Mehr Mystery als Horror

Amnesia - Rebirth Test+

Hagen Gehritz 26. Oktober 2020 - 19:55 — vor 3 Jahren aktualisiert
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Tasi muss schnell die Sandsäcke von der Tür entfernen, bevor sie das Monster erreicht.
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Horror, wo bist du

Ein Knackpunkt ist natürlich die Frage: Wie gruselig ist Amnesia - Rebirth? Und in dem Aspekt schafft es die Fortsetzung nicht, mich so zu erschrecken, wie es The Dark Descent schaffte. Ein Grund dafür ist das Pacing. Das erinnert mehr an SOMA als an das erste Amnesia: So dauert der Einstieg schon recht lang, bevor ihr dem ersten Monstern über den Weg lauft. Gefühlt gab es nur in einem Drittel der Spielzeit eine Bedrohung, vor der ich auf der Hut sein musste. Zudem müsst ihr Gegnern nie längerer Zeit am Stück aus dem Weg gehen, weil ihr mehrere Aufgaben im Territorium des Monsters erledigen müsst. Stattdessen müsst ihr an einer Stelle ungesehen vorbei kommen oder weglaufen und dann ist der Abschnitt schon wieder vorüber.

Dennoch schafft es Amnesia - Rebirth, atmosphärischen Kontext für das Aufeinandertreffen mit den finsteren Kreaturen zu schaffen. Einmal war ich etwa gerade aus einem Trakt mit einem Monster entkommen, da entdeckte ich bald darauf, dass ich für ein Rätsel-Item natürlich zurück in eben jenen Gebäude-Teil muss. Allerdings sorgte ein anderer Faktor dafür, dass ich dem nächsten Monster immer weniger ängstlich entgegen blickte.
Manchmal seid ihr Hals über Kopf auf der Flucht. Auch dann erkennt ihr immer schnell, wohin ihr rennen müsst.
 

Alles halb so wild

Die Entwickler setzen auf eine nahtlose Spiel-Erfahrung, es gibt also kein Game Over. Ohne zu sehr ins Detail zu gehen führt das dazu, dass Tasi nicht stirbt, wenn sie von Monstern geschnappt wird. Stattdessen wacht sie nach einer Sequenz an einer anderen Stelle der Karte wieder auf. Oft genug war ich danach sogar näher am Ziel als vorher. Teils war ein Gegner danach so platziert, dass ich spielend einfach weiter kam.

Die Story vermittelt mir zwar, dass es für Tasis Zustand schlecht sei, entdeckt zu werden. Doch spielmechanisch lernte ich eine ganz andere Lektion: Es hat keine richtige Konsequenz, den Monstern in die Fänge zu geraten, sondern kann sogar helfen! Gerade beim ersten Gegnertyp verwenden die Entwickler viel Mühe darauf, zu etablieren, was für ein schreckliches Schicksal alle seine Opfer erwartet. Und dann bin ich mit Tasi die Ausnahme. So verlieren die Begegnungen trotz des exzellent gruseligen Sounddesigns viel von ihrem Schrecken.

Zwar bauen die Entwickler weiter spannende Momente und Schreckenszenarien auf, doch bald erkenne ich die Taschenspielertricks, mit denen die bedrohliche Atmosphäre aufgebaut werden soll, während das Gefühl für wirkliche Gefahr schwindet. Das sorgt auch dafür, dass sich das Haushalten mit den begrenzten Streichhölzern und Ölflaschen weniger dringlich anfühlt.

Im letzten Drittel tauchte zudem ein neuer Monstertyp auf, den ich nervig fand. Während ich stets weiter gespannt auf das Ende war, dachte ich mir, wenn diese teleportierenden Kerle auftauchten schnell nur: „Och, nicht die schon wieder.“

Autor: Hagen Gehritz, Redaktion: Jörg Langer (GamersGlobal)

 

Meinung: Hagen Gehritz

Ich bin ein großer Fan vom Amnesia – The Dark Descent, das mich auch zehn Jahre später noch erschrecken kann. SOMA aus dem Hause Frictional Games fand ich zwar weniger gruselig, doch die unheimliche und intelligente Geschichte hat mich noch lange verfolgt. Daher war ich sehr gespannt auf Amnesia - Rebirth.

Monster nicht ansehen zu dürfen und Dunkelheit meiden zu müssen, erzeugt wieder eine ganz besondere Stimmung. Die Soundkulisse unterstreicht effektiv die düstere Atmosphäre der abwechslungsreichen Umgebungen und die Levels sind clever so angelegt, dass ihr viel erkunden könnt, aber nie lange den Weg suchen müsst, um weiter zu kommen.

