Test: Pulp Fiction

No More Heroes 2 Test

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Wenn das Chaos gerade mal wieder derart komplett ist wie hier im Supermarkt, wären wir über eine bessere Kameraführung äußerst glücklich. Denn gerade auf engem Raum kommen wir oft in Schwierigkeiten.

Herr Ober, einmal Schlachtplatte bitte!

Soviel Blut und doch ungeschnitten? Ja - die Gewalt ist derart comichaft, dass man sie kaum ernst nehmen kann.
No More Heroes 2 geht in Sachen Gewaltdarstellung nicht nur bei den Finishern in den Bosskämpfen auf vollen moralischen Konfrontationskurs. Dass es, im Gegensatz zum Vorgänger, dennoch ungeschnitten auf dem deutschen Markt verkauft wird, ist nur dem Umstand geschuldet, dass man soviel Blut auf einmal schon gar nicht mehr ernst nehmen kann. Bis auf einen einzigen Bossgegner (siehe da, Travis Touchdown kann Gnade walten lassen) kommt nicht ein einziger Feind in No More Heroes 2 in einem Stück davon. Durch Drücken des A-Knopfs bearbeitet ihr sie mit (Licht-) Schwerthieben, durch Drücken des B-Knopfs stoßt ihr sie durch einen beherzten Tritt von euch. Und ist der Lebensbalken eines Gegners am unteren Ende angelangt, setzt ihr durch das Bewegen der Wii-Remote in eine auf dem Bildschirm angezeigte Richtung zum finalen Schwertstreich an -- worauf Travis Touchdown den Gegner genau in dieser Hiebrichtung zerteilt und nur eine Blutwolke hinterlässt.

Sollte es euch gelingen, einen Gegner durch besonders harte Hiebe zu betäuben, könnt ihr außerdem mit dem B-Knopf einen von mehreren Wrestling-Moves auslösen, der für euer Gegenüber den sofortigen Bildschirmtod bedeutet.  Um diese garantiert nicht jugendfreie Schlachtplatte endgültig ad absurdum zu führen, wird nach jedem erledigten Gegner eine Slot Machine am unteren Bildschirmrand in Bewegung gesetzt. Wenn diese bei drei übereinstimmenden Symbolen stoppt, erlangt ihr für einen kurzen Zeitpunkt Superkräfte. Dreimal die Zahl 7 bedeutet, dass Travis eine Explosion auslöst, die sämtliche im Areal befindlichen Gegner auslöscht. Und wenn dreimal das Wort BAR erscheint, verwandelt ihr euch kurzerhand in einen Tiger, mit dem ihr etwa 30  Sekunden lang blutig walten könnt.

Was die Entwickler aber zu der Designentscheidung getrieben hat, das Ausweichen nur mit dem Steuerkreuz der Wii-Remote zu ermöglichen? Wir haben leider nur eine rechte Hand! Wenn wir also gerade Schwerthiebe durch die A-Taste verteilen, können wir kaum gleichzeitig das Steuerkreuz betätigen, und umgekehrt. Ähnlich lästig: Wenn sich der Akku unseres Beam Katanas (gegen die Bezeichnung Lichtschwert hätten wohl die Anwälte von George Lucas Einspruch erhoben) seinem Ende entgegen neigt, müssen wir die 1-Taste gedrückt halten und den Akku durch schnelles Schwenken der Wii-Remote neu aufladen. Serienveteranen kennen das Prozedere schon aus dem ersten Teil -- in der Spielgrafik sieht das dann so aus, als ob Travis masturbiert. Möglicherweise sind wir da in der Minderheit, aber diese Aufladesequenz fanden wir schon bald nicht mehr zum Lachen. Dummerweise hindert sie den Spielfluß enorm, zumal uns dabei wegen der vermaledeiten Kamera ständig Gegner unangekündigt in den Rücken fallen.

Das meinst du nicht ernst, oder?

Ähnlich schnell wie an die überzogene Comic-Gewalt haben wir uns beim Test leider auch an das Leveldesign gewöhnt. Insbesondere die Innenareale sind wenig abwechslungsreich. Ob wir uns nun in einem Supermarkt oder in einem Hochhaus befinden, irgendwie sieht alles gleich aus. Das ist vor allem der wenig detaillierten Grafik geschuldet. Die leistet zwar bei den Charaktermodellen sehr gute Arbeit, lässt jedoch in eigentlich nach Atmosphäre schreienden Umgebungen wie einem Friedhof jegliche Atmosphäre vermissen. Hier mal ein Grabstein, da mal ein Kreuz, das war's.

