Yandere Simulator: Wenn Liebe krank macht

Yandere Simulator: Wenn Liebe krank macht User-Artikel

Sie liebt mich, sie lebt nicht mehr...

Hagen Gehritz / 8. Februar 2017 - 13:32 — vor 6 Jahren aktualisiert

Teaser

Die Protagonistin dieses Spiels würde alles tun, um das Herz ihres Schulschwarms zu gewinnen. Ihr Abenteuer soll in dem Mikrokosmos ihrer Schule so vielgestaltige wie auch perfide Möglichkeiten mitsamt Konsequenzen bieten – und bewegt sich damit auf dem schmalen Grad zwischen makabrer Faszination und Anstößigkeit.
Dieser Inhalt wäre ohne die Premium-User nicht finanzierbar. Doch wir brauchen dringend mehr Unterstützer: Hilf auch du mit!
Ayano verharrt regungslos im Verborgenen auf dem Dach des Schulgebäudes. Die ausgemachte Stunde hat geschlagen, aber niemand ist zu sehen. War die im Schuhfach platzierte anonyme Einladung nicht überzeugend genug? Hätte sie vorher mehr in Erfahrung bringen müssen, um sie herzulocken? Sie könnte gehen und einen anderen Plan schmieden, aber es ist nicht mehr lang bis Freitag und –  endlich! Sie schaut sich um, geht ans hüfthohe Geländer und wartet. Ayano pirscht sich heran, schon ist ihre ahnungslose Verabredung in Reichweite. Mehr als einen kleinen Schubs braucht es nicht: Ein kurzer Schrei, ein dumpfer Aufschlag, Ziel erreicht! Ayano platziert die Schuhe, die sie ihrem Opfer entwunden hat, vor dem Geländer. Dank der belauschten Gespräche und der investierten Zeit in den Sprachunterricht, kann sie einen überzeugenden Abschiedsbrief fabrizieren. Nun deutet alles auf Selbstmord hin. Niemand wird wissen, wie sie wirklich starb und warum: Sie war Senpai zu nahe gekommen und der gehört Ayano allein, ohne es zu ahnen. Ob er will oder nicht.

Mit Hilfe des Ofens lassen sich Leichen und Beweise verbrennen.

Psychopathische Kriegsführung

Eine der großen Inspirationen des in der Entwicklung befindlichen Indie-Spiels mit dem Arbeitstitel Yandere Simulator ist direkt am Namen erkennbar: Anime-Archetypen und -klischees. Nach der Definition des Entwicklers sind Yandere-Charaktere Mädchen, die jemanden so sehr lieben, dass sie gewillt sind, jedwede romantische Konkurrenz zu bedrohen, zu verletzen oder gar zu töten. Damit ist auch das Spielziel gesetzt: In jeder der zehn Spielwochen gilt es, als Ayano Aishi, besser bekannt als Yandere-chan, eine neu auf den Plan tretende Rivalin zu beseitigen – mit allen Mitteln. Danach kann sie sich aufraffen, ihm ihre „Liebe“ zu gestehen.

Das andere große Vorbild des Spiels schlägt sich im Gameplay des Titels nieder: Wie in IO Interactives Hitman-Reihe soll der Spieler einen großen Teil der Zeit damit verbringen, seine Zielperson zu beobachten und die Umwelt zu erkunden, um so eine geeignete Methode und eine günstige Gelegenheit zu finden, um jenes Ziel auszuschalten. Der Schulbetrieb folgt einem geregelten Tagesplan – selten kann Yandere-chan sich sicher sein, nicht von Schülern oder Lehrern beobachtet zu werden. Daher muss sie teuflische Kreativität beweisen. Ein prominentes Feature des Spiels ist die Vielfalt der Möglichkeiten, die dem Spieler zur Verfügung stehen sollen: Wie in Hitman kann der Tod der Rivalin als Unfall inszeniert werden oder schlicht Mord sein, was aber Probleme mit sich bringt: Die Leiche verstecken, die Blutspuren verwischen und die verschmutzte Kleidung sowie die Tatwaffe entsorgen (oder jemandem unterschieben), damit die polizeiliche Ermittlung ins Leere läuft – alles möglichst unentdeckt.

