Erfahrungsbericht: Boktai

Ich und meine Boktaibräune User-Artikel

Gerjet Betker 9. August 2009 - 21:18 — vor 14 Jahren zuletzt aktualisiert
Während draußen die Temperaturen in die Höhe schnellen, nutzen Videospieler die dadurch entstandene Zeit, aufgeschobene Spiele im Kühlen Kämmerlein zu genießen. Aber einige Fans von Hideo-Kojima-Werken zieht es mit ihrem GameBoy Advance nach draußen -- dies bietet ein unvergessliches Spielerlebnis.
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Spulen wir einmal fünf Sommer zurück -- der Nintendo DS war noch weit von uns entfernt, und wenn man mobil spielen wollte, war der GameBoy Advance die erste Wahl. Auch wenn der GameBoy Advance eine mobile Konsole war, dank des schwachen Displays konnte man bei Sonneneinstrahlung rein gar nichts auf dem Bildschirm erkennen. Ein Spieleentwickler müsste ein Sadist sein und es lieben die Augen von GBA-Besitzern bis aufs Äußerste zu strapazieren um ein Spiel zu entwickeln, was man nur draußen richtig spielen konnte. Hideo Kojima war ein Sadist.

Viele kennen nur sein Meisterwerk mit Solid Snake, aber die anderen Spieleserien der Kojima-Labs kennen nur ganz wenige. Wenn reine Nintendo-Besitzer in dieser Zeit ein Kojima-Spiel spielen wollten, gab es nur Twin Snakes für den Gamecube und ein Spiel, was vielen Spielemagazinen nur eine Randnotiz wert war: Boktai - The Sun is in Your Hand. Für viele Magazine war dieses Spiel nur ein Seven of Ten und die Eigenart des Spieles, welches die Spieler an die Frischluft zwang, wurde als Minus-Punkt abgestempelt.

Aber bevor ich auf die Spielmechanik, die Geschichte innerhalb des Boktai-Universums und eigenen Erfahrung mit der Spielereihe eingehe, erzähle ich euch, wie ich überhaupt Interesse an diesem Spiel fand und mir den schlimmsten Sonnenbrand meines Lebens holte.


Vampirjagd im Internet


Als Retro- und Rollenspiel-Fan suche ich immer nach Perlen des Gernes beziehungsweise nach neuen Ablegern eines alten Franchises. Eines dieser Franchises war die Mega Man Battle Network-Serie. Im vierten Teil des Spieles gab es ein Horrorhaus in dem man das erste Mal auf Django, dem Protagonisten von Boktai, traf. Zwar war es im Horrorhaus nur eine Wachsfigur, aber später im Spiel traf man im Undernet, dem böse Teil des Internets (Wenn das echte Internet bloß so einfach wäre), auf den echten Django und *trommelwirbel* Otenko.

Man erfüllte ihr Sidequest und bekam als Prämie Django als Aufruf. Und dieser Aufruf war einfach klasse gegen gemeine Bossgegner und ich fand Interesse an diesem Blondschopf. Beim Durchstöbern der Bedienungsanleitung von MMBN 4 stolperte ich über den Punkt, dass es ein Link-Feature zwischen jenem Spiel und einem Spiel namens Boktai gab. Ein Einkauf bei Karstadt später und Boktai war mein. Beim ersten Anspielen in meinem Zimmer fiel auf, dass ich kaum Schaden machte und nur mit Müh und Not den ersten Endgegner besiegen konnte. Mir war durchaus bewusst, dass das schwarze Etwas auf dem Modul ein Lichtsensor war, aber zuerst hab ich gedacht, dass auch normales Licht reichen würde.


Tücken des Solarsensors


Da hatte ich mich gehörig geschnitten. Der Sensor reagierte nur auf UV-Licht und da technische UV-Lampen in Massen ungesund sind und höllisch heiß werden, hieß es für mich, der Sonne zu folgen um das Spiel schaffen zu können.

