Als Diener im vorrevolutionären Frankreich lernt ihr die Kunst der Kartentricks, schummelt euch in die Kreise der Adeligen und kommt einem Geheimnis auf die Spur.
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Alle Screenshots und Spielszenen stammen von GamersGlobal
Entwickler Nerial wurde durch Reigns bekannt (Reigns - Game of Thrones im Test). Darin leitet ihr die Geschicke eines Königreichs, indem ihr Event-Karten für Entscheidungen nach links oder rechts schiebt und so vier Werte wie Bürgerzufriedenheit und Geld in Balance haltet (und es vermeidet, euch mächtige Feinde zu machen, die euch direkt einem frühzeitigen Tod zuführen). Auch das neue Spiel des Entwicklers dreht sich um Karten, jedoch auf gänzlich andere Weise.
Die Idee für Card Shark kam dem Animationskünstler, Filmemacher und Game Designer Nicolai Troshinsky, als er Kartenspiel-Betrügereien recherchierte. Er tat sich darauf mit Arnaud de Bock (Creative Director bei Nerial) zusammen, um ein Gameplay-Konzept zu ersinnen, bei dem es darum geht, diese realen Kartentricks anzuwenden. Das tut ihr in der Rolle eines jungen Mannes, der von seinem Meister in die Welt der Betrüger eingeführt wird und dadurch im Frankreich am Vorabend der Französischen Revolution auf Geheimnisse der Adeligen stößt. Gelingt ein ungewöhnlicher Indie-Hit oder haben sich die Entwickler verzockt?
Zwischen Spielrunden bei Kartenpartien treiben Dialoge die Geschichte voran. Man muss schlucken, dass alle wichtigen Figuren ein Glücksspielproblem haben und auch noch ihre Geheimnisse dem verraten, der sie gerade auf zwielichtige Art ausnimmt.
Der stumme Diener und der Comte
Euer Lehrmeister in den betrügerischen Künsten ist niemand anderes als der berüchtigte Comte de Saint Germain, ein vorgeblicher Adliger und Alchemist. Er war ein bunter Hund seiner Zeit, um den sich diverse Legenden ranken. Eure Hochstapler-Karriere an der Seite von Saint Germain erweist sich als interessante Mischung aus Erzählabschnitten und Kartenspiel-Sequenzen. Der Witz daran: Es bleibt gänzlich unklar, was euer Meister spielt, denn ihr konzentriert euch stets nur auf die Schummeleien, damit er bestimmte Karten erhält oder erfährt, was ein Gegenspieler auf der Hand hat.
Bei fast jedem Opfer, das ihr auf der Weltkarte ansteuert (ihr habt öfter eine kleine Auswahl, der Fortschritt ist aber linear), lernt ihr eine neue Masche: Ganze 28 Stück gibt es, wobei einige fortgeschrittene Techniken nur bekannte Tricks ausbauen. Der Betrug beginnt einfach. So linst ihr dem Gegner in die Karten und signalisiert durch bestimmte Bewegungen beim Abwischen des Tisches die häufigste Farbe seiner Hand. Spätere Methoden werden immer ausgefeilter und erstrecken sich über mehrere Stufen. So müsst ihr Karten so abspielen, dass hohe in die eine und niedrige in die andere Richtung gebogen werden. Die gebogene Karte mit hohem Wert lasst ihr dann durch ein Quicktime Event im Ärmel verschwinden und mischt sie darauf gezielt nach oben.
Card Shark erinnerte mich ein wenig an Wario Ware, denn die Tricks sind praktisch eine Reihe von Mini- beziehungsweise Micro-Spielen (manche Geschicklichkeitstests drehen sich auch um etwas anderes als Kartenbetrug). Card Shark ist dabei für Controller-Steuerung optimiert und stellt einiges mit dem linken Stick an. Um Karten an gewisse Stellen zu mischen, muss ich eine Abfolge an Stickbewegungen vollführen (nach unten ist reguläres Mischen, nach rechts lässt eine Karte vorstehen, nach oben mischt nur den oberen Teil des Stapels). An anderer Stelle lerne ich durch Übung den richtigen Neigungswinkel des Sticks, um zuverlässig Karten zu werfen. Mit seiner (nicht zu anspruchsvollen) Stick-Akrobatik ist Card Shark in Sachen Bedienung das klare Gegenteil von Reigns mit seinem simplen Tinder-Swipe-Prinzip.
