Bekämpfen könnt ihr nur wenige der Dämonen. Diesen Boss überwindet ihr mit euren Fackeln, wenn ihr die Umgebung richtig nutzt.

Sprechertext zu Agony

Dieser Sprechertext ist exklusiv für Premium-User, das Gleiche wird ab Ende Mai auch für die Audio-Fassung gelten.

Hallo liebe Spielefreunde, hier ist Benjamin Braun mit dem GamersGlobal-Test zu Agony. Freundschaftsbändchen gibt es im First-Person-Survival-Horrorspiel, dem Debütwerk des polnischen Entwicklers MadMind Studio, zwar nicht, dafür allerdings grassieren Wahnsinn und Hölle, Hölle, Hölle. Ihr selbst seid einer der Gefangenen des Beelzebub und sucht nach der Roten Königin. Denn die könnte euch helfen, das Unterwelt-Gegenstück zu Bielefeld zu verlassen, also einen Ort voll von Grausamkeit, Leid und Tränen.

Um euer Ziel zu erreichen, bewegt ihr euch durch eine Reihe finsterer Levels, in denen Dämonen nur darauf warten, euer menschliches Eisbein zu genießen. Richtige Waffen habt ihr keine, deshalb versteckt ihr euch vor den Widersachern, um nicht als crus homo sapiens auf der Speisekarte zu enden. Verstecken in Knochenhaufen oder Felsspalten ist allerdings nur eine begrenzt gute Idee.

Denn die KI ist zwar dumm wie Satans Morgen-AA, entdeckt euch in einem Versteck aber eher, als wenn ihr einfach ein bisschen auf Abstand bleibt und nicht gerade mit einer Fackel in der Hand Leuchtsignale sendet. Ich habe ja nichts gegen Stealth-Horror an sich. Aber wenn ihr nach einem guten Horrorspiel sucht, in dem Draufhauen keine Option ist, dann solltet ihr definitiv zu Titeln wie Outlast oder Amnesia rüberschielen und eure Zeit nicht mit diesem Machwerk vergeuden.

Die brennenden Stöckchen, Verzeihung, in Agony sind es natürlich Knochen, braucht ihr im Laufe der Kampagne allerdings immer wieder mal. Zum einen verbrennt ihr trockenes Geäst und Holzzäune, um Durchgänge zu schaffen – oder auch, um euch selbst in Flammen zu setzen. Weshalb sollten auch solche Features funktionieren, wenn gefühlt 80 Prozent nicht einwandfrei vonstatten gehen?

Die Fackeln braucht ihr aber vor allem, um im wahrsten Sinne des Wortes Licht ins Dunkel zu bringen. Denn der Schwarzanteil in den Umgebungen ist höher als der von Harvey Weinsteins Gewissen, falls er denn eins hat. Bei der Orientierung hilft aber auch die beliebig oft aktivierbare „Linie des Schicksals“, eine Art visueller Wegweiser, der euch auf Wunsch in Richtung des Zielpunkts lotst.

Sofort tot seid ihr aber ohnehin nicht, wenn euch einer der Dämonen erwischt. Stattdessen fährt euer Geist dann aus dem Körper und ihr schwebt begrenzt lange durch den Raum. Es sei denn natürlich, euer Geist bleibt wieder mal irgendwo hängen, was sich durch Glitches aber meist umgehen lässt. In der Geistform springe ich jedenfalls einfach in einen anderen Gepeinigten im Level.

Davon gibt’s in der Hölle genug, allerdings müsst ihr sie oft zunächst auf die Übernahme vorbereiten. Nur wenn ihr ihren Sack auf dem Kopf entfernt, stehen sie zur Übernahme und gerne auch mal für einen inhaltslosen, kurzen Kommentar zur Verfügung. Die Dialoge gibt es auch hierzulande nur in englischer Sprache, dafür aber mit einer erstaunlich guten deutschen Textübersetzung. Die gibt’s auch für die Briefe, die ihr gemessen am Inhalt aber getrost ignorieren könnt.

Dankenswerterweise speichert Agony grundsätzlich global, ob ihr bereits Kapuzen entfernt, brennbare Objekte zerstört oder auch die kaum bis gar nicht relevanten Sammelobjekete eingesteckt habt. Ihr müsst also nicht all das lahmarschige Schleichen komplett wiederholen, falls ihr mal keinen Höllenbewohner rechtzeitig übernehmt. Das soll aber nicht bedeuten, dass euch Agony nicht teils weit zurückschickt. Gerade wenn ihr mal einen der aktivierbaren Rücksetzpunkte übersehen habt, müsst ihr auch mal längere Wegstrecken erneut zurücklegen.

Zu den Sammelobjekten zählen übrigens auch Lernpunkte, durch die ich zum Beispiel die Zeitspanne erhöhe, in der ich den Atem beim Verstecken anhalten kann. Die Punkte werden durch so etwas wie einen Paradiesapfel dargestellt. Ob Eva so ein matschiges Stück Obst wohl vom Baum gepflückt hätte? Spielt aber keine Rolle. Ich kann mich an kein Spiel erinnern, in dem der Ausbau meiner Spielfigur aufgesetzter wirkte als hier und vor allem so nutzlos war. Denn kein Upgrade wirkt sich nennenswert aus.