Somit wäre es Zeit, die Technik hinter dem Spiel zu erklären: Die Attackenstärke wird durch die Stärke der Sonneneinstrahlung und der Summe der gesammelten Solarenergie bestimmt. Während fenstergefilterte Sonnenstrahlen gerade mal nur Attacken mit 15%-Stärke ermöglichen, kann schon eine Frühlingssonne die Stärke auf 85% bringen. Nur, zu viel Sonne ist auch wieder schlecht. Das Spiel besitzt einen eingebauten Schutzmechanismus um die Spieler vor Hitzekoller, Hautkrebs, Dehydrierung und sonstigen Problem die der Sommer mit sich bringt zu schützen. Bei zu starker Nutzung der einzigen Waffe im Spiel, der Gun del Sol, überhitzt diese und kann bis zum Sonnenuntergang, der nach der internen Spieluhr bestimmt wird, nicht mehr benutzt werden. Ich habe darauf nicht geachtet und keine Sonnencreme benutzt, zur Freude meines Hausarztes und der deutschen Pharmaindustrie.


Spaghetti mit Met


Jetzt aber endlich zur Geschichte in Boktai: Die Evolution hatte aufgehört. Tier- und Pflanzenarten begannen auszusterben und Untote angeführt von den Immortals überrannten die Welt. Der Vampirjäger Roter Ringo versuchte alles um die Immortals aufzuhalten, jedoch versagte er bei einer Entscheidungsschlacht gegen einen der größten Vampire. Sein Partner konnte nur zwei Dinge an sich nehmen und Ringos Sohn Django geben, einen roten Schal und die Gun del Sol.

Als Django alt genug war, machte er sich auf den Weg, seinen Vater zu rächen und seinen Auftrag zu Ende zu bringen. Auf dem Weg zum Grafen von Sickerblut trifft Django auf den alten Wegbegleiter von Ringo, Otenko, welcher von da an Django als Mentor zur Seite stehen wird. Nachdem der Graf vernichtet ist, macht Django weiter das Land von allen Immortals zu befreien. Jedoch wird er nach einiger Zeit von einer Figur aufgehalten, die ihm zum Verwechseln ähnlich aussieht und auch eine machtvolle Pistole besitzt. Es stellt sich raus, dass es Djangos Zwillingsbruder Sabata ist und er von seiner Tante Hel aufgezogen wurde, welche mit dem Körper der Mutter Mani fusioniert ist.

Was nach einem Potpourri aus Italo-Western, Mythologie und Vampirgeschichten klingt, ist es auch. Jeder Name einer Person in Boktai lässt sich in Werken einer dieser Kategorien wiederfinden. Vor allem beim Protagonisten Django wird man spätestens nach dem ersten Bosskampf die Italo-Western-Referenz in Form eines Sarges erkennen.

Vampire in einem Sarg sind ja eigentlich was normales, aber wenn der Held den Sarg inklusive Vampir innen drin hinter sich herzieht, ist es schon ein merkwürdiges Schauspiel. Außer man ist Freund von Italo-Western. Im Film Django mit Franco Nero, zog gleichnamiger Anti-Held auch einen Sarg hinter sich her. Aber Anstatt einen Vampir wie der Spiel-Django darin zu verstauen, lagert der Film-Django ein Maschinengewehr im Sarg, mit dem er schon so manchen Hombré durchlöchert hat.


TAIYÔ!

Wofür überhaupt muss Django im Spiel den Sarg überhaupt durch die Gegend zerren? Nun ja, Bosskämpfe sind in diesem Spiel in zwei Teile geteilt, der Kampf gegen den Immortal und die Reinigung. Man zerrt den Sarg vom Boss-Raum durch den ganzen Dungeon zurück zum Levelanfang, wo die Reinigungsebene bereit steht und dann ist Grillparty. Mit gebündelten Sonnenlicht wird der Immortal in ein Häuflein Asche verbrannt, aber er kämpft dagegen an und probiert die Ebene zu zerstören. Dieser Part des Spieles benötigt ordentlich echtes Sonnenlicht, ansonsten kann man den Sieg vergessen.

In den folgenden Boktai-Teilen treffen wir in Djangos Heimatstadt San Miguel auf Ringo wieder, welcher nicht wie Otenko damals gesagt hat, tot sei, sondern sein Körper nur von einem der mächtigsten Vampire der Geschichte übernommen wurde (Otenko du dreckiger Lüg... das klingt jetzt irgendwie falsch). Als „Wiedersehensgeschenk“ klaut er zuerst die Gun del Sol, sodass Django mit klassischen Waffen und Magie gegen Untote wettern muss und als besonderes Schmankerl beißt Ringo etwas später genüsslich in Djangos Halsschlagader. Durch schnelles Handeln von Sabata und Otenko kann schlimmeres verhindert werden und Django wird nur Halbvampir, kann trotzdem noch bei Sonnenlicht unterwegs sein. Er glitzert aber nicht bei Sonnenlicht wie ein paar Pseudovampire, sondern kann zwischen seiner mennschlichen und Vampirform wechseln um sich in Fledermäuse und ähnliches Getier zu verwandeln.

