Liebevolle Taktik für zwischendurch

Fort Triumph Test

Rüdiger Steidle 29. April 2020 - 15:45 — vor 3 Jahren aktualisiert
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Ein Felsen kippt um und begräbt den dahinter kauernden Gegner unter sich.
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Abenteuer für ein Wochenende

Unterm Strich mangelt es Fort Triumph allerdings genau daran: Es ist kein sonderlich gehaltvolles Abenteuer. Die Feinheiten des Kampfsystems haben Genreveteranen nach einer Handvoll Einsätzen durchschaut, einschließlich gewisser Eigenheiten wie transparenter Wände oder etwas unlogischer Trefferwahrscheinlichkeiten. Auch die meisten Gegnertypen hat man schnell gesehen: Untote, Goblins, Menschen und Trolle, jeweils unterteilt in Nah- und Fernkämpfer, Zauberer und Soldaten.

Die Umgebungen sind auch nicht allzu abwechslungsreich: Nach den ersten Auseinandersetzungen im Märchenwald wechselt die Truppe bald in die Unterwelt, wo sie einem fiesen Lich hinterherjagt. Die in drei Akte unterteilte Kampagne hat man locker in zehn bis 15 Stunden durch. Mehr gibt das Spielprinzip freilich auch nicht her, dafür ähnelt sich der Ablauf der Gefechte einfach zu sehr. Eingefleischten Strategen dürfte Fort Triumph auf dem zweiten, normalen Schwierigkeitsgrad auch deutlich zu leicht sein. Die nächsten beiden Stufen ziehen das Spiel eher unnötig in die Länge, statt es wirklich fordender zu machen – nur die Schritte bis zu den ersten Levelaufstiegen und einige der Story-Missionen sind dann wirklich anstrengend.
Es gibt vier Charakterklassen mit umfangreichen Talentbäumen.
 

Glänzender Auftritt

Apropos Story: Die gehört definitiv zu den Highlights von Fort Triumph. Zwar wird sie größtenteils in drögen Textbildschirmen erzählt, ist aber überraschend gut geschrieben. Die Protagonisten sind keineswegs die makellosen Helden, als die sie sich zu Spielbeginn darstellen, und sogar die Bösewichte zeigen deutlich mehr Tiefgang als im Genre üblich. Die Dialoge und Beschreibungen der deutschen Version sind handwerklich so sauber ausgearbeitet, dass hier vermutlich ein professioneller Autor beziehungsweise eine versierte Autorin am Werk war – oder zumindest jemand, der das Zeug dazu hat.

Auch die Grafik straft das begrenzte Budget von Fort Triumph Lügen. Dieses kleine Studio aus Tel Aviv beschäftigt offensichtlich extrem talentierte Charakterdesigner und 3D-Modellbauer, deren primäre Inspirationsquelle Blizzard-Klassiker wie Warcraft 3 und natürlich World of Warcraft zu sein scheinen. Selbst die Monster und Antagonisten wirken auf den ersten Blick so sympathisch, dass man sich beinahe dafür schämt, ihnen auf die Mütze zu hauen. Einzig die wie erwähnt mangelnde Abwechslung und gelegentliche Blackouts der automatischen Spielkamera trüben den optischen Gesamteindruck. Das Sounddesign fällt dagegen etwas ab: Die Hintergrundmusik kann sich zwar hören lassen, wiederholt sich aber viel zu schnell. Auch die Effekte klingen etwas sparsam und Sprachausgabe gibt es erst gar nicht. Dennoch: Unterm Strich ist die Präsentation für eine Indie-Produktion erstaunlich aufwendig und überzeugend.
Ihr findet viele spannende Extrawaffen und Upgrades mit teils witzigen Effekten.
 

Bonus-Inhalte

Habt ihr nach dem Story-Feldzug Lust auf mehr, bietet euch Fort Triumph einen Kartengenerator, in dem ihr entweder allein oder zusammen mit menschlichen Mitspielern gegen die nicht allzu kompetente KI antreten dürft. Nett ist, dass ihr in diesem Modus auch die anderen, „bösen“ Völker ausprobieren könnt. Allerdings hält die Motivation ohne Hintergrundgeschichte nicht allzu lange vor. Die Skirmish-Gefechte sind wohl eher eher etwas für ein paar freie Minuten nach Feierabend, keine wirklich gehaltvolle Freizeitbeschäftigung. Dennoch: nette Dreingabe!

