Die zwei Wollknäuel lassen sich vereinen und sind zu so manchem akrobatischen Kunststück fähig.

Sprechertext zu Unravel 2

Dieser Sprechertext ist exklusiv für Premium-User, das Gleiche wird in Kürze auch für die Audio-Fassung gelten.

Hallo, hier ist Christoph Vent von GamersGlobal mit dem Test zu Unravel Two. In der Fortsetzung des Jump-and-runs von Coldwood aus dem Jahr 2016 kehrt Yarny, das putzig-niedliche Wollmännchen aus dem ersten Teil, zurück. Allerdings ist es nicht alleine. Dieses Mal hüpft ihr gleich mit zwei der Garnfiguren in 2D-Plattformer-Manier durch die realistisch gestalteten und wunderschönen schwedischen Landschaften – und zwar auch dann, wenn ihr gerade keinen Koop-Partner zur Hand habt. Wie gut das funktioniert? Sehr gut, möchte ich behaupten.

Zu Beginn von Unravel Two erwacht ihr mit euren zwei Yarnys nach einem Schiffsbruch an einem Strand. Dort wird euch auch gleich die grundlegende Steuerung beigebracht. Sitzt ihr zu zweit auf der Couch – einen Online-Modus suchte ich vergeblich – gibt es kaum etwas zu beachten: Jeder der Spieler kontrolliert sein eigenes Wollpüppchen. Interessant wird es allerdings, wenn ihr alleine spielt. In diesem Fall könnt ihr auf Knopfdruck zwischen den beiden Figuren hin und her switchen. Läuft dann eine der Figuren, hält die andere die Position. Möchtet ihr beide Yarnys auf einmal bewegen, kann einer der Charaktere den anderen einfach huckepack nehmen – die beiden Figuren gehen dann auch optisch eine Wollverbindung ein.

Wie der Erstling wartet auch Unravel Two mit einer kleinen Geschichte auf, die sich allerdings größtenteils im Hintergrund abspielt und von den meisten Spielern wohl eher nebenbei mitgenommen werden wird. Ging es im ersten Teil noch um die Erinnerungen einer alten Dame, erlebt ihr nun die Lausbuben-Abenteuer von zwei Kindern mit. Wobei die es faustdick hinter den Ohren haben. Sie hauen nicht nur von zuhause ab, sondern sorgen bei ihren Erkundungstouren in Industrieanlagen auch für allerlei Chaos. Wie gewohnt sind die verschwommen ablaufenden Sequenzen hin und wieder auch mit euren Aktionen verknüpft. Öffnet ihr beispielsweise eine Tür, geht es auch für die zwei Kinder weiter.

Spielerisch baut Unravel Two stark auf seinem Vorgänger auf. Allerdings gibt es ein paar Neuerungen. So könnt ihr mit euren Yarnys ab sofort Wandsprünge ausführen, außerdem können sie nun schwimmen. Doch nicht nur diese beiden Änderungen führen zu einem allgemein flüssigeren Spielablauf. Die wohl beste Anpassung im Spieldesign ist der Verzicht auf die Versorgungspunkte. Diese waren im Vorgänger nötig, damit eurem Knäuel beim Laufen nicht im wahrsten Sinne des Wortes irgendwann die Wolle ausgeht. In Unravel Two hingegen spenden sich die beiden Yarnys gegenseitig Faden, sie sind nämlich ständig miteinander verbunden.

Auch Unravel Two versteht sich als Jump-and-run mit Rätselabschnitten. In den einfacheren Puzzles müsst ihr mit eurem Garn lediglich eine Brücke zwischen zwei markierten Knotenpunkten spannen und diese als Trampolin benutzen. Oder aber, ihr schiebt Gegenstände an die richtige Stelle, um sie als Treppe zu verwenden. Alles in allem kommt Unravel Two bei den Rätseln jedoch etwas anspruchsvoller als der Vorgänger daher, zudem sind sie nun besser umgesetzt. Vor allem die im ersten Teil noch hin und wieder hakelige Objektphysik spielte mir nun deutlich seltener Streiche.

Die allermeisten Puzzles sind selbstverständlich an die Zwei-Spieler-Mechanik angepasst. So reicht es in den meisten Fällen, dass einer der beiden Yarnys eine anspruchsvollere Passage meistert – der andere zieht sich dann einfach an ihm hinauf. In Kombination mit Umgebungsobjekten blühen die Rätsel teilweise sogar richtig auf. Besonders gut hat mir zum Beispiel der Spielplatz bei Nacht gefallen, wo ich mit einer der beiden Spielfiguren eine Seilrutsche zurückziehen musste, damit die andere sie als Transportmittel nutzen konnte. Ein anderes Mal hingegen musste ich die andere Spielfigur mit einem Backstein und einem lockeren Brett in die Höhe und damit ins Ziel katapultieren.