Die Funktion, euren Körper zu verlassen, bekommt später eine wesentlich größere Bedeutung. Dann nämlich übernehmt ihr auch Dämonen, um etwa bestimmte Durchgänge zu öffnen. So etwas passiert aber im Regelfall nur an bestimmten Punkten in der Kampagne. Wann ihr vom einem menschlichen in einen Dämonenkörper springt, müsst ihr aber generell abwägen. Mit der Umgebung interagieren könnt ihr im Dämonenkörper nämlich nicht, also auch die Kapuzen nicht entfernen oder die kleineren Puzzleaufgaben lösen.

Die Rätsel sind allerdings genauso langatmig und langweilig wie das Schleichen. An einer Art Terminal malt ihr eine Rune auf, deren Form ihr zunächst irgendwo in der Umgebung einsammelt. Davon gibt’s mehrere im Level, was also ebenfalls zu nutzlosem Trial-and-Error führt. Aber irgendwie muss man eben auf fünf bis sieben Stunden Spielzeit kommen. Oh Agony, du spielst mit meinen Gefühlen. Fühle, fühle, fühle, fühle...

Es gibt zwar so etwas wie Bosskämpfe. Die sind aber ebenfalls nur mäßig designt und werden zumeist in Form von Cutscenes dargestellt. Die Spielwelt selbst will vielleicht atmosphärisch sein, ist aber letztlich mit ihren Knochenbergen, verstümmelten Leichen oder toten Frauen, zwischen deren Beinen ein blutiger Fötus liegt, einfach nur billig auf Ekelhölle getrimmt. Dass das auch mitsamt Nacktheit erheblich besser geht, hat vor zig Jahren bereits Visceral Games' Dante's Inferno gezeigt.

Übrigens: Gemessen an der Größe des Gemächts, gibt es keine ehemaligen Pornodarsteller in der Hölle von Agony. Zur Inszenierung und Story muss ich eigentlich nicht viel sagen: Die Geschichte ist nicht der Rede wert, die Zwischensequenzen sind teilweise ganz nett anzuschauen. Nun, wären da nicht noch die ganzen technischen Probleme von Agony, die dem ohnehin bestenfalls unterdurchschnittlichen Spiel den Rest geben.

Es fängt damit an, dass Agony auf Basis der Unreal Engine 4 läuft. Klar, ich muss die Grafikqualität sicherlich nicht gleich mit Gears of War 4 vergleichen. Aber Agony stinkt eben auch gewaltig gegen andere, nicht allzu üppig budgetierte Spiele mit derselben Engine ab. Fehlerfrei ist auch ein Hellblade - Senua's Sacrifice nicht, aber Agony und das Spiel von Ninja Theory trennen Welten. In Agony gibt es nichts anderes als Matschtexturen und Effekte, die ich schon in besserer Qualität in Spielen von vor 10 Jahren gesehen habe. Trotzdem ist ständig heftiges Screentearing zu sehen, Fehler bei der Kollisionsabfrage, Beleuchtungs- und Texturfehlerfehler sowie Animationen aus der Steinzeit.

Die Xbox-One-Version schießt mir ihren Soundbugs endgültig den Vogel ab. Der Sound ist zwar nicht bei jedem Spielstart vollkommen zerschossen und besteht nur noch aus einem einzigen Störgeräusch. Übersteuerungen, Soundaussetzer und andere Fehler sind aber auch sonst durchweg vorhanden. Spätestens dann gehört Agony – ohne Freundschaftsbändchen – auf den Müll, Müll, Sondermüll.

Und damit zu meinem persönlich Fazit: Ich bin kein Grafikfetischist, aber das, was Agony bietet, ist einfach nur grausam. Es ist aber nicht nur die niedrige Qualität, es ist auch der Stil. Ab und zu mag es zwar eine nette visuelle Idee geben. Aber hier gibt es nicht zu sehen, was es nicht schon woanders  und vor allem oft besser gab. Allein der Höllenabschnitt in Hellblade, um bei einem anderen Spiel mit Unreal Engine 4 zu bleiben, schlägt Agony um Längen. Die schwache Technik und die oft übertrieben dunklen Umgebungen sind aber gar nicht das größte Problem des Spiels. Agony ist rotzlangweilig und beim Schleichen und Warten bin ich nicht geängstigt, sondern meistens genervt.

Ich habe gewiss schon schlechtere Spiele gespielt als Agony. Aber hier gibt es letztlich keine einzige Besonderheit, die es wirklich empfehlenswert macht. Die Story? Murks! Die Atmosphäre? Künstlich und schlecht auf eklig getrimmt! Die Spielmechanik? Simpel gestrickt, fast so fehlerhaft wie die Technik und in ähnlicher Form in anderen Horrorspielen längst um Klassen besser zu finden. Erspart euch das Leid und spielt lieber noch mal Amnesia oder Outlast. Bessere Alternativen gibt es jedenfalls mehr als genug. Agony bekommt von mir eine verdiente 4.0

So finster wie unser Urteil ist Agony selbst an vielen Stellen.