Zum Abschluss noch ein Lob für die Extrawaffen, magischen Gegenstände und sonstigen Belohnungen, die man beim Questen in Fort Triumph findet. Die sind so einfallsreich wie in kaum einem anderen Rollen- oder Taktikspiel. Hier gibt‘s nicht nur die üblichen Säbel mit +2 auf Angriff, Heiltränke oder Rüstungen mit Elementarschutz. Nein, hier haben die Items wirklich einzigartige und kuriose Fähigkeiten. Zum Beispiel der Zauberstab, der Gegner einfriert, langsam und zerbrechlich macht. Oder der Magnet, der Kontrahenten quer über die Karte zum Träger zieht. Oder der Energy-Drink, der zwar kurzfristig aufputscht (und zwei zusätzliche Aktionspunkte verleiht), aber in der nächsten Runde ein Zuckertief auslöst (und Aktionspunkte abzieht). Solche einzigartigen Objekte wünscht man sich im Genre öfter! Schade nur, dass man nur jeweils einen Schatz mit in den nächsten Level nehmen kann. Man kann eben nicht alles haben.

Autor: Rüdiger Steidle, Redaktion: Hagen Gehritz (GamersGlobal)
 

Meinung: Rüdiger Steidle

Fort Triumph ist ein wirklich liebenswertes Spiel, in dem erkennbar viel Herzblut steckt. Selbst der Oberbösewicht ist dermaßen putzig, dass man ihn eher in den Arm nehmen, statt auf die Nase hauen möchte. Schon um das zu belohnen, möchte ich jedem, der Xcom, King‘s Bounty oder auch die Blizzard-Klassiker mag, den Kauf nahelegen. So viel Einsatz ist die Unterstützung wert, zumal der Steam-Preis mit rund 20 Euro wirklich sehr fair ausfällt.

Allerdings dürft ihr euch nicht zu viel erwarten: Gerade versierte Taktiker werden die Herausforderung und den Tiefgang eines Xcom vermissen. Dabei wären spannendere Gefechte kein Problem: Einfach die Hitpoints von Freund und Feind verdoppeln oder verdreifachen, ein paar extra Heilfertigkeiten einbauen – und schon wäre mir Fort Triumph einen guten Punkt mehr wert. Es ist einfach schade, dass es so coole Extrawaffen und so nette Physikeffekte gibt, man diese aber im Gefechtsalltag nur selten braucht.

Meine Helden waren schon nach den ersten paar Scharmützeln absolut übermächtig, dass selbst die (wirklich gut inszenierten!) Bosskämpfe in wenigen Minuten entschieden waren. Aber ich will eigentlich gar nicht meckern, sondern loben: Ein langes Wochenende hatte ich mit Fort Triumph durchaus Spaß – es muss nicht jedes Strategiespiel ein Schwergewicht vom Format eines Civilization sein!
Fort Triumph PCLinuxMacOS
Einstieg/Bedienung
  • Vier Schwierigkeitsgrade
  • Kurzes, klares Tutorial
    Für Genrekenner einfache Eingewöhnung
  • Hilfreiche Anzeigen für Trefferchance & mehr
  • Weitgehend über Schnelltasten steuerbar
  • Charakterfertigkeiten werden durch Mini-Animationen illustriert
  • Spiel wird im Verlauf eher leichter
  • Höhere Schwierigkeitsgrade ziehen nur Anfang und Story-Missionen in die Länge
  • Mauszeiger wechselt teils sprunghaft das Ziel
Spieltiefe/Balance
  • Ordentliche taktische Computergegner …
  • Interessante Physik-Puzzles
  • Gefechte belohnen an sich Vorausdenken und Kombos
  • Ulkige Extrawaffen und Zauber
  • Entwicklungsmöglichkeiten für Charaktere
  • Vier Heldenklassen mit eigenem Spielstil
  • Motivierendes Upgrade-System im Strategiemodus
  • Kampagne ist zwar 10-15 Stunden kurz, hat aber richtige Länge für die begrenzte Tiefe
  • Koop- und Zufallsgefechte als Bonus
  • … aber eher schwache KI auf Strategiekarte
  • Zufallsgefechte zu schnell entschieden
  • Zu mächtige Helden und schwache Feinde untergräbt Physik- und Item-Optionen
  • Taktik-Veteranen haben die Spielmechaniken sehr schnell in Gänze durchschaut
  • Keine große Gegnervielfalt
  • Einige kleine Bugs (meist Schönheitsfehler)
Grafik/Technik
  • Sehr stimmiger Grafikstil, sowohl bei 2D- als auch 3D-Elementen
  • Sehr hübsches, geradezu putziges Charakterdesign
  • Wenig detaillierte, aber trotzdem schöne Charaktermodelle und Umgebungen
  • Nicht spektakuläre, aber ansehnliche Effekte
  • Flüssige Animationen und Bewegungen
  • Matschige Texturen
  • Automatische Kamera (für Finishing-Moves) zeigt oft nur Schwarz
  • Allzu wenige Umgebungen
Sound/Sprache
  • Eingängige Musik …
  • … die sich aber allzu schnell wiederholt
  • Keine Sprachausgabe
Multiplayer
  • Netter Zusatz...
  • ... aber es mangelt an Spieltiefe
7.0
Userwertung7.0
Mikrotransaktionen
Hardware-Info
Minimum: Win 7 (64bit), i3 4160, GT 630,
8 GB RAM, 3 GB Speicherplatz
Maximum: Win 10, i7 4470, GTX 660/ HD 7850,
8 GB RAM, 3 GB Speicherplatz
Eingabegeräte
  • Maus/Tastatur
  • Gamepad
  • Lenkrad
  • Anderes
Virtual Reality
  • Oculus Rift
  • HTC Vive
  • Playstation VR
  • Anderes
Kopierschutz
  • Steam
  • Kopierschutzlose GoG-Version
  • Epic Games Store
  • uPlay
  • Origin
  • Hersteller-Kontoanbindung
  • Ständige Internetverbindung
  • Internetverbindung beim Start
Rüdiger Steidle 29. April 2020 - 15:45 — vor 3 Jahren aktualisiert
Q-Bert 25 Platin-Gamer - P - 56367 - 29. April 2020 - 16:09 #

