Echtzeit-Krieg, echte Arbeit

Steel Division – Normandy 1944 Test

Rüdiger Steidle 2. Juni 2017 - 13:09 — vor 6 Jahren aktualisiert
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Aus nächster Nähe zeigen sich die Vehikel und Explosionen in ihrer ganzen Pracht.
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Langzeitspielspaß garantiert

Es gibt drei Kampagnen – zwei auf alliierter Seite, eine für die Deutschen – mit insgesamt zwölf Missionen, die sich von Sommer bis Herbst 1944 erstrecken. Das klingt nach wenig, allerdings braucht man für eine einzige Mission je nach Spielgeschwindigkeit schon mal drei, vier Stunden. Dazu kommen ein Skirmish- und ein Multiplayer-Modus mit 14 Karten. Tatsächlich bietet Steel Division also überdurchschnittlich viel Spielspaß fürs Geld.

Die Einsätze in den Feldzügen sind eher lose miteinander verknüpft und leider hat das eigene Abschneiden auch keine direkten Auswirkungen auf folgende Aufträge. Immerhin merkt sich das Spiel Verluste: Ein zerstörter Panzer ist dauerhaft verloren und kann in späteren Missionen nicht mehr angefordert werden. Dafür lassen sich gelegentlich Feindeinheiten übernehmen oder anderweitig zusätzliche Verstärkungen gewinnen.
 
Ein Stuka im Angriff auf ein Bodenziel. Lufteinheiten fliegen von außerhalb der Karte auf ausgewählte Ziele ein.
Bevor wir in die Schlacht ziehen, stellen wir unsere Kampfgruppe zusammen. Dafür haben wir in allen acht Einheitenklassen mehrere Positionen zur Auswahl. In der Kategorie Panzerabwehr finden sich beispielsweise Bazooka- oder Panzerschreck-Trupps, gezogene Pak (Panzerabwehrkanone) und Selbstfahrlafetten. Freilich können wir sämtliche verfügbaren Plätze mit den besten und teuersten Truppen füllen, bekommen dann aber unter Umständen zu wenige Nachschubpunkte, um die Verstärkungen auch anzufordern. Ebenfalls bei der Auswahl berücksichtigen müssen wir die oben erläuterten Kampfphasen. Was nützen uns fünf Tiger-Tanks im letzten Gefechtsabschnitt, wenn bis dahin schon alles verloren ist? Auch diesbezüglich sollten wir also auf eine ausgeglichene Auswahl achten.
 

Babysitter gesucht

Nach so viel Vorgeplänkel zum Nachschub- und Missionssystem kommen wir endlich zum eigentlichen Spielablauf. Wir betrachten das dreidimensionale Schlachtfeld mithilfe einer frei dreh- und zoombaren Kamera. In der niedrigsten Vergrößerungsstufe lassen sich einzelne Einheiten nicht mehr erkennen und werden stattdessen durch Symbole repräsentiert. Bei maximalem Zoom können wir die einzelnen Soldaten in einem Infanteriezug bewundern oder einen Kommandanten, der aus der Kuppel seines Panzers lugt. Typischerweise spielen wir Steel Division irgendwo zwischen diesen beiden Extremen. Wie bereits angedeutet, befehligen wir keine einzelnen „Männchen“, sondern Verbände und Einheiten: etwa ein Feldgeschütz mit Bedienmannschaft, einen Spähpanzer, eine Gruppe Pioniere, ein Jagdflugzeug. Üblicherweise beginnen wir mit einer Handvoll Einheiten und kommandieren im späteren Verlauf oft mehrere Dutzend Fahrzeuge, Geschütze und Infanterieverbände.

