Fort Triumph

Fort Triumph Test

Liebevolle Taktik für zwischendurch

Rüdiger Steidle / 29. April 2020 - 15:45 — vor 3 Jahren aktualisiert

Teaser

Dieser Rollenspiel-Mix sieht aus wie ein Blizzard-Klassiker und spielt sich wie Heroes of Might & Magic – allerdings mit flotten Taktik-Puzzles statt epischen Runden-Schlachten.
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Alle Screenshots stammen von GamersGlobal

Eigentlich wollen Paladin Solaris und seine Genossen doch nur die Miete und die Studiengebühren für die Magische Universität begleichen. Doch als das Quartett anheuert, um ein paar marodierende Goblins zu vermöbeln, gerät es unversehens zwischen die Fronten adliger Ränkespiele, die selbst vor dem Totenreich nicht Halt machen. Wie gut, dass die vier Recken mit Schwert, Bogen und Zauberstab umgehen können!

In der Indie-Produktion Fort Triumph prügelt sich das Vierergespann durch reihenweise schnelle Taktik-Puzzles, in denen die Spielphysik immer wieder amüsante Kettenreaktionen produziert. Da stürzen Säulen auf Trollschädel, rutschen Skelette quer durch den Level und kokelnde Mönche stecken Glaubensbrüder an.

Um in wenigen Worten das Spielgefühl eines Titels zu vermitteln, ist es immer schön, einen Genreverwandten ins Feld zu führen. Auch den Entwicklern selbst ist daran gelegen, dass sich Spieler schnell eine Vorstellung machen können. Wenn eine große, bekannte Reihe als Inspiration dient, wird deren Name daher freimütig ins Feld geführt. Die Macher bei CookieByte Entertainment selbst und einige Previews nennen Fort Triumph ein „Fantasy-Xcom“. Doch ist dieser Vergleich gerechtfertigt? Ich sage nein, denn die Ähnlichkeiten sind nur in Ansätzen vorhanden.
Spätere Zaubersprüche wie dieser Feuerball treffen gleich mehrere Ziele gleichzeitig.
 

Nein, das ist nicht Xcom

Die grundlegende Spielmechanik der Runden-Rangeleien ähnelt zumindest dem Vorbild – gemeint sind die Neuerfindungen von 2012 und 2016, nicht der kürzlich erschienene Ableger Xcom - Chimera Squad (zur Viertelstunde). Das heißt, ihr schubst abwechselnd einen kleinen Trupp aufrechter Helden auf einem schachbrettartigen Spielfeld herum und heizt euren Kontrahenten mit Nah- und Fernkampfwaffen sowie einer Reihe von Zaubersprüchen ein. Der große Unterschied ist aber, dass diese Scharmützel meist in wenigen Minuten entschieden sind.

Weil die Monster oft gerade mal ein, zwei Treffer aushalten und sich typischerweise nur in sehr übersichtlichen Grüppchen versammeln, dauern viele Gefechte lediglich ein bis zwei Runden. Das heißt, es kommt meistens gar nicht zu dem aus Xcom bekannten Hin und Her aus Offensive und Defensive, aus Angriff und Hinterhalt (obwohl auch Fort Triumph eine „Overwatch“-Funktion kennt). Stattdessen stürzen sich eure Schützlinge einfach mitten ins Getümmel und teilen mit der groben Kelle aus. Dank des Rollenspiel-ähnlichen Erfahrungspunkte- und Upgrade-Systems werden eure Helden im späteren Spielverlauf zu wirklich furchteinflößenden Kampfmaschinen und nur die wenigen Story-relevanten Missionen stellen noch eine gewisse Herausforderung dar.
Auf der strategischen Übersichtskarte schickt ihr eure Party von einer Mission zur nächsten.
 

Eher Heroes of Might & Magic

Das ist keineswegs abwertend gemeint, es soll nur den Unterschied zwischen Xcom und Fort Triumph deutlich machen. Eher ähnelt das teilweise über eine Kickstarter-Kampagne finanzierte Projekt aus Israel den Klassikern Heroes of Might & Magic und King‘s Bounty – nur dass sich im vorliegenden Spiel die Helden selbst in den Clinch stürzen, statt dafür Soldaten und Fantasy-Kreaturen zu rekrutieren.
Zumindest auf der strategischen Karte finden sich aber fast alle Elemente der beiden Vorbilder wieder. Ihr zieht mit eurer Heldengruppe übers Land (ihr dürft auch eine zweite oder dritte Party anheuern, das ist aber kaum notwendig), sammelt Schätze und Ressourcen ein und vermöbelt Monster.

