Hype, Spieletests und Immersion

Hype, Spieletests und Immersion User-Artikel

Elden Ring ungleich Cyberpunk

onli / 13. März 2022 - 13:52 — vor 2 Jahren aktualisiert
Steckbrief
PCPS4PS5XOneXbox X
Action-RPG
16
FromSoftware
Bandai Namco
25.02.2022
Link
Amazon (€): 68,84 (PlayStation 4), 86,24 (PlayStation 5)

Teaser

Warum manche Hypespiele es schwerer haben als andere und warum Immersion vielleicht nicht das beste Werbeversprechen für angehende AAA-Spiele ist.
Dieser Inhalt wäre ohne die Premium-User nicht finanzierbar. Doch wir brauchen dringend mehr Unterstützer: Hilf auch du mit!
Elden Ring ab 68,84 € bei Amazon.de kaufen.
Wenn Entwickler und Publisher ihre neuen Spiele bewerben, geschieht dies nicht selten mit dem Versprechen "vollständiger Immersion". In der Praxis ist diese aber extrem schwer zu erreichen. Wenn der Hype um ein Spiel maßgeblich auf dieser versprochenen Immersion aufgebaut wird, dann kann das Ergebnis fast nur enttäuschen. Das Spiel muss dann in anderen Bereichen umso hervorragender sein und die unweigerlich unbefriedigende Immersion durch Spielmechanik und Spielspaß aufwiegen, sonst droht der Mega-Shitstorm.  Zusätzlich befeuert wird der typische "auf Hype folgt Gegenhype"-Effekt durch umfangreiche Previews und Spieletests, die nicht selten das Immersionsversprechen noch befeuern. Welche unterschiedlichen Auswirkungen dies haben kann, möchte ich an einigen Beispielen wie Cyberpunk 2077 und Elden Ring zeigen.
 

Was ist Immersion?

Immersion ist die mentale Einbindung in eine fiktionale Story. Wir leben in der einen Realität, aber mit Hilfe eskapistischer Medien (egal ob Bücher, Filme oder Videospiele) können wir uns ihr entziehen. Ist die Immersion perfekt, denke ich für einen Moment nicht an den Stuhl, auf dem ich sitze, nicht an den Kopfhörer, den ich trage, und nicht an den Raum, in dem ich bin; stattdessen erlebe ich das als "real", was ich auf dem Bildschirm sehe oder auf den Buchseiten lese. Ob dieser Effekt 100% der Echtwelt verdrängen muss, um als wirklich eingetreten zu gelten, sei mal dahingestellt. Doch Ansätze der Wirkung dürften die meisten Spieler kennen und jeder, der sich nach einem Horrorfilm schon einmal vor dem nächtlichen Gang im dunklen Flur zur Toilette gefürchtet hat, hat einen Aspekt dieser Realitätsveränderung erlebt.

Bei Videospielen sitzen wir vor einem Bildschirm und drücken Tasten, damit auf dem Bildschirm irgendetwas passiert. Dazu ist der Bildschirm nur 2D, unsere Welt aber 3D. Es sollte daher schwer sein, sich in solche entfernten Spielwelten hineinzuversetzen. Hier liegt der besondere Reiz von VR-Spielen (und der Grund, warum dieser Reiz so schwer zu erklären ist, wenn man ihn nie selbst erlebt hat): Mit der Handlung direkt vor den Augen, ohne Maus- und Tastatur, sondern mit einer direkteren Steuerung, gelingt ein Immersionseffekt fast sofort. Selbst beim Abspielen eines Films über die VR-Brille lässt sich das Gehirn leichter austricksen.

Aber auch regulären Nicht-VR-Spielen kann ein solcher Effekt gelingen. Und nicht nur dem epischen 3D-Rollenspiel: Nein, selbst Strategiespiele wie Civilization können mich so sehr in ihre Spielmechaniken einbinden, dass es für eine gewisse Zeit nichts anderes gibt. Natürlich denke ich dabei nicht, die auf dem Monitor abgebildete Spielmaus zu sein oder die Hauptstadt. Das Eintauchen entsteht hier aus der Interaktivität, wenn ich eine Aktion ausführe und daraus eine Reaktion erfolgt, was es mir erlaubt, im Kopf eine Welt zu konstruieren, in der dieses Spiel abläuft. In diesem Moment bin ich Teil dieser Welt. Das ist Immersion.