Der Code "Zwölf Flaschen Milch" taucht schon früh auf, doch erst nach circa anderthalb Stunden öffnet sich der Comte etwas und lässt zumindest grob durchblicken, welche geheime Agenda er neben dem Geldscheffeln verfolgt.
Nicht erwischen lassen
Versteht meinen Wario-Ware-Vergleich nicht zu wörtlich: So hektisch wie in der Nintendo-Reihe wird es nicht. Ihr dürft euch auf dem Standard-Schwierigkeitsgrad nicht zu viel Zeit lassen, da sonst die Misstrauensleiste unten im Bild rasch wächst und euer Betrug auffliegt, doch Card Shark ist gnädig genug, selbst wenn ich ziemlich offensichtlich eine bestimmte Karte suche, steigt der Balken nur langsam. Wenn ich dagegen beim durchaus flott zu bewältigendem Mischen zögere, steigt das Misstrauen schnell. In vielen Partien könnt ihr aber auch die zweite von stets drei Runden verlieren, damit das Misstrauen sinkt (teils tat ich das auch aus Mitleid mit gewissen Opfern). Andererseits gibt es keinen Glücksfaktor: Sobald ein Schritt beim Trick schiefgeht, wird euer Meister die Runde zwangsweise verlieren – oder schlimmer: Ein offensichtlicher Betrug fliegt sofort auf.
Zwei Dinge erleichtern die Gaunerei: Zum einen könnt ihr jeden neuen Trick unbegrenzt üben. Doch während ich gewisse Abfolgen von Stickbewegungen zum Fake-Mischen leicht lernte, konnte ich mir Codes ums Verrecken nicht merken. War im Kreis wischen nun Herz oder Pik? Da ist das Interface die zweite große Hilfe, das auf dem Standardschwierigkeitsgrad anzeigt, was mein Code bedeutet und ob ich bestimmte Karten an die richtige Stelle mische. Trotzdem habe ich an mancher Stelle die Nerven verloren oder etwas durcheinandergebracht. Mal muss ich dann erst den Mindesteinsatz für eine Revanche anderswo ergaunern. Mal steht euer Leben auf dem Spiel. Zum Glück ist der Tod ein Zocker und so spult er die Zeit für euch zurück, wenn ihr ihn mit Kartentricks besiegt.
Beim niedrigsten Schwierigkeitsgrad steigt das Misstrauen langsamer, der höchste dagegen führt Perma-Death ein und entfernt die visuellen Hilfen. Das wäre nichts mehr für mich, da ich teils daran scheiterte, dass ich mir nicht über einen Zwischenschritt hinweg eine einzelne Karte aus dem Blatt des Opfers merken konnte...
In der Scheune kann ich wieder zu Geld kommen, wenn ich nicht mehr genug für die Mindesteinsätze habe. Auch die Methode steht mir frei. Doch ohne den narrativen Rahmen ist es weniger spannend, alte Tricks neu abzuspulen.
Ungewöhnlicher Stil
Optisch zeichnet sich Card Shark durch einen ungewöhnlichen Grafikstil aus. Der künstlerisch versierte Troshinsky schuf den Look mit der Monoprinting-Technik und die farbenfrohen Kulissen fallen sehr stimmungsvoll aus, zumal der Comte und sein Diener allerhand Orte besuchen; von Klöstern über prunkvolle Stätten des Adels bis hin zur Insel Korsika. Ein weiteres schönes optisches Detail der Illustrationen: Da der Protagonist stumm ist, werden seine Antwortoptionen in Dialogen stets in Form von untertitelten Bildern von überzogenen Gesichtsausdrücken oder Handgesten eingeblendet.
