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Enslaved - Odyssey to the West User-Artikel

HeadMunk 4. März 2011 - 15:22 — vor 13 Jahren zuletzt aktualisiert
Enslaved - Odyssey to the West entführt uns in ein postapokalyptisches New York der Zukunft, in dem die Maschinen die Macht übernommen haben. Erzählt wird die Geschichte zweier ungleicher Persönlichkeiten, die sich im Angesicht der Gefahr näher sind als zuvor vermutet.
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Info:
Es handelt sich bei dem getesteten Spiel um die englischsprachige Playstation-3-Version.
Im aktuellen Sog der Casual-Manie und des Shooter-Brimboriums fallen Spiele mit außergewöhnlichem Setting oder einer neuen Herangehensweise ungemein auf. Trotzdem ist es im Vorfeld um das zweite Ninja-Theroy-Spiel Enslaved recht ruhig gewesen. Erst wenige Monate vor Release tröpfelten die ersten News und Bilder durch den medialen Äther. Zugegeben, wirklich revolutionär mag das Gameplay auch nicht sein, dass uns die Schöpfer des PS3-Hype-Spiels Heavenly Sword hier vorsetzen, aber die interessanten Charaktere, die vor allen Dingen durch die Leistung von Gollum-Darsteller Andy Serkis an Tiefe gewinnen, und das traumhafte Setting der filigranen Science-Fiction-Mär, waren mir den Kauf dieses Titels auf alle Fälle wert. Ob es euch das auch sein sollte, erfahrt ihr im folgenden Test.


Ich glaub mich laust der Affe!

Inspirieren lassen haben sich die „asiatischen Kriegerkult-Theoretiker" vom chinesischen Volksepos Die Reise nach Westen, in dem Affenkönig Son Wukong den Unmut des Jadekaisers auf sich zieht und nur mit Hilfe des Mönchs Tripitaka seiner Schuld Buße tun kann. Diese Grundlage kommt allerdings im Kleid einer postapokalyptischen Zukunftsvision daher, in der die Welt von Maschinen bevölkert wird und in der die Natur die Spuren der vertriebenen Menschheit mit floralem Grün verwischt und ausradiert hat. Wir begleiten die beiden Charaktere Monkey und Trip, die aus einem Sklavenschiff entkommen konnten. Letztere möchte nichts sehnlicher, als zurück in ihr Heimatdorf zu ihrem Vater zu gelangen. Da allerdings der Weg durch das zerstörte New York zu viele Gefahren für die junge Frau allein birgt, macht sie sich ein Sklavenkopfband zunutze, mit dem sie Monkey ihrem Willen unterwirft. Dieser muss nun den Befehlen Trips gehorchen, da ansonsten starke Elektrostöße seine Denkmurmel malträtieren. Sollte Trip gar das Zeitliche segnen, erhöht das Sklavenkopfband die Dosis automatisch auf ein tödliches Niveau. Wider Willen ist Monkey nun also dazu verdammt, seine diktatorische Weggefährtin Schutz zu geleiten.

Die Erzählung dieses modernen Märchens ist hierbei mein persönliches Highlight von Enslaved. Die beiden Protagonisten sind liebevoll gezeichnet, handeln nachvollziehbar und sorgen dafür, dass der Spieler interessiert der Handlung folgt. Gerade die Entwicklung zwischen Monkey und Trip im Laufe der Geschehnisse, ist außerordentlich gut gelungen, wirkt hier doch nichts überstürzt oder gar gehetzt, sondern immer kohärent und logisch. So macht sich während des Spielens ein starker Beschützerinstinkt bemerkbar, der in einem Videospiel ein absolutes Novum darstellt: Trip wächst dem Spieler ans Herz und man möchte sie unter allen Umständen ans Ziel ihrer Reise bringen. Durch die vielen Momente im Spielablauf, in denen ihr tödliche Roboter von Trip ablenken, ihr sie bei gefährlichen Sprüngen vor einem Sturz bewahren oder Huckepack durch ein Minenfeld geleiten müsst, wird dieser Bund noch weiter geschürt. Nur leider verliert die Handlung im letzten Drittel ein wenig an erzählerischem Effet, da zu schnell auf das Ende eingelenkt wird. So kommt der dritte Charakter im Bunde, Pigsy, einfach zu kurz, um wirklich mitreißen zu können, und der Weg zum Finale wirkt ein wenig überstürzt. Doch alles in allem erwartet euch hier eine leichtfüßig erzählte, spannende Geschichte, die ein wohlig warmes Gefühl zurück lässt.


Ich glaub dich tritt ein Pferd!

