In dem Taktik-RPG von Pixelated Milk wird nach historischem Vorbild der polnische Widerstand gegen die Nazis in Warschau zermürbt. Doch das Spiel selbst kämpft mit Problemen an mehreren Fronten.
Dieser Inhalt wäre ohne die Premium-User nicht finanzierbar. Doch wir brauchen dringend mehr Unterstützer: Hilf auch du mit!
Alle Screenshots und Videoszenen stammen von GamersGlobal.
Am 1. August 1944 begann die polnische Heimatarmee auf Kommando der eigenen Exilregierung eine breit angelegte Operation gegen die Warschau besetzt haltende Wehrmacht. Ziel war es, die Besatzer zu vertreiben und die Stadt zu sichern, bevor die vorrückende Rote Armee dort ankam. Die Sowjetunion erschien nur als potentieller nächster Besatzer. Die Heimatarmee zog damit aus, um eine Chance für die Wiederauferstehung ihrer Nation zu ergreifen.
Letztlich wurde der Widerstand von der Wehrmacht vernichtet, die Warschauer Bevölkerung vertrieben und mehr als die Hälfte aller Gebäude der polnischen Hauptstadt auf Himmlers Befehl gesprengt, bevor die versuchte Tilgung des Ortes mit Vorrücken der Roten Armee ein Ende fand. Diese Ereignisse jähren 2019 zum 75. Mal und bilden den Hintergrund für das Taktik-RPG Warsaw des Indie-Entwicklers Pixelated Milk aus Polen.
11 von 10 Menschen denken bei dem Mix aus Comic-Grafik und Rundenkampf-System mit Grid an Darkest Dungeon.
Kennen wir uns?
Beim Anblick von Warsaw überkam mich direkt ein Déjà-vu: Sowohl die düstere Comic-Ästhetik (wenn auch weniger überzeichnet) als auch die Regeln des Rundenkampf-Systems erinnern sehr deutlich an den Dungeon-Crawler Darkest Dungeon (im Test, Note: 8.0). Dabei etabliert Warsaw aber seinen eigenständigen und stimmigen Zeichenstil und fügt den Rundenkämpfen überdies ein paar Zutaten hinzu.
Zum einen besitzt das Schlachtfeld in Warsaw zwei Reihen mit je vier Feldern, auf denen sich Kämpfer und Hindernisse verteilen. Greift nun etwa meine Scharfschützin Anna einen Feind aus der anderen Reihe an, so gilt dies als Flankenangriff und schlägt mit Zusatzschaden zu Buche. Eine weitere Ergänzung stellt das Ausdauersystem dar. Jede Aktion mit einer Einheit innerhalb einer Runde verbraucht einen der maximal drei Ausdauerpunkte. Je weniger Ausdauer, desto mehr Mali sammeln sich. Zeitgleich regeneriert sich nur ein Ausdauerpunkt jede Runde. Daher wechselte ich mehr zwischen den Figuren, ohne dass es mir jedoch als nerviger Zwang erschien.
Die Kämpfe gestalten sich dabei grundlegend spaßig, aber der vorhandene Anspruch kommt allein vom Umstand, dass die Gegner in Überzahl sind. Das Zugverhalten der Feinde ist nämlich so planlos, als würfele ein unsichtbarer Spielleiter.
Über zufällige Events nach Missionen erhält der Widerstand neue Mitglieder. Wen ich wann bekomme ist Glückssache.
Kriegsspiel
Aber was rede ich von irgendwelchen Systemen? Schließlich nutzt Warsaw bei dem Szenario doch bestimmt die Tragik des Krieges, um zu berühren, oder? Vielleicht im Geiste von This War of Mine (im Test, Note: 7.5) oder das ebenfalls im Comic-Stil gehaltene Valiant Hearts (im Test, Note: 8.5)? Ja und nein. Während mein Trupp in Missionen über die Karte Warschaus zieht und nach Ende eines Auftrags (ob Erfolg oder Niederlage) treffe ich auf Zufallsereignisse. Es sind kleine Textfenster, die einen Einblick in das Leben im Krieg gewähren. Soll ich einen aufgebrachten Lynchmob auseinandertreiben, obwohl das die Moral im Bezirk senkt? Alternativ könnte ich etwa selbst den Besitz der verfolgten Deutschen für die Heimatarmee pfänden. Abgesehen von seltenen Überdosen Pathos sind die vielen unterschiedlichen Ereignisse interessant gestaltet und gut ins Deutsche übersetzt.
