Charles Cecil zu Gast beim Amiga Joker

Charles Cecil zu Gast beim Amiga Joker User-Artikel

Retro-Snack #01

thoohl / 11. Mai 2024 - 2:21 — vor 3 Wochen aktualisiert
Steckbrief
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Adventure
01.01.1996

Teaser

In Ausgabe eins meines Retro-Snacks geht es um ein Interview, das der Entwickler und Entrepreneur Charles Cecil dem Amiga Joker gab. Was macht das Fundstück aus dem Jahre 1994 noch heute so besonders?
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Selten habe ich beim Schmökern in alten Heften einen Text gefunden, der die um 1994 gängige Entwicklung von Spielesoftware für den Amiga derart hübsch verdichtet. Das Interview wirkt heute wie eine Blaupause von Tätigkeiten eines erfolgreichen Unternehmers im damaligen schrumpfenden Amiga-Markt. Ein Unternehmer, der mit Projekten im „Ist“ seine Brötchen erwirtschaftet, aber der auch die Zukunft bereits vor Augen hat: Charles Cecil (damals wie heute Revolution Software).
Der Retro-Snack bringt Spiele, Fundstücke und Anekdoten wieder ans Licht. Diesmal aus dem Amiga Joker (08/09 1994): Charles Cecil gewährt Einblick in seine tägliche Arbeit und ein zukünftiges Spiele-Projekt.

Die technischen Möglichkeiten, die die aufkommende CD-Rom damals den Computern bot, gingen auch am Amiga nicht spurlos vorüber. Es entstanden optimierte neue Spiele und verbesserte Versionen bereits erschienener Spiele. Meist ging es dabei um besseren Sound, bessere Grafik und besseres Gameplay.

Nicht ohne Grund informierte sich der Joker bei Charles über die angekündigte CD32-Version seines bereits erschienenen Abenteuers Beneath a Steel Sky. Cecil berichtete, dass das Produkt in Kürze erscheinen wird. Und über eine durchgehende Sprachausgabe nebst erweiterter Intro-Sequenz verfügen wird. Musik wird direkt von CD abgespielt. 

Hinter einer zuvor angekündigten verbesserten Disketten-Version für den Amiga 1200 machte der Spieleschmied allerdings mittlerweile ein Fragezeichen: „Wenn überhaupt“. Er begründete es (diplomatisch?) damit, dass es technisch einfacher sei, von CD auf Disk umzusetzen. Es ging inhaltlich dann noch um einen besonders fiesen Bug in der vorhandenen Amiga-Version und um unterschiedliche Performance bei Festplatteninstallationen von Amiga 500 (45 Minuten) zu Amiga 1200 (4 Stunden).

Es ist eine Auffälligkeit, dass etliche neue Spiele prinzipiell auf den damals verfügbaren Amiga-Systemen laufen sollten. Wenn auch nur in abgespeckter Form bei den älteren Modellen. Wer keine empfohlene Festplatte für seinen Amiga zur Hand hatte, konnte die satten 15 Disketten von Beneath a Steel Sky tatsächlich auch jonglieren.

Nicht zu vergessen, dass quasi zeitgleich am PC Spiele mit immer größerem Hardwarehunger entstanden. Und in recht kurzen Abständen erschien immer bessere Hardware.  Es war schnuppe, ob ein Wing Commander 3 noch auf älteren Systemen laufen würde.  Die damalige Amiga-Spielepresse lechzte hingegen nach Spielen, die endlich die Top-Amigas ausreizen würden.

Zurück zum Interview. Ein weiteres Projekt interessierte den Joker. Das Team um Cecil portierte für Sierra Kings Quest 6 auf den Amiga. Wie er zu dieser Ehre gekommen sei und warum die Amerikaner es nicht selbst portierten? Sierra habe keine eigenen Amiga-Programmierer und seine Jungs seien erfahren auf dem Gebiet. Der Amiga Joker wird in seinem Test (10/1994) zu Kings Quest 6 übrigens feststellen: "Doch in letzter Zeit hat man als Amiga-Abenteurer ja Übung in Sachen Bescheidenheit. Schon wegen des momentan recht dünnen Angebotes an Software." Gute 78% gab es für die "Prinzenrolle" und das "Märchen-Adventure." 

