Review: Himmlisch anders

El Shaddai - Ascension of the Metatron Test

Florian Pfeffer 25. September 2011 - 12:29 — vor 12 Jahren aktualisiert
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Am Ende des futuristischen Motorrad-Levels müssen wir gegen den aus Feuerstuhl-Bauteilen zusammengesetzten Boss antreten. Die Farbe, in der er gerade leuchtet, signalisiert die Anfälligkeit für eine bestimmte Waffe.
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Jump-and-run und Prügelspiel?
Mag sich El Shaddai auch über weite Strecken einer eindeutigen Kategorisierung verweigern. Wir bezeichnen es einfach mal als Action-Adventure. Ihr kämpft häufig im Prügelstil in Arenen, teils mit mehreren Feinden auf einmal. Noch häufiger allerdings rennt und springt ihr wie durch ein Jump-and-run, mal in 2D, mal in 3D, und zwar durch die verrücktesten Umgebungen. Da gibt es die kunterbunte Bonbonwelt mit Luftballons und Plattformen, die beim Behüpfen Orgeltöne abgeben, da gibt es die Lavawelt samt ausbrechendem Vulkan, der euch glühende Felsbrocken in den Weg schleudert. Auch Unterwasserwelten und himmlische Höhen dürfen im Repertoire der Level-Schauplätze nicht fehlen.

Drei Waffen stehen Enoch, abgesehen von seinen bloßen Fäusten, zur Verfügung:  Arch, eine effektive Nahkampfwaffe, die in den Jump-and-Run-Passagen auch zum Gleiten dient, sowie Gale, ein projektilverschießender Heiligenschein. Und schließlich Veil, ein Doppelschild, der mit seinen beiden Hälften auf den Boden geschlagen wird und die Gegner ins Wanken bringt. Enoch kann immer nur eine Waffe gleichzeitig bei sich tragen, zum Wechseln bedient ihr euch bunter Farbkugeln – oder ihr entreißt einfach einem Gegner seine Waffe, sobald ihr diesem genug Schaden zugefügt habt. Alle Waffen sind je nach Kontrahent unterschiedlich effektiv, so dass ihr vor allem bei den Bosskämpfen oft durchwechseln werdet. Außerdem nutzt sich die aktuelle Waffe mit der Zeit ab und muss dann per Knopfdruck "gereinigt" werden, um nicht immer weniger Schaden anzurichten.

Zum Angreifen genügt ein einziger Button auf dem Controller, rhythmisch gedrückt löst dieser Kombos aus. Ihr könnt die Angriffe eurer Feinde zwar auch parieren, werdet in der Praxis aber häufiger einfach außer Reichweite hüpfen und in der kurzen Pause zwischen den Attacken des Gegners zuschlagen. Sterbt ihr im Kampf, habt ihr mehrmals pro Level die Möglichkeit, per schnellem Button-Mashing in voller Rüstung an Ort und Stelle wieder aufzustehen und den Kampf fortzusetzen. Apropos Rüstung: Diese stellt Enochs Hitpoints grafisch dar und blättert bei jedem Treffer immer mehr ab. Ebenso visualisieren die gegnerischen Rüstungen deren Trefferpunkte: Kurz vor ihrem Ableben stehen die Feinde nur noch in Unterwäsche da.

Wider die gefallenen Engel
Bunt, bunter, Level 4: In einer 2D-Sequenz hüpfen wir zwischen den flummiartigen Nephilim hindurch.
Bosskämpfe  folgen bei El Shaddai am Ende jeden Levels so sicher wie das sprichwörtliche Amen in der Kirche. Dabei steht euch meist einer der gefallenen Engel in voller Plattenrüstung, manchmal aber auch einer seiner Lakaien oder "Haustiere" gegenüber. Die Taktik beschränkt sich meist darauf, die richtige Waffe auszuwählen, den Angriffen auszuweichen und dann aus dem Hinterhalt zuzuschlagen. Uns ist schleierhaft, wieso sich die überbordende Kreativität der Grafik und der Levels nicht auch in den Bosskämpfen zeigt! Im typischen Stil eines Japano-RPG geben die Bosse meist keine Ruhe, wenn man sie zum ersten Mal besiegt hat. Stattdessen erstehen sie gerne in einer gefährlicheren, irgendwie mutierten und vor allem viel größeren Variante wieder auf.

