Das übersehene JRPG?

Little Battlers Experience für den Nintendo 3DS User-Artikel

AlexCartman 15. September 2018 - 12:01 — vor 4 Jahren aktualisiert
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Aus der Nähe doch ganz schön unangenehm!
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Gegenstände lassen sich mit etwas Glück auch aus Automaten ziehen.

... und Fall

Das Spiel wirbt mit über 4000 Einzelteilen, aus denen ihr euren Taschenmech zusammenbasteln dürft. Zusammen mit den Spezialattacken, Waffentypen und Schadensarten entsteht so eine nicht zu verachtende Komplexität. Auch die vielen belegten Tasten während des Kampfes machen die ersten Gefechte zu einer recht hektischen Angelegenheit. Nach einer gewissen Eingewöhnungszeit offenbart sich dann jedoch eine der beiden entscheidenden Schwächen des Spiels: Es ist viel zu leicht.
 
Solange ihr fleißig alle Nebenquests abarbeitet, habt ihr zusammen mit den Belohnungen aus den Gefechten der Hauptgeschichte immer genug Credits, beim Händler neue Teile für die Kerneinheit und stärkere Waffen einzukaufen. Die Rüstungsteile leveln ohnehin mit. Die verschiedenen Schadensarten spielen in der Praxis kaum eine Rolle. Pflegt ihr euren Taschenkumpel also regelmäßig, stellen die
Das Spiel ist viel zu leicht.
meisten Gefechte schlicht keine Herausforderung mehr dar - intensives Bearbeiten des Angriffsknopfes reicht in der Regel völlig aus. Wird es doch einmal eng, schmeißt ihr schnell einen „Heiltrank“ ein, dann passt es eigentlich immer. Und wird es wirklich mal eng, bekommt euer Mech im Laufe der Kampagne auch noch einen Ultimate Move, mit dem dann auch die wenigen anspruchsvollen Bosskämpfe recht mühelos zu gewinnen sind.
 

Wo ist hier der Boss?

Überhaupt, die Bosskämpfe. Neben der durch den geringen Schwierigkeitsgrad verpuffenden Konfigurations- und Attackenvielfalt wird bei den Bosskämpfen das meiste Potenzial verschenkt. Früh im Spiel gibt es einen ersten Bosskampf, der von seiner Mechanik her an epische Schlachten Marke World of Warcraft erinnert. Ihr kämpft gegen einen riesigen Roboter, der in regelmäßigen Abständen bestimmte Spezialattacken auslöst, denen ihr ausweichen müsst. Gleichzeitig müsst ihr kleinere Gegner erledigen und auch noch die sprichwörtliche Schwachstelle des Bosses attackieren. Das Gefecht dauerte lange, war intensiv und zauberte mir erst den Schweiß auf die Stirn und dann ein Grinsen ins Gesicht.

Leider ist dieser Bosskampf aber der einzige seiner Art. Alle weiteren „Boss“kämpfe sind nichts weiter als Standardgefechte gegen gepimpte Gegner. Als wäre das nicht schon schlimm genug, könnt ihr kaum eins dieser Gefechte wirklich "ehrlich" gewinnen. Meist wird mitten im Kampf plötzlich eine Cutscene eingespielt, in der ihr das Gefecht dann ohne weiteres Zutun entweder gewinnt oder verliert, je nachdem was für die Geschichte gerade nötig ist. Das Spiel betrügt euch hier geradezu um das Gefühl, tatsächlich gesiegt zu haben. Ihr spielt nicht, sondern werdet gespielt.
 
Weitere Designschnitzer leisten sich die Entwickler bei einigen der Nebenquests.
Googlen brachte die Lösung.
Hier werdet ihr immer wieder vor Aufgaben gestellt, die sich mit den im Spiel verfügbaren Informationen schlicht nicht lösen lassen. Für eine der letzten Quests dieser Art sollt ihr beispielsweise drei LBX-Zeitschriften suchen und dem Questgeber bringen. Leider gibt es keinerlei Hinweise, wo ihr die Zeitschriften finden könnt. Also begab ich mich auf die Suche und klapperte einige der möglichen Händler für LBX ab, aber auch an Regalen vor Buch- und Zeitschriftenläden machte ich Halt. Alles ohne Ergebnis. Googlen brachte die Lösung: Die gesuchten Magazine sind praktisch wahllos in einzelnen Räumen der Spielwelt verstreut, teilweise tief hinter den gegnerischen Linien. Alle diese Räume hatte ich zwar im Laufe der Hauptkampagne bereits kämpfenderweise besucht, zu diesem Zeitpunkt war die Nebenquest aber noch gar nicht verfügbar.

