"Welcome to Earth & Beyond!"

Ein MMO-Stern, der (zu) früh verglühte User-Artikel

AlexCartman 17. Mai 2020 - 14:32 — vor 1 Jahr aktualisiert
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Eine der wenigen Aufgaben im Spiel: Gefundene Genkopien ins Archiv zurückbringen. Eine generische Rufsammelquest.
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Richtige Mehrspielerinhalte gab es eigentlich auch nicht. Interaktion mit anderen Spielern fand fast ausschließlich auf den Raumstationen zum Handeln mit Rohstoffen und Schiffsausrüstung und zum Zusammenschluss beim Farmen in gefährlichen und daher besonders lukrativen Gebieten statt. Hier schlossen sich bis zu sechs Spieler zu einem Verbund
Richtige Mehrspielerinhalte gab es eigentlich nicht.
zusammen. Ein Spieler war der "Driver" oder auf deutsch "Fahrer", der den gesamten Verbund steuerte, und die anderen Formationsmitglieder mussten nur durch Druck auf die Fähigkeitentasten entweder Rohstoffe abbauen, Weltraumwesen zerballern (und deren "Rohstoffe" einsammeln) oder Unterstützung in Form von Buffs oder Heilung (entweder durch Zuführen von Schildenergie oder Hüllenreparatur) bereitstellen. Solche Formationen waren teilweise über Stunden unterwegs, wobei der Job des "Fahrers" regelmäßig gewechselt wurde.

Da man im Weltraum abseits von solchen Farmgruppen meist mit Autopilot und Warpgeschwindigkeit entlang der interplanetaren Autobahnen unterwegs war, sah man andere Spieler nur kurz vorbeisausen, ohne dass Grund oder Gelegenheit zur zufälligen Interaktion bestand. Dadurch war Earth & Beyond im Grunde abseits der eigenen Gilde und des gemeinsamen Farmens meist doch eine ziemlich einsame und eintönige Angelegenheit.

Kurz vor dem Ende von Earth & Beyond bauten die Entwickler noch so etwas wie Schlachtzüge ins Spiel ein. Allerdings spielte zumindest bei mir weder die Leistung des PCs noch die Kapazität der ISDN-Internetleitung mit. War man in ein solches Raidevent hineingewarpt, verkam das Spiel trotz vorsichtshalber bereits im Vorfeld auf Minimum heruntergeregelter Grafikeinstellungen zu einer schwarz-weiß-grauen Diashow und führte in der Regel nach wenigen Minuten zum Abflug vom Server. Hier zeigte sich noch einmal, dass Earth & Beyond im Grunde an den eigenen Ambitionen und der aggressiven Veröffentlichungspolitik von EA gescheitert ist. Das Spiel kam unfertig auf den Markt und wurde auch nie in einen Zustand versetzt, in dem es zugänglich genug für den Massenmarkt wurde. Die eingesetzte Technik konnte mit den Visionen der Entwickler nicht Schritt halten. Auch war deren Erfahrung im Bereich Online-Multiplayer augenscheinlich nicht groß genug, um die gegenüber Echtzeitstrategie-Spielen doch deutlich größeren Spielerzahlen zu stemmen.
 