Unsere Schützlinge agieren innerhalb gewisser Grenzen eigenständig. Sie tauchen beispielsweise in Deckung, wenn welche in Reichweite ist. Sie suchen auch von allein Ziele aus und eröffnen das Feuer. Und sie befahren ohne unser Zutun die schnellste Route zum Bestimmungsort. Allerdings stellen sie sich nicht immer allzu schlau an, sodass wir viele Feinheiten doch lieber selber handhaben. Wenn wir zum Beispiel unserer 50-Millimeter-Pak nicht eigenhändig befehlen, das Feuer zu halten, ballert diese fröhlich frontal auf einen anrollenden Churchill-Panzer, obwohl sie nicht die geringste Chance hat, diesen auch nur anzukratzen. Sie verrät damit lediglich ihre Position und wird Minuten später von den lachenden Briten überrollt. Und wenn wir unserem LKW nicht sagen, dass er doch bitte den langsameren Kiesweg nehmen soll, brettert dieser Schnurstracks auf der Teerstraße durch die gegnerischen Stellungen, weil er so vermeintlich ein paar Sekunden flotter ans Ziel kommt. Wir wollen mit diesen Beispielen jetzt nicht auf der Einheiten-KI von Steel Division herumhacken, die auch nicht weniger clever ausfällt als bei vergleichbaren Genrevertretern. Wir wollen vielmehr verdeutlichen, dass sich die Truppen nur dann effizient einsetzen lassen, wenn man sie persönlich anführt – und das bedeutet Arbeit.
 

Gnadenlose Kampfmechanik

Hecken und Wäldchen bieten Infanterie gute Verstecke, allerdings nur bedingten Schutz vor Beschuss.
Dieses Phänomen wird durch die relativ realistische Gefechtsmechanik verstärkt. Unsere Panzer haben keine „Gesundheitspunkte“ wie bei Command & Conquer & Co. Ein guter, durchschlagender Treffer reicht, um sie in qualmende Wracks zu verwandeln. Und unser stolzes Paratrooper-Platoon wird binnen Sekunden niedergemäht, wenn es über ein offenes Feld auf schweres gegnerisches MG zu stürmt. Wenn wir nicht ständig aufpassen und alle Kräfte optimal und koordiniert einsetzen, erleiden wir horrende Verluste, die in der Kampagne umso schwerer wiegen.

Deshalb wird Steel Division spätestens in der zweiten Schlachtphase regelmäßig zur gnadenlosen Micro-Management-Prüfung. Hier verschieben wir eine Haubitze zwei Millimeter nach vorn, damit sie um eine Hausecke spähen kann. Dort ziehen wir ein Halbkettenfahrzeug zurück, weil dessen Besatzung nicht von selbst auf die Idee kommt, bei Panzerkontakt Deckung zu suchen. Ein paar Meter weiter verlegen wir einen Mörser, weil der plötzlich selbst unter Artilleriebeschuss steht. Und direkt nebenan bitten wir ein MG, sich doch zur Front hin auszurichten und nicht nach hinten zu gucken. Und so weiter und so fort. Bei Schlachtfeldern von mehreren Quadratkilometern Fläche und einigen Dutzend Einheiten ist ganz schön was zu tun, zumal die Steuerung zwar viele, aber längst nicht alle Komfortfunktionen bietet. Uns fehlt zum Beispiel die Option, mehrere Bewegungs- und Beschussziele parallel einzusehen und uns die Sichtlinien verschiedener Einheiten gleichzeitig anzuschauen.

Glücklicherweise lässt sich die Spielgeschwindigkeit in sechs Stufen regulieren, von „sehr schnell“ bis „bullet time“. Letztere Einstellung bietet genau, was der Name nahelegt: eine extreme Zeitlupe, in der selbst Geschosse ihre Bahnen gemächlich über den Bildschirm ziehen. Tatsächlich haben wir diese Option überraschend häufig genutzt, weil schon die nächsthöhere Geschwindigkeit – „sehr langsam“ – mitunter zu hektisch ausfällt, um noch rechtzeitig eingreifen zu können. Auf „normal“ wollen wir Steel Division ehrlich gesagt gar nicht spielen; in Mehrspieler-Begegnungen sind wir leider auf dieses Tempo festgelegt.

Leider sind die meisten Schlachten recht groß dimensioniert und zeitintensiv. „Leider“ deshalb, weil Steel Division sich von seiner besten, spannendsten Seite zeigt, wenn es um überschaubare Duelle zwischen einer Handvoll Einheiten geht. Bei großen Begegnungen bricht hingegen regelmäßig entweder Stress oder Chaos aus. Im Skirmish-Modus beträgt das kürzeste Zeitlimit 30 Minuten, die sich bei langsamem Ablauf zu anderthalb oder zwei Stunden strecken. Und die kleinste Punktegrenze für Zerstörung-Matches beträgt 1500 – das sind umgerechnet ungefähr 30 Infanteriezüge. Die Kampagneneinsätze fallen noch weit umfangreicher aus!
Von Hügeln aus genießen Einheiten eine erhöhte Sicht- und Reichweite. Infanterie darf sich außerdem in Häusern verschanzen.
Jörg Langer Chefredakteur - P - 469800 - 2. Juni 2017 - 13:10 #

Viel Spaß beim Lesen!