Für manche Nebenquest müsst ihr auch mit einer bestimmten Rüstung oder Waffe kämpfen. Die sind aber teilweise limitiert und nicht immer im Sortiment der Händler verfügbar. Die Lösung hier: So oft schlafen gehen und so einen neuen Tag „erzwingen“, bis die Sachen endlich im Inventar der Händler auftauchen. Dazu müsst ihr jedoch zwischen Händler und eigenem Bett hin- und herpendeln ...

Die Nebenquests sind im Grunde der einzige Anlass, zwischen verschiedenen Rüstungen zu wählen. Ansonsten legt ihr euch zu Beginn des Spiels auf eine bestimmte Rüstung fest (der persönliche Geschmack reicht als Kriterium völlig aus), die ihr dann während des gesamten Spiels nicht mehr ablegt. Ein Wechsel hat meist keinerlei spielerische Vorteile.
 
Vorbereitung zum Drahtlosspiel.

„Endspiel! Es geht um die ganze Welt!“

Jedes Rollenspiel, das etwas auf sich hält, hat heutzutage Spielinhalte „für nach der Story“. Little Battlers Experience macht da keine Ausnahme. Schon im Rahmen der Hauptgeschichte bekommt ihr immer mal wieder Sammelkarten. Die könnt ihr im Spiel in einen Automaten stecken, der einem dann Gefechte gegen die aufgedruckten Mechs ermöglicht, die wiederum als Belohnung weitere Karten und Ausrüstung bringen. Ziel soll natürlich sein, irgendwann alle im Spiel enthaltenen Karten gesammelt zu haben. Ihr könnt solche Karten auch mit anderen Spielern tauschen und so eure Sammlung an Mechs und Ausrüstung vergrößern, um euch den bestmöglichen Mech für Gefechte gegen andere menschliche Gegner zusammenzustellen. Solche Gefechte sind allerdings nur über die Drahtlosverbindung des 3DS möglich, Onlinegefechte werden leider nicht unterstützt. Da in meinem Freundeskreis niemand anders das Spiel besitzt, konnte ich dieses Feature leider nicht testen.
 

Mehr als die Summe der Teile

Trotz der doch gravierenden Mängel habe ich Little Battlers eXperience bis zum Ende der Geschichte durchgespielt, was etwa 30 Stunden in Anspruch genommen hat, und hatte auch durchaus meinen Spaß. Die Steuerung in den Gefechten zu meistern ist zumindest anfangs eine Herausforderung. Das Konfigurieren des Mechs hat immerhin teilweise einen gewissen Anspruch, auch wenn ihr Euch nicht mit jedem Wert auf jedem Rüstungsteil im Detail beschäftigen wollt. Und die Geschichte an sich gewinnt zwar nicht unbedingt einen Preis für Originalität, ist aber hübsch erzählt und die zahlreichen Anime-Sequenzen sind wirklich sehenswert. Lediglich der Mangel an gut designten Bosskämpfen und einige quasi unlösbare Nebenquests trüben den Spielspaß nachhaltig.

Nichts also, was die Entwickler nicht in einer Fortsetzung reparieren könnten.
Die momentan aufgerufenen Preise ist das „übersehene JRPG“ allemal wert.
Leider war Little Battlers eXperience für den 3DS kommerziell nicht wirklich erfolgreich, was die Chancen auf eine Fortsetzung vermutlich nicht erhöhen dürfte. Auf der anderen Seite hat der geneigte Leser aber derzeit die Gelegenheit, auf dem Gebrauchtmarkt für kleines Geld zuzuschlagen. Und die momentan auf den einschlägigen Handelsplattformen aufgerufenen Preise ist das „übersehene JRPG“ allemal wert.
Showdown.


 
AlexCartman 15. September 2018 - 12:01 — vor 4 Jahren aktualisiert
Evoli 17 Shapeshifter - 8858 - 15. September 2018 - 11:17 #

Danke für den ausführlichen und informativen Artikel :)

Vidar 19 Megatalent - 15012 - 15. September 2018 - 12:32 #

Gehörte zu einen der wenigen die es kaufte aber hab es nie durchgespielt.
Vom Aufbau ähnelt es sehr stark der Custum Robo Reihe von Nintendo, weshalb ich es mir auch gekauft habe, aber irgendwie wollte der Funke nicht überspringen.