Nach diesem Einblick in das Geschehen, sollte auch ein Ausblick nicht fehlen. Ein zukünftiges Projekt skizzierte der Entwickler am Horizont: "Ein bisschen mehr weiß ich von Knights of the Broken Sword, obwohl auch dieser Titel nicht so schnell veröffentlicht wird."

Wie wir heute wissen erschien Baphomets Fluch zwei Jahre nach dem Interview, also im Jahre 1996. Allerdings nicht mehr für den Amiga. Die zukünftigen Brötchen erwirtschaftete Revolution Software in erster Linie am PC. Mit dem 2025 erscheinenden sechsten Teil der Reihe, Baphomets Fluch - Der Gral des Parzival, sogar bis in unsere heutige Zeit.
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Baphomets Fluch: Dieses Spiel wurde 1996 nicht mehr auf einem Amiga-System veröffentlicht. Nico und George werden auch 2025 wieder miteinander telefonieren. Diesmal mittels Handy?
thoohl 11. Mai 2024 - 2:21 — vor 3 Wochen aktualisiert
Ridger 22 Motivator - P - 34820 - 11. Mai 2024 - 5:40 #

Interessante Zeitreise!

Harry67 20 Gold-Gamer - - 24556 - 11. Mai 2024 - 7:59 #

Schöner Rückblick. Das engagierte Layout der Joker Blätter hatte damals schon den dezenten Hippie Charme einer WG-Küche. Hat auch heute noch was Herzerwärmendes ;)

thoohl 20 Gold-Gamer - - 23900 - 11. Mai 2024 - 8:34 #

Danke für das Veröffentlichen. :D

Ganz interessant finde ich die lange Beständigkeit von Revolution Software.

Würd mich mal interessieren wie lange da auch die Mitarbeiter an Bord sind. Wenn ich die etlichen News, zuletzt Microsoft, mit den Entlassungen und Schließungen von übernommenen Studios da sehe...

ds1979 21 AAA-Gamer - P - 25355 - 11. Mai 2024 - 9:16 #

Laut Wiki wurden 2004 sämtlichen Mitarbeiter entlassen. 2017 bestand die Firma aus zwei Mitarbeitern, also den Namen gibt es lange, die Firma eigentlich seit 2004 nicht mehr. Glaube nicht das die Mitarbeiter seit 2004 auf einen Anruf von Cecil warten;)

Green Yoshi 22 Motivator - P - 36368 - 11. Mai 2024 - 9:50 #

Er meinte mal, dass man damals ganz andere Budgets für Adventure hatte, die Animationen bei Baphomets Fluch 1 & 2 waren ja alle handgezeichnet. Sowas finanziert heute kein Publisher mehr. Nach Baphomets Fluch 3 ist glaube ich ein großer Teil der Entwickler gegangen bis er irgendwann nur noch alleine da war. Jetzt arbeitet er glaube ich viel mit Freelancern zusammen.

thoohl 20 Gold-Gamer - - 23900 - 11. Mai 2024 - 10:16 #

Warum denke ich gerade an Manor Lords ("1-Mann-Entwickler")...
Den damaligen Publisher Virgin kann man auch nicht mehr fragen.

ds1979 21 AAA-Gamer - P - 25355 - 11. Mai 2024 - 9:06 #

Ich hatte nie einen Amiga, wie Christian Schmidt mal sagte, ich setzte von Anfang an auf das richtige Pferd PC. Aber wenn man noch 1994 an seinen Amiga festhielt, oh das ist wahres Fandom.

Berndor 19 Megatalent - - 17397 - 11. Mai 2024 - 9:27 #

Damals gab es in kürzester Zeit riesige Sprünge bei der Hardwareleistung. Der Intel DX4 mit 100 MHz, der 1994 herauskam, machte sämtliche Amigas und sonstige Heimcomputer endgültig obsolet.

thoohl 20 Gold-Gamer - - 23900 - 11. Mai 2024 - 10:24 #

Ab Minute 4..... https://youtu.be/cdrdNJUAbMo?si=mmVMXhXR8vRSKPeq
WDR Computerclub

Claus 31 Gamer-Veteran - - 421937 - 11. Mai 2024 - 12:18 #

Das waren die auch bereits beim 486DX33 mit Soundkarte und VesaLocalBus-Grafikkarte. ;)

Tschingderassa Bumm 10 Kommunikator - 470 - 11. Mai 2024 - 14:08 #

Das kann man wohl so sagen.

