Ein traumhafter Anblick, der uns die Sorgen unserer Inselbewohner kurzzeitig vergessen lässt.

Ich bin Angela

Bei alledem immer mitten im Geschehen: ihr selbst, in Form eures 3D-Avatars. Das ist fast schon die größte Neuerung im Vergleich zu Tropico 1, da ihr euren Diktator wie in einem Echtzeitstrategiespiel über die Insel bewegt. Schickt ihr ihn beispielsweise auf eine Baustelle, beschleunigt er mit seiner bloßen Anwesenheit den Bau. Auch die Produktion von anderen Gebäuden könnt ihr so temporär auf Trab bringen. Am liebsten stellt sich euer Presidente jedoch auf den Balkon seines Palasts und hält eine Rede. Vom Inhalt bekommt ihr freilich nicht viel mit, denn er bleibt stumm – der Applaus der Massen vor dem Palast muss euch genügen.

Nur im Wahlkampf dürft ihr eine eigene Rede aus Versatzstücken zusammenbauen, um die Wähler auf eure Seite zu ziehen. Doch wirklich nötig ist dies alles nicht. Um ihn wirklich effektiv einsetzen zu können, läuft euer Alter Ego viel zu langsam durch die Gegend. Deshalb haben wir ihn im Test größtenteils ignoriert und ihn alleine sein Ding durchziehen lassen. Auch, weil die KI meist  schlau genug ist, um selbstständig Engpässe zu erkennen und den Regenten an die brenzlige Stelle zu entsenden. Wirklich nützlich ist euer Avatar hingegen in den Kämpfen. Zwar dürft ihr ihn, wie den Rest eurer Truppen, nicht direkt steuern. Er ist jedoch treffsicher, hält viel aus und sorgt für eine höhere Truppenmoral. Die Kämpfe laufen automatisch ab. Rücken die Rebellen an, rennen alle verfügbaren Soldaten (und euer Avatar) selbstständig zum Kampfplatz. Dort schießen beide Seiten dann solange aufeinander, bis alle Soldaten einer Seite geflohen oder getötet wurden.

König der Karibik

El Presidente: Ivashana Sicarius

In Sachen Vielfalt lässt sich Tropico 3 nicht lumpen. Je nach Lust und Laune könnt ihr euch an der Kampagne, dem Sandboxmodus, einigen Herausforderungen und dem Editor versuchen. Letzterer erlaubt es euch jedoch nicht, eine eigene Insel basteln. Diese gibt’s nur vordefiniert oder zufallsgeneiert. Ihr legt stattdessen nur noch die Ziele fest, erstellt historische Ereignisse und baut so eine Mission zusammen. Danach dürft ihr euer Werk online stellen und per Online-Rangliste beobachten, wer sich auf eurer Karte am besten schlägt. Einen richtigen Multiplayermodus gibt es nicht.

Was die einen mögen werden, dürften die anderen hassen: Der Aufbau eurer Insel geht selbst im Vergleich zu Anno 1404 eher gemächlich vonstatten. Allein die erste, simple Mission, die euch sanft das Spielprinzip näher bringt, beschäftigt euch einige Zeit. Und im Laufe der Kampagne wird es eher mehr als weniger. Für hartgesottene Aufbauspieler ist dies aber kein Grund, die Flinte ins Korn zu werfen. Außerdem bleibt euch so selbst auf der höchsten Beschleunigungsstufe mehr als genug Zeit, um in Ruhe das Gewusel unter euch zu beobachten. Dank frei bewegbarer Kamera und stufenlosem Zoom könnt ihr ganz nah ran an eure Untertanen. Die sehen zwar arg kantig und geklont aus, verraten aber so rein durchs Anschauen, welchem Beruf sie nachgehen. Autos und Gebäude sehen aus der Nähe richtig schön aus.

