Überall in Wasteland findet ihr inhaftierte Kobolde, zum Teil ziemlich versteckt. Wer sie befreit, darf auf ihre Unterstützung hoffen – wenn etwa Maschinen repariert werden müssen.

Parallelwelt-Flair

Es sind vor allem die liebevollen Details von Micky Epic, die Comic-Fans staunen lassen. Die meiste Zeit dient die Mean Street als Zentrum, von wo aus ihr in die einzelnen Levelabschnitte teleportiert. In dem farbenprächtig gestalteten kleinen Städtchen fühlt ihr euch, als würdet ihr durch einen Themenpark spazieren. Ihr findet dort auch die bekannte Walt-Disney-Statue, allerdings hält der berühmte Filmproduzent in Wasteland nicht Micky an der Hand, sondern Oswald, den lustigen Hasen. Ihn schuf Mr. Disney bereits vor der berühmten Maus, doch stahl die ihrem Langohr-Vorgänger bald die Schau. Im Ödland ist Oswald der Star, und das Spiel lebt von diesem Parallelwelt-Flair, das außerdem viele überraschende Anspielungen aufs Disney-Universum bereit hält. Eine Begegnung mit einem Level-Boss verleitet uns fast, zu spoilern – weil wir diese extrem originell fanden. Doch nein … nur so viel: Im Mittelpunkt steht ein Film aus dem Hause Disney, der so gar nichts mit Zeichentrickfiguren zu tun hat, sondern mehr mit Sciencefiction.

Ihr trefft in Micky Epic zahlreiche mehr oder weniger vertraute Charaktere (etwa Roboter-Versionen von Donald, Goofy und Daisy), vor allem aber unbekanntere Figuren. Die sind teils herrlich skurril, verbreiten deshalb mächtig gute Laune und schaffen es sogar, unser Herz zu berühren. Oswald etwa macht eindrucksvoll klar, wie sehr er darunter litt, in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts im übergroßen Schatten der Ikone Micky Maus zu verschwinden. Ohne Mist, wir empfanden nach seinem Geständnis echtes Mitgefühl. Das ist etwas, was wirklich den wenigsten Spielen gelingt, weil sie erzählerisch der Filmbranche hinterherhinken.

Typisches Kletterrätsel: Das drehende Zahnrad lässt sich mit Farbe starten, mit Verdünner stoppen. Damit Micky die daran befindliche Plattform erklimmen kann, muss diese horizontal stehen.

Retro rockt

Als weitere heimliche Stars des Action-Adventures entpuppen sich die kleinen, aber feinen 2D-Jump-&-Run-Abschnitte, von denen manche, bis auf Farbtupfer Micky, komplett in Schwarzweiß gehalten sind. Sie basieren auf alten Disney-Geschichten wie Steamboat Willie und dienen als Bindeglied zwischen Mean Street und den anderen Schauplätzen. Auch die zuletzt Genannten präsentieren sich als fantasievoll und abwechslungsreich. Besonders gefallen haben uns das zuckersüßquietschbunte OsTown und das futuristische Tomorrowstadt. Noch ein Hinweis für Jäger und Sammler: In den zweidimensionalen Hüpf-Levels finden sich Filmrollen, mit denen sich unter anderem der 1928 erschienene Streifen Oh What a Knight freischalten lässt, in dem Oswald die Hauptrolle mimt. Das Filmchen kann man sich im Extras-Menü reinpfeifen.

Was man wissen muss: Ihr könnt zwar einigen der bereits abgeklapperten Regionen noch weitere Besuche abstatten, aber in nur sehr engem Rahmen. Wer ein Open-World-Erlebnis erhofft hat, dürfte enttäuscht sein: offene Welt is' nich', Micky Epic setzt zu 90 Prozent auf strenge Linearität und kleine Levels. Beim einen oder anderen enttäuschten Deus Ex 2-Spieler könnte die letzte Anmerkung unliebsame Erinnerungen wecken. Apropos: Epic Micky verfügt über Rollenspielelemente, allerdings in sehr rudimentärer Ausprägung. So steigt im Lauf der Zeit der Vorrat an Farbe und Verdünner, vielleicht ergattert ihr auch in einem Laden ein Lebensenergie-Update. Außerdem gibt’s kleine Hilfsmittel für die rar gesäten Kämpfe, zum Beispiel Fernsehapparate, die kurzzeitig Feinde ablenken. Schön gefunden hätten wir ein paar andere „Waffen“, angeboten hätten sich Bleistift, Farbspraydose und Hightech-Airbrush-Pistole, oder?    

