Ein MMO-Stern, der (zu) früh verglühte

Ein MMO-Stern, der (zu) früh verglühte User-Artikel

"Welcome to Earth & Beyond!"

AlexCartman / 17. Mai 2020 - 15:32 — vor 1 Jahr aktualisiert

Teaser

Mit "Earth & Beyond" versuchten die Echtzeitstrategen von Westwood 2002 im expandierenden Markt der Online-Rollenspiele Fuß zu fassen. Doch sie hatten die Rechnung ohne Electronic Arts gemacht.
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Fragt man europäische GamerInnen nach ihren ersten MMORPG-Erfahrungen, so ist die Chance groß, dass sie mit "World of Warcraft" antworten. Blizzards Hit aus dem Jahr 2004 (2005 in Europa) revolutionierte das Genre mit seinem leicht zugänglichen Questsystem und seiner auf drei zuvor veröffentlichten Echtzeit-Strategie-Spielen basierenden umfangreichen und aus anderen Fantasy-Universen zusammengeklaubten Geschichte. Vor allem aber fällt der Release von World of Warcraft in die Zeit, als das Internet selbst massentauglich wurde und aus der Nische der Nerds und Technikfreaks herauskam. Breitbandanschlüsse wurden für immer mehr Menschen verfügbar und vor allem erschwinglich.
Vor allem aber fällt der Release von World of Warcraft in die Zeit, als das Internet selbst massentauglich wurde und aus der Nische der Nerds und Technikfreaks herauskam.


Dennoch war World of Warcraft beileibe nicht das erste MMORPG. Der deutsche Wikipedia-Eintrag zum Thema listet eine ganze Reihe von Vorgängern, die beim Multi User Dungeon (kurz: MUD) Anfang der 80er-Jahre des letzten Jahrhunderts beginnt. 1997 veröffentlichte Origin Systems Ultima Online, eine gelungene Kombination der erfolgreichen Ultima-Solo-Rollenspielserie mit den Elementen des MUD. Die Bekanntheit der Marke Ultima machte den Online-Ableger zum ersten im Massenmarkt erfolgreichen MMORPG – und es läuft, wie World of Warcraft, bis heute.

Wer also nicht in Blizzards Online-Epos seine ersten Schritte in einer persistenten Welt unternahm, der ließ sich stattdessen vielleicht in Ultima Online nieder – oder in Everquest, dem nächsten großen MMORPG, das in Europa Erfolge feiern konnte. 1999 läutete Sony Online Entertainment mit diesem Titel das Zeitalter der modernen MMORPGs ein. Es setzte die drei Säulen eines MMORPGs – ansprechende 3D-Grafik, persistente Welt und Spielerinteraktion – dem damaligen Stand der Technik entsprechend perfekt um. Das Grundkonzept von Everquest findet sich in den meisten heute erhältlichen MMORPGs wieder.


Währenddessen, in einer weit entfernten Galaxis ...

Ziemlich unter dem Radar der Öffentlichkeit, besonders in Europa, werkelte unterdessen die nordamerikanische Spieleschmiede Westwood, ähnlich wie Konkurrent Blizzard vor allem für Echtzeitstrategiespiele bekannt, an einem eigenen Onlinerollenspiel. Allerdings setzte man bei Westwood nicht auf das firmeneigene Command & Conquer-Universum, sondern auf ein Weltraumopernszenario.

Ich selbst war durch einen Test der Importversion in der Zeitschrift Gamestar Ende 2002 auf Earth & Beyond aufmerksam geworden. Als PDF liegt der Test leider hinter der Paywall von Gamestar Plus. Ich hatte vorher nie ein MMORPG gespielt, war aber seinerzeit frischgebackener und stolzer Besitzer meines ersten eigenen DSL-Anschlusses samt Internet-Flatrate – damals noch etwas ganz Exotisches; Standard waren ISDN-Anschlüsse mit Datenübertragung und -abrechnung nach Zeit! Da kam mir Westwoods Weltraumsaga gerade recht. Also schlug ich beim Importhändler meines Vertrauens zu, einen damals sehr bekannten, inzwischen aber leider nicht mehr existenten Spielefachgeschäft in München. Beim Konfigurieren des Spielzugangs hatte ich eigentlich mehr Probleme erwartet, aber nach der Installation des Spiels von CD (jaja) und der Registrierung auf der Website von Electronic Arts, die Westwood ein paar Jahre zuvor von Virgin Interactive übernommen hatten, konnte es direkt losgehen. Ich war erstaunt, wie unkompliziert das alles klappte, und das, obwohl es doch gar keine europäischen Server gab und auch nie geben würde.