Hoffe ja immer noch das irgendwann mal ein Nachfolger zu Custum Robo von Nintendo kommt, auch wenn es äußerst unwahrscheinlich ist.

Thomas Barth (unregistriert) 15. September 2018 - 13:58 #

Wenn ich es mal günstig für bis zu 10€ kriege dann gerne, aber mein Backlog an 3DS Spielen ist noch so unglaublich groß, dass es wohl keine besonders hohe Priorität bekommen wird.

Vielen Dank für den tollen User-Artikel. :)

Drapondur 30 Pro-Gamer - - 161754 - 15. September 2018 - 17:21 #

Besitze keinen 3DS, war aber interessant zu lesen.

Desotho 18 Doppel-Voter - 9421 - 15. September 2018 - 19:31 #

Vielleicht überlesen: Aber wie schaut es mit dem 3D Effekt des 3DS hier aus?

AlexCartman 20 Gold-Gamer - 22087 - 15. September 2018 - 21:51 #

Stimmt, habe ich nix zu geschrieben. Der 3D-Effekt funktioniert gut, in den vorgezeichneten Videos sogar sehr gut. Aber ich habe halt auf dem New 3DS gespielt, da ist der Effekt ja immer etwas besser.

Desotho 18 Doppel-Voter - 9421 - 16. September 2018 - 12:33 #

Den habe ich auch und da es das Spiel für 6 EUR gab habe ich es mal gekauft :)
Ein hübscher 3D Effekt macht das Spiel nicht besser, ist aber für mich aber nach wie vor ein schöner Bonus.

AlexCartman 20 Gold-Gamer - 22087 - 16. September 2018 - 13:11 #

Viel Spaß! Jetzt müsste ich eigentlich 20 cent Provision oder so bekommen. Lass hören, wie es dir gefällt. :)

Aladan 25 Platin-Gamer - P - 57121 - 17. September 2018 - 6:17 #

Danke für den Artikel. Mein 3DS wird wohl trotzdem nie mehr eingeschaltet. :-D

Toxe (unregistriert) 17. September 2018 - 10:58 #

Du Monster!

Toxe (unregistriert) 17. September 2018 - 11:02 #

Ich hatte mir das Spiel damals schon nach Deinem DU-Galerie-Beitrag auf die gedankliche Liste gesetzt, nachdem ich dann ein Test-Video dazu gesehen hatte. Das schaut schon interessant aus, kann man wirklich nicht anders sagen. Wirklich schade, daß manche Spiele so übersehen werden.

feuergott666 13 Koop-Gamer - 1681 - 17. September 2018 - 11:44 #

Das Spiel fand ich eigentlich ziemlich großarting. Storytechnisch ein spielbarer Samstagmorgen-Cartoon, spielerisch gewohnt hohe 'Level 5' Qualität, wie man sie auch schon von Inazuma Eleven und Yo-Kai Watch kennt.
Lediglich der in drei Phasen aufgeteilte Endkampf hat mich echt Nerven gekostet... der Schwierigkeitsgrad zieht, im Gegensatz zu ansonsten meist recht moderaten Rest, plötzlich enorm an (o.k. es ist halt der Boss)... das alleine wäre ja nicht schlimm, aber jede dieser drei Bosskampf-Stages hat jeweils einen minutelangen Vor- und Abspann... der sich nicht abbrechen läßt! Beim ersten Mal war das ja spannend, da man aber nach dem vorzeitigen Ableben immer wieder ganz am Anfang beginnen muß, ist man gezwungen sich die gar nicht mal so kurzen Filmchen wieder und wieder komplett anzugucken! Ich hab' den Boss zum Glück im dritten Anlauf geschaft, ansonsten hätte ich das Game wahrscheinlich gar nicht mehr durchgespielt... was ich sehr bedauert hätte!
Bitte gerne auch einen neuen Ableger für die Switch!!! ;-)

Maverick 34 GG-Veteran - - 1329566 - 18. September 2018 - 13:43 #

Danke für den lesenswerten Artikel (auch wenn ich keinen 3DS besitze). ;)

Labrador Nelson 31 Gamer-Veteran - P - 266509 - 24. Januar 2019 - 21:44 #

Danke für den netten Artikel! Ohne hätte ich nie was von dem Spiel gehört.