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Einige Behandlungs-Gerätschaften sehen nicht vertrauenserweckend aus |
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Die deutsche Ausgabe glänzt mit Rechtschreibfehlern und sehr großer Schrift, damit das Buch schön dick ist. |
Das Design des Spiels entstand parallel zur Kurzgeschichten-Reihe, so dass John Saul und Bob Bates ihre Geschichten ständig aufeinander abstimmen mussten. Da Sauls Geschichten einige Jahre vor dem Spiel spielten, waren sie zwar relativ frei in der Gestaltung, aber natürlich mussten die Schicksale einzelner Personen und Orte im Laufe der Jahre zueinander passen. Saul erinnert sich im Interview mit The Computer Show: "Einmal brannte ich ein Haus nieder, das Bob nutzen wollte. Ups!". Da das Spiel sich auf die psychiatrische Anstalt als Schauplatz beschränkt, war ich ein wenig verblüfft. Die Hauptfigur beider Bücher lebt auf dem Gelände der Anstalt in einem alleinstehenden Haus. War das vielleicht gemeint? Bob konnte hier Licht ins Dunkel bringen:Wir blieben 1995 weiter im Gespräch, und 1996 begann ich mit der Entwicklung des Spiels. Im Herbst dieses Jahres stimmte Random House nach dem Erfolg von Stephen Kings Fortsetzungsroman "Green Mile" zu, auch Johns Buch als Fortsetzungsroman zu veröffentlichen.
Das Spiel setzt also einige Jahre später ein, damit sich die beiden Stränge nicht in die Quere kommen. Die Einkaufszentrums-Pläne sind begraben und stattdessen wurde in dem alten Gemäuer ein Museum über die Geschichte der Psychiatrie eingerichtet, dessen Eröffnung kurz bevorsteht. Trotz des zeitlichen Sprungs tauchen Charaktere des Buchs auch wieder im Spiel auf - nur nicht unbedingt so lebendig wie zuvor. Es ist zwar problemlos möglich, das Spiel ohne Kenntnis des Buchs zu spielen, aber John Saul empfiehlt im Vorwort des Handbuchs (ganz der Autor, der er ist), das Buch noch dazu zu lesen. Ich habe das Buch hier und würde sagen, dass ihr mit der Lektüre nichts falsch macht, aber ihr verpasst auch keinen Nobelpreis-Kandidaten. Trotzdem füllt es natürlich die Spiel-Geschichte mit sehr viel Hintergrund auf.Um Konflikte zwischen den Geschichten zu vermeiden, beschlossen wir schon früh, John über die Vorgänge in der Anstalt und in der Stadt schreiben zu lassen, während ich mich einige Jahre später mit der verlassenen Anstalt (und ihren Geistern) und der Stadt beschäftigte. Dennoch gab es unterwegs einige Überraschungen, da John von Zeit zu Zeit von seinem ursprünglichen Plan abwich und ich mein Design entsprechend anpassen musste. Ein solches Beispiel war, als John ein Haus niederbrannte, das ich nutzen wollte. Aber letzten Endes spielte das keine Rolle, denn eine Budgetänderung mitten in der Entwicklung sorgte dafür, dass ich die Häuser fallen lassen und mich auf die Anstalt beschränken musste.
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Die Küche ist einer der am besten beleuchteten Orte der Klinik |
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Malcolm taucht im Spiel nur stimmlich auf. Und auf diesem Portrait. |
Es war nie beabsichtigt, ein "Spiel" im üblichen Sinne des Wortes zu sein. Ich habe schon lange darüber nachgedacht, den Computer als Plattform zum Geschichtenerzählen zu nutzen. Ich hatte vor Jahren herausgefunden, dass Abenteuerspiele aus einer Reihe miteinander verbundener Boxen (oder Räume) bestehen, daher schien das Setting einer psychiatrischen Klinik mit vielen Räumen mit unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten für dieses Medium selbstverständlich zu sein. Den Leiter der Anstalt als Bösewicht und seinen Sohn als Helden zu besetzen, war eine natürliche Folge.