Dabei bleibt es aber nicht, denn statt als psychopathische Mörderin kann Yandere-chan auch als gewissenlose Manipulatorin agieren: Wenn die Annäherungsversuche der Konkurrentin in Katastrophen enden oder sie mit einem anderen Mitschüler verkuppelt wird, ist der Sache der Liebestollen auch gedient. Doch auch dafür benötigt sie entsprechende Fähigkeiten und Informationen. Erstere eignet sie sich durch lernen und Klubaktivitäten an und für gewisse Gefallen versorgt sie die mysteriöse Helferin Info-chan mit Details, die sie bei ihren „Beobachtungen“ nicht selbst hat herausfinden können.

Schnappschüsse schalten Infos über die Schüler frei.

Wo bleibt die Moral von der Geschichte?

Zu Recht mag das Spiel manchem Leser sauer aufstoßen. Schließlich ist der Avatar kein käuflicher Killer-Klon, der zwielichtige Gestalten der Unterwelt umbringt, sondern eine selbsternannte Auftragsmörderin in Gestalt eines Schulmädchens, das Altersgenossinnen in einer Schulumgebung, teils in sehr drastischer Inszenierung, tötet. YandereDev, das Ein-Mann-Team hinter dem Titel, glorifiziert seine Hauptfigur nicht, sondern bezeichnet sie als Monster. Dieser grundlegende Wesenszug der Protagonistin bildet den Kern der Spielhandlung, weswegen sie eben nicht vor grausamen Optionen zurückschrecken will. Ein Charakter wie Yandere-chan hat keine Hemmungen, eine Rivalin in den Selbstmord zu treiben, also kann der Spieler das auch tun. Abseits der fragwürdigen Prämisse und Handlungsoptionen gibt es zudem leicht erotische Aspekte, deren Wurzeln wohl auf die zugrundeliegende Anime-Ästhetik des Spiels zurückgehen. Yandere-chan muss etwa die Unterwäsche ihrer Mitschülerinnen fotografieren, um Info-chans Dienste zu nutzen. Solcherlei kontroversen Elemente führen zwangsweise zu Debatten um das Spiel.

Der Entwickler ist sich dessen bewusst und scheint darum bemüht, den Bogen nicht zu überspannen: So bietet das Spiel Lösungen an, die keinen Gebrauch von Gewalt (auch nicht psychischer Natur) notwendig machen. An anderer Stelle kann gewalttätiges Vorgehen zu spielmechanischen Nachteilen führen. Auch nimmt sich die Handlung zwar ernst, kommt aber durch ihre Anime-Motivik abstrakt-überzeichnet daher und lockert ihre Düsterkeit mit humoristischen Elementen auf.
So entsteht zumindest der Eindruck, dass Yandere Simulator nicht allein aus Tabubrüchen Kapital schlagen will. Gleichzeitig sind natürlich die wirtschaftlichen Interessen des Entwicklers zu bedenken, der schlicht dafür Sorge tragen will, dass das Spiel auf Videoportalen nicht gesperrt wird und auf Steam veröffentlicht werden kann. Trotz dieser Bemühungen steht Yandere Simulator aktuell auf der Liste der verbotenen Spiele des Live-Streaming-Portals Twitch.

Ohne den Schlüssel des Gartenklubs bleibt dieser Schuppen verschlossen.

Die faszinierende Welt der Yandere-chan

Allen moralischen Bauchschmerzen zum Trotz kann ich der Vision hinter Yandere Simulator eine makabre Faszination nicht absprechen. Das Szenario bietet ganz eigene Möglichkeiten: Statt in wechselnden Levels, agiert der Spieler fast ausschließlich in der Lehranstalt nach japanischem Vorbild. Diese soll mit ihren Schülern, Klubs und Lehrern zu einem faszinierenden Mikrokosmos werden, der auf die Handlungen der Hauptfigur reagiert, sie stetig vor Probleme stellt und somit das Interesse des Spielers aufrecht erhält. Eine Serie von mysteriösen Vermisstenfällen oder Morden soll die fröhliche Atmosphäre des quietschbunten Schulumfeldes zerstören. Die Schülerschaft wird durch die angespannte Situation misstrauischer und aufmerksamer. So könnte der Fotografie-Klub in diesem Szenario in der Schule mit seinen Kameras patrouillieren, um nach dem Verantwortlichen Ausschau zu halten.

