User-Kolumne: Warum die Debatte um Killerspiele Unsinn ist

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teilnehmer 71 EXP - 06 Bewerter,R1
25. Mai 2009 - 10:39 — vor 14 Jahren zuletzt aktualisiert
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Auf den meisten Spielewebseiten ist es um das Thema "Killerspiele" verhältnismäßig ruhig. Kein Wunder, denn den meisten Spielenden ist klar, dass die herbeigeredete Gefährlichkeit von "Killerspielen", also Shootern und anderen gewalthaltigen Titeln, in denen das Töten von Gegnern im Mittelpunkt steht, an den Haaren herbeigezogen ist.

Dummerweise hat diese in der Öffentlichkeit wahrgenommene angebliche Gefährlichkeit aber handfeste Konsequenzen: Spiele-Events werden abgesagt und Kaufhäuser verändern ihr Sortiment. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Publisher und Vertriebe ihre Geschäftspraktiken dem deutschen Markt anpassen, und der deutsche Markt ist momentan arg ungastlich.

Deshalb sind wir alle gefragt, vernünftige Aufklärungsarbeit zu leisten. Spieler müssen mit Bekannten und Familie sprechen, um zu erläutern, warum die Killerspiel-Debatte Unfug ist. Dass sie Unfug ist, haben wir alle irgendwie im Gefühl, schließlich will niemand von uns Amok laufen.

Aber das genügt nicht! Die Killerspiel-Debatte ist soziokulturell nicht überzeugend: Jede mediale Neuerung, ob das Internet, das Fernsehen, Rockmusik, Bücher oder die Bibel auf deutsch, all diese Entwicklungen wurden zunächst verteufelt und für alles Schlechte verantwortlich gemacht. Jetzt sind eben die Computerspiele an der Reihe. In der Vergangenheit wurde immer irgendwann klar, dass die vermeintlichen Übeltäter nicht wirklich das Problem sind, sondern die fehlende Kompetenz im Umgang mit ihnen. Warum sollte es diesmal anders sein?

Die Killerspiel-Debatte ist wissenschaftlich nicht überzeugend:  Sie stellt ein hochgradig seltenes Ereignis (wie einen Amoklauf) mit einem hochgradig häufigen Merkmal (Junge unter 18 spielt viel Computerspiele) in Zusammenhang. Das geht so nicht. Ich könnte mit der gleichen Logik auch sagen, dass die meisten deutschen Lottogewinner (selten) konfirmiert sind (häufig), weshalb die Kirchenzugehörigkeit Glück bringen würde. Die meisten Menschen mit einer Schizophronie (selten) haben vorher einen Job gehabt, mit dem sie nicht völlig zufrieden waren (häufig), und deswegen ist Jobzufriedenheit unendlich wichtig. Ihr erkennt das Muster. Es macht keinen Sinn.

Die Killerspiel-Debatte ist psychologisch nicht überzeugend: Sie deutet ein Warnmerkmal bzw. einen Risikofaktor um zu einer Ursache. Natürlich lohnt es sich, mal genau hinzuschauen, wenn jemand nur noch am Rechner sitzt. Aber lohnt es nicht vielleicht auch, hinzuschauen, wenn jemand in der Schule ausgegrenzt wird? Wenn jemand nie Blickkontakt sucht? Wenn jemand wenig Freunde hat? Ständig oder nie zu Hause ist? All dies sind unter Umständen Warnsignale oder Risikofaktoren, die auftreten können, wenn jemand dabei ist, durchzudrehen. Aber sie sind nicht die Ursache.

Es wäre so schön, wenn es so einfach wäre. Das gilt allgemein für psychische Störungen - denn Menschen, die Amok laufen, sind psychisch gestört. Sie sind keine Kriminellen im engeren Sinne, die ein Verbrechen planen, weil es ihnen gewinnträchtig erscheint. Eine Ursache, zack, fertig. Aber es ist leider nicht so einfach. Nie.

Es wird nicht helfen, Videospiele und Messen zu verbieten. Wir werden dummerweise auch weiterhin mit den Menschen sprechen müssen, die nicht so ganz mitkommen und vielleicht irgendwann mal durchdrehen könnten. Wir müssen sehen, worunter sie leiden. Was da los ist.

