Nicht immer wechselt ihr die Dimensionen selbst. Hier laufen"Dimensionslayer" durchs Bild, erwischt euch die Lava, stirbt Juan.

 

Sprechertext zu Guacamelee 2

Dieser Sprechertext ist, wie die Audioversion des Tests, exklusiv für Premium-User.

Hallo liebe Spielefreunde, mein Name ist Benjamin Braun und ich begrüße euch herzlich zum GamersGlobal-Test zu Guacamelee 2, dem neuen Action-Adventure des kanadischen Indieentwicklers Drinkbox Studios. Bei Guacamelee 2 handelt es sich wie schon beim Vorgänger von 2013 um ein Metroidvania. Alle Teile der Spielwelt, die stark von der mexikanischen Kultur inspiriert ist, sind hier also teils labyrinthartig direkt miteinander verbunden. Alle erreichen könnt ihr allerdings nur, wenn ihr spezielle Fähigkeiten eurer Spielfigur nutzt, ohne die ihr Kluften, Fallen oder größere Höhenunterschiede nicht überwinden könntet. Das Besondere dabei ist, dass es sich bei den Spezialfähigkeiten oft um Kampfmoves handelt, die ihr entsprechend neben den Plattformeranteilen auch in den Kämpfen gegen normale Gegner und Bosse einsetzt.

Wie im ersten Teil von Guacamelee schlüpft ihr in die Rolle von Juan, ein Luchador, also eine Art traditioneller mexikanischen Wrestler. Juan hatte das Uni … Verzeihung … das Mexiversum bereits einmal vor dem Untergang bewahrt. Mittlerweile hat er seine Luchador-Maske allerdings an den Nagel gehängt, verbringt Mußestunden mit Frau und Kindern und hat sich ein kleines Bäuchlein angefressen. Aber es gibt eine neue Gefahr, denn der böse Luchador Salvador will sich die drei heiligsten Artefakte im Mexiversum unter den Nagel reißen, um in den Besitz der heiligen Guacamole zu gelangen. Die soll ihn aber nicht nur von seiner Krankheit heilen, sondern ihm auch göttliche Macht verleihen.

Die Story klingt für euch bescheuert? Mag sein. Unterhaltsam allerdings ist das Ganze allemal in Szene gesetzt und strotzt nur so vor humorvollen Anspielungen auf den Diaz de los Muertos, mexikanische Folklore im Allgemeinen oder popkulturelle Referenzen auf in ähnlichem Setting angesiedelte Spiele wie Tim Schafers Adventure-Klassiker Grim Fandango. Verpackt ist die Handlung zudem einmal mehr in eine hübsche 2D-Grafik im Comiclook, die mit hübschen Effekten und sauberen Animationen jedoch keineswegs geizt, untermalt mit Musik, die Regisseur Robert Rodriguez bestens in seinem Werk Desperado hätte nutzen können.

Viel bedeutender als Story und Atmosphäre ist allerdings die Spielmechanik. Dabei kombiniert Gucamelee 2 typische Metroidvania-Elemente wie Herzcontainer, mit denen ihr eure maximale Gesundheit erhöht, oder Maskenteile, die euch mehr Spezialenergie verleihen. Die werdet ihr auch brauchen, denn in Guacamelee 2 werdet um diverse Kämpfe gegen normale Gegner und Bosse nicht herum kommen. Wie es sich für einen Wrestler mit Anstand gehört, benutzt ihr keine Waffen, sondern eure bloßen Fäusten oder einen mächtigen Kopfstoß, um eure Gegner zu erledigen – die überwiegend aus Skeletten der Totenwelt bestehen.

Von diesen Skeletten gibt es zig unterschiedliche Varianten, die alle eine besonders Kampfstrategie erfordern. Manche attackieren euch im Nahkampf Messern oder greifen euch explosiv mit Säbeln samt entsprechend größerer Reichweite an. Da müsst ihr nicht nur zuhauen, sondern auch gekonnt ausweichen. Zu den Kontrahenten zählen auch Feinde, die euch mit Knochen und anderen Wurfgeschossen aus der Distanz angreifen, die sich im Raum teleportieren können oder die Angriffe ihrer Mitstreiter mittels eines Zaubers verstärken.
 