Das soll nicht heißen, dass dieser Sprung aus der Realität der einzige Grund ist, ein Spiel zu spielen. Natürlich spielt da mehr rein: Die Befriedigung des Spieltriebs, eine gerade ablaufende Frust-Lust-Spirale (nur noch eine Runde!), vielleicht reizt gerade auch nur die Story oder es erfolgte eine emotionale Bindung an eine Spielfigur. Selten ist Immersion perfekt, selten ist allein sie der Grund, warum ein Spiel fasziniert.
 

Perfekte Immersion in Spielen bei JC Denton...

Aber es gibt sie natürlich: Videospiele, die komplett die Realitätswahrnehmung des Spielers übernehmen können. Selten für lange Zeit, aber in einzelnen Szenen kommt dann alles zusammen, da ist das Spiel die perfekte Blackbox. Die Spielmechanik tritt in den Hintergrund und man befindet sich in seiner eigene Welt, in der jetzt gerade irgendetwas Hochspannendes passiert. Sich dem zu entziehen, ist fast unmöglich.
 
Achtung - Es folgen Spoiler für das originale Deus Ex und für  Witcher 3!
Ein Screenshot der Nachricht vermittelt leider nicht den Effekt.

Das erste Deus Ex hat mehrere dieser Momente, die perfekt immersiv wirkten und die sicher auch heute noch so wirken würden. Zwei möchte ich herausgreifen: Einmal die Icarus-Szene. Icarus ist eine KI, die laut Storyverlauf den Spieler jagt. Der Spieler kontrolliert JC Denton, der über einen Infolink von anderen Leuten (vertonte) Sprachnachrichten bekommt. Bis jetzt waren das immer Nachrichten von Menschen wie dem Unatco-Agenten der Heimatbasis. Und dann kommt mitten in einer düsteren Kanalisation diese Nachricht von Icarus, gesprochen mit Grabesstimme: "I now have full access to your systems" (Man schaue die ersten Sekunden dieses Videos ).

Der zweite, perfekte Moment ist der Verrat an der Unatco. JCs Bruder Paul schickt ihn (also uns) los, zu einem Gebäude zu gehen, Beweise zu sammeln und dann die NSF zu warnen, die bis dahin unsere Feinde waren. Dieser Moment, wenn nach der Tat plötzlich der Chef der Fema mit uns schimpft und die vorher verbündeten Unacto-Soldaten angreifen, ist beim ersten Durchlauf unglaublich gewesen. Es folgt ein (verpassbares!) Zwischenfinale, wenn daraufhin Pauls Hotelzimmer von Unatco-Soldaten und Men in Black gestürmt wird - wobei der Spieler nicht wissen kann, dass es passiert und ob diese Gegner besiegbar sein könnten.
 

...und im Bann des Hexers

In Witcher 3 ist der fesselnde Moment die Schlacht von Kaer Morhen. Einige Spielstunden wurde der Gegner aufgebaut, wer die Bücher gelesen hat, für den ist die Wilde Jagd noch deutlicher ein Begriff. Während die Handlung vorher auf Sparflamme vor sich hin dümpelte, geht es jetzt merklich zu einem Finale. In der Burg sitzend treffen wir in Gesprächen wichtige Entscheidungen und erleben die Konsequenzen vorangegangener Wahlmöglichkeiten. Die Stimmen, der Ausdruck der Charaktere - alles wirkt besorgt und angespannt. Als Spieler ist fast unmöglich, sich in diesem Moment dem Gefühl zu entziehen, man säße selbst in dieser Burg fest, die bald von einem nahezu unbekannten, aber mächtigen Feind angegriffen wird. Eine Szene, bei der die eigene Überlebenschance gering wirkt (die Parallele zu aktuellen weltpolitischen Ereignissen war sicher ungeplant).

