Hass stellt heutzutage nicht nur in den Weiten des Internets ein großes Problem dar. In dieser Kolumne geht es jedoch nicht um den Hass an sich, sondern um die unüberlegte Nutzung des Begriffes.
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Hass ist allgegenwärtig, wie Teile der Gesellschaft und der Politik immer wieder aufs Neue deutlich zeigen. Egal, ob auf der Straße, bei Wahlkampfveranstaltungen, in den sozialen Netzwerken oder generell im (anonymen) Internet – gehasst wird überall und jederzeit.
Für nicht wenige, die ihrer Definition, Wahrnehmung oder Meinung nach von Hass erfüllt zu sein scheinen, sind Begriffe wie Humanität, Menschenwürde, Empathie, Vorbildfunktion, Verständnis oder auch der normale (und gleichzeitig sehr wichtige) zwischenmenschliche Umgang offenbar fremd. Diese Form des Hasses ist abscheulich und muss nicht nur verurteilt, sondern in jeglicher Hinsicht abgelehnt werden. Auch und gerade weil es sich um einen immerwährenden Prozess handelt, wie uns nicht nur die Geschichte gezeigt hat. Doch um diesen Hass geht es an dieser Stelle nicht.
Hass, der keiner ist
Eine meiner Ansicht nach vollkommen falsche Auslegung des Hasses ist jene, bei der der Begriff „Hass“ fast immer nur als Synonym verwendet wird, um auszudrücken, dass man verärgert oder aufgebracht ist. Es handelt sich somit nicht um den eingangs beschriebenen echten Hass.
Auch auf GamersGlobal fallen mir hin und wieder Kommentare auf, in denen die Verfasser bei Spiele-bezogenen Themen von Hass schreiben („Ich hasse es, wenn ...“), obwohl sie es so nicht meinen beziehungsweise nicht meinen können. Durch das Alltagsgeschehen und die vielen, vielen anderen Kommentare rutschen diese Postings schnell in die Vergessenheit. Durch eine Sonntagsumfrage des vergangenen Jahres wurde mir die Thematik jedoch wieder sehr bewusst.
Im Dezember 2018 wurde die Frage gestellt „Was hasst ihr in Spielen am meisten?“. Zu den verfügbaren Antworten gehörten unter anderem „Mikrotransaktionen“, „Schwache Geschichten“ oder auch „DRM-Maßnahmen“ und „Kurze Spielzeit“. Auf
Belangloses zu ‚hassen‘ ist nicht möglich.
den ersten Blick eine ganz normale Frage, deren Antworten im Kommentarbereich intensiv disktutiert wurden. Auf den zweiten Blick empfinde ich die Art der Fragestellung aber als äußerst unglücklich. Aus dem einfachen Grund, weil der Begriff des Hasses auf etwas letzten Endes – sein wir uns selbst gegenüber ehrlich – so Unbedeutendes wie eine zu kurze Spielzeit, Crafting, Fluchtsequenzen oder jegliches anderes unser Hobby bezogen gar nicht zutreffen kann.
Persönlich verbinde ich Hass mit einem derart gewaltigen negativen Gefühl, dass ich mit Gewissheit sagen kann, nicht zu hassen. Hass ist für mich absolut; es gibt kein ablehnendes Gefühl, das auch nur ansatzweise intensiver ist. Eine Steigerung ist nicht möglich. Selbstverständlich ärgere ich mich auch mal in einem Spiel oder bin kurz wütend, wenn ich eine bestimmte Stelle (wiederholt) nicht schaffe. Aber Hass … nein.
Schleichender Prozess
Selbst unter größter Anstrengung kann ich mir nicht vorstellen, dass Mikrotransaktionen oder kostenpflichtige Download-Inhalte tatsächlich echten Hass auslösen. Das ist für mich nicht vorstellbar. Viel mehr machen solche und ähnliche Beispiele deutlich, wie unbedacht wir hin und wieder mit unserer Sprache im Allgemeinen und, wie in diesem Fall, mit bestimmten Begriffen im Speziellen umgehen – und es gar nicht merken, es also unbewusst stattfindet.
Das halte ich mindestens für überdenkenswert: Denn je öfter es vorkommt (aussprechen, hören, schreiben, lesen), desto normaler wird der Umgang damit und desto mehr wird ein in seinem Ursprung enorm starkes Gefühl abgeschwächt. Die Folge ist, dass es ganz alltäglich wird (oder schon ist), etwas zu „hassen“ – was,
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Es wird alltäglich, etwas zu ‚hassen‘.
siehe Einleitung, meinem Empfinden nach nicht sein kann und nicht sein sollte. Anders formuliert: Durch die Verwendung völlig falscher, respektive gänzlich unpassender Begriffe, droht die (weitere) Verrohung der Sprache. Es gibt noch weitere Negativ-Beispiele, die alles andere als neu sind und durch die es ebenso deutlich wird, wenn auch in einem anderen Kontext: „Schwul“ und „behindert“ sind inzwischen gängige Ausdrücke, mit denen Mitmenschen abgewertet werden.
Nun könnte entgegnet werden, dass es doch keinen Meinungsartikel braucht, nur um auf die Verwendung eines Wortes hinzuweisen. Mag sein … vielleicht aber auch gerade deshalb. Denn eben weil der Begriff „Hass“ unbewusst und teilweise inzwischen inflationär genutzt wird, sollte zumindest ab und zu darauf aufmerksam gemacht werden.
Keine Gründe für echten Hass
Ich gehe so weit und behaupte, dass kaum jemand von uns weiß, was echter Hass ist. Also etwas so sehr zu verachten, dass eine Steigerung nicht möglich ist. Was mich zu der Frage führt, welche Ereignisse oder Situationen eigentlich Hass hervorbringen können? Eine Antwort auf diese Frage zu finden, ist äußerst schwierig, wenn nicht gar unmöglich. Denn glücklicherweise ist jeder Mensch in seinem Denken, Fühlen und Handeln anders.
Das Ganze kann aber auch in die andere, bereits zuvor erwähnte Richtung weitergesponnen werden, sodass mehr als deutlich wird, wie absurd die Verwendung des Begriffes „Hass“ bei letzlich Trivialem ist: Der Absturz des Rechners, die späte Lieferung eines neuen Spieles, Mikrotransaktionen ... die Liste ließe sich endlos fortsetzen. Eines haben alle Alltagsbeispiele gemeinsam: Sie können Ärger, Enttäuschung und kurzzeitig sicher auch Wut verursachen. Einen Grund für wahrhaftigen Hass bieten sie jedoch keinesfalls.
Genau das sollten wir uns immer wieder ins Bewusstsein rufen und entsprechend auf unsere Wortwahl achten. Im realen Alltag, in virtuellen (Online-)Welten, beim Kommentieren und Diskutieren auf GamersGlobal.
ChrisL
9. März 2019 - 12:59 — vor 4 Jahren aktualisiert
222 Kudos
Punisher
22 Motivator - P - 32223 - 9. März 2019 - 12:27 #
Schöner Artikel... die emotionalen Superlative und die absolute Denkweise ins Positive wie ins Negative bei einem Hobby finde ich persönlich auch völlig unangebracht.
Also was Hass ist weiß ich leider schon. Und passt daher, wie du richtig feststellst, meist auch gar nicht in eine Diskussion über zB Spiele.
Ich tippe, das ist aus dem Englischen rübergeschwappt. Da wird nämlich mehr gehated. Nicht nur im eigentlichen, deutschen Hass-Sinne. Genauso wie man immer öfter "in 2019" oder "aber" statt "sondern" liest oder hört.
Meine Prognose: Es wird auch im Deutschen immer mehr gehasst werden. Das ist dann aber kein richtiger Hass mehr sondern eigentlich "nicht mögen".Ein Wort fûr richtigen Hass gibt es dann nicht mehr.
Hyperbolic
21 AAA-Gamer - P - 25234 - 9. März 2019 - 12:50 #
Ja, die Amerikaner sind ja immer schnell bei Superlativen. Da ist jeder kleine Unterschied zwischen USA und Deutschland (kein freies WC z.B.) direkt ein Culture Shock!
Ich würde durchaus vermuten, das manche es auch ernst meinen, wenn sie im Zusammenhang mit Spielen von Hass reden oder schreiben. Da gibt es ja einige Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit.
Oder wenn man mal nur schaut, was im Fußball mitunter los ist.
Wobei auch hier "Hass" ein viel zu starkes Wort ist. Wenn keine größeren Probleme da sind, verwenden die Leute gerne das stärkste zur Verfügung stehende Wort, weil sie keinen Vergleich haben.
Mein Lieblings-Beispiel ist "das macht Sinn" statt "das ergibt Sinn". Dagegen komme ich einfach nicht mehr an.
Du wirst mit Deiner Prognose zwar recht haben, aber da eben auch einige Kandidaten das Wort "Hass" immer noch im althergebrachten Sinne verwenden werden, ergibt das eine schwammige Gemengelage. Schade drum.
Punisher
22 Motivator - P - 32223 - 9. März 2019 - 13:54 #
"Am Ende des Tages". Nicht direkt falsch, aber halt einfach eine Übersetzung von "At the end of the day"... was bei Redewendungen ja so eine gute Idee ist, that i think my pig whistles.
Oder „Ich liebe dich“ - Filmszene, das Kind wird ins Bett gebracht o.ä. Wurde in älteren Filmen so gut wie immer mit dem hierzulande gebräuchlicheren „Ich hab dich lieb“ übersetzt.
Zum Thema: Einen passenderen Begriff zu wählen würde voraussetzen, vor der Meinungsäußerung zu reflektieren - wer hat denn da heute noch Zeit zu? Es gilt doch, auf dem neusten Stand zu bleiben bei den Aufregerthemen des Tages!
Das finde ich auch interessant:
Ich liebe Dich.
Ich habe Dich lieb.
Beide Sätze sagen im Wortsinne das Gleiche aus, werden aber in ganz anderen Kontexten verwendet und haben somit unterschiedliche Bedeutungen.
Sprache finde ich sehr faszinierend.
Borin
16 Übertalent - P - 5255 - 11. März 2019 - 9:33 #
*Klugscheißermodus ein*: Nur, dass Dein Lieblingsbeispiel kein gutes Beispiel ist, auch wenn Herr Sick damals kurz eine Karriere darauf aufbauen konnte. Diese Redewendung findet sich häufiger in der Literatur der Klassik, prominent (es mag da auch frühere Nennungen geben, die ich nicht kenne) wurde sie ein erstes Mal vorher schon in Lessings "Hamburgische Dramaturgie" verwendet. Das ist nun auch schon 250 Jahre her. Lessing hat zwar viele Engländer gelesen und es ist klarerweise ein Anglizismus. Aber wenn wir alle importierten Wörter aus den letzten 250 Jahren als "neu" bezeichnen, müssten wir viel löschen.
*Klugscheißermodus aus*
Dazu gab es mal einen sehr spannenden Beitrag in einem wissenschaftlichen Sprach-Blog, in dem neben dem Nachweis, dass die Formulierung keine neue Entwicklung ist, auch die Bedeutungsunterschiede zwischen "Sinn haben", "Sinn machen" und "Sinn ergeben" beleuchtet wurden. Leider sind die Links tot, die ich für genau solche Fälle gespeichert hatte :(
edit: Hab ein Archiv gefunden:
http://www.sprachlog.de/2009/01/12/seit-wann-machen-wir-im-deutschen-sinn/
(Da sind im ersten Absatz die Links zu den anderen Teilen. Ich verlinke das so, weil die interne Verlinkung der archivierten Teile auf den alten, nicht mehr verfügbaren Server zeigen)
Borin
16 Übertalent - P - 5255 - 11. März 2019 - 15:55 #
Super. Danke für den Link.