Innerhalb der weiß umrandeten Zone um dieses Skelett mit dem Riesen-Sombrero bewegt sich Juan nur noch in Zeitlupe.

Die Angriffe der größeren Gegner kosten euch nicht nur mehr Trefferpunkte als die der anderen. Die Riesen sind zudem meist nur an einer bestimmten Stelle verwundbar. So müsst ihr bei manchen das anfällig Herz oder auch den Piñata-ähnlichen Kopf treffen. Da Guacamelee 2 die Feindarten in den meist drei, bis vier Wellen munter mixt und euch bisweilen in architektonisch komplexen Umgebungen antreten lässt, solltet ihr euch gut überlegen, wenn ihr als erstes ins Visier nehmt.

Um die höher gelegenen Körperstellen großer Gegner zu treffen, könnt ihr etwa unter Verbrauch eines Ausdauerpunkts zu einem Uppercut ansetzen. Damit befördert ihr kleine Gegner auch in die Luft und bearbeitet sie dort weiter. Später erhaltet ihr auch Zugriff auf einen Smash, oder einen Schmetterschlag, die ihr gegen Geld bei den Lehrern im Spiel zu stärkeren Varianten ausbaut. Die unterschiedlichen Spezialangriffe zu nutzen, ist auch deshalb wichtig und praktisch unumgänglich, da viele Gegner einen Schutzschleier besitzen, der mit einem bestimmten Spezialangriff zunächst gebrochen werden muss. Ist der Schleier etwa rot, hilft ein Uppercut, ist er bloß weiß, hilft bereits eine kurze Kombo normaler Schläge.

Noch wichtiger sind diese und andere Taktiken sowie Kombos in den Bosskämpfen, die größtenteils nicht ganz so knifflig ausfallen wie im Vorgänger. Das ist allerdings relativ zu verstehen, denn da gerade bei den Bossen verstärkt normale Gegner ins Geschehen eingreifen, ist die Übersicht manchmal geringer als in Teil 1, während wir Spezialangriffe eines Bossen und gleichzeitig den Attacken der anderen Angreifer entgehen müssen. Fair bleibt Guacamelee 2 dabei allerdings immer. Der letzte Kampfabschnitt eines Bosskampfes hat so zum Beispiel oft einen separaten Checkpunkt, an dem ihr – sogar mit wieder voll aufgeladener Lebensenergie – weitermachen dürft. Wer herausgefordert werden möchte, darf aber auch einfach den höchsten von drei Schwierigkeitsgraden wählen. Aber Vorsicht: Im laufenden Spiel dürft ihr den nicht mehr ändern.

Die Spezialmoves von Juan sind aber nicht nur in den Kämpfen, sondern auch bei der Erkundung und Erschließung der Spielwelt wichtig. Was simpel etwa damit beginnt, dass ich mit einem gesprungen Uppercut die notwendige Höhe erreiche und mich mit einem direkt anschließenden Dash auf eine weiter entfernte Plattform katapultiere, wird später immer herausfordernder. So müsst ihr später nicht nur präziser sein, um nicht in einer Falle oder tödlicher Lava zu landen, sondern immer wieder zwischen zwei Dimensionsebenen wechseln. Es erfordert ein hohes Maß an Präzision und vor allem Timing, etwa bei Wandsprüngen im rechten Moment abzuspringen und auf Knopfdruck eine andere Wand entstehen zu lassen.

Nicht zufällig zerdeppert ihr hier einen VW-Käfer. In Mexiko wurde der Klassiker noch bis zum Jahr 2003 produziert.