Dann wäre da noch der Schulschwarm, der im Zentrum der ganzen Angelegenheit steht: Wird Senpai Zeuge eines Mordes durch Yandere-chan, sind ihre Chancen auf sein Herz zunichte gemacht. Wenn alle Anwärterinnen um seine Gunst eines grausamen Todes sterben oder sich in andere verlieben, kann dies ihn beziehungsunfähig machen und damit alle Bemühungen des Spielers ins Leere laufen lassen. Das Ineinandergreifen dieser Elemente – die Entwürfe des Entwicklers, welche Reaktionen der Schule Yandere-chans Handlung nach sich ziehen und wie sie selbst wiederum darauf reagieren kann – klingen auf dem Papier vielversprechend – trotz der perfiden Prämisse.

Die Schule der Zukunft

Ob das ehrgeizige Projekt alle seine Visionen umsetzen kann und seinen Weg zu Steam findet, lässt sich in dessen aktuellem Zustand noch nicht absehen. Momentan ist eine kostenlose Debug-Version mit rudimentär verbauten Features und einem Missionsmodus verfügbar, die regelmäßig aktualisiert wird. Wenn dieser Prototyp weit genug gediehen ist, soll später in diesem Jahr eine Crowdfunding-Kampagne die Fertigstellung des Spiels finanzieren. Die Vorzeichen für das Projekt stehen gut, hat doch der Youtube-Kanal des Entwicklers bereits eine Million Abonnenten angelockt, die der düsteren Faszination dieser schaurigen Schulromanze erlegen sind.
Anzeige
Mehrere Schüler überwältigen die auf frischer Tat ertappte Yandere-chan.
Hagen Gehritz 8. Februar 2017 - 13:32 — vor 6 Jahren aktualisiert
blobblond 20 Gold-Gamer - P - 23978 - 8. Februar 2017 - 12:39 #

User-Artikel?

ChrisL 30 Pro-Gamer - P - 199487 - 8. Februar 2017 - 12:48 #

User-Artikel!

Hagen Gehritz Redakteur - P - 158564 - 8. Februar 2017 - 23:26 #

So isses!

Danke an dieser Stelle für die lobenden Kommentare
und ein dickes Danke an ChrisL für die große Unterstützung.

theHOMER 14 Komm-Experte - 2153 - 8. Februar 2017 - 12:54 #

Als ich das erstemal was vom Yandere Simulator was mitbekommen hatte, musste ich unweigerlich gleich an Yuno Gasai von Mirai Nikki denken.

Pro4you 19 Megatalent - 16342 - 8. Februar 2017 - 13:10 #

Wer nicht mein Lieber..das war auch mein erster Gedanke als ich den Artikel gelesen habe

NovemberTerra 13 Koop-Gamer - 1564 - 8. Februar 2017 - 16:35 #

The original overly attached girlfriend! :D

immerwütend 22 Motivator - 31893 - 8. Februar 2017 - 13:34 #

Wäre es fertig, könnte mich das Spiel durchaus interessieren.
Mal sehen, was daraus wird...

Slaytanic 25 Platin-Gamer - - 61742 - 9. Februar 2017 - 1:55 #

...da bin ich auch gespannt drauf.

Jörg Langer Chefredakteur - P - 466287 - 8. Februar 2017 - 13:35 #

Schöner Artikel!

Renatus Cartesius 19 Megatalent - P - 13122 - 8. Februar 2017 - 14:05 #

Jedem Tierchen sein Pläsierchen, meins wärs nicht. Aber gut geschrieben, herzlichen Dank!

Faerwynn 19 Megatalent - P - 17851 - 8. Februar 2017 - 14:04 #

Hui, spannend. Ich verstehe aber die Aufregung nicht... wenn das Spiel so viele friedliche Möglichkeiten anbietet, dann ist nicht das Spiel fragwürdig, sondern immer der Spieler.

Harry67 20 Gold-Gamer - - 23656 - 8. Februar 2017 - 14:27 #

Klasse Artikel. Von dir würde ich gerne mehr lesen!

