Zwei elektrische Balken bewegen sich auf uns zu. Einer davon befindet sich auf der vorderen Ebene, der andere auf der hinteren Ebene. Nur: Welcher ist welcher? Dieses ungewollte Verwirrspiel macht keinen Spaß.

Guck-hin-Grafik & Samba-Sackboy-Sound

Optisch macht Little Big Planet 2 ordentlich etwas her. An visueller Abwechslung mangelt es wahrlich nicht, denn die sechs Welten unterscheiden sich grafisch stark voneinander. Teils fotorealistische Texturen machen aus dem Cyborg-Kaninchen ein flauschiges Fellknäuel und die Raupen im Wald zu sichtbar schuppigen Kriechern. Auch an Spezialeffekten wurde nicht gespart, vor allen Dingen der glänzende Zuckerguss von Victorias Törtchen lässt uns das Wasser im Mund zusammenlaufen. Es ist schlicht erstaunlich, welche grafische Pracht Little Big Planet 2 der PS3 abringt. Nur Rauch und Nebel mag sie offenbar gar nicht: Selbst bei den kleinsten sichtbaren Schwaden beginnt das Spiel zu ruckeln, während der Bildaufbau in einer bestimmten Szene mit drei glühenden Insekten einem Daumenkino gleicht. Darüber hinaus kann es in den action-orientierten Abschnitten gelegentlich vorkommen, dass die Konsole einen Augenblick benötigt, um weitere Dateien zu laden, was einen kurzen, aber sichtbaren Ruckler zur Folge hat. Ansonsten läuft das Spiel flüssig. Einen Hardware-3D-Modus bietet LBP2 übrigens nicht, oder zumindest noch nicht.

Die Explosionen krachen in einem satten Klang durch unser Testlabor, ebenso zischen die Geschosse an uns vorbei. Und an dem leicht matschigen Geräusch der Törtchen, die wir aus unserem Helm mit der klebrigen Seite gegen die Wand feuerten, können wir uns eigentlich auch nicht satt hören. Ein großes Sonderlob gibt es auch für den Soundtrack des Spiels: Sony griff offensichtlich in die Plattenkiste der hauseigenen Musikabteilung und lässt Sackboy zu Hits längst vergangener Tage tanzen. Die Bandbreite an Genres ist beachtlich: Ob Soul, Funk, Rock, Pop oder sogar Samba – wir fühlten uns bestens unterhalten und wippten vergnügt im Takt mit. Die Musik ist dabei voreingestellt sehr laut, sodass manche Effekte schlicht übertönt werden. Das mag Geschmacksache sein, denn uns gefällt das Klangbild so sehr gut. Spieler mit einem anderen Gehörsinn können aber jederzeit das Optionsmenü öffnen und sich die Lautstärke der einzelnen Audio-Elemente individuell einstellen.

Wenn also überhaupt Kritik an der Klangkulisse angebracht ist, dann aufgrund der Sprachausgabe. Die gibt es nur in den zahlreichen Zwischensequenzen, nicht aber in den tatsächlichen Levels. Hier fangen die Figuren auf einmal an, eine unterverständliche Fantasiesprache zu babbeln. Vermutlich scheute Sony hier die hohen Kosten, die eine vollständige Lokalisation mit sich bringen würde. Schade, denn so wirken die an sich liebevoll ausgearbeiteten Figuren befremdlich. Welche wahren Helden verlernen schon schlagartig ihre Sprache?

Kein Spiel für Kinder

Solche Übersichtstafeln schließen jeden Level ab.

Little Big Planet 2 ist kein Spiel "für die Kleinen". Oberflächlich mag der Titel zwar tatsächlich wie ein reines Kinderspiel aussehen, inhaltlich richtet sich der Story-Modus aber ganz eindeutig an ein älteres Publikum. Vielleicht lässt es sich am besten wie folgt beschreiben: Little Big Planet 2 ist ein Märchen, das ein älterer Herr gern erleben würde, obwohl er kein Kind mehr ist. Dies macht sich vorrangig in den Zwischensequenzen bemerkbar: Hier werfen die Charaktere nur so mit Fremdwörtern um sich. Falls in eurem Wortschatz Vokabeln wie "fraktal" oder "Transzendenz" nicht vorkommen sollten, nutzt die verbleibenden Tage bis zur Veröffentlichung des Spiels und organisiert euch ein Wörterbuch. Andernfalls könnt ihr Zusammenhänge teilweise nur erahnen. Die Lokalisation ist aber auch anderen Stellen unglücklich verlaufen: Aus Platzmangel auf der Anzeigetafel hat Sackboy ein "Level abgeschl.", zudem wird Sackboy stets mit "Sackding" angeredet, was auch keinen rechten Sinn ergibt. Einige erst gar nicht übersetzte, nicht-feststehende Begriffe machen das deutsch-englische Kauderwelsch perfekt. Kinder wird das alles freilich nicht stören. Viel verstehen werden sie aber auch nicht.

Jeder Level ist einzigartig

Trotz aller Kritik an der Technik und der Steuerung hat uns der Story-Modus wirklich viel Spaß bereitet. So strotzen die sechs Welten nur so vor verrückten Einfällen der Entwickler. Eine derartige Vielfalt sucht ihr in anderen Spielen vergebens, vielleicht mit Ausnahme eines Super Mario Galaxy 2: Hier gleicht wirklich kein Level dem anderen! Außerdem gibt es auch abseits einiges zu entdecken. Haltet beispielsweise die Augen nach goldenen Schlüsseln offen, die in manchen Levels versteckt wurden. Diese schalten mal mehr, mal weniger amüsante Minispiele frei. Die Zeitrennen und Action-Puzzle sind dabei für Einzelspieler gedacht, während sich die Wettrennen und Kampfarenen ausschließlich für das Kräftemessen gegen einen menschlichen Kontrahenten eignen. Computergesteuerte Gegner lassen sich nämlich leider nicht zuschalten.

Uns hat vor allen Dingen das Boxauto-Spiel gefallen. Hier müsst ihr eure Mitspieler von einer tellergroßen Plattform drängen, dürft aber selbstverständlich nicht selbst runterfallen. Alle anderen Minispiele versprechen kurzweilige Unterhaltung, sind aber auf Dauer zu eintönig. Macht aber nichts, denn mit dem Editor lassen sich ja eigene Levels und auch Minispiele kreieren – vorausgesetzt, ihr habt die ganzen dafür benötigten Bauteile im Story-Modus zusammengetragen. Was es also mit den Preisblasen auf sich hat und wie der Editor funktioniert, erklären wir euch auf der nächsten Seite.

Hier eine Auswahl von Minispielen: Mäuserennen (links), Arkanoid-Variante (Mitte) sowie ein zusammenfallendes Kuchenhaus (rechts). Die Spiele sind kurzfristig sehr spaßig, aber eher als Werbung für den Editor zu verstehen.