Bei mir war das damals ein Zufall, dass ich das als scgon lange verwendet mitbekommen habe. Ich hatte zum Aufkommen der Sick-Geschichte ein Seminar zur Aufklärung im Studium, in dem wir u.a. Lessing gelesen haben. Da stand "Sinn machen" nun mal Schwarz auf Weiß in diesem sehr alten Text.
Epic Fail X
18 Doppel-Voter - P - 10463 - 9. März 2019 - 15:49 #
Beim Lesen der Kolumne musste ich spontan an Offsprings "Cool to Hate" von 1997 denken. Da geht es genau um diese Form des "Hatens". Ist also zumindest in den USA alles andere als eine neue Verwendung des Begriffs und ist dann halt, wie du schon sagst, irgendwann zu uns rüber geschwappt.
Jac
19 Megatalent - P - 15595 - 9. März 2019 - 12:30 #
Ein schöner Artikel, der die oftmals missbräuchliche Verwendung von Worten/Begriffen gut darstellt. Das Beispiel mit "behindert" geht mir auch immer durch den Kopf.
Von Wolfgang Schäuble gab es mal die Frage "Ein Krüppel als Kanzler?", die er natürlich auf sich selbst bezog. In seiner Generation war das Wort gar nicht negativ belegt, sondern ein üblicher Ausdruck für Menschen mit körperlicher Beeinträchtigung. So wandelt sich die Sprache und wird letztlich immer ungenauer. Das kann man durchaus schade finden!
Mich würde ja interessieren, warum du über genau dieses Thema an dieser Stelle schreibst? Was war der Auslöser? Nur die Sonntagsfrage und einige Kommentare oder eine allgemeine Gesellschaftskritik, die auch auf GG nicht zu kurz kommen sollte? Dann müsste man auch einmal über Sexismus und das Spiel Rape Day schreiben.
In der Psychologie ist der Begriff Hass übrigens eng mit dem Begriff Liebe verknüpft - nicht als Kontrapunkt, sondern als Symbiose. Das eine geht ohne das andere nicht. Nichtsdestotrotz hast du mit deiner Intention zur inflationären Benutzung natürlich recht.
Jac
19 Megatalent - P - 15595 - 9. März 2019 - 15:51 #
Warum das ein Thema auf GG ist, hatte ich mich auch gefragt. Umgekehrt finde ich die Community hier so gut, dass es in dieser Gruppe tatsächlich eine Diskussion wert sein kann.
Den zwingenden Bezug zum Thema Spielemagazin sehe ich aber auch nicht.
Das "Spiel" Rape Day kannte ich gar nicht. Es ist wirklich erschreckend, dass jemand so etwas entwickelt und es vielleicht sogar einen Markt dafür gibt. Das fände ich als Thema durchaus auch diskussionswürdig.
Einen Beitrag über Rape Day würde ich auch begrüssen, ich denke Gesellschaftskritik ist wichtig und richtig.
Wenn du es jetzt nicht erwähnt hättest, wäre ich davon ausgegangen dass schon etwas darüber geschrieben wurde.
Ebenfalls würde ich eine News über "Artikel 13" begrüssen, weil ich mir denke dass auch GamersGlobal davon betroffen sein wird.
Ich kann mich daran erinnern wie in der Vergangenheit unter den Artikeln von Anita Sarkeesian (FeministFrequency) die Kommentare regelrecht explodiert sind und kann mir daher gut vorstellen dass viele lieber bei den Themen bleiben wo noch halbwegs Konsens besteht.
Q-Bert
25 Platin-Gamer - P - 56362 - 9. März 2019 - 16:54 #
Ich hab für die Lesetipps 10/19 das ganze Internet nach einem interessanten Artikel zum Thema "Rape Day" durchsucht, aber NICHTS gefunden, was als Tipp taugte. Klar, 1000 Meldungen, dass es bei Steam rausgenommen wurde - aber nicht viel mehr. Bei standard.at gibt es eine Userdebatte dazu und einen Userartikel, das war aber viel zu flach.
Ich denke, an das Thema traut sich noch keiner so richtig ran.
Labrador Nelson
31 Gamer-Veteran - P - 266649 - 9. März 2019 - 16:58 #
Ja warum denn nicht jetzt und hier? ;) Braucht es denn unbedingt immer einen direkten Auslöser? Das Thema kann man ja nicht oft genug und deutlich genug in Erinnerung rufen.
Und ja, ich bin auch dafür über Seximus zu sprechen, auch auf GG. Es steht ja jedem/jeder frei, etwas dazu zu schreiben.
Und ja, Liebe und Hass sind ganz eng verknüpft und liegen auch erschreckend nah beieinander. Man sollte nicht vergessen, dass mit dem Begriff 'Liebe' genauso inflationär, verschwenderisch und unangebracht häufig umgegangen wird wie mit dem Begriff 'Hass'.
Q-Bert
25 Platin-Gamer - P - 56362 - 9. März 2019 - 17:42 #
Die "Hufeisentheorie" (die besagt, dass gegenüberliegende Pole wie Hass und Liebe wie die Endpunkte eines Hufeisens relativ eng beieinander liegen), halte ich für falsch - zumindest für mich persönlich. Wenn ich jemanden liebe, dann ist der Weg zum Hass der Weitestmögliche, das kippt bei mir nicht mal eben vom einen zum anderen Extrem.
Es gibt Menschen, bei denen das scheinbar so ist. Da geht der Partner 1x fremd und schon wird aus Liebe sofort Hass - da sag ich dann immer: Sorry, aber dann hast du nicht geliebt :)
Das Gegenteil von Liebe ist Gleichgültigkeit, nicht Hass. Bei letzterem fühlt man noch etwas, bei ersterem nicht. So wird das in der Psychologie betrachtet.
Q-Bert
25 Platin-Gamer - P - 56362 - 9. März 2019 - 19:13 #
Hm, interessant. In meiner naiven Vorstellung sind die Ausprägungen der Emotionen wie Freude, Trauer, Wut, Reue, Liebe und Hass wie die Komplementärfarben eines Farbkreises. Je intensiver die Emotion, desto farbenfroher. Gleichgültigkeit ist für mich das Fehlen jeder Farbe, also schwarz, ganz im Mittelpunkt des Kreises.
Muss ich mal länger drüber nachdenken, weil das wird Thema einer baldigen Q-lumne sein.
Sprache im Wandel? "Hasse" sagt sich halt schneller und knackiger als "mag ich nicht". Glaube jeder der emotional einigermaßen stabil ist, wird den Unterschied zu echtem Hass kennen.
Faerwynn
20 Gold-Gamer - P - 20280 - 9. März 2019 - 12:41 #
Ich hasse es, wenn mich jemand dazu bringt über meine unreflektierte Sprachnutzung nachzudenken ;) Aber ich möchte auch zu bedenken geben: Sprache lebt und verändert sich. Geil war mal rein erregungsbezogen, dann wurde es zum Ausdruck für toll. Wenn genügend Menschen sich darüber einig sind, dass Hass für leichte Abneigung stehen kann, dann steht es irgendwann mal so im Duden, egal, wie die Alten und Konservativen das finden.
Punisher
22 Motivator - P - 32223 - 9. März 2019 - 13:59 #
Ja, aber das passts ja auch irgendwie... so eine Erregung ist ja eigentlich auch toll, natürlich Situationsabhängig. Das Problem beim Hass ist mMn. wie ja auch ChrisL andeutet, dass es derzeit einfach eine Menge "echten" Hass gibt (weltweit, aus vielen Motivationen) - im eigentlichen Wortsinne - den man durch diese abgeschwächte Verwendung relativiert bzw. nicht mehr als das kategorisieren kann, was er eigentlich ist.
Wenn du den Hass auf Microtransaktionen oder eine Firma die unliebsame Entscheidungen trifft mit dem Hass auf andersdenkende/-gläubige/-lebende Menschen quasi in einen Topf wirfst klingt zweiterer gar nicht mehr so schlimm...
Und noch etwas früher bedeutete geil ganz spezifisch "mannstoll" und war ein negativer Ausdruck für Frauen die ganz offen zugaben, dass sie Bedüfnisse hatten und diese auch auslebten.
Wie schon im Artikel gesagt ... Sprache wird immer unspezifischer und schwammiger. Das gefällt mir nicht.
rammmses
22 Motivator - P - 32644 - 9. März 2019 - 13:04 #
Umgangssprachlich sagt man schon mal "Ich hasse das" für "Das geht mir auf den Keks". Verrohung der Sprache ist so ein Reiz-Thema, es ist nicht geklärt, ob Sprache wirklich stark das Denken beeinflusst oder vielmehr das Denken die Sprache abbildet. In dem Sinne müsste man eher auf eine Verrohung der Gesellschaft und Werteverlust schauen, der sich dann eben (auch) in der Sprache spiegelt, aber eben nicht davon ausgelöst wird.
Aladan
25 Platin-Gamer - P - 57121 - 9. März 2019 - 13:52 #
Schöner Artikel, Chris.
Diese Personen, von denen auch GG ein paar hat, sind sich dem denke ich zumeist auch vollkommen bewusst. Harte Schlagworte sind jedoch einfacher als ernsthafte und auf Fakten basierte Diskussionen, an denen diese Menschen zumeist gar kein Interesse haben. Höher, schneller und weiter passt da genauso gut wie vor Jahren schon.
Dieses Thema wird in der gesamten Gesellschaft und auch in unserem Hobby immer präsenter. Rational gegen Emotional und momentan sieht es so aus, als würde der Verstand den Emotionen untergeordnet werden.
Interessanterweise kam genau die gleiche Diskussion in einem Thread auf mein-mmo.de auf, wo sich User über die reißerische Überschrift beschwerten, und die Redaktion selbstkritisch anmerkte, dass man auch dort das Wort “hassen” zu unreflektiert benutzt habe.
Hendrik
28 Party-Gamer - P - 105046 - 9. März 2019 - 13:50 #
Klasse Artikel, Chris. Und leider fiel mir beim lesen auf, dass ich diesen und andere Begriffe mittlerweile erschreckend inflationär gebrauche. Danke für den Denkanstoss zum Wochenende. :)
Danywilde
30 Pro-Gamer - P - 163008 - 9. März 2019 - 14:28 #
Guter Artikel. Generell fällig mir auf, dass es immer weniger Abstufungen zu geben scheint. Entweder man liebt etwas und ist ein Fanboy oder man hasst etwas und ist damit ein Hater.
Mich nervt diese sehr eingeschränkte Sichtweise und ich würde mir wieder eine wesentlich diversifizierte Sichtweise wünschen.
Auch das typisch amerikanisch. Bei denen ist immer alles super. Bei Sportübertragungen zum Beispiel überschlagen sich die Kommentatoren mit Superlativen, mögen die Leistungen noch so durchschnittlich sein. Man überträgt das Produkt nicht, man verkauft es, um Quote zu generieren und die Werbeblöcke zu füllen. Die Influenzer bei Youtube arbeiten logischerweise ähnlich und verbreiten gezwungenermaßen gute Laune und Hype. Und so landet das dann in der Alltagssprache.
Mir fällt das extrem im Podcast "Super Marcato Bros" auf. Klar reden sie da nur über ausgewählte Musik, trotzdem ermüden die "awesome"s und "best track"s recht schnell.
Ja, es ist ja nicht so, dass es da nicht weniger dramatisch ginge. Man kann Dinge ja mögen statt sie gleich zu lieben.