Noodles 26 Spiele-Kenner - P - 74003 - 8. Februar 2017 - 14:49 #

Schöner Artikel und das Spiel klingt irgendwie interessant. ;)

Nokrahs 16 Übertalent - 5996 - 8. Februar 2017 - 14:53 #

Interessantes Spielkonzept, nur das japanische Schulmädchen Setting holt mich nicht so recht ab.

doom-o-matic 17 Shapeshifter - P - 8568 - 8. Februar 2017 - 14:56 #

yandere? tsundere!

wolverine 16 Übertalent - 5132 - 8. Februar 2017 - 15:27 #

Sachen gibt's! o.O Immer wenn ich glaube, ich habe schon so ziemlich alles irgendwie/irgendwo schonmal gesehen, dann stolpere ich (und das meistens sogar hier auf GamersGlobal) über einen "Schau-übern-Tellerrand-Artikel" wie diesen, der mich eines Besseren belehrt.

Jedenfalls...

Artikel: Schön geschrieben - Kudos! Thema/Spiel: WTF?!!! :D

xan 18 Doppel-Voter - P - 11599 - 8. Februar 2017 - 16:01 #

Schöner Artikel. Ich kann mit dem Animekram gar nichts anfangen, sonst Finde ich es aber interessant. Ich mag ja die Hitman-Reihe sehr. Mal schauen, ob und wann und wie es fertig wird.

Jürgen 27 Spiele-Experte - P - 80238 - 8. Februar 2017 - 16:26 #

Sehr schön geschriebener Artikel! Das Setting ist nicht so meins, aber ansonsten klingt es wirklich sehr interessant.

Sciron 20 Gold-Gamer - 24179 - 8. Februar 2017 - 17:48 #

Puh, das hat meine Freundin mal ne Weile gezockt. Leider ist das ganze Teil trotz der ständigen Updates eben noch sehr unfertig. Das Schulszenario an sich finde ich, wie schon bei Persona, ja recht interessant. Würde das selbst allerdings erst spielen, wenn's wirklich ausgereift ist.

Hendrik 27 Spiele-Experte - P - 93993 - 8. Februar 2017 - 18:18 #

Schöner Artikel. Das klingt tatsächlich interessant. :)

Marulez 16 Übertalent - 4677 - 8. Februar 2017 - 21:08 #

Mehr von sowas, auch wenns nicht gerade mein Genre ist

Slaytanic 25 Platin-Gamer - - 61742 - 9. Februar 2017 - 2:20 #

Ein gut zu lesender User-Artikel, hat mir gut gefallen.

Maddino 18 Doppel-Voter - 10656 - 9. Februar 2017 - 2:56 #

Erinnert mich (ein klein wenig!) an Long live the Queen und könnte durchaus interessant werden. Danke für den Artikel!

yeahralfi 16 Übertalent - P - 5792 - 9. Februar 2017 - 8:37 #

Schöner Artikel über ein noch nicht so ausgelutschtes Thema. Auch die Länge fand ich genau richtig. Knackig auf den Punkt gebracht und nicht so überbordend. Gute Arbeit!

Sven Gellersen 23 Langzeituser - - 43725 - 9. Februar 2017 - 9:05 #

Toll geschriebener Artikel. Kudos, Lyhawk!
Das Spiel selbst finde ich hochinteressant, mal schauen wie sich das entwickelt.

Nagrach 14 Komm-Experte - 2677 - 9. Februar 2017 - 10:17 #

Schule. Das einzig wahre Horrorszenario.

Olipool 19 Megatalent - P - 13433 - 9. Februar 2017 - 10:29 #

Danke für den Hinweis! Würd ich gerne spielen, weils mal anders als die üblichen Verdächtigen klingt und in dem, was es macht, konsequent ist. Schade, dass gewalttätiges Handeln an einigen Stellen spielmechanisch sanktioniert wird. Nicht, dass ich Spaß an Gewalt hätte, aber für so ein Spiel sollte der Autor (des Spiels) eigentlich wertneutral bleiben.

Ganon 27 Spiele-Experte - - 81010 - 9. Februar 2017 - 11:17 #

Nennt mich pervers, aber ich finde das klingt ganz interessant. ;-)
Und schön beschrieben, Lyhawk.

Novachen 19 Megatalent - 14947 - 9. Februar 2017 - 14:42 #

Mhh.. klingt ja schon ein bisschen nach einer harmloseren und damit massenkompatiblen Version für Spieler von Stalking und Rape-Titeln ^^.