Auch unsere Aufgaben sind wenig abwechslungsreich: Areal von Gegnern säubern, weitergehen, neues Areal von Gegnern säubern, weitergehen, Bossgegner. Einmal lässt No More Heroes 2 das Vorspiel sogar gänzlich aus und konfrontiert uns sofort mit dem Bossgegner, als ob es uns das ewig gleiche Prozedere ersparen möchte. Nur um in einem der nächsten Level einen Kampf auf einem Parkplatz auf endlos lange 20 Minuten zu strecken, indem es uns, ohne jeglichen Szenenwechsel, Gegner um Gegner entgegen schickt. Zu einem ganz anderen Zeitpunkt des Spiels erhalten wir plötzlich mehr Abwechslung geboten, als wir erwartet hätten: Zwei Levels lang dürfen wir mit einem völlig neuen Charakter und neuen Kampfmöglichkeiten (sowie der beneidenswerten Eigenschaft, springen zu können) spielen. No More Heroes 2 ist nicht planbar, nicht durchschaubar und wir wissen auch nach dem Durchspielen noch nicht wirklich, was das alles soll.

Auch Shinobu Jacobs, in deren Haut ihr zwischendrin aus Gründen, die wir euch nicht verraten wollen, schlüpft, ist mit Bossgegnern wenig zimperlich. Nun ja: das hättet ihr wahrscheinlich auch ohne diese Bildunterschrift erkannt.

Alanar 14 Komm-Experte - 1982 - 7. Juni 2010 - 22:43 #

Sehr schöner und durchweg gelungener Testbericht! Erfasst auch schön die zahlreichen Mängel des Spiels, die es immer wieder auf's neue schwer machen, Titel aus dem Hause Grasshopper Manufacture zu lieben.

Wobei, was mache ich mir da vor. Mir persönlich hat "No More Heroes 2" hervorragend gefallen und es zählt trotz seiner Probleme schon mal definitiv zu meinen persönlichen Spielen des Jahres 2010. Charlie MacDonald allein ist die Erfahrung wert. Die ganzen anderen Bosse sind noch das Sahnehäubchen, der durchgedrehte Humor die Kirsche auf der Torte.

Was den Schwierigkeitsgrad und das Katana-Laden betrifft: Damit hatte ich selbst eigentlich nicht so große Schwierigkeiten. Süß empfand ich als viel zu anspruchslos (vor allem die Bosskämpfe) und in einen Batterienotstand bin ich dank häufigem Darkside-Einsatz (wo als Bonus stets die Batterie voll aufgeladen wird) bis auf ein einziges Mal nie gekommen. Also auf Süß und Mild. Bitter muss ich mir demnächst noch mal antun. Dann wiederum ist das auch nur mein Empfinden und ich bin eigentlich kein wirklich guter Maßstab für sowas.^^"

*nitpick mode on* Aber noch ein kleiner, eigentlich alles andere als bedeutender Detailfehler, die mir beim Lesen aufgefallen ist: Die Dame auf dem untersten Screenshot auf Seite 3 heißt Shinobu Jacobs, nicht Shinobi - wobei man das durchaus schon mal verwechseln kann. *nitpick mode off*

Philipp Spilker 21 AAA-Gamer - P - 25137 - 7. Juni 2010 - 22:57 #

Shinobu IST aber auch ein komischer Name. Danke für den Hinweis. Und freut mich, dass dir der Testbericht so zusagt. Charlie MacDonald wird auch im Testvideo noch eine große Rolle spielen - wie sollte es anders sein, er ist ja wirklich ein Paradebeispiel.

Zum Schwierigkeitsgrad: Natürlich ist "Mild" machbar. Und es geht völlig gegen meine Angewohnheit, in Spielen den leichtesten Schwierigkeitsgrad zu wählen. Normalerweise gehe ich inzwischen alle Spiele auf "Schwer" an. Aber bei so ziemlich jedem meiner Tode auf "Mild" hatte ich das Gefühl, dass das jetzt nicht wirklich mein Fehler war, sondern Fehler des Spiels. Und bevor ich mich damit weiter rumärgere, wähle ich doch lieber "Süß" und mache mir das Spiel nicht zusätzlich zu den eh vorhandenen Aufregern selbst zur Hölle.