Bevor das Internet kam, hat die Werbung vor vielen Jahrzehnten schon übertrieben. Um "Frische" zu befördern, rutschten da ganze Gletscher ins Meer und Eisbären entstiegen arktischen Winden. Ist natürlich schwer, das noch zu toppen.
Die weiteren Steigerung geht dann nur in die Breite, indem man Begriffe verwendet die gar nicht passen und etwas Negatives heute umgangs-(jugend--) sprachlich "AIDS", "behindert" oder "schwul" ist. Putzigerweise fallen mir dafür keine positiven Beispiel ein, während im Englischen ja alles "epic, awesome, earthshattering und mindblowing" ist. Ich kenne niemanden außer mir, der im Alltag den Terminus "episch" nutzt, um ironisch ein beschissenes Geschehen zu kommentieren.
Womit ich Deiner Aussage eigentlich nur zustimme. :-)
Ich kann mich da gar nicht mal von ausschließen, ich verwende z.B. das Wort auch öfter einmal in meinen Kommentaren.
Ich bin mir allerdings vollkommen bewusst das ich das dann mache und beziehe den Hass dann z.B. auf Spiele mit Zeitdruck und mache hier schon einen gewaltigen Unterschied in welchen Zusammenhang ich es benutze.
Hier kommt es ebenfalls auf den Empfänger/Leser an, wie er das Wort für sich auslegt und einsortiert.
Nicht jeder empfindet jedes Wort gleich. In der Einleitung werden „schwul“ und „behindert“ als Schimpfworte dargestellt. Ich nutze beide Worte regelmäßig und meist meilenweit davon entfernt sie als Schimpfworte zu meinen.
Aus meiner Sicht kommt es hier sehr auf den Zusammenhang an, in dem man die Worte gebraucht.
In welchem Zusammenhang verwendest Du das Wort „behindert“? Meine Frau ist Lehrerin an einer Schule für Kinder mit einer geistigen Behinderung - und außerhalb dieses Zusammenhangs kenne ich den Begriff nur im Zusammenhang mit abschätzigen Bemerkungen.
Hyperbolic
21 AAA-Gamer - P - 25234 - 9. März 2019 - 15:24 #
In der Jugendsprache stehen schwul oder behindert für schlecht oder gar scheisse.
"Ich habe den Zug verpasst. Ist ja echt behindert".
Alles in allem ziemlich menschenverachtend.
Punisher
22 Motivator - P - 32223 - 9. März 2019 - 18:26 #
Das ist ein bisserl das Problem mit der subjektiven Wahrnehmung dabei. Natürlich kann man auch solche Begriffe verwenden, ohne damit irgendjemanden herabwürdigen/-stufen zu wollen. Nur kennt nicht jeder der dich hört deine Intention - ich erinnere mich an einen Kumpel, der mal zu einem Spendensammler einer Behinderten-Werkstätte der ihm beim Spendenformular-Ausfüllen irgendwas erklären wollte meinte, "Danke, ich schaff das schon, ich bin doch nicht behindert." - oder einen, der zu einem Tattoo-Artist, stadtbekannt als openly gay, meinte, ne das Motiv will er sich nicht stechen lassen, das sehe ja "schwul aus". Was ich meine ist - wenn man bestimmte Worte zu einzelnen Menschen nicht sagen würde, weil man weiss sie würden sich wahrscheinlich davon verletzt fühlen, sollte man sie vielleicht generell nicht in dem geplanten Kontext verwenden.
Ich bin gewiss niemand, der zu arg auf sprachliche PC achtet (und weine jedes mal ein wenig beim gendern von Worten, einfach weil sichs beschissen liest); wenn diese Worte aber Inflationär verwendet werden entwertet man sie auf Dauer in ihrer ursprünglichen Aussage und macht diese damit zu etwas alltäglichem, gleichzeitig wird die Sprache in meinen Augen ärmer, wenn alles eben nur noch "behindert" oder "schwul" als Sammelbegriff von allem ist, was grad nicht so läuft wie mans gern hätte. Dazu kommt, dass die Worte dann ja immer mit etwas negativem behaftet werden - "schwul" ist gleich "schlecht".
Deshalb frage ich mich ja, in welchem Zusammenhang sie nicht negativ belastet sind. Vielleicht ist da aber auch noch ein Unterschied zu „Schimpfwort“, den ich nicht sehe.
Gibt schon unterschiedliche Kontexte. Kunden von mir sind im Rollstuhl und finden es z.B. "behindert" wenn ihnen jemand eine karierte Decke über die Beine legen will. Weil es behindert aussieht, sprich irgendwelchen Klischees über Menschen im Rollstuhl entspricht.
Als ich etwas 7 Jahre alt war, habe ich mit einem Mädchen die auch meine Nachbarin war (sie war ein paar Jahre älter als ich) im Garten gespielt und mich über irgendeine Nichtigkeit gekränkt (kA mehr was genau, vielleicht hat sie mir den Ball weggenommen oder sowas in der Art).
In meinem Groll habe ich sie als "behinderte Gans" bezeichent worauf sie nur weinend davon gelaufen ist. Im Nachhinein haben mir dann meine Eltern erklärt, dass ihr Bruder querschnittgelähmt ist und was ich ihr da eigentlich gesagt habe. Bekomme immer noch Bauchweh, wenn ich daran denke.
Jac
19 Megatalent - P - 15595 - 9. März 2019 - 16:51 #
Das ist ein sehr empathischer Kommentar! Die meisten Kinder haben wohl mal ähnliche Dinge getan und hoffentlich daraus gelernt. Mir geht es jedenfalls sehr ähnlich.
Na z.B. bei Behinderten. Ich finde überhaupt nichts schlimmes dabei, es ist von mir auch nicht negativ oder abwertent gemeint. Nur weil ein anderes Wort es jetzt politisch korrekter machen würde, kann die neue Umschreibung genau so negativ gemeint oder ausgelegt sein.
In so etwas wird in der heutigen Zeit viel zu viel hinein interpretiert.
Meine schwulen Freunde sind natürlich schwul. Und eine Freundin meiner Tochter hat definitv eine Behinderung. Aber in diesem Artikel geht es ja um die Nutzung eines Wortes außerhalb seiner Bedeutung.
Es hier meiner Meinung nach wirklich auf die Wahrnehmung des Empfängers an. Wenn mich jemand als schwull beschimpfen möchte, kann das schon mal nach hinten los gehen, da ich schwul sein nicht schlimm finde und auch nichts gegen Schwule habe.
Das die deutsche Sprache allerdings immer mehr verroht, steht außer frage. Oder ist ein Generationenproblem. Frag mal unsere Großväter, was sie über unseren Sprachgebrauch denken ;)
Punisher
22 Motivator - P - 32223 - 9. März 2019 - 18:37 #
Das ist aber ein anderes Problem. Hier stimme ich dir völlig zu, ich kann auch sagen "jemand ist behindert", wenn er eine Behinderung hat - das ist in dem Fall einfach nur eine wertfreie Zustandsbeschreibung. Aber - da entsteht jetzt die Brücke zum Schimpfwort - da das Wort so häufig eben im negativen Kontext als synonym für schlecht, minderwertig etc. verwendet wird, würden es inzwischen tatsächlich einige (sicher nicht alle) Betroffene als Beleidigung empfinden. Wäre das Wort immer nur im Kontext einer Zustandsbeschreibung verwendet oder vielleicht sogar positiv verknüpft worden sähe das sicher anders aus.
Große Teile des PC-Krams, der uns jetzt um die Ohren fliegt, kommen meiner Meinung nach zumindest teilweise daher, dass die Worte unachtsam als negative Zustandsbeschreibung verwendet wurden. Genau wie im Moment der "Hass". Ebenso der Fall ist das für meine Begriffe ein bisserl bei diesem Gender-Wahnsinn. Wenn man sich für negatives Verhalten, Versagen, Feigheit o.ä. mit weiblichen "Beleidigungen" schmäht ("Du Pussy", "Was bisnt für für ein Mädchen"...) bekommt das ganze Sprachkonstrukt einfach einen negativen Beigeschmack und die Message "Männer sind besser als Frauen", von dem sich dann einige - ob zu recht oder unrecht - eben herabgewürdigt fühlen. Was ich schade finde, denn ich würde gern weiterhin zum Arzt gehen und nicht zum/zur Arzt/Ärztin/Arzt*, ohne damit die Aussage zu tätigen zu wollen, Frauen wären schlechter als Männer.
Ob ein Wort abschätzig ist oder nicht, entscheidet aber leider nicht der Nutzer des Wortes, sondern der Betroffene. Schwul galt früher als Schimpfwort, jetzt nicht mehr, weil so ziemlich alle Schwulen sich heute selbst so nennen. Neger oder Zigeuner geht aus ähnlichen Gründen nicht.
Bei Behinderten bin ich überfragt. Kann wer helfen?
Punisher
22 Motivator - P - 32223 - 9. März 2019 - 19:08 #
Helfen wohl kaum, aber sagen, dass es nicht so eindeutig ist. Ich kenne durch die Schule meines Stiefsohns mehrere seiner Schulkameraden und deren Familien recht gut, einige davon (uns eingeschlossen) sprechen selbst von Behinderung, andere können das nicht leiden und finden das Wort furchtbar, wieder andere reagieren da extrem empfindlich. Das ist für meine Begriffe einfach ein Wort, dass man unbekannten Personen gegenüber am einfachsten vermeidet.
Schwul ist so eine Sache... mir ist bisher kein "Betroffener" begegnet, der ein Problem damit hat, schwul genannt zu werden. Sprüche wie "Boah, wasn das für ein schwuler Scheiss" und dergleichen finden sie aber nicht so toll (ohne dabei allerdings völlig zu eskalieren), schlicht weil es etwas für sie eher positives sprachlich in einen negativen Zusammenhang bringt.
Ein sehr merkwürdiger Beitrag!
Ich stelle mir halt selber oft die Frage, ob man Begriffe so verwenden soll, entsprechend ihrer wortwörtlichen Bedeutung, im historischen Kontext oder so wie sie gegenwärtig verwendet werden. Und ich ringe immer noch mit dieser Frage.
Ich habe mir mal ein Interview über Sucht angehört, in dem die Psychologin in einer kurzen Nebenbemerkung erklärt hat, dass das Wort "Sucht" eigentlich nicht für "Abhängigkeit" steht sondern für "Krankheit" wie in "Gelbsucht" noch zu finden. Ich habe lange darüber nachdenken müssen wie zielführend es noch ist so einen Begriff in seiner ursprünglichen Bedeutung zu verwenden, wenn ich genau weiss dass mein Gegenüber den Begriff anders auffasst. Ich möchte auch nicht jedesmal dazu erklären was es bedeutet, weil da komm ich mir dann ein bisschen angeberisch/besserwisserisch vor. Darum verwende ich ihn so wie er halt allgemein verwendet wird.
Ist aber von Wort zu Wort unterschiedlich, weil ja vieles durch Unwissenheit der Wortherkunft gesagt wird oder einfach unbewusst.
Ein anderes Wort, was für mich persönlich sehr positiv konotiert ist, ist das Wort "merkwürdig". Meistens wird darunter verstanden "irgendwas stimmt nicht", aber für mich bedeutet es "darüber werde ich heute noch länger nachdenken" oder schlicht "bedeutend".
In diesem Sinne: Ein sehr merkwürdiger Beitrag ;)
Allein für Deinen Beitrag hat sich der User-Artikel gelohnt. Auf diese wörtliche Bedeutung von "merkwürdig" bin ich tatsächlich noch nie gekommen. Scheint aber bis ins 19. Jahrhundert hinein gebräuchlich gewesen zu sein. Interessant. Danke!