Und genau das ist das Schlimme: Wenn wir irgendwas ganz Simples für die Ursache halten, und in der Gesellschaft übereinkommen, dass wir nur eine Sache verbieten müssen, um das Problem zu lösen, dann werden wir aufhören, uns diesen Menschen wirklich zuzuwenden. Und es werden erneut Menschen durchdrehen, und erneut werden Unschuldige zu Schaden kommen. Weil wir an der falschen Schraube gedreht haben. Höchste Zeit, dass wir damit aufhören.

Tim Gross 20 Gold-Gamer - 24171 - 25. Mai 2009 - 9:00 #

Ein netter Beitrag zum Thema. Ich habe unseren verehrten Chefredakteur eben bereits mit einer E-Mail beehrt, wo es um Spielermeinungen geht. Halte also im Laufe des Tages die Augen offen, ob sich hier etwas tut.

bolle 17 Shapeshifter - 7789 - 25. Mai 2009 - 10:52 #

Das Intel Friday Night game ist keine Messe. (oder?)
Hauptaugenmerk liegt nicht auf dem Vorstellen neuer Produkte, sondern auf dem Turnier. Dass nebenher Merchandise verkauft wird ist nichts neues.

teilnehmer 06 Bewerter - 71 - 25. Mai 2009 - 10:53 #

Hui, wie schön! Wobei ich das Bild zum Artikel etwas arg finde, wenn ich das sagen darf. Wie wäre dies hier?
http://cdn.callofduty.com/hub/media/262/large.jpg

Lexx 15 Kenner - 3834 - 25. Mai 2009 - 11:05 #

Also ich finde, das Bild passt perfekt. :)

teilnehmer 06 Bewerter - 71 - 25. Mai 2009 - 10:54 #

@bolle - Danke, ist verbessert!

estevan2 14 Komm-Experte - 2190 - 25. Mai 2009 - 11:29 #

Ich stimmer dem Artikel voll zu. Jedoch ist die Debatte gerade jetzt kein Unsinn mehr, da es ja um unser aller Hobby geht. Bekannte und Verwandte zu Informieren wird nicht reichen. Tatsächlich hat sich schon jetzt, sei es durch schlechte Berichterstattung oder Meinungsmache eine wirklich schlechte Meinung breit gemacht. Politiker erkennen gerade in Wahlzeiten das es eine Lobby gegen 'Killerspiele' gibt. Damit kann man Wahlkampf machen. Ich befürchte das Spieler mehr machen müssen um zu Überzeugen, und siehe meine Kolumne zuvor: Gewalt Diskusionen und Aussagen von Jugendlichen wie sie sich in manchen Foren finden, helfen da überhaupt nicht weiter - Im Gegenteil

bolle 17 Shapeshifter - 7789 - 25. Mai 2009 - 11:57 #

Ja, der Titel gefällt mir auch nicht so. Eine Debatte ist nie unsinn, wenn verschiedene Leute verschiedene Standpunkte haben.

teilnehmer 06 Bewerter - 71 - 25. Mai 2009 - 12:58 #

Die Debatte ist Unsinn, weil sie unsachlich ist. Will sagen: Es ist natürlich kein Unsinn, über Standpunkte zu diskutieren, aber das passiert ja momentan überhaupt nicht. Deshalb ist genau *die* Debatte, die wir momentan haben, Unsinn. Populistische Lügen und Wahrheitsverzerrungen.

estevan2 14 Komm-Experte - 2190 - 25. Mai 2009 - 13:07 #

Na dem kann man schon zustimmen. Unsachlich ist die Debatte auf jeden Fall und leider steckt meiner Meinung nach gerade von CSU Seiten eine Menge Wahlkampf dahinter.

Leider ist das so und ich muss Dir Recht geben - gerade weil es um falsch Aussagen und Meinungsmache geht müssen Spieler aktiv werden und zur Debatte beitragen.

Fudohde 10 Kommunikator - 389 - 25. Mai 2009 - 15:48 #

Stimme Deiner Argumentation voll zu.