Anders als bei Heroes gibt es keine Möglichkeit, die Begegnungen automatisch auswürfeln zu lassen. Da die Auseinandersetzungen aber wie beschrieben extrem kurz sind, werdet ihr die Option kaum vermissen. Städte dienen als Hauptquartiere, in denen ihr die Spielwirtschaft ankurbelt und Upgrades für eure Recken freischaltet, beispielsweise mehr Gesundheitspunkte, stärkere Rüstungen oder zusätzliche Inventarplätze. Auf den insgesamt drei Weltkarten bekommt ihr es nicht nur mit statischen Gegneransammlungen, sondern auch mit verfeindeten Fraktionen zu tun, die ihrerseits Kampfgruppen aussenden, welche euch die Schätze und Rohstoffe streitig machen. Ihr müsst also entschlossen agieren und immer auf marodierende Banden in eurem Hinterland gefasst sein – der Computergegner liebt solche auch bei der Heroes-Serie berüchtigten Guerilla-Überfälle.
In Städten heuert ihr neue Helden an und baut Upgrade-Gebäude für eure Truppen.
 

Spaßiges Goblin-Billard

Was Fort Triumph zu mehr als einer bloßen Kopie macht, ist die Spielphysik, die ihr euch in den Taktik-Gefechten aktiv zunutze machen könnt. In praktisch jeder Kampfarena gibt es Objekte wie Bäume, Felsen oder Mauern, die einerseits Deckung bieten, sich andererseits aber auch als Waffen missbrauchen lassen. Ein großer Teil der Aktionen eurer Streiter kann nämlich Objekte umstürzen, anstoßen, in Brand stecken oder in sonstiger Form manipulieren. Der „Wirbelwind“ der Hexe Liandra beispielsweise kann Pfeiler und andere hochaufragende Gebilde auf dahinter kauernde Gegner kippen lassen, welche davon nicht nur Schaden nehmen, sondern auch betäubt werden und im folgenden Zug nicht angreifen können.

Waldläufer Evon dagegen schleudert einen „Wurfhaken“, mit dem er Opfer an sich heranzieht – oder aufeinander. Wenn Evon damit zwei Goblins zusammen kegelt, setzt er mit einer Aktion gleich zwei Opponenten außer Gefecht. Oft ergeben sich durch solche Physik-Spielereien interessante, aber auch unvorhergesehene Kettenreaktionen. Mitunter erwischt man beim Gegner-Billard aus Versehen die eigenen Leute. Zugegeben: Gegen Spielende ist die Heldentruppe so übermächtig, dass sie sich kaum noch auf diese Gefechtsmechanik stützen muss. Dennoch sind die Physik-Puzzles mehr als ein bloßes Gimmick, sondern erhöhen wirklich die Spieltiefe.
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Der große Pilz schützt den Goblin (rechts) vor Attacken von vorn, kann ihm als Prallbock aber zum Verhängnis werden.
Q-Bert 25 Platin-Gamer - P - 56371 - 29. April 2020 - 16:09 #

Schöner Test, Rüdiger. Nach dem Lesen hätte ich noch eine etwas höhere Note erwartet, aber is schon OK.

Die Grafik finde ich nicht immer gelungen, gerade im 2. Akt fehlt mir Abwechselung und im 3. Akt gibt es zwar teils hübsche Arenen, es ist aber alles sehr düster. Da haben mir Wald und Wiese im 1. Akt am besten gefallen. Was ich richig schwach finde, sind die Charakterportraits meiner Helden, die ja identisch sind mit den 0815-Söldnern, die ich zusätzlich anheuern kann (aber nicht in die nächste Mission mitnehmen darf). Meine Identifikationspersonen sollten keine Klone sein!

Was man noch zu den kurzen Kämpfen sagen kann:
Effektivität wird belohnt, je schneller und effektiver man die Kämpfe erledigt, desto höher fällt die Abschlusswertung nach jedem Kampf aus und damit auch die Belohnung. Das ist weit weg von "spielentscheidend", aber ich versuche trotzdem, fast jeden Kampf in der 1. Runde zu gewinnen :]

Die englische Fassung ist sprachlich auch prima geschrieben, mit starken Akzenten (Goblins sprechen dann "zis iss deliciouss" und die Adligen sprechen ein bisschen shakespearmäßig. Die Story hat ein paar nette Twists, aber der Humor will bei mir nicht zünden. Was ich in solchen Szenarien gar nicht mag, ist, wenn das Genre durchbrochen wird. Ein Bürgermeister namens "Mayor Thom" würde ich auf einer Mondbasis lustig finden, hier eher nicht.

Ich hab schon 20 Steam-Stunden auf der Uhr und bin erst in der Mitte des 3. (und letzten) Akts, werde also locker am Ende auf 25+ Stunden kommen. Der Suchtfaktor ist aufgrund der knackig-kurzen Kämpfe immens, ich will immer "nur noch einen Kampf" machen (dauert ja nur 3 Minuten) und dann ist draussen schon wieder hell... ^^

Rüdiger Steidle Freier Redakteur - P - 17268 - 29. April 2020 - 19:57 #

Vielen Dank! Dass die Grafik einige Schwächen hat, habe ich erwähnt, unter anderem auch die mangelnde Abwechslung bei den Landschaftstypen. Ich finde das Gebotene für eine Indy-Produktion dennoch erstaunlich. Vor allem "passt" die Optik einfach. Ich fühle mich wirklich stark an den klassischen Blizzard-Stil erinnert, also Blizzard anno 2005, nicht 2020.