Obwohl Commodore der wichtigste Hersteller meiner IT-Karriere ist, hatte ich 1994 vorübergehend vergessen, dass es die Firma je gegeben hatte. Selbst die Schließung habe ich nicht mitbekommen, die Meldung spielte im Zeitalter von Pentium, PCI-Bus und Doom 2 schlichtweg keine Rolle mehr. Die Welt wartete auf Windows Chicago, nicht auf neue oder alte Amiga-Modelle.

thoohl 20 Gold-Gamer - - 23900 - 11. Mai 2024 - 14:11 #

´94 war ich altersbedingt beruflich noch nicht aktiv.
Habe aber mittels Geld aus der Konfirmation meinen ersten PC gekauft (Vobis - bitte nicht lachen). Tatsächlich habe ich dem Amiga damals von heute auf morgen den Rücken gekehrt. Was aus heutiger Sicht vielleicht etwas hart war... Aber die Spiele am PC waren einfach zuuuu gut.

Tschingderassa Bumm 10 Kommunikator - 470 - 11. Mai 2024 - 14:42 #

Beruflich aktiv war ich da auch noch nicht. Ich hätte als Student studieren sollen, aber wie du schon schriebst: die Spiele am PC waren einfach zu gut.

Dabei habe ich mir als Kind selbst die Nase am Vobis-Schaufenster plattgedrückt, beim Betrachten der Maske des Tutenchamun am Amiga, geradezu besoffen von der Farbenpracht. Die echte Maske war sicher nicht so beeindruckend wie diese Grafik auf dem Amiga :-D

thoohl 20 Gold-Gamer - - 23900 - 11. Mai 2024 - 14:08 #

Den Amiga Joker hat es ja dann (etwas) später auch nicht mehr gegeben.
Baphomets Fluch wurde dann aber noch mitunter im "PC Joker" getestet...

MichaelK. 13 Koop-Gamer - P - 1481 - 31. Mai 2024 - 13:30 #

Immerhin noch bis Ende 1996 und nach der letzten Amiga Joker Ausgabe bin dann auch ich zum PC gewechselt...

Firvin 10 Kommunikator - P - 502 - 13. Mai 2024 - 15:30 #

1991/2 war ein 486DX33 state-of-the-art. Damals mit SVGA. Ton kam aber durch den Piepser. Firma Vobis/Highscreen bzw. ESCOM boten die Teile damals um rund 25000 öS an, also ca 3200 DM. Mit Monitor und Drucker.

Ein Amiga war damals im Freundeskreis schon hilflos veraltet. Und die Konsolen waren Kinderspielzeug.

Vampiro Freier Redakteur - - 124866 - 11. Mai 2024 - 11:41 #

Charles ist ein toller Kerl, super nett. Ich hatte mal das Glück eine private Studioführung in York zu bekommen, die GBA-Version von Broken Sword war kurz vor Release und ich war der erste Externe, der Broken Sword 3 gesehen hat. Die ganzen verschiedenen Arbeitsstationen waren sehr spannend. Nachhaltigen Eindruck machte vor allem die extrem aufwändige Animation. Zum Abschluss gab es noch ein paar Insider-Tipps für historische Locations in York. War ein toller Tag.

thoohl 20 Gold-Gamer - - 23900 - 11. Mai 2024 - 11:59 #

Vielleicht erinnert er sich und gibt dir ein paar exklusive Infos (Artworks) zu Baphomets Fluch Teil 6. Das wäre mal ein UA.... :-)

Zu dem Matrix-Chat, den ich später gelesen habe. Also, falls Du Lust hast dich in diese Schnittstellenfunktion der UA zu bewerben... meine Stimme hättest Du jedenfalls. Das würde auch gut zu Dir passen.
Es ist ja auch nicht mehr vom Output wie letztes Jahr. Vermutlich 1 UA pro Woche, oder so. Es wurde ja auch irgendwo mal geschrieben, ggf. sogar im Wechsel mit Checks. Also ich würde es gut finden...

Vampiro Freier Redakteur - - 124866 - 11. Mai 2024 - 14:42 #

Denke schon, dass er sich mit Erinnerungshilfe erinnert :)

Vielen lieben Dank :) Aber das ist leider gar nicht meins, das ist zeitintensiv und richtig Arbeit, unbezahlte Arbeit und (für mich) ohne Freizeispaßfaktor. Ich komme ja mit meinen eigenen Artikeln (auch Arbeit, aber auch Spaß) und Videos und eSport kaum hinterher :( Edit: Gibt doch auch noch ein aktives Prozedere und ich war etwas zu rogue unterwegs, sorry für die Verwirrung.

thoohl 20 Gold-Gamer - - 23900 - 11. Mai 2024 - 14:59 #

"und ich war etwas zu rogue unterwegs, sorry für die Verwirrung."