Was haben diese Szenen aus Deus Ex und Witcher 3 gemeinsam? Sie wirken nicht über die Spielmechanik direkt. Was passiert, ist auch kein Film - die auch superimmersiv sein können, und manche Spiele wie Tomb Raider beziehen ihre Sogwirkung aus filmartiger Inszenierung mit eingebauter Interaktivität. Nein, sieht man die beschriebenen Szenen in einem Video ohne Kontext, sind sie nicht einmal besonders spannend. Stattdessen ist in all diesen Szenen für einen Moment der weitere Spielverlauf unklar. Das Spiel hatte vorher eine Welt und eine Spielmechanik etabliert, in der eine normale Handlung das Interesse des Spielers geweckt hat. Doch jetzt macht die Handlung einen Sprung ins Ungewisse. Die Spielwelt besteht immer noch, aber wie sie sich auf den Spielercharakter auswirkt, ist unklar - und mehr noch, wie sie sich damit auf den Spieler selbst auswirkt. Das ist Spannung, Ungewissheit. Es wird unmöglich, das Spiel in diesem Moment zu beenden! Das ist die perfekte Immersion und nur einen kurzen Augenblick haltbar, schafft aber eine weit über den Moment hinauswirkendende, großartige Spielerfahrung.
Anzeige
Kaer Morhen mag belanglos schön sein, aber kein Spieler wird den Kampf um diese Burgruine vergessen.
Q-Bert 25 Platin-Gamer - P - 56357 - 13. März 2022 - 3:10 #

Da ist viel Wahres dran, onli. Je größer die Erwartungen (aka Fallhöhe), desto tiefer der Fall. Als Publisher/Entwickler würde ich es daher auch nicht übertreiben, mit den Immersionsversprechen - das rächt sich fast immer :]

Spannend ist, was sich am Ende finanziell mehr rechnet: Irre viel Buhei machen mit aufgehübschten Demos und PR-Versprechen, damit viele Leute ein Spiel kaufen - und dann den zwangsläufigen Shitstorm in Kauf nehmen. Oder den Ball flach halten, nicht zu viel versprechen, aber dann evtl weniger Spiele verkaufen, weil keiner das Game "auf dem Radar" hat... schwierig.

Bei CP77 geht aus dem letzten Bilanzbericht hervor, dass lediglich 1,6 % der Spieler eine Rückerstattung erhalten haben (215.000 Rückgaben bei 13,7 Mio im ersten Monat). Gemessen am riesen Shitstorm hätte ich eher getippt, dass ein Drittel das Spiel zurückgegeben haben, aber offensichtlich klaffen mediale Aufmerksamkeit und Relevanz hier weit auseinander.

Die letzte gemeldete Verkaufszahl von CP77 war 17 Mio, was deutlich weniger ist als die 30 Mio, die Witcher 3 im ersten Jahr verkaufen konnte. Der ganze Shitstorm hat also wohl dazu geführt, dass viele Leute das Spiel gar nicht erst gekauft haben. Und da stellt sich dann die Frage: Wie können Leute von einem Spiel enttäuscht sein, dass sie gar nicht gekauft/gespielt haben? Platzen da Wunschträume, nur weil 1,6% Unzufriedene nen Aufstand machen?

Das ist nur ein Grund, warum mir Previews, PR-Kampagnen und auch Shitstorms zu Games inzwischen völlig egal sind. Ich genieße einfach so tolle Spiele wie CP77, egal, was der Rest der Welt sagt... :]

Shake_s_beer 19 Megatalent - - 19075 - 13. März 2022 - 9:55 #

Zu den CP2077 Zahlen: Das ist tatsächlich interessant. Dem großen digitalen Aufschrei nach zu urteilen, würde man vermuten, dass deutlich mehr als 1,6% der Spieler das Spiel zurückgegeben haben. Das zeigt aber auch einmal mehr, dass die digitalen Shitstorms - und seien sie noch so groß - häufig auch nur von einer lautstarken Minderheit verursacht werden.
Dass eben dies viele potentielle Käufer abgeschreckt hat, kann ich mir gut vorstellen. Ich gehöre da auch dazu. Vor Release war ich sehr interessiert an dem Spiel, hatte noch überlegt, ob ich es auf PS4 spielen soll oder dem Ganzen auf meinem betagten PC eine Chance gebe. In den Tagen nach Release habe ich dann von einem Kauf recht schnell Abstand genommen und dabei ist es bis heute geblieben.