Ich würde dann allerdings damit nicht das Wort "Merkwürdig" verknüpfen mit dem was Du beschreibst, sondern "Bemerkenswert". Denn ich hätte "Merkwürdig" mit "etwas stimmt nicht/ich verstehe es nicht" 1:1 gleichgesetzt wie Du.
Daher ist es ein bemerkenswerter Beitrag, weil er zum Nachdenken anregt und das nicht, weil mit dem Beitrag etwas nicht stimmt.
Ich finde den Artikel problematisch, weil du als Autor, Chris, dich selbst von Hass freisprichst und damit den eigenen Hass nicht hinterfragst. Das macht es als Beobachter etwas leichter, ist aber die dankbare Rolle als Ankläger.
Hass ist kein wirkliches andauerndes etabliertes Gefühl, sondern ein Affekt. Er fühlt sich intensiver und elementarer an, wie du richtig schreibst. Vor Gericht wirken Hass oder Wut nicht umsonst mildernd auf das Strafmaß. Das ist im Übrigen der Grund, warum du dich, Chris, auch die ganze Zeit von jedem Hass freisprechen kannst, weil wir als psychisch gesunde Thirtysomethings/Bestager/Frühpensionäre/Altzocker Hass in der Regel sehr selten fühlen, einfach mangels psychischer Ausnahmesituationen.
Du beschäftigst dich mit dem Hass als beliebte politische Sprachfigur, die zu oft und zu gern bemüht wird. Da stimme ich zu, allerdings ist der alltägliche Umgang damit der harmloseste überhaupt und führt recht sicher nicht zur Verrohung der Sprache. Was ich für problematischer halte, ist die politische Verwendung, also um Gruppen zu definieren, um ganzen Gruppen Hass zu unterstellen oder auch, und das ist noch viel tragischer, um medial, am Besten mit den richtigen Bildern, die richtige Stimmung aufkommen zu lassen. Das erzeugt dann nämlich ab und zu mal echten Hass, was bestimmt zur Verrohung der Sprache beiträgt.
Labrador Nelson
31 Gamer-Veteran - P - 266649 - 9. März 2019 - 17:09 #
Kann dir da zum größten Teil zwar zustimmen, Hass kann aber sehr wohl ein langfristig andauerndes (etabliertes) Gefühl sein. Aus der Kriminalistik ist bekannt, dass so mancher Straftäter (Mörder, Terrorist, Gewalttäter, etc.) über Jahre hinweg dauerhaft und fast besessen von echtem Hass zerfressen sein kann, bis sich der krankhafte Hass in der entsprechenden Tat entlädt. Sogar darüber hinaus kann er noch weiter existent sein.
Q-Bert
25 Platin-Gamer - P - 56362 - 9. März 2019 - 17:25 #
Die Deutsche Sprache ist sehr präzise. Wir haben ein reichhaltiges Repertoire an Worten zur Verfügung, um praktisch alle Gefühle, Situationen und Schattierungen mit einem passenden Begriff zu belegen. Und können diese dann noch mit Adjektiven weiter abstufen. Toll!
Leider schrumpft das tatsächlich benutzte Vokabular zusehends, sowohl in der gesprochenen wie auch der geschriebenen Sprache. Nun bin ich kein Linguistiker, aber ich habe eine Arbeitsthese dazu: ==> Das Internet ist Schuld!
In einer kleinen Diskussionrunde, in der sich ein paar Menschen unterhalten, gibt es keine Notwendigkeit mit Superlativen um Beachtung zu kämpfen. Je mehr Menschen aber in einem Raum zusammenkommen, umso größer der Kampf um Aufmerksamkeit. Das Intenet ist nun der Raum, in dem potentiell Milliarden Menschen zusammenkommen, entsprechend eskaliert die Sprache. Das Internet giert nach Aufmerksamkeit. Wer von HASS (in Großbuchstaben) redet, bekommt mehr Klicks als jemand, der davon spricht, was ihn stört. Und der nächste kommt dann mit BRACHIALEM HASS, weil er den ersten Hasser ja verbal übertrump(f)en muss.
Dies wirkt sich auf den klassischen Printjournalismus und TV aus, auch dort verroht die Sprache. Bis in die Qualitäts-Nachrichten. Der umgestürzte Baum ist eine Katastrophe! Der unbequeme Regierungschef ist Regimemachthaber. Der Angreifer ist Terrorist oder Amokläufer. Und wenn dann wirklich eine echte Katastrophe passiert, sieht man sich gezwungen, daraus ein MEGA-Katastrophe zu machen, weil der Presse die Worte ausgehen.
Der Mensch, wir, stehen ganz am Ende der sprachlichen Eskalationspirale. Und weil mir andere Worte fehlen: ChrisL, ich find deine Kolumne SUPER! ;)
rammmses
22 Motivator - P - 32644 - 9. März 2019 - 17:39 #
Und nun lieferst du mit dem Beitrag sofort das Gegenbeispiel zu deiner These. Wir sehen also, dass "trotz Internet", eine sprachlich ausgereifte Kommunikation möglich ist. Was es im Internet aber weniger gibt, ist Segregation: Jeder kann unter einem YouTube-Video posten und du teilst dir den Raum auch mit Leuten, die kein "reichhaltiges Repertoire an Worten zur Verfügung" haben. Die gibt es auch außerhalb des Internets, aber vielleicht nicht so häufig in deinem Bekanntenkreis? Sprachliche Eskalation und Clickbait im Journalismus ist nun auch kein neues Phänomen des Internets, schau dir eine Bild-Zeitung aus den 70er Jahren an. Zusammenfassend würde ich also sagen, man kann den Sachen heute einfach nur weniger aus dem Weg gehen.
Der Clickbait auf Youtube ist ja schon fast eine eigene Sprachkultur. Klassiker wie "10 Erfindungen die auf einer anderen Ebene sind" (wahrscheinlich plump aus dem englischen Übersetzt) neben generischen reisserischen Titlen die man auf alles mögliche klatschen kann wie "Du würdest es nicht glauben wenn es niemand fotografiert hätte" oder wie wärs mit "Wenn du das hier siehst lauf weg und hol Hilfe"... aha XD
Hinzu kommt, dass durch die Sozialmedien gesprochene Sprache, manchmal sogar mit Dialekt vermischt, verschriftlicht wird. Man schreibt also wie man spricht mit Slang Digger aber ohne Punkt und Komma Ehrenmann.
Vor dem Internet gab es, so denke ich, eine klarere Trennung zwischen mündlicher und schriftlicher Kommunikation. Slang und Dialekt hattest du mehr so auf der verbalen Ebene, also auf dem Schulhof, im Alltag, am Telefon. Die Schriftsprache in Briefen, oder, anfänglich, auch emails, war davon schon ziemlich verschieden.
Das Netz hat beides ein Stück zusammen geführt, was man z.B. an Syntax und Interpunktion bemerkt, selbst bei GG-Artikeln :)
rammmses
22 Motivator - P - 32644 - 9. März 2019 - 18:38 #
In der Sprachwissenschaft unterscheiden wir mündliche und schriftliche Kommunikation auch nicht mehr anhand des Mediums. Eben weil zum Beispiel SMS und Chat "mündlich" begriffen werden und auch etwa durch die Unmittelbarkeit der Kommunikation (Synchronizität) das Ganze mehr im Bereich des Mündlichen liegt. Man findet auch oft Kommentare im Sinne von "Was sagst du da?" usw. anstelle von "schreiben", sodass man sehr gut argumentieren kann, dass Kommunikation im Internet oft als mündliche Kommunikation begriffen und betrieben wird. Das heißt aber eben nicht, dass es keine Trennung mehr gibt, denn in klar schriftlichen Formen wie formalen Emails und Texten findest du nach wie vor die klassische Schriftsprache erheblich häufiger und dialektale oder verkürzte Formen werden fast durchweg als unangemessen beurteilt.
Interessant. Bliebe die Frage, ob die beiden Bereiche sich gegenseitig hinreichend beeinflussen, um es als Aspekt hier in unserer Diskussion zwecks Sprachveränderung durch's Internet betrachten zu können. Ich meine ja. Du?
Und hüstel: Reden wir grad oder schreiben wir? :)
rammmses
22 Motivator - P - 32644 - 9. März 2019 - 19:02 #
Sprachveränderung gibt es immer, Sprache ist ständig im Wandel. Aber Thesen vom "Sprachverfall" sind so alt wie die Linguistik selbst und eigentlich nie haltbar. Dass sich die Zunahme von medial schriftlicher aber konzeptionell mündlicher Kommunikation (SMS, Chat, YouTube-Kommentare) auf konzeptionell schriftliche Kommunikation auswirkt, konnte nicht gezeigt werden. Das wird von den meisten Sprechern sofort als "unangemessen" betrachtet, übrigens auch umgedreht: Wenn wir solche Kommentare unter ein YouTube-Video posten kriegen wir bestenfalls ein "tl dr" als Antwort. Also kurz gesagt, Kommunikation im Internet führt zu neuen Sprachformen, die für den Bereich angemessen sind, aber das beeinflusst eher nicht die etablierten Normen anderer Kommunikationskanäle. Fast alle Sprecher differenzieren ihren Sprachgebrauch intuitiv sehr stark.
Jonas S.
21 AAA-Gamer - P - 25071 - 9. März 2019 - 17:48 #
Ich habe den Artikel heute Morgen überflogen, wenig später durchgelesen und musste ihn erstmal sacken lassen.
Die Sprache und auch die Wortbedeutungen entwickeln sich durchgehend weiter und verändern sich im negativen, wie auch im positiven Sinn.
Das Wort Hass kommt bei mir in meinem Sprachschatz eher wenig bis gar nicht vor.
Ich nehme dabei immer die Rede von Charlie Chaplin als Vorbild - "Erwahrt euch die Menschlichkeit in euren Herzen und hasst nicht, nur wer nicht geliebt wird hasst, nur wer nicht geliebt wird."
Allerdings kann ich auch ein aktuelles Negativbeispiel von mir nehmen. Gerade wer Multiplayer spielt wird diverse Beleidigungen sicherlich kennen oder sogar selbt schon ausgesprochen haben.
Gestern wieder mit Kollegen PUBG gespielt und dabei leider die Bekanntschaft mit einem Cheater gemacht. Wir waren in einem Vier-Mann-Squad und sind von einem einzelnen auseinandergenommen worden. Er wusste leider genau wo wir waren und jeder seine Schüsse war ein Treffer. Da ist mir leider im TS die Wörte so ein "dreckiger Jude" rausgerutscht. Wenig später habe ich dann realisiert, was ich da überhaupt gesagt habe...
Mich ärgert dieser Fauxpas mehr als alles andere, aber zeigt es doch gut, was für negative Assoziationen das Wort Jude immer noch im deutschen Sprachgebrauch hat. Irgendwo mal aufgeschnappt, im Unterbewusstsein abgespeichert und gedankenlos ausgesprochen. :(
Über dein Beispiel musste ich jetzt lange nachdenken, danke für deine Ehrlichkeit! Bis jetzt habe ich den Begriff "toxic community" immer als übertrieben angesehen, aber anscheinend trifft er es schon sehr gut, wenn man diese Aussagen unterbewusst aufnimmt und es garnicht merkt bis man sie selber tätigt.
Jonas S.
21 AAA-Gamer - P - 25071 - 9. März 2019 - 19:27 #
Jeder der schon mal Multiplayer gespielt hat und mit anderen Spielern sprachlich interagieren muss, wird das ein oder andere mitbekommen oder sehr wahrscheinlich auch mal selbst beleidigt.