Schöner Test, Rüdiger. Nach dem Lesen hätte ich noch eine etwas höhere Note erwartet, aber is schon OK.

Die Grafik finde ich nicht immer gelungen, gerade im 2. Akt fehlt mir Abwechselung und im 3. Akt gibt es zwar teils hübsche Arenen, es ist aber alles sehr düster. Da haben mir Wald und Wiese im 1. Akt am besten gefallen. Was ich richig schwach finde, sind die Charakterportraits meiner Helden, die ja identisch sind mit den 0815-Söldnern, die ich zusätzlich anheuern kann (aber nicht in die nächste Mission mitnehmen darf). Meine Identifikationspersonen sollten keine Klone sein!

Was man noch zu den kurzen Kämpfen sagen kann:
Effektivität wird belohnt, je schneller und effektiver man die Kämpfe erledigt, desto höher fällt die Abschlusswertung nach jedem Kampf aus und damit auch die Belohnung. Das ist weit weg von "spielentscheidend", aber ich versuche trotzdem, fast jeden Kampf in der 1. Runde zu gewinnen :]

Die englische Fassung ist sprachlich auch prima geschrieben, mit starken Akzenten (Goblins sprechen dann "zis iss deliciouss" und die Adligen sprechen ein bisschen shakespearmäßig. Die Story hat ein paar nette Twists, aber der Humor will bei mir nicht zünden. Was ich in solchen Szenarien gar nicht mag, ist, wenn das Genre durchbrochen wird. Ein Bürgermeister namens "Mayor Thom" würde ich auf einer Mondbasis lustig finden, hier eher nicht.

Ich hab schon 20 Steam-Stunden auf der Uhr und bin erst in der Mitte des 3. (und letzten) Akts, werde also locker am Ende auf 25+ Stunden kommen. Der Suchtfaktor ist aufgrund der knackig-kurzen Kämpfe immens, ich will immer "nur noch einen Kampf" machen (dauert ja nur 3 Minuten) und dann ist draussen schon wieder hell... ^^

Rüdiger Steidle Freier Redakteur - P - 17268 - 29. April 2020 - 19:57 #

Vielen Dank! Dass die Grafik einige Schwächen hat, habe ich erwähnt, unter anderem auch die mangelnde Abwechslung bei den Landschaftstypen. Ich finde das Gebotene für eine Indy-Produktion dennoch erstaunlich. Vor allem "passt" die Optik einfach. Ich fühle mich wirklich stark an den klassischen Blizzard-Stil erinnert, also Blizzard anno 2005, nicht 2020.

Die Story muss einem nicht gefallen, ich fand sie aber auf jeden Fall gehaltvoller und besser geschrieben als bei manchen AAA-Produktionen der jüngeren Vergangenheit. Die deutsche Übersetzung ist so gut, dass ich sogar die Credits nach dem Autor oder der Autorin durchforstet habe - leider erfolglos.