Aber Junge, glaub mir: "Bitter?" Das willst du einfach nicht. Wirklich nicht. ;)

Anonymous2.0 (unregistriert) 7. Juni 2010 - 22:51 #

Super, danke, dass ihr noch nen Test nachgeschoben habt:) Eure Kritik kann ich voll nachvollziehen auch wenn das Spiel, trotz schlechter Kamera etwas an Charm verliert, rangiert es doch unter meinen absoluten Favoriten. Leider muss ich aber sagen, dass der erste Teil, trotz schlechterer Grafik und Open World besser war. Das liegt vorallem an der Story und daran dass es irgendwie noch anarchistischer war. (Wort passt jetzt nicht so ganz, wisst aber was ich meine) Trozdem auch Teil 2 ist super und ich kann jedem empfehlen ihn zumindest einmal anzuspielen, wenn nicht sogar zu kaufen. Wenn ihr den ersten noch nicht kennt nehmt ihn gleich für 17€ dazu und lasst euch nicht von der Grafik bzw den Minigames abschrecken. Suda 51 ist und bleibt einfach der Tarantino der Spielebranche, ich freu mich schon auf sein nächstes Projekt!

Faerwynn 20 Gold-Gamer - P - 20268 - 7. Juni 2010 - 23:45 #

"Ihr werdet es abgrundtief hassen, aber zwischendrin auch immer mal wieder lieben."

Das ist es, was ich an Tests nicht mag, dass sie den Anspruch erheben den Geschmack eines jeden zu treffen. ;) Ich habe schon mit vielen Spielen, die nicht so gut bewertet wurden mehr Spaß gehabt als mit manchen super bewerteten "Hits". Momentan mit Lost Planet 2, was hier auch nicht gut bewertet wurde, aber mich länger fesselt als Assassin's Creed oder Anno... Spiele sind halt Geschmackssache. Und ich finde NMH 2 einfach durch seine Abgefahrenheit millionenmal toller als das x. Call of Duty.

Philipp Spilker 21 AAA-Gamer - P - 25137 - 8. Juni 2010 - 11:52 #

Wir versuchen mit diesem Test, den Geschmack eines jeden zu treffen? Nö, da muss ich widersprechen. Aber wir wollen eine gute Kaufberatung bieten. Und da ist es dann nun einmal so, dass wir die großen Macken nicht unter den Tisch kehren können. Außerdem: Haben wir denn NMH2 und LP2 wirklich schlecht bewertet? I don't think so. 7.0 ist schließlich immer noch das obere Drittel einer nach unten hin noch weit offenen Wertungsskala. Nur hat sich in den letzten Jahren irgendwie die Meinung verbreitet, dass unter 8.0 Spiele schon nichts mehr taugen. Was ein großer Trugschluß ist, wie du ja auch selber sagst.

Eins meiner absoluten Lieblingsadventures ist Syberia. Das wurde nach Erscheinen von den meisten Magazinen ziemlich abgestraft, aber für mich gehört es dennoch zu den All-Time-Greats. Das ging sicher jedem schon mal so - aber nochmals: Was das damit zu tun haben soll, dass wir es allen recht machen wollen, musst du mir mal erklären. :)

General_Kolenga 15 Kenner - 2869 - 8. Juni 2010 - 0:03 #

Schöner Test, muss man sich eine Anschaffung wohl mal überlegen, aber zuerst kommt auf jeden Fall Red Steel 2!

PS: "Sämtliche Reisen finden nur noch anhand dner Weltkarte statt"
Da hat sich wohl ein 'n' eingeschlichen ;)

Ganon 27 Spiele-Experte - - 83888 - 8. Juni 2010 - 11:38 #

Der Test liest sich sehr gut. NMH2 hab ich noch nicht gespielt, aber die Erfahrungen mit Teil 1 waren ähnlich wie das hier Beschriebene. Der Open-World-Teil mit den spaßfreien Nebenjobs war wirklich die große Schwäöche des ersten Teils, die Bosskämpfe das Highlight. Obwohl die teilweise auch ziemlich frustrierend waren. Trotzdem cool, dass es diesmal mehr Endgegner gibt. Kritik an den Zwischensequenzen erübrigt sich eh. Wäre NMH nicht so abgefahren, übertrieben schräg und völlig sinnlos, wäre es ein ganz anderes (und schlechteres) Spiel. Und wenn Travis' Charakter es verlangt, ständig primäre Merkmale des weiblichen Körpers zu fokussieren, dann muss das eben so sein. :D

GonFreaks1988 (unregistriert) 8. Juni 2010 - 13:41 #

Ich hab es gerade erst Teil 1 durchgespielt und muss sagen, dass ich Teil 2 auf jeden Fall spielen werde. Ich finde Teil 1 war einfach cool, auch wenn ich mich manchmal zwingen musste weiterzuspielen, weil mich die Nebenmissionen und Minispielchen gestört haben. Aber die Bosse waren richtig gut.
Aber das Spiel hat sich auch nicht so ernst genommen. Zum Beispiel beim letzten Endgegner als das Spiel eine Videosequenz "vorspult", da das, was die Gegnerin sagt, die "Altersbeschränkung höher setzen würde". Einfach nur geil , da musste ich richtig doll lachen.
Wenn NMH 2 genau den gleichen Humor hat und die Bosskämpfe immer noch so cool ist, werde ich das auf jeden Fall spielen.
Bei den Minispielen interessiere ich mich vor allem für das Manga- Mädchen- Spiel.
Ich werde es mir bald zulegen. Genauso wie Killer 7 auch noch gekauft wird.