Wo liegt also der Haken? Ein Problem ist, dass mehr Spielzeit für die Kämpfe, Verwaltung und Bewegung als auf die Ereignisse verwandt wird und abseits dieser die Kontexte des Szenarios nur sehr abstrakt bleiben. Generell stehen die Mechaniken deutlich im Vordergrund. Das wirkt gerne mehr wie Brettspiel als Spiel-Simulation.
Feindverbänden in den Rücken fallen ist in der getesteten Version keine Option. Ein Patch wird dieses Feature bald hinzufügen. Sein Produkt pflegen ist wünschenswert, doch in dem Maße noch am Gameplay zu feilen, wirkt wie inoffizielles Early Access.
Unfertiger Eindruck
Der noch größere Haken ist, das diese Mechaniken sich auf Dauer sehr abnutzen. In der Kampagne soll ein vorzeitiges Ableben wahrscheinlicher sein als die 63 Spieltage zu überleben, aber der voranschreitende Untergang bleibt abstrakt. Die Missionen bleiben generisch. Es gibt keinen Versuch über Kontext für die Missionen etwas über die eskalierende Lage in Warschau zu vermitteln oder einen Erzählstrang zu knüpfen. Das Erbeuten von Waffen und Leveln der Einheiten ist zu rudimentär, um zu motivieren. So gerät die Kampagne zur monotonen Bewegung von Kampf zu Ziel zu Beute zu Kampf. Bangen vor dem nächsten Angriff stellt sich bei bedachter Spielweise nicht ein und auch mit dem Ressourcenmangel war es bei mir nicht weit her. Hier greifen die Mechaniken merklich nicht, wie es gedacht ist.
Der Entwickler Pixelated Milk hat inzwischen eine Roadmap mit angedachten Updates für Oktober veröffentlicht. Diese umfasst Aspekte für mehr Varianz wie neue Kampf-Szenerien, Gegner, Mitglieder der Heimatarmee und Events. Doch auch ganz neue Features stehen am Horizont. In den Steam-Foren melden sich Mitglieder des Studios auf Kritik und teilen transparent Ideen für Verbesserungen. Dabei justieren sie aber auch an Mechaniken, die durchaus größere Folgen für die ganze Spielbalance haben könnten.
Wenn ich etwa bald wirklich meine besten Einheiten im Lager gegen Ressourcen sofort heilen dürfte, würde das ganze Team-Managment deutlich verändert. So sehr es mich als Spieler freut, wenn Entwickler nach Release weiter an ihrem Titel werkeln, hinterlassen Gedanken über so grundsätzliche Eingriffe und die mechanischen Mängel bei mir den Eindruck, dass das Rundentaktik-RPG inoffiziell in einem Beta-Stadium gestartet ist.
Autor: Hagen Gehritz; Redaktion: Dennis Hilla (GamersGlobal)
Anzeige
Meinung: Hagen Gehritz
Warsaw hat mich mit seinem Setting und dem Grafikstil direkt für sich eingenommen, doch die inneren Werte stehen deutlich hinter der schicken Präsentation zurück. Die Kämpfe mit ihren taktischen Möglichkeiten durch die Fähigkeiten und Positionen machen grundsätzlich Spaß. Da die willkürlich ziehende KI nichts aber auch nichts als die Überzahl auf ihrer Seite hat, büßen sie aber an Spannung ein. Die Ereignisse verlangen Entscheidungen von mir und bieten einige eindrücklichere Szenen, aber sie sind zu weit verstreut, als dass sie eine dichte Atmosphäre erzeugen. Auch sonst tritt der Bezug zum historischen Szenario und den Figuren hinter die Spielmechaniken zurück.
Die Mechaniken wirken auf mich aber schlicht nicht ausgereift. Auf der strategischen Ebene gibt es keinerlei roten Faden oder Ziel, um die Missionen zusammen zu halten. Die Aufträge sind frei von jedem Kontext und erlegen mir so letztlich Fleißaufgaben auf, bei denen abseits der Vermeidung gegnerischer Truppen und möglicher Ereignisse keine Spannung aufkommen will. Die Balance funktioniert nicht, so dass ich zu schnell aus der Ressourcennot entkomme. Und die Regeln des Speichersystems erlauben es mir spielend einfach, den Permadeath auszutricksen. Warsaw läuft an vielen Stellen einfach nicht rund und wirkt eher wie ein Titel im Early Access.