Marco Büttinghausen 20 Gold-Gamer - 20481 - 25. Mai 2009 - 14:05 #

Hier noch ein Interview auf Eurogamer mit Thomas Hartmann, dem Autor des Buches "Schluss mit dem Gewalt-Tabu!"
Dachte das passt zum Thema, da in dem Interview auch über Amokläufe und deren Zusammenhang mit Computerspielen, gesprochen wird.

Aber am Ende, krankt die Diskussion hier, genau wie auf vielen anderen Seiten auch, am gleichen Problem,. wir alle hier sind der selben Meinung. Die Leute die tatsächlich Computerspiele als Grund (oder Einflussfaktor) für Amokläufe sehen, nehmen an dieser Diskussion nicht teil.

Von daher ist vielleicht das Niveau auf dem aktuell öffentlich diskutiert wird das falsche, die Sinnhaftigkeit für eine ernst zunehmende Debatte ist aber auf jeden Fall gegeben.

Nicol_Bolas 12 Trollwächter - 881 - 25. Mai 2009 - 15:28 #

Da das hier ja eine Gamer-Seite ist und in der Regel alle wegen ihres Hobbys hier sind, opfere ich mich und spiele die Gegenseite.

"Unsinn" "an den Haaren herbeigezogen" "Es wäre so schön, wenn es so einfach wäre."

Es ist natürlich nicht gerade förderlich, wenn man in einer Debatte selbst überhaupt keine Kompromissbereitschaft zeigt. Das verhärtet die Fronten und niemand rückt von seinem Standpunkt ab.

"Es ist natürlich kein Unsinn, über Standpunkte zu diskutieren, aber das passiert ja momentan überhaupt nicht."

Aufklärungsarbeit zu leisten ist eine schöne Sache! Ich selbst habe das öfter schon gemacht, allerdings kommen immer wieder folgende Fragen (seid gewarnt):

Warum muss man auf andere Menschen schiessen, es gibt doch auch friedliche Spiele?
Warum sind es gerade Killerspiele, die mit (photo-)Realismus werben?
Kurz gesagt: Warum CS und nicht Super Mario?

Es gibt halt eine Generation, die (die Folgen der) Kriege miterlebt hat. Versucht denen mal zu erklären, warum den genau Scharfschützen so cool sind.

"Und es werden erneut Menschen durchdrehen, und erneut werden Unschuldige zu Schaden kommen."

Egal was wir machen das wird passieren, du hast recht. (Wo ist das Argument?)

"Weil wir an der falschen Schraube gedreht haben."

Welche ist die richtige?

"Höchste Zeit, dass wir damit aufhören."

Womit? An Schrauben zu drehen?

PS: Ich weiss, ich schreibe auch etwas polemisch ;). Bitte seid nicht allzu böse! Ich möchte nur eine Diskussion starten und nicht schon wieder endloses Politiker-bashing lesen. Nachher trinken wir zusammen ein Bier (oder ne Cola)!

Ach herje, immer nur die oberste Top-News lesen... die zweite Kolumne bring eine schöne Darstellung der anderen Seite.

Wi5in 15 Kenner - 3332 - 25. Mai 2009 - 15:19 #

Sehr guter Beitrag zu einer bescheuerten Debatte zu "Killerspielen", aber die Herrn Politiker und andere hören ja nicht auf die Personen die wissen worum es in den "Killerspielen" geht. Aber egal, ein sehr guter Beitrag ;)

Carstenrog 16 Übertalent - 4838 - 25. Mai 2009 - 15:20 #

Wenn Gamer auf einer Stufe mit Pädophilen gestellt werden, geht die Debatte zu weit. Man kann anderer Meinung sein, aber der Respekt muss bleiben.

Hakke 05 Spieler - 44 - 25. Mai 2009 - 17:00 #

muss da Nicol_Bolas recht geben.

