. Es gibt in diesem Spiel keine Konsequenzen für moralisches oder unmoralisches Handeln. In diesem Spiel können lange vor Grand Theft Auto völlig ungestraft Menschen verschreckt, niedergeschossen und abgefackelt werden. Sie können als Schutzschild missbraucht und als Mob instrumentalisiert werden. Da verwundert es mich angesichts dieser Eindrücke schon ein wenig, dass nicht viel mehr und viel früher auch über die Gültigkeit von Werteordnungen und Moral nicht nur in Videospielen, sondern auch im wirklichen Leben diskutiert wurde. Dabei ist die Frage nach der universellen Gültigkeit von Menschenrechten und Menschenwürde auch aus Sicht der Rechtsphilosophie noch längst nicht abschließend geklärt.
 
Die Frage im Fall von Syndicate ist nun vielmehr: Ist das Spiel an sich unmoralisch weil es die unmoralischen Handlungen gestattet, oder zeigt es uns lediglich eine Möglichkeit auf? So wie beispielsweise der Schriftsteller Ernst Jünger in seinem Roman „In Stahlgewittern“ literarisch den Krieg beschreibt, ohne ihn zu bewerten, beschreibt Syndicate vielleicht lediglich eine fiktive Welt ohne Werte und Moral, ohne dies zu bewerten. In beiden Fällen ist nicht abschließend auszumachen, ob eine vorgefertigte moralische Bewertung und Beurteilung zwingend mit solchen Darstellungen einhergehen muss. Fest steht nur, dass diese Darstellungen offenbar eine große Faszination auf den Betrachter ausüben .

Das Syndikat erhebt einen weltweiten Herrschaftsanspruch. Der Kult hingegen besteht auf universelle Alleingültigkeit.
 
Kommerziell war Syndicate Wars kein Erfolg
 
Die Frage nach dem Misserfolg von Syndicate Wars beim Publikum und dem sich daraus ergebenden kommerziellen Scheitern ist vermutlich nicht ganz eindeutig zu beantworten, zumal der Vorgänger trotz identischen Konzepts und einer eindeutig schlechteren Story bis heute einen legendären Ruf hat. Unbeschadet davon wird der Nachfolger stets für seine miese Optik gescholten. Aber ist das wirklich der einzige Grund für das konsequente Desinteresse Vieler an Syndicate Wars?

Die Agenten verfügen über keine erkennbaren Persönlichkeitsmerkmale, außer ihren zufällig generierten Nachnamen. Die Cyborgs sind zwar faszinierend, aber sie sind auch vollkommen austauschbar. Die charakteristischen Nebenaspekte von Syndicate, die Entmenschlichung der Charaktere und ihre Herabstufung zum bloßen Objekt, führen dazu, dass der Spieler sich selbst nicht recht in den Agenten auf dem Spielfeld wiederfinden kann. Er ist lediglich der aus sicherer Distanz beobachtende, Befehle gebende und Knöpfe drückende Mann im Hintergrund, tritt aber selbst nie konkret in Erscheinung.

Mangelnde Identifizierung und zu wenige emotionale Bezugspunkte im Spiel könnten zumindest einen weiteren Grund dafür darstellen, dass sich so recht keine große Zahl Spieler in der Welt von Syndicate Wars einrichten mochte. Der technokratische Aufbau der befehlsgebenden Instanz und die erdrückende Gesichtslosigkeit sämtlicher Gestalten im Spiel werden Syndicate womöglich zum Verhängnis. 

Über Zivilisten bricht unerwartet die Hölle herein. Utopia gaukelt dem elektronisch gefesselten Volk das Paradies auf Erden vor, während der Kult die Sklaven befreien möchte. Um danach das "Paradies auf Erden" zu erschaffen.

Ausnahmslos zur Strecke gebracht
 
Die einzigen tatsächlichen „Rollen“ in Syndicate Wars spielen einzelne Persönlichkeiten wie Maritz, Lucy oder Paul Vissick, mit denen der Spieler meist nur indirekt in Kontakt steht, die ihrerseits ebenfalls kaum persönlich in Erscheinung treten und wenn, von durchschnittlichen NPCs optisch nicht zu unterscheiden sind. Darüber hinaus werden diese Persönlichkeiten alle ausnahmslos im Verlauf des Spiels als Schurken oder Verräter zur Strecke gebracht, oder finden anderweitig ein plötzliches Ende.
 