Warsaw PC
Einstieg/Bedienung
Ausführliches Tutorial
Statuswerte der Figuren bleiben unerklärt
Spieltiefe/Balance
Rundentaktik mit Flankenangriffen, Positionierung, Skill-Kombies
Verletzungssystem fördert Kampfvermeidung
Interessante Events mit Entscheidungen und Fertigkeitsproben
Archiv und einzelne Events nehmen Bezug auf das historische Szenario
Animationen und Skills vermitteln auch Persönlichkeit der Widerständler
KI agiert kopflos
Mechanik nimmt deutlich mehr Raum ein als Atmosphäre
Zu viel Beute für gedachten Ressourcenmangel
Keine End- oder Etappenziele in Kampagne
Generische, abwechslungsarme Missionen
Moveset der Gegner nicht einkalkulierbar
Permadeath lässt sich einfach aushebeln
Grafik/Technik
Wunderbar stimmiger Comic-Stil
Wuchtig inszenierte Kampfanimationen
Gelegentliche Bugs
Sound/Sprache
Figuren sprechen jeweilige Landessprache...
Melancholischer Soundtrack
Gelungene deutsche Übersetzung
... doch die Deutschen klingen hölzern oder wie Karikaturen
Bei den bisherigen Previews, die ich so gelesen habe, wollte bei mir irgendwie keine Vorfreude entstehen. Ob es am historischen Hintergrund lag? Vielleicht. Darkest Dungeon gefällt mir nämlich.
Die Kritikpunkte von Hagen geben dem Spiel aus meiner Sicht dann jetzt den Rest. Wird (aktuell) nicht gekauft.
Wirkt jetzt leider nicht so spannend und das Ende ist ja auch bekannt. Scheint wirklich noch unfertig zu sein; da hätte man mehr daraus machen können inkl. Sieg/was wäre wenn Szenario.
Mal was anderes im 2. Weltkrieg. Kling theoretisch interessant, ist nach den Ausführungen im Test aber eher nichts für mich. Mal abgesehen davon, dass es wohl eh nicht so toll geworden ist. ;-)
Viel Spaß beim Anhören, Ansehen und Lesen!
Oha. Hatte das auch mal wegen des Settings und der Optik beliebäugelt. War wohl nix...
Autsch..mhmm..vlt mal bei nem Sale.
Optisch toll, spielerisch wohl nicht.
Hatte eigentlich darauf gehofft, dass es gut wird.
Sehr schade. Da steckte viel Potenzial drin...
Klang echt wenig interessant.
Autsch! Das hatte echt interessant ausgesehen. Schade drum! Aber trotzdem: Toller Test!
Gut zu wissen. Danke für den Test.
Hey Hagen, danke für den Test. Ich hatte das Spiel zumindest mal im Auge, scheint aber dann doch nicht so berauschend zu sein.
War bei der Thematik leider zu erwarten.
Das hätte ich nach der Preview von Dennis auch nicht erwartet. Danke für den Test!!
Bei den bisherigen Previews, die ich so gelesen habe, wollte bei mir irgendwie keine Vorfreude entstehen. Ob es am historischen Hintergrund lag? Vielleicht. Darkest Dungeon gefällt mir nämlich.
Die Kritikpunkte von Hagen geben dem Spiel aus meiner Sicht dann jetzt den Rest. Wird (aktuell) nicht gekauft.
Guter Test zu einem nicht so guten Spiel, Hagen.
Dann werde ich wohl verzichten.
Hagen, danke für die Warnung!
Eine Frage, hast Du den Text während des Videointros abgelesen? Deine Augenführung sah so aus?
Das klingt alles wenig überzeugend. Schade um das interessante Setting.
Wirkt jetzt leider nicht so spannend und das Ende ist ja auch bekannt. Scheint wirklich noch unfertig zu sein; da hätte man mehr daraus machen können inkl. Sieg/was wäre wenn Szenario.
Die Graphik hat mir ja schon gefallen, aber das Setting ist so gar nicht meins. Ich kann 2. Weltkrieg-Setting einfach nicht mehr sehen...
Sehr schade, sah nach Potential aus.
Guter Test+, Hagen. :)
Schade, bei den aufgezählten Schwächen kann ich den Titel wohl von der Wunschliste streichen.
Mal was anderes im 2. Weltkrieg. Kling theoretisch interessant, ist nach den Ausführungen im Test aber eher nichts für mich. Mal abgesehen davon, dass es wohl eh nicht so toll geworden ist. ;-)