Die Diskussion ist aus dem grund sinnlos, weil keine Seite irgendwelche Kompromisse eingeht und auch mal stärker über die Argumente der Gegenseite nachdenkt.
Die werden als generell falsch abgestempelt und wiedersprechen jeder Vernunft.
Da muss man zum einen die ,,Killerspiel''-Contra Seite kritisieren, die zum einen recht übertriebene Beispiele nennt (Kinderpornografie), aber auch die ,,Killerspiel"-Pro Seite, die sagt, dass 99.9% aller Spieler nicht amoklaufen werden.
Mal abgesehn davon, dass es unwahrscheinlich ist, dass Gewaltspiele der einzige Faktor für so eine Tat ist, sondern höchstens ein weiteres Element, muss man sich trotzdem um die verbleibenden 0,1% kümmern, die, obwohl sie wenige sind, eine Gefahr für menschen darstellen.

teilnehmer 06 Bewerter - 71 - 25. Mai 2009 - 18:11 #

@nicol_bolas: Aufhören müssen wir damit, an den falschen Schrauben zu drehen. Und was die richtige Schraube ist, ist eine verdammt gute Frage. Wenn ich die Antwort darauf hätte, würde ich hier keine Kolumnen schreibe, sondern ein Buch, und dann wär ich stinkereich. Dann hätte ich nämlich nicht nur Amokläufe erklärt, sondern wahrscheinlich gleich das komplette psychologische Gesundheitssystem generalüberholt.

Aber im Ernst: Mein Ruf ist genau der nach einer sachlichen Debatte. Wie Hakke auch anmerkt: Es gibt diese 0,1%, und hey: Wir alle kennen solche Leute aus der Schule. Die Freaks, die nie irgendwo mitmachen, die sich seltsam kleiden, über die komische Geschichten kursieren, und die man sich alle gut in Burschenschaften oder mindestens beim Militär vorstellen kann (nichts gegen das Militär an dieser Stelle, aber you get the picture). Und bei den Leuten ist uns allen klar: Wenn die die ganze Zeit rumballern, ist das irgendwie ungut.

Über die, da könnte ich nicht zuer stimmen, müssen wir reden, und zwar mit den Leuten, die momentan Killerspiele an sich verteufeln. Das wäre ein Erfolg.

Ulk 13 Koop-Gamer - 1648 - 25. Mai 2009 - 18:23 #

Wir hatten das Thema hier schon einmal, vor zwei oder drei Tagen, und wieder wird der Diskussion nichts durch den Text hinzugefügt, wieder läuft es auf ausgelutschte Platitüden und verhärtete Fronten hinaus.

Der Autor wirft der Gegenseite Dünnbrettbohrerei vor - steht aber selber nicht besser da. Wer von anderen wissenschaftliche Korrektheit einfordert, der sollte seine Argumente nicht auf die ominöse Legende von der ehemaligen Verteufelung jedweder Neuerungen stützen; und wenn man schon mit Soziologie und Psychologie argumentiert, dann bitte nicht mit platter Alltagslogik, sondern mit Fakten.

Armanuki 15 Kenner - 2918 - 25. Mai 2009 - 20:43 #

Es wir die meisten hier erstaunen, aber ich hätte eine Bitte: Ändert das Aufmacherbild zu dieser News (Emstetten-Amokläufer)!

Ich habe so meine eigene Theorie, welche Ursache die Amokläufe haben. Klar hat es Amokläufe immer gegeben, aber man muss zugeben, dass sie in letzter Zeit gehäuft vorkommen. Sie sind in Mode. Und woher kommt das?

Seit Columbine wurde in den Medien ein Bild der Täter gezeichnet, das meiner Ansicht nach für weitere Täter sehr attraktiv erscheint. Sie sehen sich selbst als coole Säue mit Kanonen. 15 Minuten Ruhm? Lächerlich, man kann wochenlang das Zentrum des (z.B. deutschen) Medieninteresses sein, man muss sich nur schwarze Lederklamotten anziehen, eine Sonnenbrille aufsetzen, eine Waffe besorgen (oder besser mehrere) und a la Neo in die Schule laufen und Leute abmurksen. Auch das Leben des bescheuertsten Versagers endet so in einem Knalleffekt.

Mir ist das klar geworden, als ich das Bild des Emstetten-Typen (genau das gleiche wie oben) auf Spiegel Online gesehen habe. Der Junge hat vorher PR-Material produziert und es so platziert, dass die Medien es finden werden! Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Und alle, von Bild über Spiegel bis Gamersgolbal tun ihm posthum den Gefallen und zeigen es - alle stellen sie ihn als den coolen Typen dar, der er sein wollte.