Die übergangslosen Wechsel zwischen verschiedenen Kameraeinstellungen, Perspektiven und Grafikstilen machen einen großen Teil von El Shaddais Faszination aus. Gerade eben noch springt ihr über 3D-Würfel in einer aseptischen Metall-Zukunftswelt, schon wechselt die Kamera und ihr findet euch in einer schwarz-weißen 2D-Seitenansicht wieder. Kurz darauf kann etwa ein Bosskampf folgen, der wiederum in einem völlig neuen Grafikstil stattfindet. Diese ständigen Wechsel nerven aber keineswegs, sondern bringen Abwechslung ins Spiel und sind so schön anzusehen, dass ihr ständig gespannt seid, was die Designer sich als nächstes ausgedacht haben. Zwischen den Kämpfen stehen immer Sprungsequenzen, die aber stets abwechslungsreich und fair gestaltet sind: Mal hüpft ihr an einem wunderschönen Kirchenfenster-Mosaik entlang, das Enochs Schutzengel portraitiert, mal reitet ihr auf wellenförmigem, waberndem Untergrund bis zur nächsten Plattform. Einzig im achten Level, wenn ihr für kurze Zeit als Wächter Armaros unterwegs seid, um den in die Hölle hinab gestiegenen Enoch zu finden, werden die Sprungeinlagen durch die eigenwillige Kameraführung ein wenig anstrengend. Zum Glück quittiert das Spiel ein Abrutschen lediglich mit einem Fingerschnipp-Sample und setzt Enoch wieder an den Anfang der Sprungsequenz. Ganz wie beim neuesten Prince of Persia.
Armaros führt im Vordergrund einen bizarren Tanz auf, während wir im Hintergrund seine Lakaien  Marke "Shrimpskopf" verkloppen. Immer wieder versperrt  er uns die Sicht und zeigt seine Moves direkt vor der Kamera.

Fazit: Ein Trip wie kein andererZu Beginn erscheint El Shaddai noch fast ein wenig eintönig. Ihr lauft nach vorne, hüpft über ein paar Felsspalten und kommt zu einer Arena mit ein paar Gegnern, die besiegt werden müssen, bevor es weitergeht und sich der gleiche Ablauf wiederholt. Habt ihr aber die ersten drei Levels überstanden, dreht das Spiel richtig auf und verfrachtet euch in eine Welt, die direkt aus einem Traum zu kommen scheint. Der bekannte Ablauf verändert sich zwar später nicht grundsätzlich, wohl aber die Umgebungen und der Schwierigkeitsgrad. Hier ist dann auch der Hauptkritikpunkt an El Shaddai zu suchen: Die Entwickler haben es sich bei den Gegnern, von denen es einfach zu wenig Typen gibt, und bei den Kampftaktiken, vor allem bei den Bossen, zu leicht gemacht. Immer wieder der gleiche Ablauf nach dem Schema "gegnerischen Angriff abwarten, zuschlagen, weghüpfen" haut am Ende der elf Levels keinen himmlischen Helden mehr vom Hocker.

Unsere Rüstung ist fast komplett zerstört -- zum Glück können wir uns per Button-Mashing wieder ins Leben zurück holen.
Möchte man aber das Besondere, das gewisse Etwas an El Shaddai beschreiben, weiß man gar nicht, wo man anfangen soll. Die sehr freie Interpretation der religiösen Quellen rund um die gefallenen Engel erlaubt es den Designern, sich so richtig auszutoben. Ob Lucifel mit seinem Handy, tanzende Bosse, ein kompletter Level auf dem Motorrad oder die Idee, immer wieder Begegnungen mit Kontrahenten einzubauen, die Enoch gar nicht besiegen kann: Mehr als einmal wird euch vor Staunen die Kinnlade herunterklappen. Oft wird es passieren, dass ihr einfach nur geradeaus lauft, während eure Aufmerksamkeit komplett auf etwas anderes gelenkt wird, das sich im Hintergrund abspielt: Sei es ein Feuerwerk, ein Kampf zwischen Gut und Böse, der per Schattenschnitt dargestellt wird, oder einfach nur die Stimme von Erzengel Michael, der euch aus dem Off mit philosophischen Weisheiten über das Leben versorgt.

