Pendulo kann auch düster

Der Fall John Yesterday Test

Die Pendulo Studios kennen Adventure-Spieler bisher vor allem aus den kurzweiligen Comic-Abenteuern mit Brian Basco und Gina Timmins in der Runaway-Reihe. Mit Der Fall John Yesterday schlägt der spanische Entwickler einen anderen, wesentlich düsteren Weg ein, mit Morden an Obdachlosen und einer satanischen Sekte.
Benjamin Braun 2. Mai 2012 - 16:43 — vor 11 Jahren aktualisiert
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In New York City geht ein Phantom um, das schon dutzende Obdachlose auf brutalste Weise ermordete. Doch niemand hat ein ernsthaftes Interesse daran, die rituell inszenierten Morde aufzuklären. Außer Henry White, ein strebsamer Student und Sohn reicher Eltern. Er und sein Kumpel Cooper wollen den Heimatlosen helfen, die in einer stillgelegten U-Bahn-Station eine neue Bleibe gefunden haben. Doch Henry und Cooper geraten nun selbst in die Schussbahn – denn offenbar halten die Obdachlosen schwarze Messen ab, bei denen sie Menschenopfer bringen...

Düster, ernst und mit einem Schuss Humor Die Geschichte um satanische Opferrituale beginnt zwar mit Henry White und seinem Freund Cooper, im Zentrum der Handlung von Der Fall John Yesterday steht aber die Geschichte des namensgebenden Protagonisten. John Yesterday ist ein Sektenforscher, den Henry White bereits vor einiger Zeit mit der Aufklärung der Morde beauftragt hatte. Ob John bei seiner Suche erfolgreich war, weiß er selbst nicht mehr. Offenbar hat er im Rahmen seiner Ermittlungen einen Selbstmordversuch unternommen, die Erinnerung an die Zeit davor ist komplett verschwunden. Was dann beginnt, ist eine Reise in Johns Vergangenheit, bei der er nicht nur auf die Spur des Mörders und der Sekte, sondern auch mit Pauline, einer verflossenen Liebschaft in Paris, und einem blinden Schwertmeister in Tibet zusammentrifft.

Der Spieler erfährt im Gegensatz zu John schon früh im Spiel, wer der Mörder ist. Das raubt der Handlung aber keineswegs die Spannung. Pendulo konfrontiert uns nämlich immer wieder mit neuen Details und Enthüllungen, die für uns genauso überraschend sind wie für John. Pendulo lässt bewusst Logiklöcher in der Handlung entstehen, die erst ganz am Ende zu einem mehr oder minder sinnvollen Ganzen verwoben werden. Mehr oder minder deshalb, da der wahre Hintergrund mit rational erfassbaren Gesetzmäßigkeiten unvereinbar ist. Bis dahin ist aber ein spannendes Verwirrspiel angesagt, das den Runaway-Machern wahrscheinlich die Wenigsten zugetraut hätten. Am Ende wartet dann noch eine Entscheidung auf euch, mit der ihr den Ausgang der Geschichte unabhängig von dem, was ihr vorher gemacht habt, beeinflussen könnt.

Ganz auf humorvolle Einschübe verzichten die Spanier aber nicht. John fragt seinen Schwertmeister zum Beispiel danach, was es morgen zum Essen gäbe, was dieser mit „Brei“ beantwortet. Anschließend können wir ihn noch zu den Folgetagen befrage und er erklärt mit süffisantem Unterton, dass der Speiseplan im Kloster nicht gerade besonders abwechslungsreich ausfällt. Auch Anspielungen auf Filme oder auch den letzten Runaway-Teil spart sich Pendulo nicht. Charakter Boris ist bereits Brian Basco in der Anstalt Happy Dale begegnet und genau dort trefft ihr auch auf weitere bekannte Figuren.

Mut zur LückeDie Handlungsauflösung ist nicht der einzige Punkt, bei dem der Entwickler „Mut zur Lücke“ beweist. Immer wieder springt das Spiel in der Zeit und zeigt etwa Dialogauszüge von John und Paulines erster Begegnung und dem John der Gegenwart, der zunächst nicht versteht, weshalb ihn die junge Frau mit einer Ohrfeige begrüßt. Diese Zeitsprünge geben der Handlung einerseits eine gewisse Würze, andererseits wirken sie teils stark verkürzt. Besonders auffällig ist das bei den Dialogabschnitten in einem Pariser Hotel. John ruft seine Mutter an, um sie nach einem möglichen Passwort für ein beim Portier hinterlegtes Paket zu fragen. Sie sprechen ein bisschen über Johns Vater, über den möglichen Grund für seinen Suizidversuch. Einen Verabschiedungssatz zwischen den beiden gibt es aber nicht, und auch beim erneuten Anruf bleibt keine Zeit für eine richtige Begrüßung. Da fällt es manchmal unnötig schwer, richtig ins Abenteuer einzusteigen oder sich wenigstens in die aktuelle Situation hineinzufühlen. Dennoch gelingt es, dank des allgegenwärtigen Sprechers. Er kommentiert das Geschehen oft mit einer gehörigen Portion Sarkasmus und gibt gleichzeitig Aufschluss über die Gedanken der Spielfigur. Wenn der tumbe Cooper etwa eine große Werbetafel mit einem offenkundig hübschen Model betrachtet, sagt der Sprecher, dass Cooper in diesem Moment beschloss, sollte er jemals eine Freundin haben, niemals die Hand gegen sie zu erheben. Das tut er in einem Tonfall, der schnell klar macht, dass der geistig etwas zurückgebliebene Cooper in seinen Springerstiefeln zwar ein im Herzen guter Mensch ist, der aufgrund seiner Vergangenheit aber nie in der Lage sein wird, Schwüre wie diesen dauerhaft umzusetzen. Zuvor zeigt das Spiel uns eine Rückblende, bei der Cooper in jungen Jahren von seinem diabolischen Pfadfinder-Führer drangsaliert wurde.