Die Story muss einem nicht gefallen, ich fand sie aber auf jeden Fall gehaltvoller und besser geschrieben als bei manchen AAA-Produktionen der jüngeren Vergangenheit. Die deutsche Übersetzung ist so gut, dass ich sogar die Credits nach dem Autor oder der Autorin durchforstet habe - leider erfolglos.

Darf ich fragen, auf welcher Schwierigkeitsstufe du spielst? Weil ich war nach rund 10 Stunden auf "Mittel" durch, und ich hab schon einige Kämpfe mehr mitgenommen, als unbedingt notwendig waren. (Und spätestens ab der zweiten Welt auch die meisten innerhalb einer Runde gewonnen - aber trotzdem nur einmal eine A+-Wertung bekommen.)

Wenn der Skirmish-Mode etwas interessanter wäre, würde ich auch noch weiter spielen, aber da stört mich der Spielstil der KI-Gegner zu sehr (die obendrein dreist beschummeln).

Q-Bert 25 Platin-Gamer - P - 56371 - 29. April 2020 - 23:25 #

Ich spiele auf "Normal", was ja wie du auch schreibst kinderleicht ist. Mir ist noch kein Held gestorben. Aber ich grase die Maps tatsächlich weitgehend ab, auch wenn es nicht viel bringt.

Das ist übrigens noch ein wichtiger Punkt, den das Spiel "verschweigt": Es gibt Levelgrenzen der Helden, im ersten Akt max LV8 und im zweiten Akt max LV14. Erst im dritten Akt kannst du die Helden dann voll ausleveln.

Ein paar A+ hatte ich schon :], dafür hab ich aber auch Kämpfe gehabt, die ich in der 1. Runde mit nur einem Helden gewonnen habe (besser geht es ja gar nicht) und es gab trotzdem nur ein B. Hat wohl auch was damit zu tun, wie "stark" die Gegner sind. Eine echte Erklärung für die Bewertungskriterien hab ich noch nicht rausbekommen.

Ich hab dem Ding eine Userwertung von 8.0 gegeben, weil es mir trotz der Schwächen seit einigen Nächten viel Spaß bereitet. :)

Rüdiger Steidle Freier Redakteur - P - 17268 - 29. April 2020 - 23:33 #

Danke für die Antwort! Mir ist ein einziges Mal einer der Hauptcharaktere gestorben, und zwar als er direkt unter einem Torbogen stand, den er selbst zum Einsturz gebracht hat. Das ist vorher nie passiert, deshalb wusste ich gar nicht, dass das überhaupt möglich ist. Aber die Gegner waren bis auf die allerletzte Schlacht und vielleicht die ersten zwei, drei, wenn man noch nicht so richtig weiß, was man tut, nie eine echte Gefahr.

Q-Bert 25 Platin-Gamer - P - 56371 - 4. Mai 2020 - 3:59 #

Ha, das mit dem Torbogen ist mir gerade im finalen Kampf passiert, der Lich hatte noch 200+ HP und der Bogen ist über ihm und meiner Berzerkerin zusammengekracht. Damit war der Finalkampf dann sofort aus. Dabei wollte ich den Knilch eigentlich noch etwas länger in der Gegend rumschubsen :)

Altior 17 Shapeshifter - - 8904 - 29. April 2020 - 18:10 #

Wie sehr ich die Tests von Rüdiger schätze, oftmals werden unbekannte Perlen entdeckt, aber diesmal schreckt mich die Grafik dieses Spieles ab, wird sich wohl nicht auf meine Platte verirren.

timeagent 19 Megatalent - - 18398 - 29. April 2020 - 18:18 #

Danke für den Test. Hört sich so an, als ob das genau das richtige für Zwischendurch wäre.

Hannes Herrmann Community-Moderator - P - 43035 - 29. April 2020 - 19:59 #

Danke für den Test. Ich hab das Spiel auf der Wunschliste, da bleibt es jetzt aber auch erstmal.

Slaytanic 25 Platin-Gamer - - 62104 - 29. April 2020 - 20:44 #

Auch von mir vielen Dank für den Test, das könnte durchaus auch bei mir auf der Wunschliste landen.

CBR 21 AAA-Gamer - P - 26590 - 30. April 2020 - 10:32 #

Das Spiel gibt es auch bei GoG. Lässt sich der Steckbrief dahingehend anpassen? Bei mir setzt das die Kaufschwelle immer ein wenig herab ;-)

Tasmanius 21 AAA-Gamer - - 28819 - 30. April 2020 - 17:38 #

Das sieht ja super aus! Vielen Dank für den Test. Also über mangelndes Taktikfutter kann man sich zur Zeit wirklich nicht beschweren. Gekauft!