El Shaddai beschreibt Enochs Aufstieg in den Himmel als einen phantastischen, sehenswerten, verrückten, teils aber auch ziemlich wirren Trip. Enoch ist ein Held, der an seinen Herausforderungen wächst, einen tiefgreifenden Wandel durchmacht und dennoch stets an seinen Werten festhält. Das Ganze spielt sich vor visuellen Hintergründen ab, für deren Macher die Berufsbezeichnung "Level-Designer" eine Abwertung wäre. Für derartige gestalterische Kreativität gibt es nur ein Wort: Kunst. Gut, dass es solche Spiele gibt.

Autor: Florian Pfeffer / Redaktion: Jörg Langer (GamersGlobal)

 El Shaddai - Ascension of the Metatron
Einstieg/Bedienung
  • Intuitives Kampfsystem, das meist mit einem Knopf auskommt
  • Hüpfsequenzen können nahezu beliebig oft wiederholt werden
  • Wiederbelebung im Kampf möglich
  • Enoch rutscht manchmal unfreiwilig ab oder springt daneben
Spieltiefe/Balance
  • Gelungene Mischung aus Hüpfen und Kämpfen
  • Ideenreich gebaute Levels
  • Kombinationsangriffe durch getaktetes Knopfdrücken
  • Viele versteckte Extras und Extralevels
  • Freischaltbare Hardcore-Spielmodi
  • Speicherpunkte sehr fair verteilt
  • Gegnertypen wiederholen sich zu oft
  • Bosse erfordern keine große Taktik
  • Infos übers HUD erst beim zweiten Durchspielen verfügbar
Grafik/Technik
  • Einzigartiger visueller Stil
  • Grafische Vielfalt: Von bunt bis düster, von Bleistift bis 3D-Animation
  • Eindrucksvolle Darstellung der biblischen Motive
  • Zwischensequenzen und Spiel gehen immer wieder nahtlos ineinander über
  • Gelegentlich unübersichtlich durch fixe Kamera
  • Manchmal sind Löcher im Boden schwer zu erkennen
Sound/Sprache
  • Harfenklänge, Choräle und Orgelmusik
  • Japanische Original-Sprachausgabe wählbar (deutsche Untertitel)
  • Soundeffekte wirken teils billig
Multiplayer
Nicht vorhanden  


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Userwertung
7.1
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3D-Actionadventure
12
Ignition Tokyo
08.09.2011
Link
PCPS3Switch360
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Florian Pfeffer 25. September 2011 - 12:29 — vor 12 Jahren aktualisiert
Sebastian Schäfer 16 Übertalent - 5601 - 25. September 2011 - 12:38 #

Ich habe bisher nur die Demo auf der Xbox 360 gespielt und war begeistert, obwohl ich nicht mal sagen kann warum überhaupt. Ich werde mir die Vollversion bestimmt mal zulegen wenn es etwas billiger wird. Aber das Spiel kann man sich ruhig mal anschauen. Der Test zeigt ja, dass es sich durchaus lohnt.

Lars (unregistriert) 25. September 2011 - 12:58 #

Wusste nach 2 Sekunden der Demo, dass ich das Spiel kaufen würde - das wohl grandioseste (visuelle) Kunstwerk in der Videospielgeschichte.

Nach Uncharted 3 und Journey sicherlich auf Platz 3 der besten Spiele des Jahres.

. 21 AAA-Gamer - 28253 - 25. September 2011 - 13:34 #

Toller Test. Haben muss das Spiel.

Green Yoshi 22 Motivator - P - 36258 - 25. September 2011 - 13:55 #

Fand die Demo ganz nett, sicher ein Spiel, das man sich zum Budgetpreis kaufen kann.
Wobei ich nicht verstehe, warum bei einem ungewöhnlichen Grafikstil sofort Kunst gerufen wird und Spielen mit klassischer Optik dieser Status verweht bleibt.

Ike 18 Doppel-Voter - P - 9762 - 25. September 2011 - 14:14 #

Das klingt trotz der aufgezählten Mängel unglaublich faszinierend (hab auch schon ein Video der Demo gesehen). Wird sicher irgendwann mal auf meiner Konsole landen.

Nihilus6 15 Kenner - 2916 - 25. September 2011 - 16:13 #

Bei Fazit sollte es Denoch(statt Enoch) heissen ;)

MantisXT 11 Forenversteher - 724 - 25. September 2011 - 16:48 #

Nein sollte es nicht, Enoch ist der Name des spielbaren Charakters im Spiel.