Spielerisch möchte ich Enslaved am ehesten mit Indy-Verschnitt Nathan Drake aus Uncharted in eine Schublade stecken. Ebenso wie im Spiel mit dem gewitzten Schatzsucher, wird auch hier Abwechslung groß geschrieben. So wechselt das Spiel konstant zwischen Kletterpassagen und Kämpfen und ersetzt das Tempel- und Ruinenerforschen des genannten Beispiels durch Sequenzen, in denen ihr Protagonistin Trip beschützen müsst. Und auch hier ist noch nicht Schluss, erwarten uns doch in nahezu jedem Kapitel weitere, frische Elemente, wie dezente Rätselpassagen, imposante Bossgegner, Railshooter-Abschnitte und Momente, in denen vor zu starken Widersachern die Beine in die Hand genommen werden müssen. Langeweile sieht anders aus.
Kletterei auf hohem Nievau: Spielerisch wenig herausfordernd, inszenatorisch jedoch eine Wucht!

Die Kletterpassagen sind hierbei eine echte Augeweide, wirken diese doch komplett durchgestylt und hübsch choreographiert. So schwingt sich Monkey waghalsig von einem Vorsprung zum nächsten, drückt sich kraftvoll von einer Wand ab, um die gegenüberliegende zu erreichen und zieht sich behände auf eine erhöhte Plattform. Dass der spielerische Aspekt hierbei recht dünn ist, stört nur im ersten Moment. Zwar kann man sich bei den Sprungpassagen nicht „verspringen“ oder gar den Halt verlieren, doch sind sie so wunderbar in das übrige Geschehen eingebunden, dass sie einfach Spaß machen. Gerade in späteren Abschnitten wird aber zumindest ein wenig euer Geschick gefordert, wenn ihr während etwaiger Kraxeleien gefährlichen Hindernissen, wie sich bewegenden Zahnrädern, ausweichen müsst. Kämpfe bestreitet ihr in Enslaved mit Monkeys Kampfstab. Das System an sich bietet Platz für strategische Finessen: Blocks, Konter, Ausweichmanöver, Distanzangriffe, Rundumschläge und Angriffe mit unterschiedlicher Stärke. Die mannigfaltigen Variationsmöglichkeiten fühlen sich wirklich gut an und eröffnen die Möglichkeit, Kämpfe nach eigenem Wunsch zu gestalten. Allerdings haben Ninja Theory es mit ihrer Inszenationswut hier ein wenig zu gut gemeint, machen einem doch Kameraschwenks oft das Leben schwerer, als es eigentlich sein müsste. Gerade bei mehreren Gegnern leidet die Übersicht rapide. Schade, denn so bekommt das eigentlich gute Kampfsystem nur ein „so lala“. Reduzierte Shooter-Mechaniken haben es auch noch ins Spiel geschafft. Diese gehen absolut in Ordnung, auch wenn sie sich hier und da ein wenig steif anfühlen mögen sind sie der Abwechslung mehr als nur zuträglich.

Ein unverständlicher Fehltritt in Sachen Bedienbarkeit ist in meinen Augen die schwammige und ungenaue Analogsteuerung – Monkey reagiert etwas träge auf Eingaben und trippelt immer ein, zwei Schritte länger als man eigentlich möchte. Das hat zwar selten Bildschirmtode zur Folge (auch dem Umstand zu verdanken, dass man Abgründe nicht herunterfallen kann), verleiht dem Spiel aber ein Gefühl von fehlender Resonanz. Wirklich schade, da andere Aspekte, wie das Leiten von Trip per Kommando-Menü und Abschnitte wie der Ritt auf Monkeys Hovervehikel „Cloud“ wirklich gut funktionieren.


Postapokalyptische-Panorama-Postkarte
Apokalypse deluxe: So schön kann Weltuntergang sein.

Die verwahrlosten Gebiete, die in der Haut von Monkey durchschritten werden dürfen, sind stilistisch eine echte Augenweide. Überwucherndes Grün soweit das Auge reicht, marode, zusammengefallene Wolkenkratzer, Rückstände der dezimierten, menschlichen Zivilisation, kühle Robotik und hübsche Lichtspielereien schmeicheln dem Auge. Das Motion Capturing der Protagonisten ist ebenfalls eine echte Wonne, hauchen diese den Figuren doch Leben ein und sorgen nicht zuletzt dafür, dass zwischen Spieler und Charakteren eine starke Bindung entsteht. Wiederum ein wenig aus der filmischen Inszenierung reißen die offensichtlich nachladenden Texturen, die auch in Sequenzen merklich ins Bild huschen. Eine unverständliche Entscheidung seitens der Entwickler, da durch diesen Trick zwar kürzere Ladezeiten erzielt werden, der Atmosphäre jedoch vor den Karren gefahren wird. Außerdem trüben kurze Slowdowns und Ruckler an einigen Stellen das hübsche Bild, die der guten Spielbarkeit aber keinen Abbruch tun. Sonderbar wiederum ist, warum die geniale englische Vertonung, die mit professionellen Sprechern wie Andy Serkis selbst glänzt, an einigen wenigen Stellen asynchron ist (während des Tests sind zwei Szenen aufgefallen). Musikalisch schwebt Enslaved zwischen seichten Melodiebögen und angenehmen Ambientsounds, die absolut passend sind und die Szenerie wunderbar unterstreichen, im gleichen Atemzug allerdings auf Ohrwürmer verzichten.