Doch Rebirth ähnelt mehr SOMA als dem ersten Serienteil. Oft widme ich mich ohne Bedrohung Story und Erkundung. Dazu hatten die Design-Entscheidungen des Teams zur Folge, dass bei den Monster-Abschnitten kein richtiges Gefühl der Gefahr aufkommen wollte. Ein spät eingeführter zweiter Gegnertyp hat mich sogar einfach nur genervt.

Amnesia - Rebirth funktioniert für mich somit zwar als spannendes Mystery-Adventure mit gelungenen Rätseln. Doch insgesamt hat es mich auf hohem Niveau enttäuscht, da weder der Horror eines The Dark Descent aufkam, noch die Story so herausragend wie bei SOMA war.
AMNESIA - REBIRTH PC
Einstieg/Bedienung
  • Steuerung sowohl mit Maus und Tastatur als auch Controller gut
  • Funktioniert auch ohne Kenntnis des ersten Amnesia
  • Einstieg nimmt sich recht viel Zeit, bis der erste Gegner auftaucht
Spieltiefe/Balance
  • Story mit spannendem Kernmysterium
  • Meist gelungene düstere Atmosphäre
  • Clevere Rätsel mit Aha-Effekt
  • Einige emotionale Momente
  • Erkundung wird belohnt
  • Monster fühlen sich weniger gefährlich an, da Scheitern keine echte Konsequenz hat
  • Allgemein fehlen auf der Hälfte der Spielzeit Gegner oder sonstige Gefahren
  • Nerviger teleportierender Gegner gegen Ende
  • Story mit vereinzelten Längen
  • Öllampe ist viel zu schnell verbraucht
Grafik/Technik
  • Abwechslungsreiche Schauplätze
  • Sehr detaillierte Umgebungen
  • Engine zeigt Alterserscheinungen
  • Gegenstände schweben vor Figur, Handlungen werden nicht animiert
Sound/Sprache
  • Atmosphärische Soundkulisse
  • Überzeugende englische Vertonung
  • Unnötiger französischer Akzent der Protagonistin
 
Multiplayer
Nicht vorhanden
7.5
Userwertung6.8
Mikrotransaktionen
Hardware-Info
Minimum: Win 7 (64-Bit), Core i3/ FX 2.4 GHz, GTX 460/ Radeon HD 5750 4 GB RAM, 35 GB HDD
Empfohlen: Win 10, Core i5/ Ryzen 5, GTX 680/ Radeon RX 580, 8 GB RAM, 35 GB SSD
 
Eingabegeräte
  • Maus/Tastatur
  • Gamepad
  • Lenkrad
  • Anderes
Virtual Reality
  • Oculus Rift
  • HTC Vive
  • Playstation VR
  • Anderes
Kopierschutz
  • Steam
  • Kopierschutzlose GoG-Version
  • Epic Games Store
  • uPlay
  • Origin
  • Hersteller-Kontoanbindung
  • Ständige Internetverbindung
  • Internetverbindung beim Start
Hagen Gehritz 26. Oktober 2020 - 19:55 — vor 3 Jahren aktualisiert
Hagen Gehritz Redakteur - P - 171831 - 26. Oktober 2020 - 19:58 #

Ich wünsche viel Vergnügen mit dem Test in jeglicher Darreichungsform!

rammmses 22 Motivator - P - 32604 - 26. Oktober 2020 - 20:07 #

War für mich leider ein Fehlkauf so weit ich das nach den ersten 3 Stunden beurteilen kann. Mir gehen die Labyrinth-artigen Levels mitsamt Puzzles erheblich auf den Keks, das hält mich unnötig auf, ich will doch ein Horrorspiel: und da versagt es bisher komplett, da ist nichts gruselig oder spannend bisher. :( Als Puzzle-Walking-Sim vielleicht ganz nett, aber bei Amnesia hatte ich doch andere Erwartungen.

Hagen Gehritz Redakteur - P - 171831 - 26. Oktober 2020 - 20:29 #

Da wundert mich sehr, dass dir beides nicht schon in The Dark Descent auf den Keks gegangen ist.

rammmses 22 Motivator - P - 32604 - 26. Oktober 2020 - 21:14 #

Da habe ich auch den Machine for Pigs bevorzugt. Und gruselig war Amnesia 1 damals auf jeden Fall.

Sciron 20 Gold-Gamer - 24181 - 26. Oktober 2020 - 22:06 #

Iiiihhh, Pigs würde ich gar nicht dazu zählen. Das stammt nichtmal vom gleichen Entwickler. Glorifizierter Walking-Simulator mit draufgeklatschtem Amnesia-Stempel.