Die Rätsel bleiben zwar bis zum Ende weit von dem Prädikat „Unlösbar“ entfernt, ziehen aber gerade in den letzten beiden der sieben Kapitel im Schwierigkeitsgrad an. Solltet ihr mal nicht auf des Rätsels Lösung kommen, empfiehlt sich ein Blick in die hervorragend gelöste Hilfefunktion. In drei Schritten könnt ihr euch hier in jeder Szene anzeigen lassen, was gerade zu tun ist. Gibt es zuerst nur einen allgemeinen Tipp, folgt in Stufe Drei eine detaillierte Anleitung.

Wer von Unravel Two ein forderndes Hüpfspiel erwartet, wird wie mit dem ersten Teil kaum glücklich werden. Die Jump-and-run-Segmente drehen lediglich in den Fluchtsequenzen ein wenig auf, wenn ihr – beispielsweise von einem Auerhahn verfolgt – fehlerfrei vorankommen müsst. Werdet ihr erwischt, vermeiden jedoch die zahlreichen Zwischenspeicherpunkte jederlei Anflug von Frust. In diesen Abschnitten spielt übrigens ebenfalls das Zusammenspiel der beiden Yarnys eine tragende Rolle, etwa wenn sie sich immer wieder trennen müssen, um sich einzeln zur nächsten Plattform zu schwingen.

Nach vier Stunden ist die Story auch schon beendet. Wer darüber hinaus noch ein wenig Zeit mit den beiden Wollknäueln verbringen möchte, kann sich entweder an den Time Trials für die normalen Levels versuchen oder in den speziellen Herausforderungslevels sein Können unter Beweis stellen. Im Gegensatz zum Hauptspiel sind die Challenges auf kleine Spielbereiche beschränkt und sehr anspruchsvoll.

Auch wenn sich bei der Technik im Vergleich zum Vorgänger kaum etwas getan hat, ist Unravel Two wunderschön. Die Animationen der Yarnys sind herzallerliebst und knuffig anzusehen, die Landschaften strotzen nur so vor Details wie kleinen Mäusen in Höhlen unterhalb des Waldbodens. Die Schauplätze sind an sich ebenfalls abwechslungsreich. Hier stört mich aber, dass sie sich zu stark an denen des Vorgängers orientieren. Gerade bei den Wäldern hatte ich hin und wieder den Eindruck, dass ich durch genau dieses Unterholz schon vor zwei Jahren gelaufen bin.

Kommen wir damit zu meinem Fazit: Unravel Two ist das beste Beispiel dafür, wie man Singleplayer- und Koop-Mechaniken miteinander vereinen kann. Denn obwohl die Rätsel und viele Sprungabschnitte voll und ganz auf das Zusammenspiel der beiden Charaktere zugeschnitten sind, funktionieren sie auch prima alleine. Der Spielfluss mag solo in solchen Abschnitten zwar nicht ganz so gelungen sein wie im Zwei-Spieler-Modus. Aber es war nie so, dass es mich wirklich gestört hätte, wenn ich die beiden Yarnys abwechselnd steuern musste.

Die Entwickler von Coldwood verbessern Unravel außdem an den richtigen Stellen. Der Wandsprung sorgt ebenso für Frische wie die Tatsache, dass mir Yarny jetzt nicht sofort in jeder etwas größeren Pfütze ersäuft. Die dreistufige Hilfefunktion ist zudem eine tolle Sache für alle, die sich nicht lange mit den Rätseln aufhalten wollen. Die optische Gestaltung ist ohne Frage wieder eine Wucht.

Trotzdem sehe ich insbesondere im Setting auch eine verpasste Chance in Unravel Two. Dass erneut Schweden und damit die Heimat der Entwickler als Schauplatz gewählt wurde, finde ich wirklich schön. Dummerweise habe ich aber auch regelmäßig das Gefühl, dass ich einige der Orte aus dem zweiten Teil schon vor zwei Jahren erkundet habe – sie gleichen sich einfach zu sehr.

Meine Note lautet daher 8.5 von 10 Punkten. Diesen Test gibt es als Video, Audio und Text. Weitere Fakten zum Spiel erfahrt ihr auf GamersGlobal.de.

Am seidenen Faden: Der rote Yarny muss seinen blauen Kollegen sicher am Feuer vorbeilotsen.