Test: Early-Access-Verkaufsbox

Planetary Annihilation Test

Willkommen beim Abo-Wunschartikel im Juli! Erst Kickstarter-Kampagne, dann digitaler Alpha-Download, inzwischen ist die Early-Access-Version des RTS auch regulär im Laden in einer Box ("inklusive Vollversion-Upgrade") zu haben. Dabei ist der geistige Nachfolger von Total Annihilation und Supreme Commander längst nicht fertig.
Rüdiger Steidle 10. Juli 2014 - 14:03 — vor 9 Jahren aktualisiert
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Alle Screenshots stammen von GamersGlobal.

Update 9.9.2014: Mittlerweile ist Planetary Annihilation offiziell erschienen und wir haben einen Test der (theoretisch) fertigen Version veröffentlich.

Von Star Citizen einmal abgesehen, hat wohl kein Spieleprojekt der jüngeren Vergangenheit derart erfolgreich alle Register des Crowdfundings gezogen wie Planetary Annihilation. Schon bei der ursprünglichen Finanzierungskampagne für das von Chris Taylors Echtzeitstrategie-Spielen Total Annihilation beziehungsweise Supreme Commander inspirierten Projekts rappelte es in der Kiste: Via Kickstarter kamen 2,2 Millionen US-Dollar zusammen (das Ziel waren 900.000). Inzwischen verscherbeln die Entwickler von Uber Entertainment die Beta auch über Steam, Origin, den Humble Store, die eigene Website und sogar in einer verpackten Fassung in deutschen Spieleläden. Gerade für das letztgenannte Angebot ernteten die findigen Macher einige Kritik – schließlich erwartet Otto Normalverbraucher im Laden keine (allzu) unfertigen Titel. Uber Entertainment aber meint, der deutliche Hinweis auf „Early Access“ sei Warnung genug. Wir meinen: Wer eine Beta derart offensiv anpreist, muss sich auch gefallen lassen, dass es vielleicht noch nicht final, aber zumindest vorläufig getestet und bewertet wird – was wir hiermit tun. Ein Test der für September avisierten fertigen Fassung ist natürlich fest geplant.

Jedenfalls: Die Einnahmen sprudeln. Für alle Stretch Goals, also für die „Das könnten wir noch einbauen, wenn wir genug Kohle zusammenbekommen“-Traumziele der Designer fanden sich genügend Unterstützer. Zuletzt wurde der klassische (und klasse!) Soundtrack von einem Symphonieorchester eingespielt. Nicht schlecht für ein Projekt, das zumindest ansatzweise der Indie-Szene zuzurechnen ist, auch wenn viele Teammitglieder vorher einschlägige Erfahrung bei diversen Großprojekten gesammelt (C&C Generäle, Die Schlacht um Mittelerde, Battlespire) und mit Nordic Games auch einen professionellen Vertrieb gefunden haben.

Riesige Echtzeitschlachten
Auf der Kampagnenkarte können wir unseren Weg von einem System zum nächsten frei wählen. Die Reihenfolge ist egal.
Was bekommen die Kleininvestoren nun für ihr Geld? Kurz gefasst: Ein Echtzeit-Strategiespiel, das sich angesichts des nach wie vor gültigen Betastatus schon erstaunlich rund und glatt poliert anfühlt, in einigen entscheidenden Bereichen allerdings noch unangenehme Ecken und Kanten aufweist. Zumindest Sologeneräle sollten mit dem Kauf noch warten. Doch dazu später mehr, immer der Reihe nach. Ähnlich wie die Vorbilder Total Annihilation und Supreme Commander punktet Planetary Annihilation mit Echtzeit-Gefechten im großen Maßstab. Das bedeutet, dass regelmäßig viele Dutzend bis Hunderte Truppen ins Gefecht ziehen (Science-Fiction-Panzer, Kampfroboter, Bomber) und ganze Industrieparks verwaltet werden wollen, statt einzelner Basisbauten und kleiner Verbände.

Es gibt eben nicht nur eine Handvoll Rohstoffquellen, sondern Dutzende, nicht zwei Kraftwerke, sondern eher 20. Das bedeutet auch, dass einzelne Einheiten und Gebäude wenig wert sind. Die Masse macht’s, und genau das ist ja gewollt: Die Designer und Fans wollen das Gefühl haben, echten (Zukunfts-) Krieg zu führen, und der findet eben nicht zwischen ein oder zwei Dutzend Trupps statt. Das heißt jedoch im Umkehrschluss: Taktikfreunde und Micro-Manager, die gerne ihre Schützlinge hegen und pflegen und die Mitglieder ihrer Einsatzgruppen separat kommandieren wollen, werden an den chaotischen Massenschlachten von Planetary Annihilation verzweifeln. Selbst die Auswahl bestimmter Fahrzeuge oder Flieger kann fummelig werden. Viele Vehikel verglühen zudem schon nach ein, zwei Treffern – es sind eben Kanonenfutter-Einheiten statt Hitpoint-starker Einzelhelden.
Die Explosionen, Druckwellen, Rauchspuren und andere Zerstörungseffekte sind durchaus beeindruckend in Szene gesetzt – wenngleich sie mit ihrer stilisierten Darstellung auch etwas antiquiert wirken.