OTK 14 Komm-Experte - 1876 - 2. Juni 2017 - 13:16 #

Ich hätte schon Lust darauf, aber ich warte doch auf Sudden Strike 4.
Solange dauert es ja nicht mehr :)

Deathsnake 20 Gold-Gamer - 22556 - 2. Juni 2017 - 13:37 #

Und wer es vorbestellt hat bekommt immo Sudden Strike 1-3 incl. aller Addons. Oder kaufst 1-3 einzeln für 15 Euro :D

OTK 14 Komm-Experte - 1876 - 2. Juni 2017 - 14:29 #

In diesem Fall werde ich wohl vorbestellen :)

DerOhneNamen (unregistriert) 2. Juni 2017 - 13:25 #

Sieht wie eine runderneuerte Version von Combat Mission aus. Aber wohl leider nur mit STEAM zu haben, von daher für mich nicht akzeptabel :-(

Welat 16 Übertalent - 4041 - 2. Juni 2017 - 14:01 #

Besten Dank für den Test. Soll ich auf Sudden Strike warten??? Mhmmm...

DocRock 13 Koop-Gamer - 1380 - 2. Juni 2017 - 14:27 #

Ich hab Steel Division als Early Access gekauft und nach 2 Stunden wieder zurückgegeben. Ich hab einfach nicht verstanden, was in dem Spiel passiert. Es gab damals allerdings auch keinerlei Tutorial.. Außerdem hatte ich eine Art Company of Heroes 3 erwartet, was dieses Spiel leider absolut nicht ist. Panzer explodieren nach einem Treffer, Lebensbalken o.ä. gibt es nicht.

Ich warte jetzt auch auf SuSt4 und hoffe, dass mir das mehr zusagt.

Hanseat 14 Komm-Experte - 1884 - 2. Juni 2017 - 15:24 #

Für meine langsamer werdenden Reflexe ist das auch nichts mehr in Haubitze unter Zeitdruck 2mm nach vorne ziehen puh, dass der Rüdiger das noch gebacken bekommt: Hut ab :D

Noxmox6 06 Bewerter - 62 - 2. Juni 2017 - 15:57 #

"Nur englische Texte und Menüs"

Das stimmt nicht, man kann in den Option die Text-Sprache auf deutsch stellen

Jörg Langer Chefredakteur - P - 469800 - 2. Juni 2017 - 18:00 #

Danke für die Info. Ich glaub dir das einfach mal, und korrigiere es.

Sierra 27 Spiele-Experte - 84767 - 2. Juni 2017 - 16:15 #

Oha. Man kann nicht pausieren. Das finde ich blöd. Aber insgesamt doch recht ansprechend. Bevorzuge aber die moderne Kriegführung.

Vampiro Freier Redakteur - - 121635 - 2. Juni 2017 - 17:12 #

Du kannst aber die Zeit so extrem verlangsamen, dass es wie eine Pause ist.

Sierra 27 Spiele-Experte - 84767 - 2. Juni 2017 - 18:12 #

Das hab ich schon gelesen. Schöner wäre es für mich trotzdem, wenn alles stillsteht.

Toxe (unregistriert) 2. Juni 2017 - 18:59 #

Wie, was, es gibt keine Pause? Habe den Test noch nicht gelesen, aber dann brauche ich das auch nicht.

Keine Pause = kein Kauf.

Ich mag nämlich keine Echtzeitstrategie... oder sagen wir in den meisten Fällen lieber: Echtzeittaktik, denn mit Strategie haben die meisten wenig zu tun. Und bevor nun jemand sagt "aber Deine geliebten Paradox-Spiele sind doch Echtzeit, Du Tünnes!": Naja, theoretisch, aber in der Praxis nicht wirklich. ;-)

Einfach nach den Bildern gehend hatte ich erstmal angenommen, daß es eine Pause gibt, aber das ist tatsächlich ein komplettes Ausschlusskriterium.

Vampiro Freier Redakteur - - 121635 - 2. Juni 2017 - 17:12 #

Vielen Dank für den Test, ich freue mich aufs Lesen!