Prima Primat

Enslaved macht eine richtig gute Figur, was man anhand der genannten Fehltritte seitens Entwickler vielleicht nicht ganz nachvollziehen mag. Doch lasst euch gesagt sein: Während des kompletten Spielablaufs gab es nahezu keine Stelle, an der ich die Lust verloren hätte, weiterzuspielen. Die durchgestylte Kampagne um Affenmenschen Monkey ist trotz Ecken und Kanten ein wirklich tolles Spielerlebnis. Gerade wenn ein, zwei Aspekte vielleicht doch mal ein wenig nerven, holt das Spiel durch ein neues Element die Kohlen wieder aus dem Feuer. Hinzu kommt eine wirklich sympathische Geschichte, die mich durchweg unterhalten hat, von der ich mir nur hier und da ein wenig mehr Tiefgang durch längere Sequenzen erhofft hätte. Zum Tragen kommt außerdem, dass Ninja Theory in der Entwicklung den Fokus klar auf Spielbarkeit und weniger auf Herausforderung gesetzt hat, was dem Spiel merklich zu Gute kommt. Wer also ein schönes Setting gepaart mit toller Handlung und unterhaltsamen Spielablauf sucht, wird mit Enslaved - Odyssey to the West mehr als nur bedient.

HeadMunk 4. März 2011 - 15:22 — vor 13 Jahren zuletzt aktualisiert
k-eimax (unregistriert) 4. März 2011 - 16:27 #

"reißt das Spiel durch ein neues Element das Eisen wieder aus dem Feuer."

ääähm?

HeadMunk 14 Komm-Experte - 1874 - 5. März 2011 - 0:31 #

Hach, ich und die Redewendungen. Ich habs doch nur gut gemeint! ;)

Hab hier mal den Korrekturstift walten lassen und das "Eisen" zu "Kohlen" gemacht. Danke für deinen Hinweis!

B4ck7p 14 Komm-Experte - 2511 - 4. März 2011 - 18:17 #

Danke an HeadMunk der mit dem Artikel nochmal eines der sträflichst untergegangenen Spiele des letzten Jahres ins Gedächtnis ruft.

HeadMunk 14 Komm-Experte - 1874 - 5. März 2011 - 0:35 #

Danke für dein nettes Lob. Finde auch, dass Enslaved zu Unrecht untergegangen ist. Ninja Theory haben mit diesem Titel auf jeden Fall bewiesen, dass sie ihr Herz am rechten Fleck tragen, und ich hoffe, dass sie noch oft die Möglichkeit bekommen, eigene Ideen auf eine ähnliche Art und Weise umzusetzen.

Bernd Wener 19 Megatalent - 14832 - 7. März 2011 - 8:31 #

Besser hätte man es nicht ausdrücken können. Das Spiel ging leider wirklich ziemlich unter. Super Artikel, der hoffentlich noch den ein oder anderen Spät-Käufer für das Spiel generieren kann. Es hat es wirklich verdient.

Madrakor 18 Doppel-Voter - - 10544 - 4. März 2011 - 19:40 #

Hach ja, das Spiel hat mich mitgerissen, selten sind mir Charaktere so sehr ans Herz gewachsen wie hier. Danke für diesen schönen Artikel, der unheimlich akkurat meine eigenen Gedanken zu dem Spiel einfängt.

Ich dachte damals das Synchronisationsproblem läge irgendwie an mir beziehungsweise meiner PS3, aber wenn es dir auch aufgefallen ist kann ich ja beruhigt sein. :)

HeadMunk 14 Komm-Experte - 1874 - 5. März 2011 - 0:39 #

Danke fürs Lob - freut mich zu hören, dass ich so nah an deinen eigenen Gedanken zu Enslaved liege.

Die beiden asynchronen Stellen waren wirklich seltsam und fallen umso mehr auf, da der Rest so perfekt vertont ist. Hatte mich beim ersten Mal durchspielen auch wirklich gewundert! ;)

John of Gaunt 27 Spiele-Experte - 78508 - 4. März 2011 - 21:28 #

Sehr schöner Artikel, der interessanterweise genau meine Meinung zum Spiel widerspiegelt. Ich habe es gerade erst gespielt und bin wirklich schwer begeistert. So liebenswerte Charaktere gibt es in Videospielen nur äußerst selten.