Kleine Anekdote am Rande: Als ich ein paar Monate später beruflich bedingt
Zum Laden von Patches wurde der gesamte Rechner dann schon mal zu einem Freund ein paar Straßen weiter oder zu meinen Eltern transportiert, weil die schnelleres Internet hatten.
umzog, musste ich feststellen, dass es am neuen Wohnort noch kein DSL gab. Also suchte ich wochenlang, bis ich einen Anbieter fand, der mir zumindest eine ISDN-Flatrate verkaufen wollte. Denn ohne Flatrate wären meine Kosten für Earth & Beyond vermutlich explodiert – aber weiterspielen wollte ich unbedingt! Dem Spielspaß tat die geringe ISDN-Bandbreite übrigens keinen Abbruch, nur zum Laden von Patches wurde der gesamte Rechner dann schon mal zu einem Freund ein paar Straßen weiter oder zu meinen Eltern transportiert, weil die schnelleres Internet hatten ...
 
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The Real Maulwurfn 17 Shapeshifter - 8092 - 17. Mai 2020 - 14:01 #

Damals auch mit einer ISDN-Flat unterwegs, blieb ich aber eher bei UO und EQ hängen und danach noch mit DSL dann bei DAoC. Das Szenario von EaB erinnert mich gerade etwas an The Expanse, hab es nie ausprobiert, aber sehr interessanter Artikel.

Jonas S. 21 AAA-Gamer - P - 25071 - 17. Mai 2020 - 14:19 #

Es gab eine ISDN-Flat? Wir hatten lange Zeit nur ISDN (ohne Flat) und Mitte der 2000er gab es dann eine Flat mit DSL light. Good old Times.^^

The Real Maulwurfn 17 Shapeshifter - 8092 - 17. Mai 2020 - 14:24 #

Vor DSL gab es etliche kleine, regionale Anbieter in Ballungsräumen mit ISDN Flats, das wurde dann gekillt, als die Telekom DSL pushen wollte und es für die lokalen zu teuer wurde es weiter anzubieten. Gab etliche Petitionen für Schmalbandflats, weil DSL einfach kaum verfügbar war.

Jonas S. 21 AAA-Gamer - P - 25071 - 17. Mai 2020 - 14:30 #

Bin in einem 300-Mann-Dorf aufgewachsen. Da gabs nur die Telekom. Lange Zeit halt nur ISDN gehabt und mit dem "Smartsurfer" ins Internet gegangen. Irgendwann gab es immerhin DSL light.
Mittlerweile gibt es einen regionalen Anbieter der 50.000+ anbietet.

Asderan 14 Komm-Experte - 2551 - 18. Mai 2020 - 10:17 #

Den Smartsurfer hab ich ganz verdrängt...
...legendär aber auch die zeitweise einzige ISDN-Flat mit der Pornostartseite. Wie hieß die noch?

AlexCartman 20 Gold-Gamer - 22087 - 18. Mai 2020 - 20:19 #

Oder die Downloadmanager, mit denen man abgebrochene Downloads fortsetzen konnte.

RoT 21 AAA-Gamer - P - 26259 - 18. Mai 2020 - 2:08 #

Wir hatten damals eine Sonntags-Flat. da konnte man kostenlos Telefonieren und surfen, meine ich. Und das ging auch, weil man ja mehrere leitungen haben konnte... Aber ist ja auch schon lange her, ganz genau, weiß ich das technisch nicht mehr..