Weryx 19 Megatalent - 15436 - 13. März 2022 - 15:13 #

Naja, man sollte nun nicht dem Trugschluss erliegen, dass nur weil 1,6% der Käufer das Spiel zurückgegeben haben (Verkaufszahlen inkl Retail? Da schonmal schwerer das zurückzugeben...:)) auch nur 1,6% sehr unzufrieden waren. Gibt diverse Gründe wieso es man dann doch nicht zurückgegeben hat (Faulheit, nicht wissen das es geht, etc.).

Harry67 20 Gold-Gamer - - 24311 - 13. März 2022 - 14:19 #

Interessante Zahlen, danke für den Beitrag.

Tasmanius 21 AAA-Gamer - - 28817 - 13. März 2022 - 23:42 #

Aus dem holen Bauch heraus würde ich an drei weitere Gründe für die Differenz der Verkaufszahlen zwischen Witcher und CP77 denken:
Witcher hat das viel mainstreamerige Setting, ich glaube Fantasy hat einen größeren Nenner als Cyberpunk.
Witcher ist der dritte Teil einer recht etablierten Serie.
Erfolg und Güte von Witcher 3 waren trotzdem so überraschend überragend, dass der Release sehr hohe (positive) Wellen geschlagen hat.

TheRaffer 23 Langzeituser - P - 40301 - 15. März 2022 - 17:16 #

Ich möchte einen weiteren Grund anbringen:
Die Hardware. Witcher 3 konnte ich spielen. Für CP77 reicht mein "Standard" bei weitem nicht mehr...

Andreas Peter 12 Trollwächter - 1024 - 13. März 2022 - 7:37 #

Sehr guter Artikel, hat großen Spaß gemacht zu lesen. Für mich sind immersive Sims die allerbesten Spiele, auch gut gemachte Rollenspiele wie CP77 holen mich sehr gut ab (seit dem Patch 1.5 meine PS5 nicht mehr alle Stunde abstürzt).

Würde mir sehr wünschen es würden wieder mehr solche Spiele produziert, aber die Zeiten sind wohl vorbei.

toreyam 27 Spiele-Experte - P - 83684 - 13. März 2022 - 9:36 #

Super Artikel! Das ist ein Grund warum ich mittlerweile für manche Spiele lieber Let's Plays schaue, wie zum Beispiel Elden Ring. Das Lernen der Fingerfertigkeit und der Schwierigkeitsgrad sind für mich persönlich Immersionsbrecher bzw. Verhindern für mich den Einstieg. Als Let's Play kann ich mir das frühere Bild erhalten und als Film genießen.
Interessantweise habe ich bei Cyberpunk absichtlich wenig Vorabmaterial (bis vielleicht auf das angesproche Video *hust*) konsumiert. Da ich Cyberpunk als Pen & Paper gespielt hatte in der Jugend, wollte ich es genau damit "vergleichen".
Du hast auch super Erinnerungen an Deus Ex, System Shock 2 oder Metal Gear Solid geweckt.

Shake_s_beer 19 Megatalent - - 19075 - 13. März 2022 - 9:46 #

Schöner Artikel, danke dafür! :)
Da ist durchaus etwas dran, ein hoher Immersionsgrad ist schwierig zu erreichen und noch schwieriger über einen längeren Zeitraum zu halten. Stützt sich die Erwartungshaltung bei einem Spiel nur darauf, dann kann es eigentlich nur verlieren. Denn selbst die besten Spiele haben ihre Grenzen, es sind eben "nur" Spiele und keine alternative Realität. So erlebt man zwangsläufig immer wieder Immersionsbrüche.