Anonymous (unregistriert) 25. September 2011 - 22:05 #

Oh Mann. Im Wortspiel steckt Sport viel.

. 21 AAA-Gamer - 28253 - 25. September 2011 - 19:09 #

Ha, hier kommt es mal raus - wer nur die Wertung und Fazit liest. :-)

DerMitDemBlunt 14 Komm-Experte - 2483 - 25. September 2011 - 19:29 #

das Spiel ist auf den richtigen Drogen auf jeden fall der knaller ;)

Avrii (unregistriert) 25. September 2011 - 23:09 #

Billiger Sound, billige Grafik die man versucht als Kunst zu verkaufen, dann noch eine Priese Religion mit Mobiltelefon vermischen - fertig ist das Low Budget Spiel.

Das Spiel ist schrott, wirkt vielleicht cool, aber spielt sich einfach 1950.

Jörg Langer Chefredakteur - P - 469809 - 25. September 2011 - 23:24 #

Hast du es gespielt?

Avrii (unregistriert) 26. September 2011 - 7:38 #

Ja, und es ist keine 50 Euro Wert. Es ist einfach zu Low Budget.

Jörg Langer Chefredakteur - P - 469809 - 26. September 2011 - 11:16 #

Du schreibst immer "ist", wenn du schreiben solltest: "meiner Meinung nach ist"...

Sciron 20 Gold-Gamer - 24182 - 26. September 2011 - 1:09 #

Stil und Gameplay finde ich sehr interessant. Dennoch ist es für mich Aufgrund der Schwächen auch eher ein Budget-Kandidat. Der aussergewöhnliche Ansatz ist aber definitiv sehr lobenswert.

Pepper 11 Forenversteher - 649 - 26. September 2011 - 20:30 #

Ich finde vom künstlerischem Aspekt aus ist es sehr gelungen was die Optik betrifft, aber der Soundtrack hätte etwas mehr Abwechslung vertragen können.
Außerdem sind es recht schlauchige Level

Keksus 21 AAA-Gamer - 25149 - 17. Oktober 2011 - 15:12 #

Mit 7.5 definitiv unterbewertet. Die Negativpunkte kann ich nicht nachvollziehen. Danebenspringen oder abrutschen hatte ich nie Probleme mit. Die Steuerung ist sehr genau. Dass man kein HUD hat stört auch nicht, sondern ist sogar besser, weil das Spiel künstlerischen Anspruch hat. Da würde ein HUD nur stören. Mit Löchern im Boden hatte ich auch nie Probleme. Lässt sich alles bestens erkennen. Das mit den Soundeffekten kann ich auch nicht nachvollziehen.

9 Punkte sind für das Spiel mindestens drin. Weil es ist lang und bietet auch noch richtig viel Abwechslung, dass man teilweise glaubt plötzlich ein anderes Spiel zu spielen. Es ist definitiv eins der besten Spiele der letzten Jahre. Und wenn ich mir da im Vergleich dazu ansehe was hier alles 9 oder mehr Punkte erhält ...

Tempergus 08 Versteher - 211 - 25. Oktober 2011 - 11:21 #

Bin absolut derselben Meinung. Hier liegt ein Spiel vor, was ähnlich wie Rez, Okami oder SotC auch in zehn Jahren noch erwähnt werden wird, wenn all die Rages, Uncharteds und Gears längst in der Versenkung verschwunden sind. Ein Spiel, für das man gerne den Vollpreis zahlt und sich für jede Spielminute freut. Große Kunst ist das, die leider von der Masse überhaupt nicht wahrgenommen wird - vielleicht in 10 Jahren, wenn es ein Remake davon geben wird (ähnlich der Ico/SotC-Collection). Und dann will auf einmal JEDER schon immer ein großer Fan des Spiels gewesen sein, ts ts.

vergil 12 (unregistriert) 2. November 2011 - 20:32 #

Tolles Spiel, hat mich sehr gut unterhalten. Wunderbar abwechslungsreiches Setting und abgedrehte Geschichte.

8.5 von mir. Die Hüpfpassagen sind oft kamerabedingt schwierig, dank rascher Rücksetzpunkte aber kein Kritikpunkt.