... also ohne Sonntagsfrage und ohne UA am Wochenende fühle ich mich nicht wohl .... :-)

Green Yoshi 22 Motivator - P - 36368 - 11. Mai 2024 - 17:52 #

Ich habe ihn und Ron Gilbert 2015 auf der Adventure-Treff-Party in Köln getroffen. Da kam er auch sehr sympathisch rüber. Warst Du damals Spielejournalist oder wie kamst Du zu der Ehre?

Vampiro Freier Redakteur - - 124866 - 11. Mai 2024 - 18:21 #

Ich bin mit seiner Mutter befreundet, die wusste, dass ich mich für Spiele interessiere, und hat das dann netterweise vermittelt :)

Gorkon 21 AAA-Gamer - - 30306 - 11. Mai 2024 - 14:27 #

Sehr schön. Danke!

Alain 24 Trolljäger - P - 49910 - 11. Mai 2024 - 22:28 #

War der Stil des Joker eigentlich mehr Anarcho, mehr LSD Trip oder einfach Quick and Dirty gewesen?

Irgendwie hab ich den AMIGA Joker tatsächlich hin und wieder gelesen - aber so richtig hat der Stil mich nicht abgeholt gehabt.

thoohl 20 Gold-Gamer - - 23900 - 12. Mai 2024 - 7:41 #

Das ist eine gute Frage. Der Stil ist schon bestimmt individuell.

Der Wikipedia Eintrag zum Joker ist nicht schlecht und fasst das Magazin glaub ich ganz gut zusammen. Interessant ist auch der Reiter der Rubriken.
Allerdings schreibt der Wiki Eintrag selbst auch nur vom eigenen Stil des Jokers, leider ohne diesen Stil dann mal auf zwei, drei Worte zu bringen.

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Amiga_Joker#:~:text=Der%20Amiga%20Joker%20unterschied%20sich,die%20Leser%20wurden%20stets%20geduzt.

Auszug:

"Der Amiga Joker unterschied sich damals von anderen Magazinen wie dem Amiga-Magazin vor allem dadurch, dass er konzeptionell speziell auf den jugendlichen Spieler zugeschnitten war. So war der Schreibstil sehr locker und humorvoll, und die Leser wurden stets geduzt"

Berndor 19 Megatalent - - 17397 - 12. Mai 2024 - 1:12 #

Die Anarcho-Zeitschrift schlechthin war eigentlich die ASM. Die nicht immer gut lesbare Schrift auf fast gleichfarbigen Hintergründen, könnte durch zuviel LSD-Konsum beim Layouten entstanden sein. ;-)

Harry67 20 Gold-Gamer - - 24556 - 12. Mai 2024 - 7:59 #

Für mich war der Stil eher kreativer Wildwuchs, wie er in der Zeit einfach noch möglich war. Eine Mischung von mitterweile günstigeren Layoutmöglichkeiten am PC, zu dem auch Nichtüberprofis Zugang hatten und einem gepflegten charmanten individuellen Amateurtouch in einem neuen Genre mit neuem Publikum. Wobei das Layout kein Schrott war, da wurden schon grundsätzliche Regeln eingehalten. Von wem man damals wirklich hätte lernen können, war die äußerst professionell gemachte BRAVO. Hart aber wahr.

Irgendwann war der Joker Style wohl einfach ein "Running Horse", das man nur komplett hätte auswechseln können.

Ich meine, wenn ich mir die ersten Jahre Webseiten "Kultur" so vor Augen führe ... Da lief es im Print ja noch gesittet ab ;)

Epic Fail X 18 Doppel-Voter - P - 10490 - 12. Mai 2024 - 11:15 #

Ja!

Harry67 20 Gold-Gamer - - 24556 - 12. Mai 2024 - 13:31 #

Auch mein erster Gedanke ;)

thoohl 20 Gold-Gamer - - 23900 - 18. Mai 2024 - 15:00 #

Danke für euer Interesse, fürs Lesen und für die Kommentare. Der nächste Retro-Snack kommt bestimmt... :D