Darf ich fragen, auf welcher Schwierigkeitsstufe du spielst? Weil ich war nach rund 10 Stunden auf "Mittel" durch, und ich hab schon einige Kämpfe mehr mitgenommen, als unbedingt notwendig waren. (Und spätestens ab der zweiten Welt auch die meisten innerhalb einer Runde gewonnen - aber trotzdem nur einmal eine A+-Wertung bekommen.)

Wenn der Skirmish-Mode etwas interessanter wäre, würde ich auch noch weiter spielen, aber da stört mich der Spielstil der KI-Gegner zu sehr (die obendrein dreist beschummeln).

Q-Bert 25 Platin-Gamer - P - 56367 - 29. April 2020 - 23:25 #

Ich spiele auf "Normal", was ja wie du auch schreibst kinderleicht ist. Mir ist noch kein Held gestorben. Aber ich grase die Maps tatsächlich weitgehend ab, auch wenn es nicht viel bringt.

Das ist übrigens noch ein wichtiger Punkt, den das Spiel "verschweigt": Es gibt Levelgrenzen der Helden, im ersten Akt max LV8 und im zweiten Akt max LV14. Erst im dritten Akt kannst du die Helden dann voll ausleveln.

Ein paar A+ hatte ich schon :], dafür hab ich aber auch Kämpfe gehabt, die ich in der 1. Runde mit nur einem Helden gewonnen habe (besser geht es ja gar nicht) und es gab trotzdem nur ein B. Hat wohl auch was damit zu tun, wie "stark" die Gegner sind. Eine echte Erklärung für die Bewertungskriterien hab ich noch nicht rausbekommen.

Ich hab dem Ding eine Userwertung von 8.0 gegeben, weil es mir trotz der Schwächen seit einigen Nächten viel Spaß bereitet. :)

Rüdiger Steidle Freier Redakteur - P - 17268 - 29. April 2020 - 23:33 #

Danke für die Antwort! Mir ist ein einziges Mal einer der Hauptcharaktere gestorben, und zwar als er direkt unter einem Torbogen stand, den er selbst zum Einsturz gebracht hat. Das ist vorher nie passiert, deshalb wusste ich gar nicht, dass das überhaupt möglich ist. Aber die Gegner waren bis auf die allerletzte Schlacht und vielleicht die ersten zwei, drei, wenn man noch nicht so richtig weiß, was man tut, nie eine echte Gefahr.

Q-Bert 25 Platin-Gamer - P - 56367 - 4. Mai 2020 - 3:59 #

Ha, das mit dem Torbogen ist mir gerade im finalen Kampf passiert, der Lich hatte noch 200+ HP und der Bogen ist über ihm und meiner Berzerkerin zusammengekracht. Damit war der Finalkampf dann sofort aus. Dabei wollte ich den Knilch eigentlich noch etwas länger in der Gegend rumschubsen :)

Altior 17 Shapeshifter - - 8904 - 29. April 2020 - 18:10 #

Wie sehr ich die Tests von Rüdiger schätze, oftmals werden unbekannte Perlen entdeckt, aber diesmal schreckt mich die Grafik dieses Spieles ab, wird sich wohl nicht auf meine Platte verirren.

timeagent 19 Megatalent - - 18398 - 29. April 2020 - 18:18 #

Danke für den Test. Hört sich so an, als ob das genau das richtige für Zwischendurch wäre.

Hannes Herrmann Community-Moderator - P - 43034 - 29. April 2020 - 19:59 #

Danke für den Test. Ich hab das Spiel auf der Wunschliste, da bleibt es jetzt aber auch erstmal.

Slaytanic 25 Platin-Gamer - - 62104 - 29. April 2020 - 20:44 #

Auch von mir vielen Dank für den Test, das könnte durchaus auch bei mir auf der Wunschliste landen.

CBR 21 AAA-Gamer - P - 26590 - 30. April 2020 - 10:32 #

Das Spiel gibt es auch bei GoG. Lässt sich der Steckbrief dahingehend anpassen? Bei mir setzt das die Kaufschwelle immer ein wenig herab ;-)

Tasmanius 21 AAA-Gamer - - 28819 - 30. April 2020 - 17:38 #

Das sieht ja super aus! Vielen Dank für den Test. Also über mangelndes Taktikfutter kann man sich zur Zeit wirklich nicht beschweren. Gekauft!