Rätselbrise trifft Tipp-Gewitter
Statt klassisch per Point & Click müsst ihr Inventarobjekte etwas fummelig aus dem Inventar "herausziehen".
Das letzte Abenteuer der Pendulo Studios, The Next Big Thing, blieb von wenigen Ausnahmen abgesehen sehr leicht und ließ wenig von der Kreativität der Rätsel aus Runaway – A Twist of Fate spüren. In Der Fall John Yesterday bestehen die Herausforderungen überwiegend aus Inventar- und Kombinationsrätsel der Marke Standard, die noch dazu extrem linear aufgebaut sind. Zum Beispiel muss John seinen Meister in Tibet davon überzeugen, das Schwerttraining mit ihm zu beginnen. Das beginnt aber erst, wenn die Glocke läutet. Dazu müssen wir bloß eine Vorrichtung reparieren, mit der wir die Glocke schließlich läuten können. Wir wollen nichts verraten, aber wenn euch relativ lange Rätselketten für eine vergleichsweise plumpe Aktion gegen den Strich gehen, dann erwartet spielerisch besser nicht zuviel. Aber es gibt Ausnahmen: Im selben Spielabschnitt müsst ihr euren Meister in einem kleinen Spielchen schlagen. Ihr haltet ein paar Finger hinter dem Rücken genauso wie euer Meister. Gewinnen könnt ihr nur, wenn ihr seht, wie viele Finger euer Meister zeigen wird. Das ist zwar auch kein anspruchsvolles Rätsel, aber zumindest eines der sinnvolleren Sorte.

Schon der Sprecher gibt meist einige Tipps in den Kommentaren, kommt ihr dennoch mal nicht weiter, hilft ein Klick auf die Tippfunktion. Die weist euch zum Beispiel darauf hin, dass ihr ein Objekt übersehen habt oder gibt einen konkreten Hinweis, wo etwas getan werden kann. Je nachdem, wie viel ihr bereits erledigt habt, werdet ihr konkret zur nächstmöglichen Aktion geführt. Deaktivieren könnt ihr den Knopf nicht, ihr müsst der Verlockung also widerstehen. Immerhin lässt das Spiel es nicht zu, euch ohne Hindernis von vorne bis hinten durchs Spiel leiten zu lassen. Die Tippfunktion müsst ihr zunächst mit Aktionen, egal ob sinnvoll oder willkürlich, aufladen, bis ihr erneut einen Hinweis einfordern könnt. So oder so: Halbwegs erfahrene Abenteurer werden bis zum Finale kaum länger als fünf Stunden brauchen.

Touchscreen-kompatible Steuerung
Hinderlich beim Lösen der Aufgaben ist aber letztlich nur eins: die gewöhnungsbedürftige Steuerung. Pendulo hat das Abenteuer gez
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ielt so gestaltet, dass es genauso gut (oder schlecht) auf dem PC bedienbar ist wie auf einem System mit Touchscreen-Eingabe – offensichtlich ist geplant, Der Fall John Yesterday auch für typische Tablets oder Smartphones herausbzubringen. Wenn ihr einen Hotspot anklickt, erscheint ein separates Fenster im Bild, in dem ihr den Ausschnitt näher untersucht, ein Objekt benutzt beziehungsweise es einsammelt. Das erfordert von Point-and-Click-erfahrenen Spielern aber nur eine kleinere Eingewöhnungszeit.

Am Inventarmanagement hingegen könnten sie sich bis zum Schluss etwas stoßen. Das ist nämlich wie für reine Touchscreen-Geräte üblich geraten: Ein Klick auf ein Objekt lässt es euch untersuchen, haltet ihr die Maustaste gedrückt, könnt ihr es aus dem Inventar nehmen und auf die Umgebung anwenden. Einmal durch das Rausziehen in die Hand genommen, könnt ihr die Maustaste aber wieder loslassen. Das funktioniert in der Theorie gut, in der Praxis ist es allerdings recht fummelig geraten. Ein unnötiges Ärgernis, wie wir finden. Gerade Adventures funktionieren wunderbar mit normaler Maussteuerung, auf dem PC wollen wir also eine normale Maussteuerung haben!
Johns Erinnerungen führen ihn auch in Zeit in einem Kloster im Himalaya zurück, in der er den Schwertkampf erlernte.
Benjamin Braun Freier Redakteur - 439441 - 2. Mai 2012 - 16:46 #

Viel Spaß beim Lesen!