Epic Fail X 18 Doppel-Voter - P - 10464 - 18. Mai 2020 - 8:25 #

Ne ISDN-Flat hatte ich nie. Dafür aber absurde Telefonkosten zu der Zeit.
Die Flat kam dann gemeinsam mit DSL im späten 1999 oder 2000. Ich wunder mich deshalb auch ein wenig über die Aussage im Artikel, die DSL-Flat sei 2002 etwas Exotisches gewesen. Ab 2000/01 war eine DSL-Flat im Freundeskreis absoluter Standard.

rofen 16 Übertalent - P - 4184 - 18. Mai 2020 - 9:03 #

Ich hatte DSL auch erst 2004. Und bei mir im Freundeskreis (in norddeutschen Großstädten) hat das da auch erst angefangen.

AlexCartman 20 Gold-Gamer - 22087 - 18. Mai 2020 - 10:07 #

Das war wirklich sehr unterschiedlich. In NRW hatte ich DSL ab 2000 oder so, in Hessen nach dem Umzug hat es bis 2005 gedauert, dafür dann aber gleich VDSL 25.

TSH-Lightning 26 Spiele-Kenner - - 65104 - 17. Mai 2020 - 14:17 #

Schöner Artikel, noch nie was davon gehört. Bei mir scheiterten MMOs erst daran, dass es gar kein DSL gab, dann nur Ultra-Light 384 und später mit RAM ca. 1800. WoW hab ich wohl nur ein paar Monate gespielt als Burning Crusade rauskam, aber war eine gute Zeit. Bei Age of Conan fand ich das Spiel geil, aber mein DSL war entweder lahm, instabil oder beides und es hat mich so angekotzt und Spielen hat keinen Spaß mehr gemacht.

Goremageddon 16 Übertalent - 4035 - 19. Mai 2020 - 15:58 #

Oh ja Age of Conan... das war in der Tat ein großartiges Spiel. Hab´s mit meiner Holden damals recht exzessiv gespielt. Leider brach ja die vollständige Vertonung und auch die Qualität der Quests ab einem gewissen Level (~30? oder so) ziemlich ab. Gerade die Quests mit Cutscenes und Vollvertonung fand ich damals absolut klasse....schön war´s.

"Geh mit Mitra, aber geh!"

JensJuchzer 21 AAA-Gamer - P - 28257 - 17. Mai 2020 - 16:09 #

Meinen Dank für den sehr umfangreichen Artikel! WErde ich mir bald mal durchlesen.

Q-Bert 25 Platin-Gamer - P - 56365 - 17. Mai 2020 - 16:48 #

Earth & Beyond ist wirklich an mir vorbei gegangen. :/

Mein erste Erlebnis der Art war tatsächlich das TUB-MUD, kurz für TU-Berlin Multi User Dungeon. Reines Text-RPG, so ein bisschen wie Bards Tale ohne Grafik und wenn man das Maximallevel 20 erreicht hatte, könnte man als Supermaster eigene Inhalte dazu programmieren! So wuchs das Dungeon immer weiter und veränderte sich ständig. Das fühlte sich dadurch richtig lebendig an!

Danach folgten dann Ultima Online und Telefonrechnungen von 500 DM pro Monat. Teuerster Spielespaß ev0r! Aber ich bereue nichts :]

Im Weltall war ich 2004 dann mit OGAME unterwegs, auch wieder fast nur Text. Das war ziemlich anstrengend, alles in Echtzeit, nachts Wecker stellen um seine Flotte zu saven oder andere abzufangen... aber das Gildenleben war sehr intensiv, viel gechatte und sogar ein paar Treffen im RL.

AlexCartman 20 Gold-Gamer - 22087 - 17. Mai 2020 - 16:55 #

O-Game habe ich auch mal angefangen, aber das wurde irgendwann zu zäh.