Akustisch muss man leider auf jegliche Sprachausgabe verzichten. Die Texte sind jedoch ins Deutsche übersetzt, mit lediglich ein paar Flüchtigkeitsfehlern in der Textfassung. An anderer Stelle glänzt Card Shark dafür. Wie lässt sich der orchestrale Soundtrack von Andrea Boccadoro mit 40 Liedern (teils Eigenkompositionen, teils historische Stücke) am besten beschreiben? Mir fällt da
zwangsweise ein Zitat der Truppe Luksan Wunder ein, aus dem Deutschlandfunk YOLO von WTFM 100,Null: "Übrigens, was auch richtig fickt: Kammermusik. Checkt doch mal guccimäßige Präludium. Übelst Sonne, sag ich euch."
Autor: Hagen Gehritz (GamersGlobal)
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Meinung: Hagen Gehritz
Das historische Setting, der feine Kammermusik-Soundtrack, der besondere Grafikstil von Nicholai Troshinsky und die Geschicklichkeit fordernden, realistischen Tricks: Mit diesen Grundzutaten holt mich Card Shark richtig ab.
Die Figuren sind interessant und die Story macht neugierig, allerdings lässt sich Card Shark bei der Geschichte länger nicht in die Karten schauen, so wirkt der Auftakt ziellos und auch später geht es recht gemächlich voran. Das gewonnene Geld kann ich einzig den verbündeten Roma spenden. Die können es liebend gerne haben, doch gibt es da nur eine schwammige Erklärung, dass es später etwas Gutes bewirken soll, während Etappenspendenziele als Motivationselement fehlen.
Was meine Begeisterung aber eher dämpfte: Nach einem Fehlschlag braucht es zu lange bis zum zweiten Versuch. Da ständig gespeichert wird, muss ich dann erst Geld sammeln oder den Tod besiegen und dann die Szene ganz von vorn beginnen. Richtig ärgerlich wird das bei einigen wenigen Minispielen, die sich nicht präzise genug bedienen lassen. Aber teils lag es einfach an meinem Gedächtnis auf Goldfisch-Niveau, wenn ich bei einem Zwischenschritt schon wieder die Karte vergessen hatte, die ich mir merken sollte.
Ein letzter Kritikpunkt ist der gleichförmige Ablauf: Dialog-Szene, Einübung eines Tricks und Kartenspiel wechseln sich stetig ab und abseits davon gibt es fast keine Interaktionsmöglichkeiten. Doch neben der steigenden Komplexität der Mini-Spiele bleiben die Kartenpartien durch Wendungen, Begegnungen mit VIPs wie Voltaire oder dramatische Momente interessant. So hatte ich trotz der Schwachpunkte einigen Spaß mit dem ungewöhnlichen Indie-Titel.
CARD SHARK PC
Einstieg/Bedienung
Jeder Betrug wird in mehreren Stufen erklärt und lässt sich beliebig oft einüben
Tricks nutzen Eingaben mit dem Linken Stick auf vielfache Weise
Drei Schwierigkeitsgrade, die sich auch im laufenden Spiel wechseln lassen
Maus-Steuerung steht hinter Controller Eingabe zurück
Deadzone/Empfindlichkeit des Sticks lässt sich nicht in Optionen anpassen
Zu geringe Präzision bei vereinzelten Mini-Spielen
Wiederholung der ganzen Erklärung eines Tricks wiederholt auch eventuelle langwierige Story-Abschnitte
Spieltiefe/Balance
Geschichte mit dramatischen Momenten...