Sven 18 Doppel-Voter - 9221 - 8. Juni 2010 - 14:48 #

"No More Heroes 2 ist nicht planbar, nicht durchschaubar und wir wissen auch nach dem Durchspielen noch nicht wirklich, was das alles soll."

Der Test und auch das Video ist eine ziemlich akkurate Beschreibung dessen, was auf dem Bildschirm zu sehen ist - dafür ein großes Lob!

Schade aber, dass gerade der kulturelle Aspekt des Spiels nicht zum Tragen kommt: No More Heroes 2 bestreitet einen ganz schmalen Grad zwischen Verballhornung und Hommage der Otaku-Szene. Ganz grob: Ein Otaku ist ein japanischer Nerd, vorrangig interessiert in Manga, Anime und natürlich Videospiele. Im Gegensatz zum europäischen Pendant lebt die Szene allerdings von ihren teils völlig überdrehten Mitgliedern - eben solchen, die wie Travis überproportionierte Frauen auf dem T-Shirt tragen und dir das Ohr mit ihren imaginären, stets spektakulären Heldentaten blutig quatschen. So erfüllt auch die Gewalt im Spiel keinen Selbstzweck, sondern dient eher dazu, die Story so abstrakt wirken zu lassen, wie es die Erzählungen der Okatu sind. Haut mal Gerjet an - der dürfte dazu sicherlich noch mehr wissen. :-)

Die eigentliche Ironie an der Sache ist aber, dass das Spiel (zumindest noch) nicht in Japan selbst erschienen ist.

Philipp Spilker 21 AAA-Gamer - P - 25137 - 8. Juni 2010 - 15:04 #

So verwunderlich ist das gar nicht, wenn man bedenkt, wie schlecht sich der erste Teil damals in Japan verkauft hat. Was den kulturellen Aspekt Otaku-Szene angeht: ich habe ihn ganz bewusst aus dem Test herausgelassen. Aufgabe des Artikels sollte es ja schließlich nicht sein, die japanische Nerd-Kultur zu beschreiben. Aber du hast völlig recht: No More Heroes 2 parodiert da schon äußerst gezielt und vor allem von Anfang an "volles Brett".

Freut mich, dass dir Test und Video zusagen. Und schönen Dank auch für die Otaku-Erläuterungen - für einige Mitleser ist das Thema ja vielleicht noch ganz neu.

Henke 15 Kenner - 3636 - 22. Juli 2010 - 0:27 #

Vielen Dank, lieber Philipp,

ich fand Deinen Test sehr gut geschrieben und äußerst informativ, sowohl Pro als auch Contra Travis wurden mehr als großzügig behandelt und auch dem Fazit am Schluß bleibt nichts mehr hinzuzufügen.

Bisher war die Wii von Nintendo ja eher als kinderfreundlich verschrien und Spiele für Erwachsene dann doch eher Mangelware! Das und der Umstand, nur bei zugezogenen Gardinen vor einem (immer zu kleinem) Fernseher den Hampelmann zu geben, haben mich bisher davon abgehalten, mein sauer Erspartes für eine Wii auszugeben... No more Heroes 2 wird daran wohl auch (noch) nichts ändern, doch es erscheint mir wie ein weiterer Schritt in die richtige Richtung, nämlich die Wii auch interessant zu machen für ältere Semester.

Sollten also ein paar Spiele mehr herauskommen, die eine ähnliche Richtung einschlagen, so werde ich mir Nintendos Verkaufsschlager wohl doch noch in die Stube stellen...

Philipp Spilker 21 AAA-Gamer - P - 25137 - 22. Juli 2010 - 13:12 #

Henke, was die Entwicklung in Sachen "Erwachsenenmarkt" angeht, hat sich aber auch schon vor No More Heroes Einiges getan. So ist beispielsweise Dead Space: Extraction ein schlicht großartiges Spiel, dass den Brüdern auf der großen Konsole in nichts nachsteht. Und es hat nicht so viele Macken wie dies leider bei NMH2 der Fall ist. Und das ist nur ein Beispiel.