Klischees von gestern

RTL-"Explosiv" mag die Gamescom nicht riechen User-Artikel

Morlock 26. September 2011 - 10:29 — vor 12 Jahren zuletzt aktualisiert
Mangelnde Körperpflege, keine Freundin. Das Boulevard-Magazin "Explosiv" entdeckt die Gamescom -- allerdings nur als Projektionsfläche für antiquierte Spielerklischees. Dabei geht es nicht nur um die Anerkennung der Spielekultur an sich, sondern auch um allgemeine gesellschaftliche Werte.
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Ältere Leser mögen sich an den Spott erinnern, den leidenschaftliche Computer- und Videospieler früher in Schulen ertragen mussten. Da das Hobby selbst zu Beginn der 1990er noch ein Nischendasein fristete, konnte ein großer Teil der Schüler nichts mit Gesprächen über Fantasywelten, Levelbosse und Raumschiffupgrades anfangen. Schnell galt mancher Spieler als Außenseiter, als weltfremdes Kellerkind.

Eine kuriose Erinnerung an diese Zeit lieferte die Boulevard-Sendung Explosiv - das Magazin am 19. August auf RTL. Vor dem Beitrag über die Besucher der Gamescom 2011 las Moderatorin Nazan Eckes vom Teleprompter ab, dass Außerirdische unter den Gamescom-Besuchern Freunde finden könnten und sprach von "echten komischen Gestalten".

Der fünfminütige Beitrag, der augenzwinkernd daherkommt, konzentriert sich vor allem auf Stereotypen aus dem letzten Jahrtausend: Gamer zocken viel, rasieren sich wenig, riechen nicht so gut und lernen keine Mädchen kennen. Außerdem geht es um die Merkwürdigkeit von Leuten, die sich verkleiden. Es fehlen nicht die Interviews mit Besuchern, die am ehesten dem Klischee ähneln und entsprechend vorgeführt werden. Eine Gamescom-Messehostess kommt ebenfalls zu Wort. Die Ausschnitte aus dem Gespräch mit ihr unterstreichen die Grundaussage des Beitrags.

Was die Redaktion von Explosiv ignoriert: Computerspiele sind mitten in der Gesellschaft angekommen und ziehen die unterschiedlichsten Charaktertypen an. So zeigt der Beitrag etliche Besucher, die nicht dem oben beschriebenen Stereotyp ensprechen. Diese Menschen bleiben aber im Hintergrund und werden auch nicht interviewt. Die Kreativität derer, die sich aufwändig verkleiden und somit nicht nur ihre Kultur feiern, sondern sich auch sehr um ihr Aussehen kümmern, wird zudem kaum gewürdigt.

Spielesucht und soziale Isolation sind wichtige Themen in der Spieleszene, betreffen so manchen Spieler und verdienen eine kritische Diskussion. Auch gibt es viel angebrachte Kritik am Einsatz und der Behandlung von Hostessen in Spielemessen. RTLs Lästerbeitrag auf Schulhofniveau hat im Rahmen dieser Debatten keinen Wert. Vielmehr beleuchtet er die Arbeitsweise mancher komischer Gestalten, die für die Boulevardmedien arbeiten. Die Grenze zwischen Akzeptanz und Ablehnung der Computer- und Videospielkultur liegt häufig zwischen den Generationen. Was die meisten Menschen früher nicht begreifen konnten, ist heute selbstverstädlich. Explosiv plaziert sich mit diesem Beitrag deutlich in das Lager der Gestrigen.

Bei diesem Beitrag geht es allerdings auch um zwei Werte, die immer gelten werden und eine funktionierende Gesellschaft ausmachen: Akzeptanz und Neugier gegenüber neuer Kulturen. Wer sich heute in Onlineforen über RTL empört, sollte sich in in zehn, zwanzig, dreißig Jahren fragen, ob er neuen Entwicklungen mit der gleichen Offenheit gegenübersteht, wie er sie heute von Explosiv verlangt.

RTL-"Explosiv" berichtet von der Gamescom

 

 

Morlock 26. September 2011 - 10:29 — vor 12 Jahren zuletzt aktualisiert
Nico Bauer 08 Versteher - 198 - 26. September 2011 - 22:06 #

Das was sich RTL geleistet hat ist schon die Höhe. Selbst GameOne.de haben drauf reagiert. Aber vielleicht reisen sie sich mal zusammen.

firstdeathmaker 18 Doppel-Voter - 9333 - 4. Oktober 2011 - 19:12 #

Ach, das ist RTL. Die wissens halt nicht besser. Ich meine ein Fernsehsender der auf Bild-Niveau arbeitet, was erwartet man von so einem? Ich kann die ganze Aufregung darum auch wirklich nicht verstehen. Don't feed the troll! ;)

Barkeeper 16 Übertalent - 4420 - 20. August 2013 - 22:47 #

Oh, mittlerweile wurde das Video gelöscht.
Interessant, so offen gehen unsere Medien also mit Kritik um. Jaja... :-)

Die Antwort von Barlow ist aber noch online:
http://www.youtube.com/watch?v=eqMvRTP9MBk

:-)