Die in Teilen nicht-lineare Kampagne entpuppt sich hingegen nur als Aneinanderreihung von 15 Herausforderungen mit sanft ansteigendem Schwierigkeitsgrad. Mehr als ein sehr (!) umfangreiches Tutorial ist sie also faktisch nicht. Doch das Herz von Tropico 3 ist sowieso der "Sandkasten". Darin dürft ihr euch vollkommen frei austoben und sogar im Gottmodus ohne Geldsorgen eure Amtszeit verbringen – dafür erhaltet ihr dann jedoch eine entsprechend niedrige Bewertung am Ende. Um trotzdem die Spannung zu erhalten, legt ihr vor Beginn einer Sandboxsitzung genau die Bedingungen fest. Ihr entscheidet, wie oft Zufallsereignisse stattfinden, oder ob euch die Supermächte in Ruhe lassen sollen. Das ergibt einen individuellen Schwierigkeitsgrad von 1% bis 300%.

Dieses armselige Stück Land müsst ihr in der zweiten Kampagnenmission in eine Touristenhochburg verwandeln.

Hardwarefreundlich

Sofern ihr die Bewohner ignoriert, sieht Tropico 3 auf der höchsten Detailstufe zum Anbeißen aus. Die Schatten bewegen sich realistisch zum Tag- und Nachtwechsel, und wenn die Sonne scheint, geht einem geradezu das Herz auf. Detaillierte Gebäude und Umgebungen sowie hübsch animierte Fahrzeuge komplettieren das Bild. Ein Crysis dürft ihr nach über sechs Jahren Entwicklungszeit zwar nicht erwarten. Dafür hält sich der Hardwarehunger in Grenzen – zumindest wenn eure Stadt noch übersichtlich ist. Je größer eure Siedlung, desto stärker wird auch euer Rechner beansprucht. Doch auch auf mittleren Details lässt es sich auf den Inseln noch gut aushalten. Leider wirken selbst Gebiete mit vielen Bewohnern überraschend steril, und der Horizont besteht nur aus einer Bitmapgrafik -- das ist 2009 nicht mehr zeitgemäß. Wenn ihr eine Atombombe zündet, färbt sich zwar der gesamte Bildschirm entsprechend ungesund ein. Die 2D-Pilzwolke am Horizont lässt die Illusion jedoch gleich wieder platzen.

Wir gebens zu: die Klonmaschine steht im Palastkeller.

Beim Sound haben die Entwickler gute Arbeit geleistet. Je nach Kameraposition rauscht das Meer angenehm durch die Boxen, Möwen singen und die Bewohner und Touristen erzeugen ein Gemisch aus (unverständlichen) Stimmen. Leider sind die Übergänge zwischen den einzelnen Soundkulissen teilweise arg abrupt. Und so schön die Radiomusik auch ist -- sie wiederholt sich viel zu oft. Interessantes Detail: die Touristen, die eure Insel besuchen, kommen sprachlich aus fremden Ländern. Während eure Einwohner ausschließlich Spanisch sprechen, dürft ihr euch nicht wundern beim Anklicken eines Touristen auch mal ein hessisch angehauchtes "Gude!" aus den Boxen zu hören.

Tropico 3 ist für 39,99 € im Handel erhältlich und kommt ohne Kopierschutz daher. Es wird lediglich die Eingabe einer Seriennummer verlangt. Um eure Punkte in die Onlineranglisten einzutragen oder eure Inseln und Herausforderungen online zu stellen, benötigt ihr zusätzlich einen Tropico-3-Account. Wer selbst ausprobieren möchte, wie das Spiel auf seinem PC funktioniert, für den steht eine 1,1GB große Demo mit zwei Missionen zum Download bereit. Die Systemvoraussetzungen sind laut Hersteller wie folgt:

	Minimum	Empfohlen
Betriebssystem	Windows XP, Vista	-
Prozessor	2,4GHz Single-Core	2,4GHz Dual-Core
Speicher	1GB	2GB
Grafikkarte	256MB DirectX9c, Shader Model 3.0 (Geforce 6 Serie, ATI X1300	512MB DirectX9c, Shader Model 3.0 (ATI Radeon HD4800, Geforce 8800 GT)
Sondkarte	DirectX 9c	DirectX 9c

Rebellen greifen unsere Farm von rechts an, aber wir sind in der Überzahl. Der erste Rebell hat schon die Flucht ergriffen.