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Von außen sehen wir die Klinik nur in Intro und im Outro |
Für Legend-Verhältnisse sind die Puzzles spärlich eingesetzt - und noch dazu relativ einfach zu lösen. Einzig einige zeitkritische Rätsel können euren Puls kurz in die Höhe schnellen lassen. Solltet ihr an diesen scheitern, könnt ihr euch aber Hinweise geben lassen - oder direkt die Lösung des Rätsels. Gerne sind dies auch Sequenzen, in denen Oliver von seinem Vater ferngesteuert wird. Zum Beispiel lösen wir eine solche Sequenz aus, wenn wir einen bestimmten Gegenstand bekommen. Eine Kamerafahrt später liegen wir in völliger Dunkelheit in einer Dampfkammer, deren Temperatur langsam steigt. Zwar ist die Lösung recht einfach, aber die erzeugte Stimmung ist hervorragend: Während Malcolm ganz wissenschaftlich nüchtern erklärt, wie der Körper auf die Hitze reagiert, hämmert Olivers Herz immer schneller, wie auch sein Atem immer panischer klingt. Leider fällt die Spannung direkt mit dem Ende dieser Sequenzen wieder radikal ab. Da wäre noch so viel drin gewesen.Ich war noch nie ein Fan von Jump-Scare-Horror. Ich habe selbst zu schnell Angst und mag dieses Atem raubende Gefühl nicht. Aber ich beschloss, dass ich, wenn ich ein Horrorspiel machen wollte, die Leute tief im Inneren erschrecken wollte. Meiner Meinung nach war der beste Weg, das zu erreichen, den Geisterstimmen der Insassen zuzuhören, die über die schrecklichen (und echten) "Behandlungen" sprechen, die sie ertragen mussten. So etwas wie Elektroschocktherapie und die sogenannte "Malariatherapie", bei der ihnen Parasiten injiziert wurden. Diese lösten Fieber aus, von dem die Ärzte warum auch immer dachten, es würde sie heilen. Außerdem wollte ich die Leute wissen lassen, dass die Grenze zwischen dem Aufenthalt innerhalb und außerhalb einer Anstalt sehr schmal war (und immer noch ist). Oft genügt eine einzige Person, um eine andere Person in eine Anstalt einzuweisen. Und wenn man einmal dort ist, hat man keinerlei Kontrolle über sein Leben und es kann sehr schwierig sein, wieder herauszukommen. Das ist wirklich beängstigend.
Dies ist Teil eines allgemeinen Trends im Adventure-Gaming, der bis heute anhält. Die Zeiten superschwerer (und manche sagen unfairer) Rätsel gehören der Vergangenheit an. Das habe ich zuletzt bei meinem Spiel Thaumistry erlebt, das ich im Laufe der Entwicklung aufgrund des Feedbacks der Tester immer einfacher gemacht habe. Ich habe Timequest geschrieben, um herauszufinden, ob es noch einen Markt für herausfordernde Rätsel im Infocom-Stil gibt. Es stellte sich heraus, dass es zwar immer noch Fans dieses Stils gibt, der moderne Spieler jedoch weniger Geduld hat, sich zurückzulehnen und über Lösungen für schwierige Probleme nachzudenken.
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An einigen Stellen des Spiels kann Oliver kurz mit Josh reden |
Danke für den interessanten Artikel. Auch dieses Spiel ging damals komplett an mir vorbei. Bei der Wertung war das aber auch kein Wunder, denn damals waren niedrige Wertungen in der Power Play schon für mich ein großes, rotes Warnzeichen... Das hat wohl auch dieses mal wieder gestimmt. Die Vorlage kannte ich auch nicht und da war natürlich das Interesse gar nicht erst da.
Einer meiner letzten Sätze trifft es (glaube ich) ganz gut: Als Walking Simulator ist das Spiel brauchbar. Gerade wenn sich der Spieler auf den Horror der Behandlungs-Beschreibungen einlassen kann. Als Adventure hat es zu viele Defizite - und die Stimme Olivers ist leider in beiden Varianten stimmungstötend.
Der Artikel ist wieder großartig geworden, offenbar ganz im Gegenteil zum Spiel. Schon damals fand ich die Optik wenig ansprechend. Gameplay-technisch gewinnt es offenbar auch keine Preise. Aber interessant, was da hinter den Kulissen abging. Von daher: Vielen Dank für den Artikel!