HeadMunk 14 Komm-Experte - 1874 - 5. März 2011 - 0:42 #

Danke für dein Lob. Kann mich dir und deinem "Vor-Kommentator" nur anschließen - So liebenswerte, mitreißende Charaktere sind in Videospielen echte Raritäten.

Anonymous (unregistriert) 4. März 2011 - 21:51 #

Schönes Spiel, schöner Artikel, aber in dem Satz ist der Wurm drin:
"Spielerisch möchte ich Enslaved am ehesten mit Indi-Verschnitt Nathan Drake aus Uncharted in eine Schublade stecken."

Der Ähnlichkeit zu Uncharted sehe ich auch,
wobei mir bei Enslaved definitiv weitere menschliche NPCs fehlen,
um die Spielwelt lebendiger zu machen.

Seit Monaten das einzige Spiel, das mich nach
dem ersten Anspielen länger gefesselt hat.

HeadMunk 14 Komm-Experte - 1874 - 5. März 2011 - 0:45 #

Danke für dein Lob. Ich finde, dass die karge Welt zu Enslaved passt, wie die Faust aufs Auge. Wäre ja keine echte Postapokalypse wenn an jeder Ecke ein freundlicher NPC zum Plausch bereitstehen würde, oder?

Talakos 16 Übertalent - P - 5417 - 4. März 2011 - 22:26 #

Danke für den Test..
Ich habe dieses Spiel letztes Jahr auf empfehlung der GG Redaktion gekauft, weil es ein Geheimtipp war. Naja ich wurde nicht enttäuscht :)

Nur fand ich das Spiel ein wenig zu leicht, weshalb ich das Spiel nach etwa einer Stunde wieder neu begonnen hab mit dem höchsten Schwierigkeitsgrad.

Eins meiner Lieblingsspiele 2010, nur ein wenig zu leicht ^^

HeadMunk 14 Komm-Experte - 1874 - 5. März 2011 - 0:50 #

Gern geschehen! ;)

Der Schwierigkeitsgrad ist wirklich auf einem niedrigen Niveau angesiedelt. Allerdings finde ich, dass die Entwickler hier genau richtig gehandelt haben, da man so der Geschichte ohne große Ärgernisse folgen kann. Wenn die Kämpfe zum Beispiel schwerer gewesen wären, hätte die bockige Kamera einem das Leben zur Hölle gemacht oder wenn Monkey Abgründe herunterfallen könnte, wäre dem Spiel die etwas träge Steuerung zum Verhängnis geworden. So sind diese Punkte allerdings nur kleine Defizite, die den Spielspaß und den Genuss der Handlung in keiner Weise trüben können.

Sgt. Nukem 17 Shapeshifter - - 6293 - 4. März 2011 - 22:31 #

"Spielerisch möchte ich Enslaved am ehesten mit Indi-Verschnitt Nathan Drake aus Uncharted in eine Schublade stecken" -- Bitte "Indy" schreiben ( http://www.gamers.at/articles/indiana_jones_und_der_letzte_kreuzzug-304/ ) - ich habe gerade eine Minute lang überlegt, was die Multimillionen-Dollar-Produktion Uncharted mit Indie-Spielen zu tun hat... ^^ ;)

HeadMunk 14 Komm-Experte - 1874 - 5. März 2011 - 0:27 #

Args, Fettnäpfchen! ;)

Bin kein großer Indiana-Jones-Fan. Man möge mir dieses Fauxpas deshalb verzeihen! ^^

Hab den Fehler gleich mal korrigiert. Vielen Dank für den Hinweis!

Momsenek 13 Koop-Gamer - 1687 - 5. März 2011 - 13:00 #

Also :-) Klasse Test, schön geschrieben und hat mich wieder einmal angefixt, Enslaved doch noch zu kaufen. Die Demo hatte mir schon Spaß gemacht und danach ist es bei mir in Vergessenheit geraten ;-)

. 21 AAA-Gamer - 28253 - 31. Mai 2011 - 19:29 #

Schöner Test. Ich hab mir damals Enslaved gleich zum Release gekauft und wurde nicht enttäuscht. Gehört zu den besten Spielen 2010.

3D-Actionadventure
16
Ninja Theory
Namco Bandai
08.10.2010 (Playstation 3, Xbox 360) • 25.10.2013 (PC) • 10.06.2019 (Xbox One (Xbox 360 Backward Compatibility))
Link
8.5
8.0
PCPS3360XOne