Unregistrierbar 18 Doppel-Voter - 10829 - 13. März 2022 - 9:58 #

Ich habe den Artikel gerne gelesen, Danke dafür.
Zur IMmersion noch eine Anmerkung: das Wesen des Spiels ist der intermediäre Raum, also eine Realität zwischen der eigentlichen und einer anderen (wie im Rausch oder Traum, die wir willentlich nicht verlassen können). Das Wesen dieses Raums ist, dass er eigenständig besteht und funktioniert, ohne uns die Rückkehr in die Realität zu verbauen. Wir wissen noch irgendwie, dass wir gerade Mittagspause haben und diese irgendwann vorbei ist, und wir können da auch selbständig wieder raus (auch wenn es wehtut ;)). Aber es kann durchaus vorkommen, dass wir vergessen, etwas auf dem Herd zu haben, dass jetzt anbrennt.
Ich bin auch skeptisch, was technische Errungenschaften wie VR angeht. Pixel-Art funktioniert ja auch trotz bewusster Klobigkeit. Wenn jetzt jemand sagt, das sei ja bewusst so gemacht und würde das ästhetische Empfinden triggern (sei also gar nicht hässlich), mag das zwar stimmen, aber ein Gegenargument sind dann jene Spiele, die tatsächlich hässlich sind und trotzdem Spaß machen.
Genug der Meckerei. Mir gefällt der originelle Ansatz und ich freue mich auf weitere Artikel. :)

EvilNobody 15 Kenner - 3141 - 13. März 2022 - 10:45 #

Für mich waren Spiele nie wieder so immersiv wie in den 90ern. Da hab ich zum Beispiel „Pools of Radiance“ und Co. gespielt, da war die Immersion allein dadurch höher, dass man ein Buch mit Tagebucheinträgen hatte, die man während des Spielens lesen musste. Die Grafik war rudimentär und ich hab mir in meinem Kopf selber die Welt herbei fantasiert. Der Monitor war da nur ein kleines Fenster mit Blick auf diese fantastische Welt.
Heutzutage wird einem alles möglichst genau gezeigt, der Bildschirm ist nicht nur ein kleiner Teil der Welt, sondern muss quasi alles übernehmen, was früher die Fantasie oder ein zusätzliches Spielbuch geleistet haben. Daher ziehe ich die alten Klassiker den neuen Spielen jederzeit vor. Die Spiele sind natürlicher objektiv besser geworden, können aber nicht mit dem Kopfkino mithalten, dass frühere Spiele in mir ausgelöst haben.

Ridger 22 Motivator - P - 34726 - 13. März 2022 - 11:55 #

Guter Punkt. Wenn man alles gezeigt bekommt, braucht der Kopf nichts mehr zu machen. Die Immersion kann also nur erfolgen, wenn man tatsächlich mittendrin, wie beim VR, ist.

Unregistrierbar 18 Doppel-Voter - 10829 - 13. März 2022 - 12:17 #

Seh ich auch so: der Versuch, möglichst lebensechte Grafik hinzukriegen, schaltet das Kopfkino aus und aktiviert das Vergleichen mit der Realität. Dabei kann Computergrafik nur verlieren, denn so (technisch) gut sie auch ist, sie kommt einfach nicht an die Realität heran. Wichtig ist die Ästhetik der Darstellung und das möglichst stimmige Gesamtbild. Das regt auch bei mit 320x200 Pixeln an und im besten Fall führt es zu Immersion.
Das Alter spielt aber sicher auch eine Rolle. Obwohl der Mensch sein Leben lang zum Spiel fähig ist, lässt die Wirkung bestimmter Reize nach. Der Sprung vom Intelivision zum C64 war für mich immens, derfolgende zum Amiga auch noch. Beim PC war ich dann zwar noch erfreut über höhere Auflösung und 3D-Grafik, aber irgendwie wusste man aus Erfahrung schon, dass diese quantitativen Dinge eh immer besser werden. Die Freude über bessere Grafik wurde bei immer kleiner.