RoT 21 AAA-Gamer - P - 26259 - 18. Mai 2020 - 2:09 #

O-Game, Dopewars und Citikampf kann ich mich noch erinnern :D

Q-Bert 25 Platin-Gamer - P - 56365 - 18. Mai 2020 - 3:10 #

Ist Citikampf sowas wie "Prügelpause"? ^^

RoT 21 AAA-Gamer - P - 26259 - 20. Mai 2020 - 0:48 #

ich befürchte nicht, das was ich bei meiner kleinen suche danach gefunden hab sieht nicht so aus.
https://de.mmofacts.com/citykampf-1352
im link ist ne gute Beschreibung des Games :D

Unregistrierbar 18 Doppel-Voter - 10829 - 17. Mai 2020 - 18:27 #

Ich habe nie ein MMO mit persistenter Welt gespielt, aber diesen Artikel habe ich sehr gerne gelesen, weil er auch Bezug nimmt auf andere Aspekte der damaligen Spiele-Landschaft. Danke dafür!

Alain 24 Trolljäger - P - 47347 - 17. Mai 2020 - 19:08 #

Ich habe bisher noch jedes MMO gemieden oder einfach nicht gemocht...
Aber mein näherer Studi Kreis war entweder in Anarchy Online oder etwas später in Wow versumpft.

Zup 15 Kenner - P - 2891 - 17. Mai 2020 - 19:32 #

Ich kann mich nur noch vage daran. Damals hatte ich es bei einem Kumpel gesehen und fand es super. Ein Space-MMO war genau mein Ding. Leider wurde es kurz nach dem Kauf auch schon wieder eingestellt. Danke für den kurzweiligen Flashback :)

Punisher 22 Motivator - P - 32223 - 17. Mai 2020 - 23:07 #

Auch ein alter "PC Fun" Kunde? Oder warst du von der "GameZone"-Fraktion? ;-)

AlexCartman 20 Gold-Gamer - 22087 - 24. Juni 2021 - 20:00 #

PC Fun. Sehr schade, dass die aufhören mussten. Immer freundlich am Telefon.

Slaytanic 25 Platin-Gamer - - 62104 - 18. Mai 2020 - 3:02 #

Schönen Dank für den lesenswerten Userartikel.

Ganon 27 Spiele-Experte - - 83928 - 19. Mai 2020 - 14:55 #

Toller Artikel, danke für diesen Einblick. Erst habe ich mich gewundert, dass ich ein Spiel von Westwood aus dieser Zeit nicht kenne. Aber als es dann hieß, dass es nur in USA lief, wurde mir klar warum. ;-)

Tsroh 12 Trollwächter - 881 - 19. Mai 2020 - 22:17 #

Toller Artikel! Wirklich spannend und informativ, vielen Dank dafür!

TheRaffer 23 Langzeituser - P - 40316 - 20. Mai 2020 - 11:00 #

Von dem Spiel hatte ich noch nicht gehört. Vielen Dank für den schönen Artikel dazu :)

Jörg Langer Chefredakteur - P - 469822 - 20. Mai 2020 - 12:59 #

Ich habe das privat noch zwei Wochenenden lang gespielt (der Test stammte ja von Heinrich damals), aber es wurde doch sehr schnell öde, weil man nicht wirklich viel tun konnte. Und dann dieses Warten (ich hoffe, ich bringe es noch zusammen) auf einen anderen Spieler für die "Starthilfe" des Motors, nachdem man zerlegt worden war (oder ohne Treibstoff gestrandet ist? Wie gesagt, meine Erinnerung ist vergraben) -- und das bei von Anfang an nicht gerade vielen Spielern. Dazu dann noch die kognitive Dissonanz, indem man großteils nur ein Raumschiff "verkörpert", statt einen Charakter aus Fleisch und Blut (den sah man nur in den -- recht öden -- Raumstationen). Aber die beiden Wochenenden lang hatte ich schon Spaß, glaube ich mich zu erinnern. Einige Ideen haben es auch in Elite Dangerous geschafft, denke ich, etwa die EXP fürs Entdecken von Systemen und Co.

AlexCartman 20 Gold-Gamer - 22087 - 24. Juni 2021 - 20:02 #

Treibstoff(mangel) gab es nicht, nur zerschossen wurde man gern und viel. Progen Sentinels konnten sich irgendwann immerhin selbst wieder flottmachen, das war tatsächlich ein super Feature.