Fazit: Zäh, aber spaßig

Trotz vorbildlicher Einführung in das Spiel ist Tropico 3 ein Titel für gestandene Aufbauspieler. Die freuen sich über das umfangreiche und komplexe Wirtschafts- sowie Politiksystem, dank derer jedes Spiel tatsächlich anders abläuft und euch lange Zeit bei Laune halten wird. Zudem sind eure Bewohner keine bloßen Statistiken, sondern haben einen Namen, eine Familie, ein Leben. Da wird das Regieren zu mehr als nur Zahlenschieberei und Planwirtschaft!

Viele Einsteiger dürften hingegen vom langwierigen Spielablauf abgestoßen werden. Bis sich auf der eigenen Insel wirklich etwas tut und die Wirtschaft in Schwung kommt, dauert es eine lange Zeit. Und wer eine Anno-1404-ähnliche Großstadt aufziehen möchte, ist Tage, vielleicht sogar Wochen beschäftigt. Doch genau das macht auch den größten Reiz von Tropico 3 aus. Die Stadt steht nicht mit einem Klick, und ihr habt fast die totale Freiheit sofern ihr die Konsequenzen eures Handelns überlebt. Jede Niederlage ist da nur ein weiterer Ansporn, noch einmal von vorne anzufangen: Dieses Mal schaffen wir es, 50 Jahre im Amt zu bleiben! Da verzeiht man es dem Spiel, das es im Vergleich zu Tropico 1 keine großartigen Neuerungen bringt.

Autor: Christoph Hofmann (GamersGlobal)

Tropico 3 Test vom 23.09.2009 8.0 von maximal 10 Punkten Wertungsinfo: Die Wertung bezieht sich nur auf die PC-Version. Die Xbox-360-Fassung erscheint erst am 12. November. Fazit: Erfreulich komplexes und forderndes Aufbauspiel mit umfangreichem Wirtschafts- und Politiksystem. Bietet im Vergleich zum ersten Teil zwar keine großen (oder auch nur mittelgroßen) spielerischen Neuerungen, und der zähe Spielfluss ist nicht jedermanns Sache. Doch wer sich auf dieses Spiel einlässt, wird lange und intelligent unterhalten.

Einstieg/Bedienung Umfangreiche Hinweistexte Viele Infos werden direkt über die Stadtdarstellung vermittelt Radiomoderator gibt Live Tipps  Sanfte Einführung in das Spielprinzip  Deutsche Menütexte teilweise abgeschnitten Spieltiefe/Balance Komplexes Wirtschaftsmanagement Historische Ereignisse beeinflussen das Spielgeschehen Schwierigkeitsgrad individuell definierbar  Umfangreiches Politiksystem Prioritäten der Bauarbeiter oft unverständlich Grafik/Technik Schicke Wettereffekte Ansehnliche Inseln und Gebäude Realistischer Tag-/Nachtwechsel Inseln wirken steril  Geklonte und schlecht animierte Bewohner Sound/Sprache Hessische Touristen Stimmige Musikauswahl Atmosphärische Umgebungsgeräusche Soundtrack wiederholt sich zu oft Auf Dauer nerviger Radiomoderator Singleplayer Umfangreiche Kampagne Sandboxmodus Erstellen eines eigenen Präsidenten  3D-Avatar relativ unwichtig Multiplayer Onlineranglisten Integrierter Inselaustausch Eigene Herausforderungen hochladbar Kein richtiger Mehrspielermodus