Für Donaldisten

In der Summe ist Micky Epic ein Spiel mit Ecken und Kanten, dafür aber auch eines mit Herz und Seele. Für die ganz Kleinen scheint es uns fast ein bisschen zu gruselig, aber im Grunde hat das Disney-Abenteuer echten Vater-Sohn-Charakter: Gemeinsam das Wasteland zu retten, gemütlich vor der Wii sitzend, macht sicher viel Spaß. Auch weil schon das Zusehen nicht ohne Reiz ist. Darüber hinaus kann Papa eingreifen, sollte Zwerg Nase in kniffligeren Levels auf Probleme stoßen. Wenngleich: Bei den heutigen Zweikäsehochs, die spätestens zum ersten Geburtstag statt einer Rassel ein Nunchuk geschenkt bekommen, läuft es vielleicht eher umgekehrt.

Uneingeschränkt empfehlen können wir euch Warren Spectors neues Baby wegen der genannten spielerischen Schwächen nicht. Lediglich Comic- und Disney-Begeisterte, die beinahe schon zum Fanboy-Kult neigen, sollten ohne weiteres Nachdenken in den Laden rennen. Mitglieder der Deutschen Organisation nichtkommerzieller Anhänger des lauteren Donaldismus (D.O.N.A.L.D.) zum Beispiel. Gut, das  meinen wir jetzt ein bisschen augenzwinkernd, aber keinesfalls abwertend! Es geht vielmehr darum – und so schließt sich der Kreis zur eingangs erwähnten Liebeserklärung – dass Liebende kleine Macken verzeihen oder sie überhaupt nicht wahrnehmen. Glückwunsch, falls ihr dazugehört!                 

Autor: Harald Fränkel / Redaktion: Jörg Langer (GamersGlobal)

Micky Epic Test vom 26.11.2010 7.5 von maximal 10 Punkten Wertungsinfo: Keine Besonderheiten Fazit: Micky Epic ist ein gutes, aber keineswegs phänomenales Spiel. Unbedingt gedaddelt haben müsst ihr es nicht. Es wird sogar viele Menschen enttäuschen! Auf hohem Niveau allerdings, denn stellenweise blitzt dann doch die Handschrift von Großmeister Warren Spector durch. Es ist ja so eine Sache mit der Erwartungshaltung: Im vorliegenden Fall dürfte sie bei manchen schlichtweg Desillusion generiert haben. Andererseits sind wir sicher, dass die Wertung des einen oder anderen Spielemagazins niedriger ausgefallen wäre, hieße der Mann hinter diesem Actionspiel nicht Warren Spector, sondern Manfred Mustermann, Otto Normal oder John Doe. Wir haben versucht, die rosa Brille abzusetzen, obwohl wir den Deus-Ex-Papa seit jeher schätzen – und es wohlgemerkt noch immer tun. Für Micky Epic schreiben wir ihm eine 3+ ins Zeugnis.

Einstieg/Bedienung Auftaktkapitel als Tutorial Sehr gute Steuerung, beim Zielen präzise Kartenfunktion fast nutzlos Unausgegorenes Speicherpunktsystem Nur ein Schwierigkeitsgrad Spieltiefe/Balance Fantasievolle Schauplätze Liebenswerte Charaktere Reizvolles Malen & Löschen Origineller Storyansatz Massenhaft Anspielungen für Disney-Fans Stilvolle Cutscenes Launige 2D-Jump-&-Run-Abschnitte Knuddel- statt modernem Klugschiss-Micky Viel zu entdecken 15 Stunden Spielzeit Teils zwei Lösungswege Unterschiedliche Enden Wenig Freiheit für ein Warren-Spector-Spiel Anfangs zu leicht Etliche simple Such-/Bring-Missionen Aufgabenstellung nicht immer zielführend 2D-Abschnitte als Spielzeitstrecker Gamedesign stellenweise unpoliert "Ausgemalte" Levels nach Neubetreten wieder "leer" Grafik/Technik Charmante Comic-Optik Für Wii-Verhältnisse schön Knallbunt-/Düsterkontrast Animationen auf Zeichentrickfilmniveau Nervige Kamera Wii-typisches Kantenflimmern Hier und da triste Texturen Sound/Sprache Cartoonige Soundeffekte Tolle, stets passende Musikuntermalung Keine gesprochenen Dialoge Multiplayer Nicht vorhanden   Hardware/Zubehör Nunchuck zwingend erforderlich; bei uns Erkennungsprobleme mit drahtlosem Nunchuck (vermutlich hardwarebedingt).