Alles in allem mag ich persönlich Syndicate Wars sogar noch lieber als Syndicate. Vielleicht hat das etwas damit zu tun, dass ich kein Hardcore-Gamer bin und über eine unsolide Programmierung tendenziell eher hinwegsehe, wenn mir dafür eine stimmige und ansprechende Geschichte geboten wird. Bis heute gehört Syndicate Wars zu den Spielen, die mich am nachhaltigsten beeindruckt haben, an die ich gern zurückdenke  und die ich bis heute spiele. Wer jetzt Appetit auf dieses, den Meisten wohl gegenwärtig eher unbekannte, alte Spiel bekommen hat, der kann es entweder auf alten Systemen, auf der Playstation 3 oder via DOS-Box problemlos auf einem zeitgemäßen PC spielen.

Für Tipps und Lösungshilfen sowie Aktuelles stehen Euch beispielsweise das Syndicate Online Archiv oder der Play Syndicate Newswire zur Verfügung. Und womöglich erfahren wir sogar noch in diesem Jahr, ob es sich bei dem in Schweden in der Mache befindlichen EA-Geheimprojekt "RedLime" um ein neues Syndicate handelt und wie es aussehen wird.
Earl iGrey 26. Oktober 2009 - 0:59 — vor 13 Jahren zuletzt aktualisiert
Dennis Ziesecke 21 AAA-Gamer - 30866 - 29. Oktober 2009 - 21:01 #

Nichts gegen Syndicate-Wars. Aber es kam und kommt einfach vom Feeling und Stil nicht an den Urahn Syndicate heran. DAS habe ich abgöttisch geliebt, Wars nur noch flüchtig gespielt.

Ach ja, die Magic-Carpet-Engine (die kam hier doch zum Einsatz oder täuschen mich die Screens?) war mir auch unsympatisch, das aber nur am Rande ;) ..

Earl iGrey 16 Übertalent - 5093 - 29. Oktober 2009 - 21:24 #

Mich hat das alte Syndicate auch schwer beeindruckt. Magic Carpet habe ich persönlich, ebenso wie Dungeon Keeper, nie gespielt. Aber es stimmt, die Engine ist gleich.

Earl iGrey 16 Übertalent - 5093 - 29. Oktober 2009 - 21:30 #

Ich habe übrigens beide Kampagnen, Kult und Syndikat, bis zum bitteren Ende durchgespielt.

Inko Gnito (unregistriert) 29. Oktober 2009 - 21:58 #

Auf dem Amiga gehörte Syndicate zusammen mit den Siedlern und Monkey Island zu meinen absoluten Lieblingsspielen.
Den Nachfolger wollte ich immer mal spielen, obwohl die Kritiken bestenfalls durchwachsen zu nennen sind. Leider dürfte Syndicate Wars zu den CPU-fressendsten reinen DOS-Spielen überhaupt zählen. Mit der DOSBox lief es auf meinem Rechner bislang nicht mal ansatzweise flüssig. Aber sobald endlich ne neue CPU am Start ist, wirds definitiv angespielt.
Bei den stilistischen Vorbildern sollte noch Blade Runner genannt werden: das Autodesign, Zeppeline mit Leuchtreklame, lange Mäntel, Dunkelheit und Neonlicht.

Earl iGrey 16 Übertalent - 5093 - 29. Oktober 2009 - 22:10 #

Guter Tipp, ist drin. ;)

Atreyis 10 Kommunikator - 432 - 29. Oktober 2009 - 22:07 #

Jaaaaaaaa! Syndicate muss endlich in einer dritten Fassung kommen. Das erzähl ich schon seit Jahren. Zu genial war und ist das Gameplay.

Das letzte Level war übrigens bockschwer und ich habs bis heute nicht durchgespielt bekommen :\.

Kavendish (unregistriert) 29. Oktober 2009 - 23:17 #

Ich hab hier sogar noch die PSX Version gestern beim aufräumen/renovieren gefunden...
Das Setting finde ich immer noch sehr ansprechend, aber ich fand es bockschwer damals auf der Playstation 1.

Porter 05 Spieler - 2981 - 30. Oktober 2009 - 10:53 #

mir Tränen die Augen, endlich einer dem auch das beklemmende Feeling aus Syndicate Wars fehlt/gefallen hat, ich bin nichtmehr alleine *schluchtz*.