Hagen Gehritz Redakteur - P - 171831 - 27. Oktober 2020 - 8:50 #

Gruselig war es definitiv, The Dark Descent war Gold für Youtuber, die in Clips ihre ganzen Panik-Momente zusammengeschnitten haben. Würde mich wundern, wenn es zu Rebirth viele ähnliche Videos gibt.
Anders als du hatte ich aber Spaß mit den Rätseln und die Levels sind nicht gerade Irrgärten.

Bruno Lawrie 22 Motivator - - 32640 - 27. Oktober 2020 - 22:42 #

Ähnlich bei mir nach auch so 2-3 Stunden. Aber das war bei SOMA ähnlich, das wurde erst nach und nach immer besser, mal abwarten. Wenn es weniger Horror hat, finde ich das eh besser. SOMA und Amnesia A Machine for Pigs gefielen mir besser als Amnesia The Dark Descent.

Für die anderen hier noch:

Übrigens wird man zu einer Storywendung, die nach etwa zwei Stunden auftritt, im Controller-Menü gespoilert. Eine Taste macht was sehr spezielles, aber erst nach zwei Stunden. Aber bei der Controllerbelegungsgrafik wird es von Anfang an angezeigt. Also besser die Tasten einfach ausprobieren als dort nachzusehen. :-)

Hagen Gehritz Redakteur - P - 171831 - 28. Oktober 2020 - 19:35 #

An a Machine for Pigs habe ich die Story als echt gut in Erinnerung, besonders die Auflösung um die beiden vermissten Söhne. Auch die Musik hatte gute Momente, aber da alle Mechaniken von The Dark Descent so runtergedampft waren, war es am Ende zu sehr wie eine Geisterbahn für mich.

JensJuchzer 21 AAA-Gamer - P - 28168 - 26. Oktober 2020 - 20:13 #

Ah schade. Hatte auf ein echtes "The Dark Descent" gehofft. Werde es mir aber trotzdem holen :)

Noodles 26 Spiele-Kenner - P - 75006 - 26. Oktober 2020 - 21:49 #

Da ich ne Memme bin, spiel ich Horrorspiele nicht so gern, sondern schau lieber anderen dabei zu. :D Aber das Let's Play zu Amnesia Rebirth, welches ich angefangen hab, hab ich relativ schnell wieder abgebrochen. Fand es zu öde, kaum Horror und dafür alle drei Meter ein Zettel zum Lesen. Bin es langsam etwas überdrüssig, wenn Spiele ihre Story größtenteils über wahllos in der Spielwelt verteilte Texte erzählen.

Sciron 20 Gold-Gamer - 24181 - 26. Oktober 2020 - 22:04 #

Nach dem großartigen SOMA, das nicht nur mit Atmosphäre, sondern auch seiner Story überzeugen konnte, klingt Rebirth für mich in fast allen Bereichen nach einem Rückschritt. Wird erstmal liegen gelassen.

rammmses 22 Motivator - P - 32604 - 27. Oktober 2020 - 13:14 #

Ja, SOMA ist ein herausragendes Spiel, spricht mich aber auch vom Setting deutlich mehr an und hat keine doofen Puzzles.

MicBass 21 AAA-Gamer - P - 28942 - 27. Oktober 2020 - 8:34 #

Da krieg ich Lust aber mal wieder das Original Amnesia zu installieren. Das muss doch mal zu schaffen sein...

EvilNobody 15 Kenner - 3141 - 27. Oktober 2020 - 10:10 #

Ich bin sehr enttäuscht von dem Spiel. Von einem Amnesia erwartet man Großes, doch diese Fortsetzung ist für mich ein großer Rückschritt gegenüber dem Erstling.
Ich kann es beispielsweise nicht mehr sehen, wenn die Story über zig Notizen erzählt wird. Wenn ich lesen will, kaufe ich ein Buch.
Dann versucht das Spiel verzweifelt, dass ich mich für die Charaktere interessiere, doch dafür sind die alle viel zu blass und mir ist es wurscht, was mit denen passiert ist. Dann das ständige Gesäusel der Protagonistin mit ihrem Balg im Bauch. Da wird mit der Brechstange versucht zu erzwingen, dass ich mich für den Scheiß interessiere.
Die wenigen Monster sind ebenso enttäuschend, da haben kleinere Indie-Entwickler schon vor 5 Jahren gezeigt, wie es besser geht.
Das war nix, ich würde dem Spiel eine 5.5/10 geben.
Toller Test übrigens, sehr ausführlich und er geht super auf die Details ein, die sonst keine Sau erwähnt.