Extrem krass war es für mich in Dota 2, gerade als Neuling braucht man da schon ein dickes Fell.
Kritisch sehe ich sowas vor allem bei Heranwachsende die ebenfalls Multiplayer spielen. Prinzipiell ist es wirklich so, je älter die Personen sind, umso reifer Verhalten sie sich.
Ich ärgere mich selber über diese Äußerung meinerseits, sowas darf nicht passieren.
Jac
19 Megatalent - P - 15595 - 10. März 2019 - 11:58 #
"You're just another poor Player" kommt immer gut, gerne mit einem bedauernden Unterton. Vor allen Dingen verstehen das fremdsprachige Spieler besser^^
Ich hasse Hass ab und zu gerne. (Erklärung: Es gibt eine Avocado-Sorte die so heißt.)
Jetzt kommt ein dummer Satz von mir:
Ich stimme dem Artikel im Grunde zu, aber bei Mikrotransktionen und insbesondere bei Loot-Box empfinde ich Hass.
Zumindest laut duden.de Definition, die dort auch "heftige Abneigung" auflistet ist es korrekt.
Besonders bei Loot-Boxen ist es ein Spiel mit der Gesundheit einiger Menschen, nämlich derer die über eine bestimmte Persönlichkeit verfügen.
(Mir fällt gerade das Wort nicht ein was sich suche.)
Es gibt gute Gründe warum Glücksspiel strikt reglementiert ist.
Sofern Loot-Boxen im Spiel sind und sie mir dauernd vor die Nase kommen nerven sie mich persönlich, aber das ist gar nicht der Punkt auf den ich hinaus will.
Die Verantwortlichen für Loot-Boxen spielen nur mit der Psyche der Spieler (unbekanntes öffnen, Item XY haben wollen, aber nur durch Lootboxen zu bekommen. Ich erinnere an den Apex Spieler der 500€ für Lootboxen ausgegeben hat um an ein bestimmtes Item zu kommen) und wollen damit den Spielern mehr als ihr ganzes Geld aus der Tasche ziehen.
Ich denke für so ein Verhalten ist der Begriff Hass der richtige.
timb-o-mat
16 Übertalent - P - 5360 - 10. März 2019 - 12:26 #
Schöner, wichtiger Artikel. Du sprichst mir aus der Seele. Ich erinnere mich noch, als ich vor mehr als 10 Jahren auf einer Reise in den USA von jemandem drauf angesprochen wurde, wieso ich "I hate XYZ" sagen würde. Wäre völlig übertrieben. Hat mich damals zum Nachdenken gebracht und ich hab meine Wortwahl daraufhin verändert.
Admiral Anger
27 Spiele-Experte - P - 83414 - 10. März 2019 - 20:00 #
Du machst mir das Leben echt schwer Chris. Jetzt muss ich meinen Artikelentwurf zum Thema "Wie ich lernte, (x) zu hassen" wohl doch kippen... ;)
Aber dennoch ein sehr schöner Text, der zeigt, wie sich die Bedeutung von Begriffen verschiebt, bzw. wie diese ein Stück weit entwertet werden.
P.S.: Vielleicht sage ich in Zukunft eben eher "Es nervt mich, dass..." :)
Schöner Artikel... die emotionalen Superlative und die absolute Denkweise ins Positive wie ins Negative bei einem Hobby finde ich persönlich auch völlig unangebracht.
Also was Hass ist weiß ich leider schon. Und passt daher, wie du richtig feststellst, meist auch gar nicht in eine Diskussion über zB Spiele.
Ich tippe, das ist aus dem Englischen rübergeschwappt. Da wird nämlich mehr gehated. Nicht nur im eigentlichen, deutschen Hass-Sinne. Genauso wie man immer öfter "in 2019" oder "aber" statt "sondern" liest oder hört.
Meine Prognose: Es wird auch im Deutschen immer mehr gehasst werden. Das ist dann aber kein richtiger Hass mehr sondern eigentlich "nicht mögen".Ein Wort fûr richtigen Hass gibt es dann nicht mehr.
Ja, die Amerikaner sind ja immer schnell bei Superlativen. Da ist jeder kleine Unterschied zwischen USA und Deutschland (kein freies WC z.B.) direkt ein Culture Shock!
Ich würde durchaus vermuten, das manche es auch ernst meinen, wenn sie im Zusammenhang mit Spielen von Hass reden oder schreiben. Da gibt es ja einige Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit.
Oder wenn man mal nur schaut, was im Fußball mitunter los ist.
Wobei auch hier "Hass" ein viel zu starkes Wort ist. Wenn keine größeren Probleme da sind, verwenden die Leute gerne das stärkste zur Verfügung stehende Wort, weil sie keinen Vergleich haben.
Mein Lieblings-Beispiel ist "das macht Sinn" statt "das ergibt Sinn". Dagegen komme ich einfach nicht mehr an.
Du wirst mit Deiner Prognose zwar recht haben, aber da eben auch einige Kandidaten das Wort "Hass" immer noch im althergebrachten Sinne verwenden werden, ergibt das eine schwammige Gemengelage. Schade drum.
"Am Ende des Tages". Nicht direkt falsch, aber halt einfach eine Übersetzung von "At the end of the day"... was bei Redewendungen ja so eine gute Idee ist, that i think my pig whistles.
Oder „Ich liebe dich“ - Filmszene, das Kind wird ins Bett gebracht o.ä. Wurde in älteren Filmen so gut wie immer mit dem hierzulande gebräuchlicheren „Ich hab dich lieb“ übersetzt.
Zum Thema: Einen passenderen Begriff zu wählen würde voraussetzen, vor der Meinungsäußerung zu reflektieren - wer hat denn da heute noch Zeit zu? Es gilt doch, auf dem neusten Stand zu bleiben bei den Aufregerthemen des Tages!
Das finde ich auch interessant:
Ich liebe Dich.
Ich habe Dich lieb.
Beide Sätze sagen im Wortsinne das Gleiche aus, werden aber in ganz anderen Kontexten verwendet und haben somit unterschiedliche Bedeutungen.
Sprache finde ich sehr faszinierend.
*Klugscheißermodus ein*: Nur, dass Dein Lieblingsbeispiel kein gutes Beispiel ist, auch wenn Herr Sick damals kurz eine Karriere darauf aufbauen konnte. Diese Redewendung findet sich häufiger in der Literatur der Klassik, prominent (es mag da auch frühere Nennungen geben, die ich nicht kenne) wurde sie ein erstes Mal vorher schon in Lessings "Hamburgische Dramaturgie" verwendet. Das ist nun auch schon 250 Jahre her. Lessing hat zwar viele Engländer gelesen und es ist klarerweise ein Anglizismus. Aber wenn wir alle importierten Wörter aus den letzten 250 Jahren als "neu" bezeichnen, müssten wir viel löschen.
*Klugscheißermodus aus*
Dazu gab es mal einen sehr spannenden Beitrag in einem wissenschaftlichen Sprach-Blog, in dem neben dem Nachweis, dass die Formulierung keine neue Entwicklung ist, auch die Bedeutungsunterschiede zwischen "Sinn haben", "Sinn machen" und "Sinn ergeben" beleuchtet wurden. Leider sind die Links tot, die ich für genau solche Fälle gespeichert hatte :(
edit: Hab ein Archiv gefunden:
http://www.sprachlog.de/2009/01/12/seit-wann-machen-wir-im-deutschen-sinn/
(Da sind im ersten Absatz die Links zu den anderen Teilen. Ich verlinke das so, weil die interne Verlinkung der archivierten Teile auf den alten, nicht mehr verfügbaren Server zeigen)
Danke für den Link. Traue nie einer Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast :-)
Super. Danke für den Link.
Bei mir war das damals ein Zufall, dass ich das als scgon lange verwendet mitbekommen habe. Ich hatte zum Aufkommen der Sick-Geschichte ein Seminar zur Aufklärung im Studium, in dem wir u.a. Lessing gelesen haben. Da stand "Sinn machen" nun mal Schwarz auf Weiß in diesem sehr alten Text.
Beim Lesen der Kolumne musste ich spontan an Offsprings "Cool to Hate" von 1997 denken. Da geht es genau um diese Form des "Hatens". Ist also zumindest in den USA alles andere als eine neue Verwendung des Begriffs und ist dann halt, wie du schon sagst, irgendwann zu uns rüber geschwappt.
Kudos, dass du das kennst. :-)
Die alten Offspring-Sachen sind immer noch die besten.
Ein schöner Artikel, der die oftmals missbräuchliche Verwendung von Worten/Begriffen gut darstellt. Das Beispiel mit "behindert" geht mir auch immer durch den Kopf.
Von Wolfgang Schäuble gab es mal die Frage "Ein Krüppel als Kanzler?", die er natürlich auf sich selbst bezog. In seiner Generation war das Wort gar nicht negativ belegt, sondern ein üblicher Ausdruck für Menschen mit körperlicher Beeinträchtigung. So wandelt sich die Sprache und wird letztlich immer ungenauer. Das kann man durchaus schade finden!
Mich würde ja interessieren, warum du über genau dieses Thema an dieser Stelle schreibst? Was war der Auslöser? Nur die Sonntagsfrage und einige Kommentare oder eine allgemeine Gesellschaftskritik, die auch auf GG nicht zu kurz kommen sollte? Dann müsste man auch einmal über Sexismus und das Spiel Rape Day schreiben.
In der Psychologie ist der Begriff Hass übrigens eng mit dem Begriff Liebe verknüpft - nicht als Kontrapunkt, sondern als Symbiose. Das eine geht ohne das andere nicht. Nichtsdestotrotz hast du mit deiner Intention zur inflationären Benutzung natürlich recht.
Warum das ein Thema auf GG ist, hatte ich mich auch gefragt. Umgekehrt finde ich die Community hier so gut, dass es in dieser Gruppe tatsächlich eine Diskussion wert sein kann.
Den zwingenden Bezug zum Thema Spielemagazin sehe ich aber auch nicht.
Das "Spiel" Rape Day kannte ich gar nicht. Es ist wirklich erschreckend, dass jemand so etwas entwickelt und es vielleicht sogar einen Markt dafür gibt. Das fände ich als Thema durchaus auch diskussionswürdig.
Einen Beitrag über Rape Day würde ich auch begrüssen, ich denke Gesellschaftskritik ist wichtig und richtig.
Wenn du es jetzt nicht erwähnt hättest, wäre ich davon ausgegangen dass schon etwas darüber geschrieben wurde.
Ebenfalls würde ich eine News über "Artikel 13" begrüssen, weil ich mir denke dass auch GamersGlobal davon betroffen sein wird.
Ich kann mich daran erinnern wie in der Vergangenheit unter den Artikeln von Anita Sarkeesian (FeministFrequency) die Kommentare regelrecht explodiert sind und kann mir daher gut vorstellen dass viele lieber bei den Themen bleiben wo noch halbwegs Konsens besteht.
Ich hab für die Lesetipps 10/19 das ganze Internet nach einem interessanten Artikel zum Thema "Rape Day" durchsucht, aber NICHTS gefunden, was als Tipp taugte. Klar, 1000 Meldungen, dass es bei Steam rausgenommen wurde - aber nicht viel mehr. Bei standard.at gibt es eine Userdebatte dazu und einen Userartikel, das war aber viel zu flach.
Ich denke, an das Thema traut sich noch keiner so richtig ran.
Obwohl ich schon User-Artikel geschrieben habe, ist das für mich auch so eine Sache, die ich mir noch nicht zutrauen würde.
Artikel 13 ist soeben raus.