BruderSamedi 19 Megatalent - P - 13624 - 2. Mai 2012 - 17:23 #

Also kann ich als Logikfanatiker noch den einen oder anderen Punkt abziehen? Wenn man Ende eines Spiels oder Films mit irgendwelchen irrealen Sachverhalten konfontriert wird, nur damit der wirre Handlungsfaden irgendwie zusammenläuft, dann verzichte ich lieber auf die vielen Wirrungen.

Gute Adventures spiele ich ja ganz gerne, aber ich denke das wird für mich eher ein Fall für die Budget-Schiene.

Valiant (unregistriert) 2. Mai 2012 - 17:37 #

Ich habe es vor vier Wochen schon durchgespielt, fand es unterm Strich gelungen, musste aber zwischendurch ordentlich schlucken, weil die Auflösung ganz gehörig auf übersinnliche Elemente setzt. Wenn man mit einer ordentlichen Dosis Mystery leben kann, ist das Ende aber für meinen Geschmack befriedigend aufgelöst, wenn es auch ein paar Erklärungen mehr hätten sein dürfen und zumindest meiner Auffassung nach wenigstens ein kapitaler Logik-Bock geschossen wurde.

Benjamin Braun Freier Redakteur - 439441 - 2. Mai 2012 - 19:13 #

Wie Valiant sagte, fusst die Erklärung auf Dingen, die wissenschaftlich nicht möglich sind. Wenn das für Dich ein Grund ist, noch ein bisschen was abzuziehen, dann kannst Du das so für Dich verbuchen. Unlogisch im Sinne von "passt nicht zusammen" würde ich aber nicht unterschreiben.

Olphas 26 Spiele-Kenner - - 66869 - 2. Mai 2012 - 17:42 #

Ich habe es ja schon vor eine Weile gespielt, als die internationale Fassung bei Steam erschienen ist. Und ich kann dem Test nur zustimmen. Insgesamt hat es mir eigentlich gut gefallen, aber es gibt doch so einige Dinge, die mich gestört haben.

Ich war geradezu entsetzt, als ich nach 4,5 Stunden fertig war. Inklusive dem Anschauen mehrerer Endsequenzen! Als ich beim Gamestar-Test was von ca. 8 Stunden Spieldauer gelesen habe, hab ich mich wirklich gefragt, wie die das geschafft haben wollen. Ich hab zwar durchaus Adventure-Erfahrung, aber ich brauche meist eher länger als andere Spieler.

Und der Tipp-Button ist mir auch etwas zu nah. Ich hatte teils doch Schwierigkeiten, dem zu widerstehen - vor allem da einige Aktionen sehr seltsam sind. Ich sag nur: Telefon reparieren.
Und dann war die Art der Tipps doch sehr inkonsistent. Manchmal gab es einen dezenten Hinweis. Das ist okay, mehr will ich ja gar nicht. Aber manchmal wird einem da auch direkt gesagt, was man tun soll - das ist dann eindeutig zu viel.

Die Bedienung ist wirklich seltsam und unkomfortabel, zumindest für die klassische Point&Click-Steuerung mit der Maus. Und die Teleportiererei fand ich irritierend. Einerseits ist es ja schön, dass der jeweilige Charakter nicht immer durch das Bild schlurft, aber es fühlt sich einfach merkwürdig an.

Trotz aller Kritik: Ich bin eigentlich kein Freund der Pendulo-Adventures aber dieses hier hat mir insgesamt ganz gut gefallen. Denn die Story ist zwar etwas verworren, aber durchgängig spannend und interessant - wenn auch auf Grund der mystischen Thematik nicht zwingend logisch.

Ramireza (unregistriert) 2. Mai 2012 - 22:09 #

"Und der Tipp-Button ist mir auch etwas zu nah."

Warum werden diese "das Spiel spielt sich alleine" Mechanismen nicht Grundsätzlich aus Spielen entfernt? Ich versteh das alles wirklich nicht mehr :S

MMKING 17 Shapeshifter - 6725 - 2. Mai 2012 - 19:00 #

Klingt eigentlich interessant das spiel. mal schauen ^^

Green Yoshi 22 Motivator - P - 36071 - 3. Mai 2012 - 0:25 #

Hätte ich ein iPad, würd ich das Spiel wohl kaufen. Auf PC hab ich noch genug andere Adventures, die darauf warten durchgespielt zu werden.

Ganon 27 Spiele-Experte - - 83702 - 4. Mai 2012 - 20:20 #

Die Kritikpunkte klingen allesamt so, als wären sie der (geplanten) Tablet-Umsetzung geschuldet. Schwächere Technik als bei den Vorgängern, durchgehend leichte Rätsel, kurze Spielzeit, komische Steuerung. Die Story klingt ja interessant, aber unter diesen Bedingugen zahle ich dafür maximal 10 €.