Der Stern geht unter

Das Spiel kam einfach einige Jahre zu früh und, wie Electronic Arts anlässlich des Abschaltens der Server erklärte, mit einem zu nischigen Szenario auf den Markt. Gefragt nach den Lektionen, die man aus dem Flop von Earth & Beyond gelernt habe, antwortete ein Sprecher damals Folgendes:
Am meisten haben wir von Ultima Online gelernt, das seit acht Jahren erfolgreich läuft. Ultima hat uns gelehrt, dass es eine Zielgruppe für Spiele mit persistenter Welt gibt. Dennoch haben wir möglicherweise die Größe der Zielgruppe überschätzt. Spiele mit mittelalterlicher Fantasy als Basis haben funktioniert, andere Genres eher nicht.
Dennoch hat auch Earth & Beyond überlebt. Knapp zehn Jahre nach dem Abschalten der offiziellen Server haben ein paar Enthusiasten einen Privatserver gestartet, der bis heute läuft, und von dem auch die Bilder für diesen Artikel
Das Spiel kam einfach einige Jahre zu früh.
stammen. Wer also noch einmal nachschauen möchte, warum Earth & Beyond seinerzeit gescheitert ist, kann das inzwischen wieder tun. Und wird vermutlich feststellen, dass es heute mit Eve Online und Elite - Dangerous bessere, aber nicht weniger nischige Angebote gibt. Und dann wäre da natürlich noch Chris Roberts' Verheißung einer weiteren Multiplayer-Weltraumoper. Bis die aber erscheint (oder auch nicht), wird Earth & Beyond immer einen Platz in meinem Gamerherzen haben – als das Spiel, das mir den Reiz (und Fluch) von MMORPGs einst schmackhaft gemacht hat.
 
Mehr als die Rücklichter sah man von anderen Spielern im Weltraum meist nicht. Links unten die drei Erfahrungsbalken für Kampf, Erforschung und Handel.
AlexCartman 17. Mai 2020 - 14:32 — vor 1 Jahr aktualisiert
The Real Maulwurfn 17 Shapeshifter - 8092 - 17. Mai 2020 - 13:01 #

Damals auch mit einer ISDN-Flat unterwegs, blieb ich aber eher bei UO und EQ hängen und danach noch mit DSL dann bei DAoC. Das Szenario von EaB erinnert mich gerade etwas an The Expanse, hab es nie ausprobiert, aber sehr interessanter Artikel.

Jonas S. 21 AAA-Gamer - P - 25057 - 17. Mai 2020 - 13:19 #

Es gab eine ISDN-Flat? Wir hatten lange Zeit nur ISDN (ohne Flat) und Mitte der 2000er gab es dann eine Flat mit DSL light. Good old Times.^^

The Real Maulwurfn 17 Shapeshifter - 8092 - 17. Mai 2020 - 13:24 #

Vor DSL gab es etliche kleine, regionale Anbieter in Ballungsräumen mit ISDN Flats, das wurde dann gekillt, als die Telekom DSL pushen wollte und es für die lokalen zu teuer wurde es weiter anzubieten. Gab etliche Petitionen für Schmalbandflats, weil DSL einfach kaum verfügbar war.

Jonas S. 21 AAA-Gamer - P - 25057 - 17. Mai 2020 - 13:30 #

Bin in einem 300-Mann-Dorf aufgewachsen. Da gabs nur die Telekom. Lange Zeit halt nur ISDN gehabt und mit dem "Smartsurfer" ins Internet gegangen. Irgendwann gab es immerhin DSL light.
Mittlerweile gibt es einen regionalen Anbieter der 50.000+ anbietet.

Asderan 14 Komm-Experte - 2551 - 18. Mai 2020 - 9:17 #

Den Smartsurfer hab ich ganz verdrängt...
...legendär aber auch die zeitweise einzige ISDN-Flat mit der Pornostartseite. Wie hieß die noch?

AlexCartman 20 Gold-Gamer - 22087 - 18. Mai 2020 - 19:19 #

Oder die Downloadmanager, mit denen man abgebrochene Downloads fortsetzen konnte.

RoT 21 AAA-Gamer - P - 25781 - 18. Mai 2020 - 1:08 #

Wir hatten damals eine Sonntags-Flat. da konnte man kostenlos Telefonieren und surfen, meine ich. Und das ging auch, weil man ja mehrere leitungen haben konnte... Aber ist ja auch schon lange her, ganz genau, weiß ich das technisch nicht mehr..