Ja warum denn nicht jetzt und hier? ;) Braucht es denn unbedingt immer einen direkten Auslöser? Das Thema kann man ja nicht oft genug und deutlich genug in Erinnerung rufen.
Und ja, ich bin auch dafür über Seximus zu sprechen, auch auf GG. Es steht ja jedem/jeder frei, etwas dazu zu schreiben.
Und ja, Liebe und Hass sind ganz eng verknüpft und liegen auch erschreckend nah beieinander. Man sollte nicht vergessen, dass mit dem Begriff 'Liebe' genauso inflationär, verschwenderisch und unangebracht häufig umgegangen wird wie mit dem Begriff 'Hass'.
Die "Hufeisentheorie" (die besagt, dass gegenüberliegende Pole wie Hass und Liebe wie die Endpunkte eines Hufeisens relativ eng beieinander liegen), halte ich für falsch - zumindest für mich persönlich. Wenn ich jemanden liebe, dann ist der Weg zum Hass der Weitestmögliche, das kippt bei mir nicht mal eben vom einen zum anderen Extrem.
Es gibt Menschen, bei denen das scheinbar so ist. Da geht der Partner 1x fremd und schon wird aus Liebe sofort Hass - da sag ich dann immer: Sorry, aber dann hast du nicht geliebt :)
Das Gegenteil von Liebe ist Gleichgültigkeit, nicht Hass. Bei letzterem fühlt man noch etwas, bei ersterem nicht. So wird das in der Psychologie betrachtet.
Hm, interessant. In meiner naiven Vorstellung sind die Ausprägungen der Emotionen wie Freude, Trauer, Wut, Reue, Liebe und Hass wie die Komplementärfarben eines Farbkreises. Je intensiver die Emotion, desto farbenfroher. Gleichgültigkeit ist für mich das Fehlen jeder Farbe, also schwarz, ganz im Mittelpunkt des Kreises.
Muss ich mal länger drüber nachdenken, weil das wird Thema einer baldigen Q-lumne sein.
Sprache im Wandel? "Hasse" sagt sich halt schneller und knackiger als "mag ich nicht". Glaube jeder der emotional einigermaßen stabil ist, wird den Unterschied zu echtem Hass kennen.
Ich hasse es, wenn mich jemand dazu bringt über meine unreflektierte Sprachnutzung nachzudenken ;) Aber ich möchte auch zu bedenken geben: Sprache lebt und verändert sich. Geil war mal rein erregungsbezogen, dann wurde es zum Ausdruck für toll. Wenn genügend Menschen sich darüber einig sind, dass Hass für leichte Abneigung stehen kann, dann steht es irgendwann mal so im Duden, egal, wie die Alten und Konservativen das finden.
Stimmt zwar, aber der Wunsch nach sprachlicher Genauigkeit ist keine reine Frage des Alters ;)
Ja, aber das passts ja auch irgendwie... so eine Erregung ist ja eigentlich auch toll, natürlich Situationsabhängig. Das Problem beim Hass ist mMn. wie ja auch ChrisL andeutet, dass es derzeit einfach eine Menge "echten" Hass gibt (weltweit, aus vielen Motivationen) - im eigentlichen Wortsinne - den man durch diese abgeschwächte Verwendung relativiert bzw. nicht mehr als das kategorisieren kann, was er eigentlich ist.
Wenn du den Hass auf Microtransaktionen oder eine Firma die unliebsame Entscheidungen trifft mit dem Hass auf andersdenkende/-gläubige/-lebende Menschen quasi in einen Topf wirfst klingt zweiterer gar nicht mehr so schlimm...
Und noch etwas früher bedeutete geil ganz spezifisch "mannstoll" und war ein negativer Ausdruck für Frauen die ganz offen zugaben, dass sie Bedüfnisse hatten und diese auch auslebten.
Wie schon im Artikel gesagt ... Sprache wird immer unspezifischer und schwammiger. Das gefällt mir nicht.
Hehe, selbst "toll" bedeutete ganz früher mal was anderes als heute. ;-)
Umgangssprachlich sagt man schon mal "Ich hasse das" für "Das geht mir auf den Keks". Verrohung der Sprache ist so ein Reiz-Thema, es ist nicht geklärt, ob Sprache wirklich stark das Denken beeinflusst oder vielmehr das Denken die Sprache abbildet. In dem Sinne müsste man eher auf eine Verrohung der Gesellschaft und Werteverlust schauen, der sich dann eben (auch) in der Sprache spiegelt, aber eben nicht davon ausgelöst wird.
Ich vermute, das geht in beide Richtungen und beeinflusst sich gegenseitig.
Schöner Artikel, Chris.
Diese Personen, von denen auch GG ein paar hat, sind sich dem denke ich zumeist auch vollkommen bewusst. Harte Schlagworte sind jedoch einfacher als ernsthafte und auf Fakten basierte Diskussionen, an denen diese Menschen zumeist gar kein Interesse haben. Höher, schneller und weiter passt da genauso gut wie vor Jahren schon.
Dieses Thema wird in der gesamten Gesellschaft und auch in unserem Hobby immer präsenter. Rational gegen Emotional und momentan sieht es so aus, als würde der Verstand den Emotionen untergeordnet werden.
Interessanterweise kam genau die gleiche Diskussion in einem Thread auf mein-mmo.de auf, wo sich User über die reißerische Überschrift beschwerten, und die Redaktion selbstkritisch anmerkte, dass man auch dort das Wort “hassen” zu unreflektiert benutzt habe.
Klasse Artikel, Chris. Und leider fiel mir beim lesen auf, dass ich diesen und andere Begriffe mittlerweile erschreckend inflationär gebrauche. Danke für den Denkanstoss zum Wochenende. :)
Guter Artikel. Generell fällig mir auf, dass es immer weniger Abstufungen zu geben scheint. Entweder man liebt etwas und ist ein Fanboy oder man hasst etwas und ist damit ein Hater.
Mich nervt diese sehr eingeschränkte Sichtweise und ich würde mir wieder eine wesentlich diversifizierte Sichtweise wünschen.
Der Artikel hätte auch mit "Liebe" funktioniert. :-)
Sehr gute Beobachtung, stimmt. "Ich liebe Joghurt". "Ich liebe diesen Film". "Ich liebe GamersGlobal".
Auch das typisch amerikanisch. Bei denen ist immer alles super. Bei Sportübertragungen zum Beispiel überschlagen sich die Kommentatoren mit Superlativen, mögen die Leistungen noch so durchschnittlich sein. Man überträgt das Produkt nicht, man verkauft es, um Quote zu generieren und die Werbeblöcke zu füllen. Die Influenzer bei Youtube arbeiten logischerweise ähnlich und verbreiten gezwungenermaßen gute Laune und Hype. Und so landet das dann in der Alltagssprache.
Mir fällt das extrem im Podcast "Super Marcato Bros" auf. Klar reden sie da nur über ausgewählte Musik, trotzdem ermüden die "awesome"s und "best track"s recht schnell.
Ja, es ist ja nicht so, dass es da nicht weniger dramatisch ginge. Man kann Dinge ja mögen statt sie gleich zu lieben.
Bevor das Internet kam, hat die Werbung vor vielen Jahrzehnten schon übertrieben. Um "Frische" zu befördern, rutschten da ganze Gletscher ins Meer und Eisbären entstiegen arktischen Winden. Ist natürlich schwer, das noch zu toppen.
Die weiteren Steigerung geht dann nur in die Breite, indem man Begriffe verwendet die gar nicht passen und etwas Negatives heute umgangs-(jugend--) sprachlich "AIDS", "behindert" oder "schwul" ist. Putzigerweise fallen mir dafür keine positiven Beispiel ein, während im Englischen ja alles "epic, awesome, earthshattering und mindblowing" ist. Ich kenne niemanden außer mir, der im Alltag den Terminus "episch" nutzt, um ironisch ein beschissenes Geschehen zu kommentieren.
Womit ich Deiner Aussage eigentlich nur zustimme. :-)
Man muss nur die Tweets des Präsidenten lesen...
Moooment! Du liebst uns nur, wie du Joghurt magst?!
Ähem. Selbstverständlich in absteigender Reihenfolge. AUF! Aufsteigend natürlich!
Ich kann mich da gar nicht mal von ausschließen, ich verwende z.B. das Wort auch öfter einmal in meinen Kommentaren.
Ich bin mir allerdings vollkommen bewusst das ich das dann mache und beziehe den Hass dann z.B. auf Spiele mit Zeitdruck und mache hier schon einen gewaltigen Unterschied in welchen Zusammenhang ich es benutze.
Hier kommt es ebenfalls auf den Empfänger/Leser an, wie er das Wort für sich auslegt und einsortiert.
Nicht jeder empfindet jedes Wort gleich. In der Einleitung werden „schwul“ und „behindert“ als Schimpfworte dargestellt. Ich nutze beide Worte regelmäßig und meist meilenweit davon entfernt sie als Schimpfworte zu meinen.
Aus meiner Sicht kommt es hier sehr auf den Zusammenhang an, in dem man die Worte gebraucht.
In welchem Zusammenhang verwendest Du das Wort „behindert“? Meine Frau ist Lehrerin an einer Schule für Kinder mit einer geistigen Behinderung - und außerhalb dieses Zusammenhangs kenne ich den Begriff nur im Zusammenhang mit abschätzigen Bemerkungen.
In der Jugendsprache stehen schwul oder behindert für schlecht oder gar scheisse.
"Ich habe den Zug verpasst. Ist ja echt behindert".
Alles in allem ziemlich menschenverachtend.
Ich finde, wenn Wörter wie im hiesigen Beispiel zweckentfremdet werden, sie nicht wirklich menschenverachtend.
Das ist ein bisserl das Problem mit der subjektiven Wahrnehmung dabei. Natürlich kann man auch solche Begriffe verwenden, ohne damit irgendjemanden herabwürdigen/-stufen zu wollen. Nur kennt nicht jeder der dich hört deine Intention - ich erinnere mich an einen Kumpel, der mal zu einem Spendensammler einer Behinderten-Werkstätte der ihm beim Spendenformular-Ausfüllen irgendwas erklären wollte meinte, "Danke, ich schaff das schon, ich bin doch nicht behindert." - oder einen, der zu einem Tattoo-Artist, stadtbekannt als openly gay, meinte, ne das Motiv will er sich nicht stechen lassen, das sehe ja "schwul aus". Was ich meine ist - wenn man bestimmte Worte zu einzelnen Menschen nicht sagen würde, weil man weiss sie würden sich wahrscheinlich davon verletzt fühlen, sollte man sie vielleicht generell nicht in dem geplanten Kontext verwenden.
Ich bin gewiss niemand, der zu arg auf sprachliche PC achtet (und weine jedes mal ein wenig beim gendern von Worten, einfach weil sichs beschissen liest); wenn diese Worte aber Inflationär verwendet werden entwertet man sie auf Dauer in ihrer ursprünglichen Aussage und macht diese damit zu etwas alltäglichem, gleichzeitig wird die Sprache in meinen Augen ärmer, wenn alles eben nur noch "behindert" oder "schwul" als Sammelbegriff von allem ist, was grad nicht so läuft wie mans gern hätte. Dazu kommt, dass die Worte dann ja immer mit etwas negativem behaftet werden - "schwul" ist gleich "schlecht".
Deshalb frage ich mich ja, in welchem Zusammenhang sie nicht negativ belastet sind. Vielleicht ist da aber auch noch ein Unterschied zu „Schimpfwort“, den ich nicht sehe.