Player One 16 Übertalent - 4429 - 13. März 2022 - 12:25 #

Das sehe ich genau wie du, ab einem gewissen Alter wird das nichts mehr mit der Immersion, man kennt einfach schon fast alles. In Büchern, Filmen und Spielen ist jede Geschichte bereits hundertmal erzählt worden. Lediglich neue Technologien könnten mich diesbezüglich vielleicht nochmal einfangen, leider ist VR noch nicht so weit wie ich es mir wünsche. Trotzdem habe ich an den genannten Medien noch Spaß aber ich erwarte auch lediglich Unterhaltung, kein Abtauchen in spannende Welten.
Schöner Artikel übrigens.

Faerwynn 20 Gold-Gamer - P - 20270 - 13. März 2022 - 16:04 #

Das scheint eher mit der Persönlichkeit als dem Alter zu tun zu haben, ich kann das nach wie vor und kenne auch andere, wie meine komplette Pen & Paper RPG Gruppe. Sicher, mit Kindern und Verpflichtungen sind die Gelegenheiten seltener, aber wenn ich Mal 3h für mich habe kann ich genauso abtauchen wie früher - übrigens auch völlig egal von der Grafik, bei einem Buch bin ich ja auch mittendrin.

ds1979 20 Gold-Gamer - P - 21385 - 14. März 2022 - 9:20 #

Ich würde es wie Player One eher auf den Vielkonsum schieben. Wenn ich bei vielen Büchern und Filmen schon nach wenigen Minuten bzw. Seiten schon das Handlungsschema erkenne, ist es schon schwer in der Geschichte zu versinken. Ist bei Spielen bei mir genau das gleiche, da denke ich halt realtiv schnell. Ich (er)kenne dich.

BruderSamedi 19 Megatalent - P - 13636 - 13. März 2022 - 18:43 #

Ich glaube nicht, dass das an der Grafik liegt. Dann müsste eine Art Rückskalierung ja funktionieren, also ein AC:Valhalla in Primitivgrafik müsste plötzlich immersiver sein. Oder generell alle Spiele im Cel-Shading-Look (weil weniger real) verglichen mit "normaler" Grafik.

Ich denke eher, wie Ridger es über mir schreibt, dass der Kopf nichts mehr zu machen braucht, aber nicht in Sachen Grafik, sondern in Sachen Gameplay und Zusammenhänge. Dinge, die die Spiele heutzutage den Spielern weitestgehend abnehmen. Orientierung in der Welt? Schau auf die Karte. Wer ist der Böse? Wenn du ihn töten kannst, ist er böse.

Aber vielleicht liegt es auch nur daran, dass ich eh kein graphisches Vorstellungsvermögen habe und daher keine "HD-Texturen" aus Pixelgrafik extrapoliere.

heini_xxl 18 Doppel-Voter - P - 9620 - 13. März 2022 - 14:06 #

Toller Artikel, insb. die kritische Einwirkung der Presse-Wechselwirkung!

thoohl 20 Gold-Gamer - - 23469 - 13. März 2022 - 19:02 #

Danke für die interessante Zusammenstellung und Verbindung der Themen in dem Artikel.

Sir MacRand 19 Megatalent - - 17826 - 14. März 2022 - 2:35 #

Immersion ist für mich das wichtigste Attribut eines Spiels. Ich muss darin eintauchen können, mich regelrecht verlieren, dann ist es perfekt. Aber was genau diesen Flow auslöst kann ich nicht genau sagen. Beispiele: AC Odyssey, Sekiro, Fire Emblem Three Houses: grundverschiedene Spiele die mich aber so krass in ihren Bann gezogen haben das ich die Außenwelt vergessen und abends vor dem Einschlafen noch darüber nachdenken konnte. Immersion ist etwas magisches und nicht genau definierbares.