Über Amokläufe muss anderes berichtet werden, wenn man weitere Amokläufe verhindern will. Natürlich kann man so etwas nicht totschweigen. Aber man muss mit Psychologen reden, wie man die Täter in den Nachrichten möglichst so darstellen kann, dass Nachahmungen für die Nächsten unattraktiv werden.

Hier eine News über einen vergleichbaren Effekt: http://www.tagesspiegel.de/berlin/art270,2121347

teilnehmer 06 Bewerter - 71 - 25. Mai 2009 - 23:32 #

@Armanuki: /signed! Mir war auch nicht wohl dabei, aber ich konnte den Finger nicht drauf legen. Deine Gründe passen absolut gut.

@Ulf: Das mit den Fakten finde ich schwierig, weil es halt so knifflig ist, das Fehlen eines Zusammenhangs zu beweisen. Ähnlich wie bei Religion, eigentlich. Ich behaupte ja erstmal nur: Die Argumente, die gerade von Videospielkritikern kommen, sind haltlos. Es gibt keinen kausalen Zusammenhang zwischen Videospielen und Gewalt, und ich nehme die Versuche, einen herzustellen, auseinander.
Bessere Argumente für ein Nicht-Vorliegen des Zusammenhangs fallen mir leider nicht ein... Dir? Und wieso ist es übrigens eine ominöse Legende, dass mediale Neuerungen zunächst immer verteufelt wurden? Die Leiden des jungen Werther war ein Riesenskandal, weil es neu war, Rock-Musik... wo genau siehst du den Fehler?

Ulk 13 Koop-Gamer - 1648 - 26. Mai 2009 - 0:13 #

Verstehe ich nicht: Du gehst davon aus, dass es keinen Zusammenhang gibt und versuchst deine Meinung im Anschluss zu beweisen. Wieso gehst du nicht, um deine Wortwahl zu verwenden, wissenschaftlich überzeugend an die Sache ran und bildest dir ein Urteil auf Basis der zur Verfügung stehenden Fakten?

"Bessere Argumente für ein Nicht-Vorliegen des Zusammenhangs" fallen mir ebenfalls keine ein, weil ich keine kenne - und den Zusammenhang nicht kategorisch ausschließen würde. Da liegt nämlich das Problem dieser Diskussion: Beide Seiten geben sich voreingenommen und unverbesserlich und nehmen nur den Bestand an Fakten wahr, der ihre eigenen Thesen stützt.

Bei Goethes Werther-Roman hat sich die Kritik im übrigen nicht gegen das Medium gerichtet, sondern gegen den moralisch fragwürdigen Inhalt - und eben diese Kritik ist auch bei einer Vielzahl von Spielen angebracht. Am diesem Mangel an gesellschaftlicher Akzeptanz sind die Entwickler von Spielen daher selber Schuld, meine ich.
Ansonsten halte ich deine Kulturkonservatismus-These für reichlich vereinfachend. Rockmusik stand in der Kritik, weil mit ihr ein liberaler, rebellischer Lebensstil und eine Auflehnung gegen bestehende Strukturen einherging. Spiele sind bei weitem zu dämlich, als dass man ihnen solch revolutionäre Umtriebe unterstellen könnte.

teilnehmer 06 Bewerter - 71 - 26. Mai 2009 - 10:58 #

@Ulk - ah, schöne Diskussion... Also, ich nehme 2 Themenstränge wahr:

1. "Fakten gegen den Zusammenhang"
Nun, für mich gibt die Faktenlage einfach nichts her, und deswegen wehre ich mich dagegen, dass da ein Zusammenhang herbeigeredet wird, den man nicht schlüssig belegen kann.
Ich kann den (kausalen!) Zusammenhang für mich kategorisch ausschließen, weil es keinerlei Hinweise gibt, dass es einen gibt. Ich will also nicht beweisen, dass es keinen gibt, ich sage nur: Bisher wurde mir nicht bewiesen, *dass* es einen gibt.
Die Tatsache, dass Amokläufer Videospiele spielen, ist über die Moderator-Variablen Geschlecht und Alter hinreichend erklärt: Der Zusammenhang ist nicht
Videospiele -> Amoklauf
sondern
Männlich, Jung <-> Videospiele
Männlich, Jung <-> Amoklauf
Diese Merkmale hängen zusammen (ob kausal oder nicht sei mal dahingestellt). Ähnlich wie übrigens auch
Männlich, Jung <-> Interesse an Sex
Männlich, Jung <-> Interesse an Action-Filmen
Nur kommt da niemand auf die Idee, einen Zusammenhang zu den Amokläufen herbeizureden.