Bruno Lawrie 22 Motivator - - 32640 - 28. Oktober 2020 - 8:37 #

Noch kleinere Indie-Entwickler? :-) Frictional Games besteht aus nur 15 Leuten und ist übrigens auch eine unabhängige Firma.

Zum Vergleich: Creative Assembly, die Alien: Isolation gemacht haben, haben etwa 500 Mitarbeiter.

EvilNobody 15 Kenner - 3141 - 28. Oktober 2020 - 9:16 #

Ja, noch kleiner. Schau dir mal die Flut an Indie-Horror in den letzten Jahren an, da gab es zig Spiele von 1-2 Entwicklern. Natürlich ist das Meiste davon Mumpitz, aber man findet dort auch immer wieder Perlen.
Das Problem von Amnesia ist allerdings nicht das Budget oder die Technik, sondern die Erzählweise, der lahme „Horror“ und die völlig einfallslosen Monster.

Bruno Lawrie 22 Motivator - - 32640 - 28. Oktober 2020 - 9:36 #

Ich hab erst vor ein paar Tagen ein paar bei Steam von einem japanischen 2-Mann-Team ausprobiert, aber die waren nicht so wirklich toll. Hast du ein paar Tipps? Ich fände generell kleine Spiele, die nur so ein bis zwei Stunden gehen und ein paar Euro kosten ziemlich interessant.

Was Amnesia angeht, ist die Erzählweise halt schon zu einem gewissen Grad dem kleinen Team und Budget geschuldet. Zettel mit Texten und Zeichnungen sind wenig Aufwand.

Ähnliches gilt für die Personen. Wenn man viel Bezug beim Spieler zu denen aufbauen will, müsste man eher kleine Sequenzen in Form von Rückblenden o.ä. mit denen integrieren. Ich denke da z.B. an die Szene mit der Freundin auf dem Sofa bei The Darkness oder die Szene mit dem New Yorker Apartement in Alan Wake. Aber dafür müsste die Technik deutlich besser sein, die Menschen müssen realistisch aussehen, die Mimik muss passen. Das kann ein 15-Mann-Team nicht wirklich leisten.

Zum Spiel selbst kann ich noch nicht viel sagen, da ich es erst so zwei bis drei Stunden gespielt habe und noch nicht mal ein Monster gesehen habe. Aber bisher finde ich es auch schlechter als Dark Descent oder SOMA. Aber SOMA hat mir in den ersten Stunden auch nicht besonders gefallen und später richtig gut. Und damals fanden auch viele A Machine For Pigs schlecht, während ich es sogar besser als Dark Descent fand. Die Frictional Games Spiele sind wohl stark Geschmackssache.

EvilNobody 15 Kenner - 3141 - 28. Oktober 2020 - 13:42 #

Ein paar Tipps:
Kraven Manor, The conjuring House, Detention, Kholat, Visage, One late night, Untold Stories, The Beast inside, Apsulov, Perception, Through the Woods, Curse (richtig geil im Stil von Scratches) und relativ neu Under.
Alles Indie-Spiele, alles gruseliger für mich als das neue Amnesia, da größtenteils pfiffiger umgesetzt, trotz kleinem Budget.

Bruno Lawrie 22 Motivator - - 32640 - 28. Oktober 2020 - 14:38 #

Vielen Dank! Von den genannten kenne ich Detention, One late night, Untold Stories und Kholat. Hab aber alle nur mal kurz angespielt, muss die mal nachholen.

Bei Untold Stories hab ich die erste Story gespielt und das war tatsächlich ein cooles Erlebnis mit einer ziemlich unverbrauchten Idee. Ein Spiel vom Umfang eines Amnesia würde sowas aber ja nicht tragen, das Konzept funktioniert nur mit einem sehr kurzen Spiel. Und eigentlich auch nur einmal.

Noodles 26 Spiele-Kenner - P - 75006 - 28. Oktober 2020 - 14:41 #

Spiel Stories Untold auf jeden Fall weiter, die anderen Storys werden auf andere Weise erzählt, das Spiel wiederholt sich nicht.

Ganon 27 Spiele-Experte - - 83744 - 6. November 2020 - 20:48 #

Kholat habe ich nach einer Stunde abgebrochen, dafür war ich zu orientierungslos.

TheRaffer 23 Langzeituser - P - 40196 - 27. Oktober 2020 - 12:19 #

Das klingt in der Tat irgendwie ernüchternd. Vielleicht schaue ich später mal rein in das Spiel, aber nichts was ich nun unbedingt brauche. Der erste Teil war damals genial :)