Vielzahl von Kartentricks und anderen Gaunereien und damit Abwechslung bei Minispiel-Typen
Witzige und gewitzte Dialoge
Gameplay basierend auf glaubhaften Tricks
Rund 8 Stunden Spielzeit
... die nur langsam vorankommt
Etwas zu langwieriger Weg bis zu zweitem Versuch nach Fehlschlag
Gleichförmiger Spielablauf und kaum optionale Interaktionsmöglichkeiten
Spenden der Geldgewinne liefert nicht direkt befriedigende Reaktionen
Grafik/Technik
Ansehnlicher illustrierter Grafikstil
Niedrige Hardwareanforderungen
Einzelner Bug, dass Pausenmenü sich öfter nicht mit Controller bedienen ließ
Sound/Sprache
Sehr gut ins Setting passender Kammermusik-Soundtrack
Nix für mich, das dürfte mir zu fummelig bzw. ich zu ungeduldig für zu sein. Aber ein interessantes Spielesetting und mal was anderes. Danke für den Test!
Danke für den Test zu diesem interessant klingenden Titel. Die Demo habe ich die Tage angespielt und nach wenigen Minuten festgestellt, dass die Quick-Time-Einlagen, mit denen man die Tricks ausführt, für mich das Gegenteil von Spaß bedeuten. Prinzipiell sind die zwar gut umgesetzt, die Mechanik an sich nervt mich leider total.
Schade, denn ansonsten ist das Spiel wirklich reizend inszeniert.
Viel Spaß mit dem Test!
Btw: Es gibt eine Demo zum Spiel sowohl auf Switch als auch auf Steam.
Nix für mich, das dürfte mir zu fummelig bzw. ich zu ungeduldig für zu sein. Aber ein interessantes Spielesetting und mal was anderes. Danke für den Test!
Das wirkt sehr interessant und kommt auf die Liste, vielen Dank!
Danke für den Test zu diesem interessant klingenden Titel. Die Demo habe ich die Tage angespielt und nach wenigen Minuten festgestellt, dass die Quick-Time-Einlagen, mit denen man die Tricks ausführt, für mich das Gegenteil von Spaß bedeuten. Prinzipiell sind die zwar gut umgesetzt, die Mechanik an sich nervt mich leider total.
Schade, denn ansonsten ist das Spiel wirklich reizend inszeniert.
Danke für den Test. Das könnte etwas für mich sein :).
Der Titel des Games erinnert mich immer an dieses C64er Pokerspiel mit den PräsidentInnen...
Es gab ein Pokerspiel mit Präsidentinnen auf dem Brotkasten?
Wusste nicht mal das Samantha Fox Präsidentin war. ;)
President of the United Federation of Poker. ;)
https://youtu.be/LbGnaFZxjIk
gacker!!! :P
Ja das da halt mit der Tätscha! *grrrrrr * :D
Hehe, das kannte ich nicht. Meine Computer Pokererfahrungen haben sich auf andere Spiele beschränkt, hüstel. :)
Ja und dann ist bei mir die Mama ins Zimmer gekommen und hat uns gefragt was wir da eigentlich... treiben. :(
Ist für die Schule! Aufsatz! Für Biologie! *flöt*
Genau, das mit „Hearts“. Ein super Spiel, musste ich auch gleich dran denken. Mit den süffisanten Kommentaren wenn man die Pik-Dame bekommen hat…
Die Screenshots sind ein Traum :D
Die Optik gefällt mir echt gut und auch ansonsten klingt das Spiel interessant genug, um es mal auf meine Wunschliste zu setzen. ;)
Sehr interessantes Spiel und eine tolle Idee. Klingt leider rein von der Spielmechanik her überhaupt nicht für mich.
Klingt echt interessant. Mal schauen, wann es mir über den Weg läuft. Danke für den Test.
Das macht neugierig.
Es sieht interessant aus, ich weiß aber jetzt schon, dass ich mir all den Kram niemals werde merken können. ;)
Echt mal eine interessante neue Idee, aber irgendwie sieht das für mich nicht nach Spaß aus.
Scheint dem Grunde nach ein interessanter Indie-Titel geworden zu sein. Wenn jetzt nur nicht diese QT-Einlagen wären... ;)