Jaja Syndicate war gut, aber sammt seinem finsteren zukunfts Setting (Rießige Häuserzeilen, Videoleinwände) und genialen Sounduntermalung hatte Syndicate Wars einfach eine viel bessere(fast perfekte) Präsentation der Geschichte, und es sah dazu besser aus.

Vor allem der "Ghost in the shell" Trailer auf den Werbetafelen war nett anzusehen weil damals dieser ganze Anime Stil hier noch nicht so bekannt war, und doch passte der Film wie die Faust aufs Auge zu dem Spiel usw., usw.

Syndicate Wars war Porno für seine zeit!
DANKE FÜR DIESEN ARTIKEL!

B0B 12 Trollwächter - 828 - 30. Oktober 2009 - 11:03 #

Ich meine gelesen zu haben das EA bereits über einen Nachfolger nachdenkt/arbeitet.

Earl iGrey 16 Übertalent - 5093 - 29. November 2009 - 3:36 #

Das ist allerdings wahr. Zumindest wird darüber so laut spekuliert, daß sich die Balken biegen. Oder so. :)
Der Play Syndicate Newswire verfolgt diese Geschichte.

Graymalkin77 02 Sammler - 2 - 30. Oktober 2009 - 11:16 #

Das Ur-Syndicate war das erste Spiel für das ich damals meinen Rechner aufgerüstet habe. 2 Megabyte mehr Speicher mussten her, um die Mindestanforderungen zu erfüllen!
Das hat sich aber wirklich gelohnt. Syndicate zählt auf jeden Fall zu meinen Lieblingsspielen. Syndicate Wars habe ich nie ernsthaft versucht.

Anonymous (unregistriert) 30. Oktober 2009 - 12:42 #

Ich finde, dass Syndicate Wars die düstere Stimmung deutlicher rüberbringt als Syndicate (habe beide durchgespielt). Richtig genial finde ich, dass man alle Gebäude in dem Spiel komplett zerstören kann.

Ridger 22 Motivator - P - 34752 - 2. November 2009 - 8:48 #

Sehr guter Artikel. Leute, gebt mal mehr Punkte!

Porter 05 Spieler - 2981 - 2. November 2009 - 12:12 #

Bester Artikel!
obwohl da sicher noch so viel mehr drüber schreiben könnte :-)

icezolation 19 Megatalent - 19280 - 3. November 2009 - 18:36 #

Ein würdiger Artikel für ein würdiges Spiel! Hach, die tolle Zeit der Bullfrog-Spiele.. kann man nur nachtrauern und sich freuen, es heute dank pfiffigen Programmen dennoch spielen zu können ^^

Earl iGrey 16 Übertalent - 5093 - 12. November 2009 - 0:39 #

Schön, daß der Artikel Euch gefällt- und ja, es könnte noch viel mehr über Syndicate Wars gesprochen oder geschrieben werden. Vergesst nicht, Euch im Spiele-Steckbrief (oben rechts) mit einer persönlichen User-Bewertung zum Spiel zu beteiligen! ;)

Anonymaus (unregistriert) 15. November 2009 - 23:40 #

"Es gibt nur einen Weg hier Raus und Du Idiot hast das Auto zerstört!" oder "Nummer drei, kommen Sie von der Antenne runter. Wie zum Teufel sind sie überhaupt da hinauf gekommen?"
Es hätte noch etwas über potentielle Fallen und lustige Dead Ends drin stehehn können! :)

Earl iGrey 16 Übertalent - 5093 - 28. Februar 2010 - 19:16 #

Bezüglich "Ausnahmslos zur Strecke gebracht": Der Agent Wu bildet hiervon eine erfrischende Ausnahme. Er ist die einzige Figur, die überhaupt eine wirklich eigene Gestalt hat. Er trägt einen breitkrempigen Hut und einen Mantel/Überwurf der an Clint Eastwood in einem Italo-Western erinnert.

Natas2010 04 Talent - 39 - 14. Juli 2010 - 19:41 #

Bullfrog waren die besten.... schnief...

Anonym (unregistriert) 21. September 2010 - 18:43 #

Wie viele Cyborgs gehen auf eine Nadelspitze?

Roland 18 Doppel-Voter - 11619 - 21. Mai 2013 - 9:42 #

Und jetzt kommt möglicherweise eine Kickstarter-Aktion kommenden Juni zum Spiel. Warten wir ab.