Gibt schon unterschiedliche Kontexte. Kunden von mir sind im Rollstuhl und finden es z.B. "behindert" wenn ihnen jemand eine karierte Decke über die Beine legen will. Weil es behindert aussieht, sprich irgendwelchen Klischees über Menschen im Rollstuhl entspricht.
Welcome back btw!
Gutes Beispiel, danke. Den Kontext verstehe ich.
Danke :)
Das zeigt am ehesten mangelndes Bildungsniveau bei den "Nutzern" der Sprache.
Als ich etwas 7 Jahre alt war, habe ich mit einem Mädchen die auch meine Nachbarin war (sie war ein paar Jahre älter als ich) im Garten gespielt und mich über irgendeine Nichtigkeit gekränkt (kA mehr was genau, vielleicht hat sie mir den Ball weggenommen oder sowas in der Art).
In meinem Groll habe ich sie als "behinderte Gans" bezeichent worauf sie nur weinend davon gelaufen ist. Im Nachhinein haben mir dann meine Eltern erklärt, dass ihr Bruder querschnittgelähmt ist und was ich ihr da eigentlich gesagt habe. Bekomme immer noch Bauchweh, wenn ich daran denke.
Das ist ein sehr empathischer Kommentar! Die meisten Kinder haben wohl mal ähnliche Dinge getan und hoffentlich daraus gelernt. Mir geht es jedenfalls sehr ähnlich.
Na z.B. bei Behinderten. Ich finde überhaupt nichts schlimmes dabei, es ist von mir auch nicht negativ oder abwertent gemeint. Nur weil ein anderes Wort es jetzt politisch korrekter machen würde, kann die neue Umschreibung genau so negativ gemeint oder ausgelegt sein.
In so etwas wird in der heutigen Zeit viel zu viel hinein interpretiert.
Meine schwulen Freunde sind natürlich schwul. Und eine Freundin meiner Tochter hat definitv eine Behinderung. Aber in diesem Artikel geht es ja um die Nutzung eines Wortes außerhalb seiner Bedeutung.
Es hier meiner Meinung nach wirklich auf die Wahrnehmung des Empfängers an. Wenn mich jemand als schwull beschimpfen möchte, kann das schon mal nach hinten los gehen, da ich schwul sein nicht schlimm finde und auch nichts gegen Schwule habe.
Das die deutsche Sprache allerdings immer mehr verroht, steht außer frage. Oder ist ein Generationenproblem. Frag mal unsere Großväter, was sie über unseren Sprachgebrauch denken ;)
Darf man Neger sagen? ... Ich finde diese Diskussionen immer schwierig, da oft über die Betroffenen gesprochen wird und nicht mit ihnen...
Klar darf man Neger sagen. Wie du damit ankommst, ist ne andere Sache. ;)
Diese Antwort werde ich mir in Gold auf einen Teller malen...
Das ist aber ein anderes Problem. Hier stimme ich dir völlig zu, ich kann auch sagen "jemand ist behindert", wenn er eine Behinderung hat - das ist in dem Fall einfach nur eine wertfreie Zustandsbeschreibung. Aber - da entsteht jetzt die Brücke zum Schimpfwort - da das Wort so häufig eben im negativen Kontext als synonym für schlecht, minderwertig etc. verwendet wird, würden es inzwischen tatsächlich einige (sicher nicht alle) Betroffene als Beleidigung empfinden. Wäre das Wort immer nur im Kontext einer Zustandsbeschreibung verwendet oder vielleicht sogar positiv verknüpft worden sähe das sicher anders aus.
Große Teile des PC-Krams, der uns jetzt um die Ohren fliegt, kommen meiner Meinung nach zumindest teilweise daher, dass die Worte unachtsam als negative Zustandsbeschreibung verwendet wurden. Genau wie im Moment der "Hass". Ebenso der Fall ist das für meine Begriffe ein bisserl bei diesem Gender-Wahnsinn. Wenn man sich für negatives Verhalten, Versagen, Feigheit o.ä. mit weiblichen "Beleidigungen" schmäht ("Du Pussy", "Was bisnt für für ein Mädchen"...) bekommt das ganze Sprachkonstrukt einfach einen negativen Beigeschmack und die Message "Männer sind besser als Frauen", von dem sich dann einige - ob zu recht oder unrecht - eben herabgewürdigt fühlen. Was ich schade finde, denn ich würde gern weiterhin zum Arzt gehen und nicht zum/zur Arzt/Ärztin/Arzt*, ohne damit die Aussage zu tätigen zu wollen, Frauen wären schlechter als Männer.
Ob ein Wort abschätzig ist oder nicht, entscheidet aber leider nicht der Nutzer des Wortes, sondern der Betroffene. Schwul galt früher als Schimpfwort, jetzt nicht mehr, weil so ziemlich alle Schwulen sich heute selbst so nennen. Neger oder Zigeuner geht aus ähnlichen Gründen nicht.
Bei Behinderten bin ich überfragt. Kann wer helfen?
Helfen wohl kaum, aber sagen, dass es nicht so eindeutig ist. Ich kenne durch die Schule meines Stiefsohns mehrere seiner Schulkameraden und deren Familien recht gut, einige davon (uns eingeschlossen) sprechen selbst von Behinderung, andere können das nicht leiden und finden das Wort furchtbar, wieder andere reagieren da extrem empfindlich. Das ist für meine Begriffe einfach ein Wort, dass man unbekannten Personen gegenüber am einfachsten vermeidet.
Schwul ist so eine Sache... mir ist bisher kein "Betroffener" begegnet, der ein Problem damit hat, schwul genannt zu werden. Sprüche wie "Boah, wasn das für ein schwuler Scheiss" und dergleichen finden sie aber nicht so toll (ohne dabei allerdings völlig zu eskalieren), schlicht weil es etwas für sie eher positives sprachlich in einen negativen Zusammenhang bringt.
Toller Artikel. Das Thema spricht mir aus der Seele.
Das sehe ich eher Emotionslos.
Ein sehr merkwürdiger Beitrag!
Ich stelle mir halt selber oft die Frage, ob man Begriffe so verwenden soll, entsprechend ihrer wortwörtlichen Bedeutung, im historischen Kontext oder so wie sie gegenwärtig verwendet werden. Und ich ringe immer noch mit dieser Frage.
Ich habe mir mal ein Interview über Sucht angehört, in dem die Psychologin in einer kurzen Nebenbemerkung erklärt hat, dass das Wort "Sucht" eigentlich nicht für "Abhängigkeit" steht sondern für "Krankheit" wie in "Gelbsucht" noch zu finden. Ich habe lange darüber nachdenken müssen wie zielführend es noch ist so einen Begriff in seiner ursprünglichen Bedeutung zu verwenden, wenn ich genau weiss dass mein Gegenüber den Begriff anders auffasst. Ich möchte auch nicht jedesmal dazu erklären was es bedeutet, weil da komm ich mir dann ein bisschen angeberisch/besserwisserisch vor. Darum verwende ich ihn so wie er halt allgemein verwendet wird.
Ist aber von Wort zu Wort unterschiedlich, weil ja vieles durch Unwissenheit der Wortherkunft gesagt wird oder einfach unbewusst.
Ein anderes Wort, was für mich persönlich sehr positiv konotiert ist, ist das Wort "merkwürdig". Meistens wird darunter verstanden "irgendwas stimmt nicht", aber für mich bedeutet es "darüber werde ich heute noch länger nachdenken" oder schlicht "bedeutend".
In diesem Sinne: Ein sehr merkwürdiger Beitrag ;)
Allein für Deinen Beitrag hat sich der User-Artikel gelohnt. Auf diese wörtliche Bedeutung von "merkwürdig" bin ich tatsächlich noch nie gekommen. Scheint aber bis ins 19. Jahrhundert hinein gebräuchlich gewesen zu sein. Interessant. Danke!
Absolut verrückt, hab auch noch nie über den Begriff merkwürdig nachgedacht! Vielen Dank für den Denkanstoß!
Ich würde dann allerdings damit nicht das Wort "Merkwürdig" verknüpfen mit dem was Du beschreibst, sondern "Bemerkenswert". Denn ich hätte "Merkwürdig" mit "etwas stimmt nicht/ich verstehe es nicht" 1:1 gleichgesetzt wie Du.
Daher ist es ein bemerkenswerter Beitrag, weil er zum Nachdenken anregt und das nicht, weil mit dem Beitrag etwas nicht stimmt.
Es ist würdig, dass man es sich merkt. Merk-würdig.
Schlagende Argumentation. Erstaunlich das Kommunikation funktioniert, wenn jeder was anderes versteht. :-)
... wobei ich den Begriff wahrscheinlich noch nie in der Form verwendet habe. ;)
Genau das.
Den Artikel muss Muffi Schlumpf mal lesen. :D
"Ich hasse Artikel!"
Ich finde den Artikel problematisch, weil du als Autor, Chris, dich selbst von Hass freisprichst und damit den eigenen Hass nicht hinterfragst. Das macht es als Beobachter etwas leichter, ist aber die dankbare Rolle als Ankläger.
Hass ist kein wirkliches andauerndes etabliertes Gefühl, sondern ein Affekt. Er fühlt sich intensiver und elementarer an, wie du richtig schreibst. Vor Gericht wirken Hass oder Wut nicht umsonst mildernd auf das Strafmaß. Das ist im Übrigen der Grund, warum du dich, Chris, auch die ganze Zeit von jedem Hass freisprechen kannst, weil wir als psychisch gesunde Thirtysomethings/Bestager/Frühpensionäre/Altzocker Hass in der Regel sehr selten fühlen, einfach mangels psychischer Ausnahmesituationen.
Du beschäftigst dich mit dem Hass als beliebte politische Sprachfigur, die zu oft und zu gern bemüht wird. Da stimme ich zu, allerdings ist der alltägliche Umgang damit der harmloseste überhaupt und führt recht sicher nicht zur Verrohung der Sprache. Was ich für problematischer halte, ist die politische Verwendung, also um Gruppen zu definieren, um ganzen Gruppen Hass zu unterstellen oder auch, und das ist noch viel tragischer, um medial, am Besten mit den richtigen Bildern, die richtige Stimmung aufkommen zu lassen. Das erzeugt dann nämlich ab und zu mal echten Hass, was bestimmt zur Verrohung der Sprache beiträgt.
Kann dir da zum größten Teil zwar zustimmen, Hass kann aber sehr wohl ein langfristig andauerndes (etabliertes) Gefühl sein. Aus der Kriminalistik ist bekannt, dass so mancher Straftäter (Mörder, Terrorist, Gewalttäter, etc.) über Jahre hinweg dauerhaft und fast besessen von echtem Hass zerfressen sein kann, bis sich der krankhafte Hass in der entsprechenden Tat entlädt. Sogar darüber hinaus kann er noch weiter existent sein.
Mein Kommentar deckt narzisstische Störungen natürlich nicht ab. Ich glaube aber, dass Chris eher vom Regelfall geschrieben hat :)
Ich bin da voll und ganz deiner Meinung! Schöner und wichtiger Artikel! Danke dafür!
Die Deutsche Sprache ist sehr präzise. Wir haben ein reichhaltiges Repertoire an Worten zur Verfügung, um praktisch alle Gefühle, Situationen und Schattierungen mit einem passenden Begriff zu belegen. Und können diese dann noch mit Adjektiven weiter abstufen. Toll!
Leider schrumpft das tatsächlich benutzte Vokabular zusehends, sowohl in der gesprochenen wie auch der geschriebenen Sprache. Nun bin ich kein Linguistiker, aber ich habe eine Arbeitsthese dazu: ==> Das Internet ist Schuld!