AlexCartman 20 Gold-Gamer - 22087 - 13. März 2022 - 22:43 #

Sehr schöner Artikel, vielen Dank! Die Doppelrolle von Spielejournalismus hatte ich so noch nicht wahrgenommen, ich gehe da aber mit. Immersion hingegen ist für mich ein reines PR-Modewort und ist und war noch nie ein Kaufargument für mich. Bei Spielen muss vor allem das Gameplay bzw. die Mechanik stimmen, am besten noch mit einer Schicht einigermaßen origineller Geschichte dabei. Das reicht mir völlig. An Cyberpunk beispielsweise hätte mich vor allem die Geschichte interessiert, ob die Welt gut simuliert ist, war mir immer egal. Da hat mich aber dann die bei mir nicht vorhandene Hardware vom Kauf abgehalten.

onli 18 Doppel-Voter - P - 12247 - 17. März 2022 - 18:54 #

Sehr gerne. Ich finde deinen Kommentar übrigens fantastisch platziert, mit dem von Sir MacRand als Gegenposition genau darüber.

Was ich da im Artikel beschreibe ist bestimmt nicht allgemein universell. Es gibt zu viele Gründe zu spielen und bestimmt auch zu viele Arten zu lesen.

bluemax71 18 Doppel-Voter - - 10015 - 14. März 2022 - 10:07 #

Sehr interessanter Artikel. Cyberpunk ist schon sehr merkwürdig. Für mich hat die Immersion sehr gut funktioniert, ich hatte aber auch nur wenige technische Probleme, keinen/einen? Absturz und nur ab und an ein paar Grafikfehler oder ähnliches. Das die Autos und die Menschen oft sehr unrealistisch simuliert sind hat mich nur selten gestört.
Ich habe mich aber auch vorher nicht sooo intensiv mit Cyberpunk beschäftig, die Kaufentscheidung ist dann letztlich durch den Test von einem gewissen Chefredakteur gekommen.
Daher bin ich nicht enttäuscht worden, ganz im Gegenteil.
Gerade Spiele wie Civ oder ein HOI können mich total in diese nur noch eine Runde nur noch das oder das erreichen Bann schlagen. Ist vielleicht einfach eine Frage des Typs.

TheRaffer 23 Langzeituser - P - 40301 - 15. März 2022 - 17:19 #

Sehr informativer Artikel. Vielen Dank dafür :)
Was die Immersion von Deus Ex angeht, hast du meine volle Zustimmung. Das hat mich umgehauen.
Für Witcher 3 war ich dann wahrscheinlich schon zu abgestumpft.

Jörg Langer Chefredakteur - P - 469794 - 17. März 2022 - 18:20 #

Ich verstehe ja die Herleitung im Artikel von wegen Immersion durch Bugs zerstört, aber komischerweise finde ich Cyberpunk 2077 gerade aufgrund seiner für mich immensen Immersion so fantastisch. Und die bezieht sich keinesfalls nur auf die "Hauptmissionen". Ich glaube, Immersion entsteht durch ganz verschiedene Dinge für verschiedene Menschen, und auch je nach Spiel aus anderen Gründen für den gleichen Menschen. Ein Strategiespiel wie Warhammer 3 zieht mich z.B. in seine Welt, weil ich mir in gewisser Weise einbilde, der Herrscher von XY zu sein, ein Cyberpunk 2077 zieht mich einerseits über seine Atmosphäre (klanglich wie grafisch), andererseits über die Charaktere und Story rein. Das alles wiederum lässt mich bei einem Elden Rings eher kalt, hier geht es für mich vorrangig um die Erkundung der Welt und den Reiz, mich gegen übelste Widernisse und den inneren Schweinehund ("ich will den Boss nicht zum 10. Mal probieren") durchzusetzen.

Insofern kann ich diese Entschuldigungen nicht mehr lesen, wieso arme Spieler so bitter enttäuscht gewesen wären von Cyberpunk 2077, ja geradezu bitter enttäuscht sein mussten – jetzt mal ab von technischen Problemen: Wer sich selbst etwas zusammenfabuliert oder PR-Videos für reine Münze nimmt oder sich von wortgewandten Previews dazu verleiten lässt, messianische Hoffnungen an ein Spiel zu entwickeln, dem fehlt es schlicht an einer gewissen Reife und Lebenserfahrung. Das zeigt sich dann tragischerweise ein zweites Mal, wenn dieselben Personen sich vom Internet-Hate-Train ein geiles Spiel vergällen lassen, weil sie nicht fähig sind, sich eine eigene Meinung zu bilden.