Clevere Kerlchen
In der niedrigsten Vergrößerungsstufe haben wir  tatsächlich den ganzen (oder besser: halben...) Planeten im Blick.
Glücklicherweise agieren unsere Kämpfer auch auf sich allein gestellt recht clever, rücken etwa auf Bedrohungen selbständig vor, bilden Formationen, reparieren Schäden oder schützen schwächere Verbündete. Zudem gibt es eine ganze Reihe von Spezialbefehlen, mit der wir das Verhalten unserer Truppen beeinflussen können, etwa Patrouillenrouten einrichten. Allerdings leidet in der aktuellen Early-Access-Fassung die Künstliche Intelligenz unter regelmäßigen Aussetzern, etwa wenn sie in Verbänden plötzlich unbewaffnete Unterstützer in die vorderste Reihe stellt. Oder wenn geschlossene Gruppen, bei Angriffen von zwei Seiten, wild auseinanderfasern. Auch der Computergegner zeigt sich längst nicht immer von seiner kompetenten Seite; er reagiert allzu passiv auf frühe Störangriffe (Rushes), vernachlässigt ganze Frontabschnitte und setzt selten auf einen ausgeglichenen Truppenmix. Alles in allem macht die Computerintelligenz noch keinen allzu überzeugenden Eindruck auf uns.

Planetare Auslöschung
& Galactic War
Immerhin genießt die KI strategische Vorteile, einfach dadurch, dass sie eine KI ist und nicht ein Mensch mit zwei Händen und zwei Augen. Denn wie der Name "Planetare Vernichtung" nahelegt, stellt das RTS von Uber Entertainment nicht einzelne Maps, sondern gleich ganze Planeten in den Mittelpunkt des Konflikts. Jedes Gefecht wird tatsächlich auf einem kompletten, dreidimensionalen Himmelskörper ausgetragen, den wir mit der Maus drehen, schwenken, vergrößern und verkleinern können. In der kleinsten Zoomstufe werden unsere Einheiten nur noch durch farbige Icons repräsentiert (die fürchterlich fummelig auszuwählen sind). Stufenlos können wir von ganz weit weg bis auf einzelne Panzer zoomen, ein immer wieder sehenswerter Effekt, der uns zudem clever die epischen Ausmaße von Planetary Annihilation verdeutlicht.

In der Solokampagne (Galactic War genannt), arbeiten wir uns mit unseren Zukunftsarmeen von einem Sternensy
Anzeigen/v
stem zum nächsten vor. In manchen Systemen müssen wir sogar gleich mehrere Welten erobern, um sie unserem galaktischen Imperium einzuverleiben. Das Problem: Während wir in der ersten "Arena" fechten, hat unser Gegenüber Zeit, seine Stellung auf den anderen Planeten zu befestigen – bis diese kaum noch zu knacken sind. In Verbindung mit der Tatsache, dass wir nicht speichern dürfen und eine einzige verlorene Schlacht schon das Aus in der Kampagne bringt (!), macht dies das Fortkommen im späteren Spielverlauf praktisch unmöglich – und die aktuelle Beta von Planetary Annihilation zu einer frustrierenden Erfahrung für Einzelspieler. Dazu kommen einige Schwächen im Balancing. So kassieren wir für jede eroberte Welt Boni, die neue Einheiten und Technologien freischalten oder bestehende aufwerten. Nur werden die Prämien leider zufällig verteilt. Wenn wir nach drei Siegen immer noch ohne Luftwaffe auskommen müssen und der Computergegner unsere Bodentruppen mit seinen Bombern zerpflückt (Luftabwehrgeschütze sind arg unflexibel), wird es schnell unfair. An diesen eklatanten Balance-Problemen muss Uber Entertainment ganz dringend arbeiten in den verbleibenden Monaten.
Eine feindliche Bomberstaffel verwandelt unsere Bodentruppen binnen Sekunden in qualmende Wracks. Doof, wenn wir noch keine guten Kontertechnologien freigeschaltet haben, was stark vom Zufall abhängt.
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