Michel07 (unregistriert) 2. Juni 2017 - 19:12 #

Danke für den Test, das hat mich mal wieder vor einem Fehlkauf bewahrt, Danke Rüdiger Steidle!

Koffeinpumpe 15 Kenner - 3824 - 2. Juni 2017 - 21:00 #

Schwierig. Die Eugen-Spiele haben mir prinzipiell
Spaß gemacht, aber Detailschwächen verhinderten eine längerfristige Motivation. Ähnlich scheint es bei dem Titel auch zu sein.

Esketamin 16 Übertalent - 4577 - 3. Juni 2017 - 7:42 #

Schöner Test. Das klingt sehr verlockend, aber vermutlich ist das Spiel nix für mich.

DomKing 18 Doppel-Voter - 9954 - 3. Juni 2017 - 15:33 #

Das Spiel ist halt, wie schon die Vorgänger der Wargame-Reihe, deutlich auf Multiplayer-Taktikschlachten ausgelegt. Die Kampagne war und ist immer ein netter Bonus, mehr aber auch nicht. Leider sind manche Dinge, wie fehlendes Wiederaufsetzen durchaus schlechter gelöst als in den Wargame-Spielen.

Ich bin noch am Herausfinden, was genau sich anders anfühlt. Die Wargame-Reihe, insbesondere AirLand Battle, hatte doch einen deutlich anderen Touch. Auch wenn das Spielprinzip gleich ist.

Vampiro Freier Redakteur - - 121635 - 5. Juni 2017 - 20:46 #

Habe bislang nur viele Videos gesehen, aber da scheint einer der Hauptunterschiede die dynamische Front und Punkte fürs Halten von 50+x Fläche der Karte mit entsprechenden Auswirkungen auf die Herangehensweise.

Limper 18 Doppel-Voter - P - 10310 - 6. Juni 2017 - 18:10 #

Ich hab das Spiel selbst zwar noch nicht, aber was man so lest kann man Paks schon wiederaufsetzen - es scheint nur nicht gut erklärt zu werden. Aus Eugens letztem Blogeintrag: "You can reembark any troops with any vehicle at your disposal. It’s the fastest way to move your AT gun everywhere. After many Beta requests, we also added the possibility to use a supply unit to move it across the map." http://www.eugensystems.com/steel-division-normandy-44-anti-tank-units/

Scando 24 Trolljäger - 54817 - 5. Juni 2017 - 20:41 #

Hört sich für mich interessant an, aber ich warte noch etwas ab. Gerade ist Blitzkrieg 3 erschienen und Sudden Strike 4 folgt bald.

Harry67 20 Gold-Gamer - - 24321 - 6. Juni 2017 - 6:54 #

Wieder ein erstklassiger Test. Wieder so ein Spiel auf das ich ja eigentlich schon ... aber andererseits ... oder doch ...? Kostet wahrscheinlich nur noch die Hälfte bis ich mich endlich entschieden habe ;)

Labolg Sremag 14 Komm-Experte - 1910 - 7. Juni 2017 - 10:03 #

kein einfaches Spiel, kein Lollipop Command&Conquer oder StarCraft.
man muss schon die Art der Spiele wie Wargame oder das Arcadige Ruse gemocht haben um in Steel Division Freude zu haben.

gewünscht hätte ich mir aber doch ein wenig mehr Liebe bei der Präsentation im Singleplayer bzw. bei den Kampagnen, so ist das Spiel einfach nur ein tolles MP Skirmish/Spektakel für Enthusiasten der Kriegsführung in der Zeit!

sluggo23 (unregistriert) 8. Juni 2017 - 14:00 #

Alle die sich fragen, ob ihnen sowas Spaß macht, sollen doch bitte für wenig Geld den ersten Teil von Wargame ausprobieren.
Ich spiele meist nur Taktiktitel, aber was Eugen regelmäßig produziert ist fantastisch und im (echten) Strategie-Genre für mich die fast perfekte Mischung aus Bedienung und Komplexität. Ein Vergleich mit Sudden Strike/Starcraft/Company of Heroes... verbietet sich komplett. Gegen Steel Division wirken die Titel alle irgendwie luftig und auf Action reduziert. Mit Strategie haben die meisten Titel somit eigentlich gar nicht viel zu tun. Wie Action-RPG's mit richtigen Rollenspielen.