Epic Fail X 18 Doppel-Voter - P - 10440 - 18. Mai 2020 - 7:25 #

Ne ISDN-Flat hatte ich nie. Dafür aber absurde Telefonkosten zu der Zeit.
Die Flat kam dann gemeinsam mit DSL im späten 1999 oder 2000. Ich wunder mich deshalb auch ein wenig über die Aussage im Artikel, die DSL-Flat sei 2002 etwas Exotisches gewesen. Ab 2000/01 war eine DSL-Flat im Freundeskreis absoluter Standard.

rofen 16 Übertalent - P - 4134 - 18. Mai 2020 - 8:03 #

Ich hatte DSL auch erst 2004. Und bei mir im Freundeskreis (in norddeutschen Großstädten) hat das da auch erst angefangen.

AlexCartman 20 Gold-Gamer - 22087 - 18. Mai 2020 - 9:07 #

Das war wirklich sehr unterschiedlich. In NRW hatte ich DSL ab 2000 oder so, in Hessen nach dem Umzug hat es bis 2005 gedauert, dafür dann aber gleich VDSL 25.

TSH-Lightning 26 Spiele-Kenner - - 65101 - 17. Mai 2020 - 13:17 #

Schöner Artikel, noch nie was davon gehört. Bei mir scheiterten MMOs erst daran, dass es gar kein DSL gab, dann nur Ultra-Light 384 und später mit RAM ca. 1800. WoW hab ich wohl nur ein paar Monate gespielt als Burning Crusade rauskam, aber war eine gute Zeit. Bei Age of Conan fand ich das Spiel geil, aber mein DSL war entweder lahm, instabil oder beides und es hat mich so angekotzt und Spielen hat keinen Spaß mehr gemacht.

Goremageddon 16 Übertalent - 4034 - 19. Mai 2020 - 14:58 #

Oh ja Age of Conan... das war in der Tat ein großartiges Spiel. Hab´s mit meiner Holden damals recht exzessiv gespielt. Leider brach ja die vollständige Vertonung und auch die Qualität der Quests ab einem gewissen Level (~30? oder so) ziemlich ab. Gerade die Quests mit Cutscenes und Vollvertonung fand ich damals absolut klasse....schön war´s.

"Geh mit Mitra, aber geh!"

JensJuchzer 21 AAA-Gamer - P - 28168 - 17. Mai 2020 - 15:09 #

Meinen Dank für den sehr umfangreichen Artikel! WErde ich mir bald mal durchlesen.

Q-Bert 25 Platin-Gamer - P - 56324 - 17. Mai 2020 - 15:48 #

Earth & Beyond ist wirklich an mir vorbei gegangen. :/

Mein erste Erlebnis der Art war tatsächlich das TUB-MUD, kurz für TU-Berlin Multi User Dungeon. Reines Text-RPG, so ein bisschen wie Bards Tale ohne Grafik und wenn man das Maximallevel 20 erreicht hatte, könnte man als Supermaster eigene Inhalte dazu programmieren! So wuchs das Dungeon immer weiter und veränderte sich ständig. Das fühlte sich dadurch richtig lebendig an!

Danach folgten dann Ultima Online und Telefonrechnungen von 500 DM pro Monat. Teuerster Spielespaß ev0r! Aber ich bereue nichts :]

Im Weltall war ich 2004 dann mit OGAME unterwegs, auch wieder fast nur Text. Das war ziemlich anstrengend, alles in Echtzeit, nachts Wecker stellen um seine Flotte zu saven oder andere abzufangen... aber das Gildenleben war sehr intensiv, viel gechatte und sogar ein paar Treffen im RL.

AlexCartman 20 Gold-Gamer - 22087 - 17. Mai 2020 - 15:55 #

O-Game habe ich auch mal angefangen, aber das wurde irgendwann zu zäh.