Oh, das könnte aber doch was für die Sammlung sein. Danke für den Artikel. :)
Ich mag solche Myst-inspirierten Spiele eigentlich sehr gerne. Erst zuletzt hab ich zum ersten Mal Dracula durchgespielt. Hat auch Spaß gemacht. Und dann gibt es natürlich so Granaten wie Zork: Nemesis oder Scratches. Oder auch die eine oder andere Kuriosität: Kann sich eigentlich noch jemand an das Spiel "Faust - Seven Games of the Soul" von Cryo erinnern?
Moment, muss mich erst von dem Schock erholen. Cryo. Brrrrr. Zu Deiner Frage: Nein, das Spiel kenne ich tatsächlich nicht. Klingt aber bizarr genug, damit ich es mir mal anschauen sollte.
Zur Verdeutlichung: Der Myst-Anteil bei den Blackstone Chronicles bezog sich auf die Art, wie die Grafik dargestellt wird. Die Rätsel sind weitaus einfacher, auch wenn es natürlich öfters mal um Maschinen geht. Aber es werden nie komplexere Rätsel gestellt.
Ja, jedes Cryo-Spiel im Einkaufskorb war ein großes Risiko, aber die eine oder andere Perle - zumindest in gewissen Aspekten - gab's von denen auch. ;)
Und ja, das mit dem Myst-Anteil habe ich eh auch so verstanden. Die vertrackten Puzzles a la "ich drehe in Peking an einer Cheramikschüssel und dann zeigt das Bild in New York ein anderes Sternbild, das ich dann in Oslo mit Klangschalen nachspielen muss" sind auch nicht gerade das, was mich daran fasziniert. Eher die Art der Navigation und der Darstellung. :)
Oh ja, diese als DVD-Spiele angepriesenen Adventures fand ich immer seltsam. Nicht mein Fall. Allerdings habe ich gute Erinnerungen an Zork Großinquisitor, wenn ich an Ego-Adventures denke.
Das einzige gute Cryo Adventure war der Ring der Nibelungen, der Rest war nun ja so lala bis schauderhaft. Ich freue mich schon auf die versprochene Cryo Folge bei Stayforever, da Gunnar ja über Jahre der Cryo Hof- und Haustester war.
Wieder ein klasse Artikel, vielen Dank!
Schade, dass das Spiel damals nicht so berauschend geworden ist, aus der Grundprämisse hätte man wohl durchaus mehr machen können.
Ich freue mich schon auf Teil 13 deiner Serie, Jürgen. Unreal 2 wird dann auch das erste Spiel aus der Reihe sein, welches ich kenne und selbst gespielt habe. :)
Danke dir. Der letzte Teil kommt vermutlich schneller, als du denkst…
Danke, dass du noch nicht zum Ende gekommen bist und diesen tollen Artikel zu einem nicht ganz so tollen Spiel dazwischen geschoben hast. Wieder einmal toll geschrieben.
Aber es ist auch das erste Mal, dass das nahenden Ende wirklich thematisch aufgegriffen wird.
Danke Dir. Bei diesem Artikel hatte ich noch einige Fragen an Bob Bates, die er mir nach besten Kräften beantworten wollte - aber dafür brauchte er Zeit, weil er sich erst durch seine Unterlagen in der Garage wühlen musste. Deshalb hatte ich den Artikel noch ein wenig reifen lassen. Jetzt, nach der Veröffentlichung, kann man sich ja durch die richtige Reihenfolge klicken :)
Interessant, Amerikaner bewahren wohl alle wichtigen Unterlagen in ihren Garagen auf, egal ob Spieleentwickler oder Präsident. Könnte man mal in James Bond verwursten, da sucht der gute James immer in Büros nach den geheimen Unterlagen, dabei sind die Atomwaffencodes in der Garage!
Das Buch steht schon im Schrank, das Spiel folgt! Danke!
Gerne! Ich bin gespannt, wie es dir gefällt.
Wieder so ein Jürgen-Brett. :) Habe ich gerne gelesen, vielen Dank!
Bedankt :)