Früher oder später werdet ihr Truppen ausheben, um eure Ziele durchzusetzen. Die marschieren dann als Ritter-Modell durch die Lande. Den Großteil eurer Armee stellen kostenlose bewaffnete Milizen. Die reine Überzahl ist gute Grundlage, aber noch nicht Schlüssel zum Sieg. Mehr Ritter und Anführer steigern die Qualität einer Armee und zusätzlich angeheuertes Waffenvolk wie Bogenschützen und Co. geben euch einen Bonus, besonders wenn sie auf dem richtigen Terrain zum Einsatz kommen und effektiv gegen die Waffenvolk-Typen des Gegners sind.

Eine Schlacht wird letztlich aber auf Grundlage dieser Werte ausgewürfelt und kommt als Balken daher, der sich zugunsten der eigenen oder der gegnerischen Truppen verschiebt. Es gibt noch Feinheiten, wie die Flucht in der späten Schlachtphase, aber die Kämpfe sind dennoch recht reduziert in ihrer taktischen Tiefe. Eine diverse, große Armee kann Feindaufgebote ohne große Überlegung niederwalzen. Um Kriege zu gewinnen, sammelt ihr durch Erfolge Punkte. Am meisten Punkte bringen nachvollziehbarerweise die Eroberung des umstrittenen Territoriums und wichtiger Städte der feindlichen Parteien. Das sorgt für spannende Momente, wenn ich im letzten Augenblick ein Ziel erobere und einen Frieden oder Sieg aushandeln kann, kurz bevor die Eroberung meiner Hauptstadt gelingt. Indem ich dafür sorge, dass ich meine Truppen nahe am Ziel ausheben kann, überrolle ich einen Feind mit mächtigen Freunden, bevor die Verstärkung des Bundgenossen eintrifft.

Eine Schwäche des kriegerischen Aspekts ist klar die konfuse KI von Crusader Kings 3. Wenn ich nun bei einem nahen Feind direkt auf die feindliche Hauptstadt gehe, schafft die KI immer wieder dieses Glanzstück: Sie macht auf dem Weg zu meiner Hauptstadt kehrt, fängt meine Armee nicht ab und belagert dann deutlich zu spät meine Hauptstadt – sogar ihre Armee ist zu klein, um überhaupt den Fortschrittsbalken der Belagerung zu füllen. Noch schlimmer ist es, einem Verbündeten im Krieg beizustehen. Teils erobern die mit meiner Hilfe Grafschaft um Grafschaft, die zurückerobert wird, während wir weiterziehen, statt die leicht unterlegene feindliche Armee anzugreifen. Aber da ich dem Verbündeten keine Tipps für seinen Krieg geben kann, muss ich mit ihm irrlichtern. Wobei: Sofern ihr nicht im Ironman-Modus spielt, könnt ihr jederzeit den Charakter wechseln und damit das Problem durch kurze Übernahme des Verbündeten umgehen.

 

Ein zweites Problem, an dem sich Strategen in Crusader Kings 3 stören werden, ist der Zufall. Da es geheime Werte und verborgene Komplotte gibt, passieren teils Dinge auf der Karte, ohne dass ihr so recht nachvollziehen könnt, wieso. Doch auch ohne diesen Faktor durch geheime Pläne seid ihr in Crusader Kings 3 öfter Spielball von unsichtbar gefallenen Würfeln. Wenn ihr einen Spielstand ladet, der zwei Spielmonate zurückliegt, stirbt euer König vielleicht plötzlich noch nicht am hohen Alter oder es treten andere Events als zuvor auf (bei kurzen Zeitabständen, wie etwa einem Autosave vor drei Spielwochen, stehen Ereignisse dagegen fest und treten wieder auf).

Geärgert hat mich das jedoch bei den Verlusten im Krieg. Hier scheinen Ritter auch mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit verwundet oder getötet zu werden. Da stirbt beim ersten Anlauf mein Thronerbe, beim zweiten gibt es gar keine Verluste unter den Rittern. In einem Fall lud ich eine verlorene Schlacht, hob zusätzliche Truppen aus und schickte sie den ersten hinterher. Und obwohl ich sehr sicher bin, dass die Schlacht wieder im selben Gebiet stattfand, gewann meine Armee dieses Mal, noch bevor die Unterstützung eintraf. Die Spannbreite des Zufalls kann in Crusader Kings 3 also deutlich unterschiedliche Ergebnisse zutage fördern.

Dazu passiert das recht häufig und nicht alles erachtet das Hinweis-Tool so wichtig wie ich. So stand ich mehrfach ohne Hofarzt da, weil ich dessen Tod verschlafen hatte. Die Vielzahl an relevanten Figuren führt hier dazu, dass ich nicht mehr allem folgen oder meine fünf Kinder sofort auseinander halten kann.

Die liebe Technik

Zweifelsohne ist Crusader Kings 3 das bisher hübscheste Paradox-Spiel. Es ist dennoch weiter ein Spiel mit Excel-Ästhetik: Eure Augen tauchen einen Großteil der Zeit durch Menüs, das meiste spielt sich dank der Verwicklungen der Mechanik und Texte in der Vorstellung ab. Doch zum einen seht ihr alle Charaktere nun als 3D-Modell vor euch und das verrät etwas über den Charakter: Verwundete sehen zerschlagen aus. Wenn mein König vor lauter Anspannung Trinker wird, kriegt er mit der Zeit eine Säufernase. Zum anderen erscheint die Spielkarte wirklich hübsch als Stoffkarte auf einem Tisch im herausgezoomten Modus und beim Hereinzoomen seht ihr nicht allzu detailliert modellierte Wälder, Orte und Meereswellen. Ihr hört den Wind in den Blättern rauschen und lauscht sehr stimmiger Ambient-Musik.
  Auf der anderen Seite steht die Technik und wie es bei den hochkomplexen Titeln von Paradox nicht selten der Fall ist, knirscht es noch hier und da in der kleinteiligen Mechanik im Hintergrund. Ich erlebte in meiner Zeit nur einen Absturz und vermehrt viele kleine Bugs, die nie so störend wurden wie das strategische Versagen der KI. So liefen meine offensichtlich göttlich gesegneten Soldaten gerne die letzte nautische Meile zur Küste über das Wasser oder Events wurden nicht richtig aufgelöst. Ich wollte etwa meine Frau bezirzen und hatte drei Bücher für eine gemeinsame Lesung zur Wahl, um den Vorgang zu beschleunigen. Allerdings wurde nie aufgelöst, ob ich mich richtig entschied. Stattdessen fanden wieder und wieder Lesungen statt und egal, welches Buch ich versuchte, es brachte mich nur zur nächsten Lesung, bis die romantische Umwerbung ganz regulär zum glücklichen Höhepunkt fand. Zum Launch des Grundspiels wird aber bereits ein erster Patch veröffentlicht, der einen Teil der noch vorhandenen Bugs ausbügeln soll.

Autor: Hagen Gehritz (GamersGlobal)