RoT 21 AAA-Gamer - P - 25781 - 18. Mai 2020 - 1:09 #

O-Game, Dopewars und Citikampf kann ich mich noch erinnern :D

Q-Bert 25 Platin-Gamer - P - 56324 - 18. Mai 2020 - 2:10 #

Ist Citikampf sowas wie "Prügelpause"? ^^

RoT 21 AAA-Gamer - P - 25781 - 19. Mai 2020 - 23:48 #

ich befürchte nicht, das was ich bei meiner kleinen suche danach gefunden hab sieht nicht so aus.
https://de.mmofacts.com/citykampf-1352
im link ist ne gute Beschreibung des Games :D

Unregistrierbar 18 Doppel-Voter - 10829 - 17. Mai 2020 - 17:27 #

Ich habe nie ein MMO mit persistenter Welt gespielt, aber diesen Artikel habe ich sehr gerne gelesen, weil er auch Bezug nimmt auf andere Aspekte der damaligen Spiele-Landschaft. Danke dafür!

Alain 24 Trolljäger - P - 47303 - 17. Mai 2020 - 18:08 #

Ich habe bisher noch jedes MMO gemieden oder einfach nicht gemocht...
Aber mein näherer Studi Kreis war entweder in Anarchy Online oder etwas später in Wow versumpft.

Zup 15 Kenner - P - 2888 - 17. Mai 2020 - 18:32 #

Ich kann mich nur noch vage daran. Damals hatte ich es bei einem Kumpel gesehen und fand es super. Ein Space-MMO war genau mein Ding. Leider wurde es kurz nach dem Kauf auch schon wieder eingestellt. Danke für den kurzweiligen Flashback :)

Punisher 22 Motivator - P - 32221 - 17. Mai 2020 - 22:07 #

Auch ein alter "PC Fun" Kunde? Oder warst du von der "GameZone"-Fraktion? ;-)

AlexCartman 20 Gold-Gamer - 22087 - 24. Juni 2021 - 19:00 #

PC Fun. Sehr schade, dass die aufhören mussten. Immer freundlich am Telefon.

Slaytanic 25 Platin-Gamer - - 62026 - 18. Mai 2020 - 2:02 #

Schönen Dank für den lesenswerten Userartikel.

Ganon 27 Spiele-Experte - - 83744 - 19. Mai 2020 - 13:55 #

Toller Artikel, danke für diesen Einblick. Erst habe ich mich gewundert, dass ich ein Spiel von Westwood aus dieser Zeit nicht kenne. Aber als es dann hieß, dass es nur in USA lief, wurde mir klar warum. ;-)

Tsroh 12 Trollwächter - 881 - 19. Mai 2020 - 21:17 #

Toller Artikel! Wirklich spannend und informativ, vielen Dank dafür!

TheRaffer 23 Langzeituser - P - 40200 - 20. Mai 2020 - 10:00 #

Von dem Spiel hatte ich noch nicht gehört. Vielen Dank für den schönen Artikel dazu :)

Jörg Langer Chefredakteur - P - 468613 - 20. Mai 2020 - 11:59 #

Ich habe das privat noch zwei Wochenenden lang gespielt (der Test stammte ja von Heinrich damals), aber es wurde doch sehr schnell öde, weil man nicht wirklich viel tun konnte. Und dann dieses Warten (ich hoffe, ich bringe es noch zusammen) auf einen anderen Spieler für die "Starthilfe" des Motors, nachdem man zerlegt worden war (oder ohne Treibstoff gestrandet ist? Wie gesagt, meine Erinnerung ist vergraben) -- und das bei von Anfang an nicht gerade vielen Spielern. Dazu dann noch die kognitive Dissonanz, indem man großteils nur ein Raumschiff "verkörpert", statt einen Charakter aus Fleisch und Blut (den sah man nur in den -- recht öden -- Raumstationen). Aber die beiden Wochenenden lang hatte ich schon Spaß, glaube ich mich zu erinnern. Einige Ideen haben es auch in Elite Dangerous geschafft, denke ich, etwa die EXP fürs Entdecken von Systemen und Co.

AlexCartman 20 Gold-Gamer - 22087 - 24. Juni 2021 - 19:02 #

Treibstoff(mangel) gab es nicht, nur zerschossen wurde man gern und viel. Progen Sentinels konnten sich irgendwann immerhin selbst wieder flottmachen, das war tatsächlich ein super Feature.