In einer kleinen Diskussionrunde, in der sich ein paar Menschen unterhalten, gibt es keine Notwendigkeit mit Superlativen um Beachtung zu kämpfen. Je mehr Menschen aber in einem Raum zusammenkommen, umso größer der Kampf um Aufmerksamkeit. Das Intenet ist nun der Raum, in dem potentiell Milliarden Menschen zusammenkommen, entsprechend eskaliert die Sprache. Das Internet giert nach Aufmerksamkeit. Wer von HASS (in Großbuchstaben) redet, bekommt mehr Klicks als jemand, der davon spricht, was ihn stört. Und der nächste kommt dann mit BRACHIALEM HASS, weil er den ersten Hasser ja verbal übertrump(f)en muss.
Dies wirkt sich auf den klassischen Printjournalismus und TV aus, auch dort verroht die Sprache. Bis in die Qualitäts-Nachrichten. Der umgestürzte Baum ist eine Katastrophe! Der unbequeme Regierungschef ist Regimemachthaber. Der Angreifer ist Terrorist oder Amokläufer. Und wenn dann wirklich eine echte Katastrophe passiert, sieht man sich gezwungen, daraus ein MEGA-Katastrophe zu machen, weil der Presse die Worte ausgehen.
Der Mensch, wir, stehen ganz am Ende der sprachlichen Eskalationspirale. Und weil mir andere Worte fehlen: ChrisL, ich find deine Kolumne SUPER! ;)
Und nun lieferst du mit dem Beitrag sofort das Gegenbeispiel zu deiner These. Wir sehen also, dass "trotz Internet", eine sprachlich ausgereifte Kommunikation möglich ist. Was es im Internet aber weniger gibt, ist Segregation: Jeder kann unter einem YouTube-Video posten und du teilst dir den Raum auch mit Leuten, die kein "reichhaltiges Repertoire an Worten zur Verfügung" haben. Die gibt es auch außerhalb des Internets, aber vielleicht nicht so häufig in deinem Bekanntenkreis? Sprachliche Eskalation und Clickbait im Journalismus ist nun auch kein neues Phänomen des Internets, schau dir eine Bild-Zeitung aus den 70er Jahren an. Zusammenfassend würde ich also sagen, man kann den Sachen heute einfach nur weniger aus dem Weg gehen.
Wir sind hier doch auch in einer sehr kuscheligen, kleinen Ecke des Internet :)
Der Clickbait auf Youtube ist ja schon fast eine eigene Sprachkultur. Klassiker wie "10 Erfindungen die auf einer anderen Ebene sind" (wahrscheinlich plump aus dem englischen Übersetzt) neben generischen reisserischen Titlen die man auf alles mögliche klatschen kann wie "Du würdest es nicht glauben wenn es niemand fotografiert hätte" oder wie wärs mit "Wenn du das hier siehst lauf weg und hol Hilfe"... aha XD
...und auch auf YouTube findet man gute Inhalte ohne Sensationalismus.
Hinzu kommt, dass durch die Sozialmedien gesprochene Sprache, manchmal sogar mit Dialekt vermischt, verschriftlicht wird. Man schreibt also wie man spricht mit Slang Digger aber ohne Punkt und Komma Ehrenmann.
Macht "man" das oder nur besitmmte Gruppen? Und bist du dir sicher, dass diese vor dem Internet in feinstem Hochdeutsch geschrieben haben?
Vor dem Internet gab es, so denke ich, eine klarere Trennung zwischen mündlicher und schriftlicher Kommunikation. Slang und Dialekt hattest du mehr so auf der verbalen Ebene, also auf dem Schulhof, im Alltag, am Telefon. Die Schriftsprache in Briefen, oder, anfänglich, auch emails, war davon schon ziemlich verschieden.
Das Netz hat beides ein Stück zusammen geführt, was man z.B. an Syntax und Interpunktion bemerkt, selbst bei GG-Artikeln :)
In der Sprachwissenschaft unterscheiden wir mündliche und schriftliche Kommunikation auch nicht mehr anhand des Mediums. Eben weil zum Beispiel SMS und Chat "mündlich" begriffen werden und auch etwa durch die Unmittelbarkeit der Kommunikation (Synchronizität) das Ganze mehr im Bereich des Mündlichen liegt. Man findet auch oft Kommentare im Sinne von "Was sagst du da?" usw. anstelle von "schreiben", sodass man sehr gut argumentieren kann, dass Kommunikation im Internet oft als mündliche Kommunikation begriffen und betrieben wird. Das heißt aber eben nicht, dass es keine Trennung mehr gibt, denn in klar schriftlichen Formen wie formalen Emails und Texten findest du nach wie vor die klassische Schriftsprache erheblich häufiger und dialektale oder verkürzte Formen werden fast durchweg als unangemessen beurteilt.
Interessant. Bliebe die Frage, ob die beiden Bereiche sich gegenseitig hinreichend beeinflussen, um es als Aspekt hier in unserer Diskussion zwecks Sprachveränderung durch's Internet betrachten zu können. Ich meine ja. Du?
Und hüstel: Reden wir grad oder schreiben wir? :)
Sprachveränderung gibt es immer, Sprache ist ständig im Wandel. Aber Thesen vom "Sprachverfall" sind so alt wie die Linguistik selbst und eigentlich nie haltbar. Dass sich die Zunahme von medial schriftlicher aber konzeptionell mündlicher Kommunikation (SMS, Chat, YouTube-Kommentare) auf konzeptionell schriftliche Kommunikation auswirkt, konnte nicht gezeigt werden. Das wird von den meisten Sprechern sofort als "unangemessen" betrachtet, übrigens auch umgedreht: Wenn wir solche Kommentare unter ein YouTube-Video posten kriegen wir bestenfalls ein "tl dr" als Antwort. Also kurz gesagt, Kommunikation im Internet führt zu neuen Sprachformen, die für den Bereich angemessen sind, aber das beeinflusst eher nicht die etablierten Normen anderer Kommunikationskanäle. Fast alle Sprecher differenzieren ihren Sprachgebrauch intuitiv sehr stark.
Ich habe den Artikel heute Morgen überflogen, wenig später durchgelesen und musste ihn erstmal sacken lassen.
Die Sprache und auch die Wortbedeutungen entwickeln sich durchgehend weiter und verändern sich im negativen, wie auch im positiven Sinn.
Das Wort Hass kommt bei mir in meinem Sprachschatz eher wenig bis gar nicht vor.
Ich nehme dabei immer die Rede von Charlie Chaplin als Vorbild - "Erwahrt euch die Menschlichkeit in euren Herzen und hasst nicht, nur wer nicht geliebt wird hasst, nur wer nicht geliebt wird."
Allerdings kann ich auch ein aktuelles Negativbeispiel von mir nehmen. Gerade wer Multiplayer spielt wird diverse Beleidigungen sicherlich kennen oder sogar selbt schon ausgesprochen haben.
Gestern wieder mit Kollegen PUBG gespielt und dabei leider die Bekanntschaft mit einem Cheater gemacht. Wir waren in einem Vier-Mann-Squad und sind von einem einzelnen auseinandergenommen worden. Er wusste leider genau wo wir waren und jeder seine Schüsse war ein Treffer. Da ist mir leider im TS die Wörte so ein "dreckiger Jude" rausgerutscht. Wenig später habe ich dann realisiert, was ich da überhaupt gesagt habe...
Mich ärgert dieser Fauxpas mehr als alles andere, aber zeigt es doch gut, was für negative Assoziationen das Wort Jude immer noch im deutschen Sprachgebrauch hat. Irgendwo mal aufgeschnappt, im Unterbewusstsein abgespeichert und gedankenlos ausgesprochen. :(
Über dein Beispiel musste ich jetzt lange nachdenken, danke für deine Ehrlichkeit! Bis jetzt habe ich den Begriff "toxic community" immer als übertrieben angesehen, aber anscheinend trifft er es schon sehr gut, wenn man diese Aussagen unterbewusst aufnimmt und es garnicht merkt bis man sie selber tätigt.
Jeder der schon mal Multiplayer gespielt hat und mit anderen Spielern sprachlich interagieren muss, wird das ein oder andere mitbekommen oder sehr wahrscheinlich auch mal selbst beleidigt.
Extrem krass war es für mich in Dota 2, gerade als Neuling braucht man da schon ein dickes Fell.
Kritisch sehe ich sowas vor allem bei Heranwachsende die ebenfalls Multiplayer spielen. Prinzipiell ist es wirklich so, je älter die Personen sind, umso reifer Verhalten sie sich.
Ich ärgere mich selber über diese Äußerung meinerseits, sowas darf nicht passieren.
Sag das nächste mal einfach "Du mikroenzyklopenjagender Weichorganismus!". Das ist unverfänglich. :)
"You're just another poor Player" kommt immer gut, gerne mit einem bedauernden Unterton. Vor allen Dingen verstehen das fremdsprachige Spieler besser^^
Ich hasse Hass ab und zu gerne. (Erklärung: Es gibt eine Avocado-Sorte die so heißt.)
Jetzt kommt ein dummer Satz von mir:
Ich stimme dem Artikel im Grunde zu, aber bei Mikrotransktionen und insbesondere bei Loot-Box empfinde ich Hass.
Zumindest laut duden.de Definition, die dort auch "heftige Abneigung" auflistet ist es korrekt.
Besonders bei Loot-Boxen ist es ein Spiel mit der Gesundheit einiger Menschen, nämlich derer die über eine bestimmte Persönlichkeit verfügen.
(Mir fällt gerade das Wort nicht ein was sich suche.)
Es gibt gute Gründe warum Glücksspiel strikt reglementiert ist.
Sofern Loot-Boxen im Spiel sind und sie mir dauernd vor die Nase kommen nerven sie mich persönlich, aber das ist gar nicht der Punkt auf den ich hinaus will.
Die Verantwortlichen für Loot-Boxen spielen nur mit der Psyche der Spieler (unbekanntes öffnen, Item XY haben wollen, aber nur durch Lootboxen zu bekommen. Ich erinnere an den Apex Spieler der 500€ für Lootboxen ausgegeben hat um an ein bestimmtes Item zu kommen) und wollen damit den Spielern mehr als ihr ganzes Geld aus der Tasche ziehen.
Ich denke für so ein Verhalten ist der Begriff Hass der richtige.
Schöner, wichtiger Artikel. Du sprichst mir aus der Seele. Ich erinnere mich noch, als ich vor mehr als 10 Jahren auf einer Reise in den USA von jemandem drauf angesprochen wurde, wieso ich "I hate XYZ" sagen würde. Wäre völlig übertrieben. Hat mich damals zum Nachdenken gebracht und ich hab meine Wortwahl daraufhin verändert.
Du machst mir das Leben echt schwer Chris. Jetzt muss ich meinen Artikelentwurf zum Thema "Wie ich lernte, (x) zu hassen" wohl doch kippen... ;)
Aber dennoch ein sehr schöner Text, der zeigt, wie sich die Bedeutung von Begriffen verschiebt, bzw. wie diese ein Stück weit entwertet werden.
P.S.: Vielleicht sage ich in Zukunft eben eher "Es nervt mich, dass..." :)
Du musst nur die Headline ändern: "Wie ich lernte, gewisse Aspekte von (x) als störend oder gar unangenehm zu empfinden."
Ich würds lesen.
Clickbait! ;)
Das ist die fortschreitende Digitalisierung. Auch Gefühle sind nur noch 1 oder 0.
Alles eine Frage der Übertaktung :)
Ist die 0 dann der Hass oder Gleichgültigkeit? Fragen über Fragen ...
War eigentlich nur eine Frage. Hass ist 1, Abwesenheit von Hass ist 0.