Der dritte Teil erschien, auf Grund schwacher Verkaufszahlen von Boktai in den USA nie außerhalb Japans, womit ein wichtiger Teil der Geschichte uns verborgen blieb und Kämpfe gegen Untote auf Motorrädern. Ja, anstatt langweiligen Schleichen durch Dungeons war es möglich im driten Teil mit einem Motorrad gegen Horden von Untote anzutreten und die Welt endgültig von den Immortals zu befreien.

Endgültig? Leider nicht. Der vierte Teil für den Nintendo DS knüpft an das schlimmste Ende vom dritten Boktai-Teil an. Django tot, Sabata tot, die Welt von Immortals beherrscht und Menschen dienen nur noch als „Getränkeautomat“. Da DS Module nicht so ein Technikklotz, wie GBA Module sein konnten, wurde in Boktai DS aka Lunar Knights das Wetter simuliert und durch die Manifestierung von Elementarwesen, den Terrenials,  kontrolliert. Lunar Knights hat alles was bei Boktai Spaß gemacht hat und es war auch möglich das Spiel im tiefsten Winter durchzuspielen. Haken an Lunar Knights waren die Weltraumschlachten.

Anstatt wie in den GBA-Teilen den Sarg mit dem Immortal quer durch die Gegend zu schleifen, setzte man sie DIREKT der Sonne aus. Die Kontrolle ist leider manchmal etwas schwammig und auf dem Albtraum-Schwierigkeitsgrad  muss man schon ein Shooter-Meister sein um das Spiel überhaupt schaffen zu können.


Von Jedis und Sonnenblumen

Somit wären alle Leser, die bis hier hin gekommen sind, mit genügend Wissen versorgt um die Boktai-Serie beschreiben zu können, ohne ein Spiel davon jemals gespielt zu haben. Kommen wir nun zur Sonnenblume mit Jedi-Komplex: Otenko. Wie schon beschrieben ist Otenko der Mentor des Helden des Spieles, außerdem ist er die Manifestierung der Seele der Sonne. Bei seinen Aufmunterungsreden und bei eigentlich belanglosen Gesprächen weißt er ständig auf die Macht der Sonne hin und erklärt Django diese weise zu nutzen. Was aber in den Spielen, wie eine Grippe grasiert ist sein Lebensmotto und Satz, welche er an fast jedem Ende eines Dialogs von sich bringt: May the SUN be with you! (Möge die SONNE mit dir sein!)

Im ersten Teil ist das noch ok, da dieses einige der wenigen Stellen mit Synchronisation ist - aber im vierten Teil für den DS wird man ständig von diesem Satz erschlagen. Zwar kommt er nicht aus Otenkos Mund, der merkwürdigerweise im Westen in Toasty umbenannt wurde, aber alle anderen Charaktere auf der guten Seite spammen einen förmlich damit zu.

Habt nun kein falsches Bild von den Spielen. Es sind solide Action-RPGs mit Stealth-Einlagen und gutem Story-Telling. Hideo Kojima hat einige Überschneidungen zwischen der Boktai und Metal Gear Solid-Serie gemacht, welche aber nur Kennern auffallen. Snake hat zum Beispiel einen Gastauftritt in Boktai 2 und gibt Django gemeine Missionen, bei denen er ohne das berühmte „!“ durch einen Dungeon kommen muss; und Spieler von MGS4 sollten mal Snakes iPod genauer untersuchen.