Dies einfach mal als Kontrapunkt zu einer der Argumentationen hier im Artikel, und nicht nur auf Cyberpunk 2077 gemünzt. Gegen eine Enttäuschung, die nicht Internet-Hate-Train-induziert ist, sondern aus dem tatsächlichen Spielen heraus kommt, habe ich natürlich nichts.

Ach so, und wieso bei Elden Ring keine entsprechende Enttäuschung auftritt trotz ja durchaus fragwürdiger Open-World- und sonstiger Entscheidungen inklusive Disco-tanzenden Bäumen und diverser Glitches: Es ist halt schick, alles dankbar aufzusabbern, was From Software veröffentlicht. Letztlich erscheint mir bei beiden Spielen "Massenhysterie" und der Reiz der vermeintlichen Mehrheitsmeinung (letztere natürlich innerhalb einer angeblichen Elite von besonders hardcorigen Superspielern) die naheliegendste Erklärung für die Rezeption im Markt zu sein :-)

onli 18 Doppel-Voter - P - 12247 - 17. März 2022 - 18:54 #

Es freut mich sehr, dass du hier kommentiert hast :)

> Wer sich selbst etwas zusammenfabuliert oder PR-Videos für reine Münze nimmt oder sich von wortgewandten Previews dazu verleiten lässt, messianische Hoffnungen an ein Spiel zu entwickeln, dem fehlt es schlicht an einer gewissen Reife und Lebenserfahrung

Naja, da ist deine Ausgangslage aber auch extrem - du bist da tausendmal durch und hast diese Previewdiskrepanzen viel mehr mitbekommen als Normalsterbliche. Kann es nicht sein, dass gerade dadurch Spielejournalisten ziemlich gefeit davon sind, von Immersionsbrechern so richtig getroffen zu werden? Dass Spiele euch überhaupt noch auf der Ebene einfangen können ist doch eher überraschend, dass dann die Perspektive nie ganz verlorengeht und ein enttäuschender Part des Spiels das Gesamtspiel nicht überschattet wäre dann eher eine Berufskrankheit. Regulären Spielern geht das dann eher ab.

Kann die Abneigung gegen den Internet-Hate-Train aber gut nachvollziehen und würde da vor allem bei Cyberpunk 2077 keine Position pro Kritik beziehen wollen.

Q-Bert 25 Platin-Gamer - P - 56357 - 18. März 2022 - 1:17 #

Anscheinend haben die Jungs von Bethesda den Artikel hier nicht gelesen... jedenfalls machen sie bei ihrem neuesten Trailer zu Starfield offensicht alles "falsch"! :]

https://www.gamersglobal.de/news/217005/starfield-video-zur-design-philososphie-sneak-peak-auf-begleiter

onli 18 Doppel-Voter - P - 12247 - 18. März 2022 - 2:03 #

Wow. Ich dachte du übertreibst und die machen ja ein RPG, da wird das schon hinkommen. Aber dann alleine die ersten drei Sätze - wie verdammt passend zum Artikel!

Q-Bert 25 Platin-Gamer - P - 56357 - 18. März 2022 - 2:37 #

>>> wie verdammt passend zum Artikel!

Hehe, das war auch mein erster Gedanke ^^

The Real Maulwurfn 17 Shapeshifter - 8092 - 22. März 2022 - 15:06 #

Spätestens, wenn ich nicht überall dort hin kann, wohin mich die Umgebung einlädt, stirbt ein Teil der Immersion, wenn es dafür keine logische Erklärung gibt. Zumindest in dieser Disziplin hat Bethesda selten versagt, jedenfalls seit Morrowind ist mir da nichts bekannt. Aber das ist nur ein Aspekt von Immersion und ich versinke nie so tief in Spiele, dass ich durch "Immersionskiller" dauerhaft Spaß am jeweiligen Spiel verliere.