In anderen Levels bewegen sich solche Vorrichtungen zu allem Überfluss noch oder ihr ändert durch die Dimensionswahl einen Luftstrom und müsst darin versuchen, Juan an den Fallen vorbei zum Zielpunkt zu bewegen. Gerade wenn auch noch Feinde zugegen sind, kann man schnell mal ins Gras beißen. Im Spiel nutzt ihr aber nicht nur spezielle Fähigkeiten von Juan, sondern verwandelt euch später auf Knopfdruck in ein Huhn. Das darf auch die Flügel schwingen oder (anders als Juan) eine diagonalen Dash ausführen. Auch diese Abschnitte sind knifflig und tragen zur enormen Vielfalt der fast schon rätselartigen Plattformerpassagen bei. Nicht optimal ist, dass die Eingabe am Gamepad nicht immer exakt erkannt wird oder man bei leichten Ungenauigkeiten statt eines Uppercuts einen Dash vollführt. Frustrierende Situationen hatte ich dadurch allerdings keine.

Die Welt selbst bereits ihr im Wesentlichen in einer linearen Abfolge, wenn ihr euch bloß auf die Hauptgeschichte konzentriert. Ihr findet aber allerorts Geheimnisse und teils richtig harte Bonusräume, in denen ihr dicke Münzbelohnungen oder auch mal einen Maskenteil erhaltet, von denen eure Spezialenergie abhängt. Etwas leichter machen könnt ihr euch das Spiel dadurch in jedem Fall. Denn wer ausreichend Kohle hat, der schaltet schneller die Verbesserungen bei den fünf Lehrern frei, die Spezialangriffe verstärken oder auch passive Boni für höhere Münzbelohnungen bei einem hohen Kombozähler gewähren.

Um später in Bereiche mit zunächst nicht überwindbaren Hindernissen zurückzukehren, verfügt Guacamelee über ein Schnellreisesystem. Während ihr an der Hauptstory auf „normal“ grob sieben bis acht Stunden spielen werdet, könnt ihr euch in der Welt noch viel länger austoben. Denn wer alle optionalen Dungeons, Geheimnisse oder Kombochallenges absolvieren möchte, der kann mühelos die eineinhalbfache bis doppelte Spielzeit rechnen.

Und damit möchte ich zu meinem persönlichen Fazit kommen. Für mich war das erste Guacamelee einer der Überraschungshits des Jahres 2013. Nicht ohne Grund hatte ich das Spiel nicht nur auf der PSVita, sondern später auf einer anderen Plattform noch ein weiteres Mal durchgespielt. Guacamelee 2 macht auf den ersten Blick gar nicht viel anders, bietet mit neuen Gegnern und Fähigkeiten aber auch viel Neues. Insbesondere die teils kniffligen Plattformerpassagen sind kreativ und motivierend zugleich, aber auch die Brawler-artigen Kämpfe, in denen ich mit stumpfem Button-Mashing keine Chance hätte, haben es in sich.

Die Welt wäre sicherlich noch etwas stimmungsvoller, wenn Guacamelee 2 eine Sprachausgabe hätte. Aber bei dieser stil- und humorvollen Kulisse vermisse ich Sprachausgabe auch nicht wirklich. Besonders schön finde ich, dass Juans alternative Form als Huhn eine höhere Bedeutung hat als in Teil 1. Gerade die Plattformerabschnitte damit bringen viel Abwechslung rein, ohne dass ich je den Eindruck hatte, Drinkbox hätte das bloß als Mittel zum Zweck eingebaut, um sich stärker vom Vorgänger abzuheben.

Wer Guacamelee mochte, der muss bei Teil 2 einfach zuschlagen, egal, ob man es allein spielen oder auch mal den lokalen Koop-Modus für bis zu vier Spieler ausprobieren will. Aber auch jedem Metroidvania-Freund kann ich die Kombination aus klassischen Genre-Tugenden gepaart mit Brawler-artigem Kampfsystem nur wärmsten empfehlen – ja sogar dann, wenn euch das Setting an sich nicht anspricht. Meine Wertung lautet deshalb 9.0.

Diesen Test gibt es als Video, Audio und Text. Alle weiteren Informationen zum Spiel findet ihr wie immer auf GamersGlobal.de.

Manchmal greifen euch Gegner auf mehreren Dimensionen an. Schaden könnt ihr immer nur denen auf der aktiven "Ebene", euch können aber beide verletzen.