Die Fakten, die es gibt, sind eine kurze Gewöhnungsreaktion nach Videospielen - einige Minuten nach dem Spielen sind Leute abgebrühter ggü. Gewaltdarstellungen. Langzeitwirkungen sind nicht nachgewiesen, soweit ich weiß.

Mein Hauptpunkt ist also: Es fehlt irgendein Hinweis auf die Gefährlichkeit. Ich sage nicht, dass ich Hinweise auf die UN-Gefährlichkeit hätte - ich sage nur, die vorgebrachten Argumente sind Unsinn.

2. "Medium vs. Inhalt"
Das ist ein guter Punkt, gerade mit dem Beispiel "Werther". Die Gemeinsamkeit, die ich sehe, ist folgende: In einem Medium passiert etwas, das neu ist und mit bestehenden Normen bricht, oder zumindest eine deutliche Veränderung hinsichtlich Darstellung/ Themen mit sich bringt, oder aber eine Veränderung in der Reaktion. Als Ende des letzten Jahrhunderts überall Sex auf den Titelblättern war, überall Nacktheit, hieß es: "Die Jugendlichen werden ein gestörtes Verhältnis zur Sexualität entwickeln". Diese Diskussion gibt es gerade wieder bzgl. Porno-Seiten im Netz.
Und bei der Rockmusik (wo es natürlich auch Unterschiede zu Videospielen gibt, wie du völlig richtig betonst) gab es eben auch die Seite, dass man dachte, die Jugendlichen werden alle hysterisch, das würde denen nicht gut tun.

Es gibt immer auch Unterschiede, ganz klar, aber die Gemeinsamkeiten gibt es eben auch, und die sind nie eingetreten. Weder hat das Fernsehen und völlig verblöden lassen, noch haben nackte Brüste unser Liebesleben völlig zerstört, noch haben Videospiele Kinder den Kontakt zur Realität verlieren lassen.

Dabei sei hinzugefügt: Natürlich gibt es Einflüsse, und ich bin gewillt, sie zu beleuchten und diesen "anderen Bestand an Fakten" anzuschauen: Das Fernsehen macht was mit uns, nackte Brüste machen was mit uns, und Videospiele machen auch was mit uns, und das muss man sich tatsächlich alles genau anschauen, und die Gesellschaft muss sich überlegen, wie sie damit umgeht. Kindern zu erläutern, dass Werbung keine Wahrheit ist, wurde irgendwann wichtig, da hat die Gesellschaft sich angepasst. Mit Kindern über den Unterschied zwischen Sex und Liebe (und Sex in Pornos) zu sprechen ist heute wichtiger.

Und ihnen zu erklären, dass in Videospielen andere Regeln gelten als im wahren Leben, und dass das wahre Leben wichtig ist, wird gerade wichtiger. Ich wünsche mir aber eine andere Diskussion darüber als "Wir müssen das alles verbieten".

Ich wünsche mir Antworten auf Fragen wie "Woran merken wir, dass jemand die Spiele nicht gut tun?" oder "Wie erklären wir unseren Kindern, wo die Grenzen zur Realität sind? Wo sind eigentlich für uns die Grenzen zur Realität?". Und warum habe ich das Gefühl, mich über einen sauber platzierten Schuss in Call of Duty freuen zu können, und mich trotzdem für einen Pazifisten zu halten? Was passiert da eigentlich mit mir?

Eltern-LANs, die es ja gibt, sind übrigens eine super Form, und eine solche Beschäftigung anzustoßen. Es geht (mir zumindest) nämlich noch nicht um super Antworten, es geht mir erstmal um die richtigen Fragen.

teilnehmer 06 Bewerter - 71 - 26. Mai 2009 - 10:59 #

Mist, ich check das immer erst nachher, dass ich ja im thread antworten könnte... sorry, ich gelobe Besserung.