Für die Zukunft wünsche ich mir das Hideo Kojima nach dem x-ten MGS-Spin-Off einen fünften Teil der Boktai-Serie erfindet und witzig wäre es, wenn es für die Wii wäre mit Wetterkanalunterstützung. Wenn ihr Interesse an den Spielen gefunden habt, könnt ihr Lunar Knights in vielen Grabbelkisten für nur 10 Euro finden und die alten Boktai-Teile günstig bei eBay erstehen. Ich werde mich jetzt wieder in meine Hängematte im Garten legen und mit ein paar Vampiren eine Grillparty veranstalten. Zum Schluss bleibt mir nur noch eines, was ich sagen kann:

MAY THE SUN BE WITH YOU!
Gerjet Betker 9. August 2009 - 21:18 — vor 14 Jahren zuletzt aktualisiert
Jörg Langer Chefredakteur - P - 469822 - 10. August 2009 - 12:47 #

Sehr schöner Text :-)

Was du noch tun könntest: Den Text noch etwas mit Zwischenüberschriften unterteilen (da dir nur der einfache Editor zur Verfügung steht auf Stufe U1, schlicht die Fettung verwenden).

Gerjet Betker 19 Megatalent - 14048 - 10. August 2009 - 13:58 #

Zwischenüberschriften sind eine gute Idee - für den GamesCom-Bericht (wenn man schon Orga ist, sollte man einen schreiben) werde ich es berücksichtigen.

Gadeiros 15 Kenner - 3562 - 10. August 2009 - 13:27 #

boktai ist schon cool. vielleicht hättest du noch die minidreingaben/spielchen wie das früchtewachsenlassen erwähnen können. die 'sonnenbank' oder die komplett sonnendichten dungeons mit dem seltenen oberfenster. oder die aufrüstbare/konfigurierbare waffe.
fakt ist auch, daß man nichtnur auf sonne angewiesen ist. manche rätsel in dem spiel basieren auf dunkelheit und abdeckung des sensors. und man hat nicht unendlich power in der knarre, sondern muss seine knarre auftanken unter oberlichtern oder an solarladestationen. umseo mehr sonne also auf dem sensor scheint, umso schneller geht das dann auch..

aber cooler artikel für so ein relativ unbekanntes game

Gerjet Betker 19 Megatalent - 14048 - 10. August 2009 - 14:01 #

Danke fürs Lob und die konstruktive Kritik. Ich hab den Bericht von knapp 4000 auf 1700 Wörter gekürzt, sodass nicht ein Wissenüberfluss entsteht und alles was das Spiel ausmacht genannt wird (und ich nebenbei spoiler) - ich hoffe, dass einige sich vll. Lunar Knights zulegen, da es selbst beim dritten Durchspielen noch Spaß macht.

Ridger 22 Motivator - P - 34736 - 10. August 2009 - 15:33 #

Toller Bericht. Ich hab Boktai damals leider nur ein bisschen gespielt. Vielleicht war immer nur schlechtes Wetter, kann mich nicht mehr erinnern.

Dein Artikel hat Lust auf die User Blogger Karriere gemacht. Mir fehlt noch eine News und dann folge ich Dir Master Otenko!

ChrisL 30 Pro-Gamer - P - 199512 - 10. August 2009 - 16:40 #

Klasse geschriebener Artikel - und ich bin begeistert, was es alles gibt ("Die Attackenstärke wird durch die Stärke der Sonneneinstrahlung und der Summe der gesammelten Solarenergie bestimmt.")

Zwei kleine Tippfehlerchen sind mir aufgefallen (hoffe es ist ok, wenn ich die hier reinschreibe):
- "Im ersten Teil ist dass noch ok ..." (besser "das")
- "... für den DS wird man ständig von diesem Satz erschlagen wird ..." (Dopplung)

Gerjet Betker 19 Megatalent - 14048 - 10. August 2009 - 18:49 #

Flüchtigkeitsfehler, die man ständig überliest, Danke^^"".

Earl iGrey 16 Übertalent - 5093 - 11. August 2009 - 14:59 #

Um Himmels Willen. :o

Gut geschrieben.

Felix 11 Forenversteher - 707 - 8. Januar 2010 - 0:28 #

Habe mir heute im GameStop Heidelberg "Boktai: The Sun is in Your Hand" und "Boktai 2: Solar Boy Django" für zusammen 10.- Euro (gebraucht) gekauft und bin wirklich begeistert. Deshalb mein Appell - wer Spielefutter für seinen GBA sucht und für besondere Dinge wie einem Helligkeitssensor im Modul offen ist - zugreifen!

2D-Actionadventure
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Konami
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