Alle Screenshots stammen von GamersGlobal
Wenn ich den Namen Combat Mission höre, weckt das in mir wohlige Erinnerungen: an durchzockte Nächte zu Beginn des neuen Jahrtausends, an ebenso langwierige wie knifflige Multiplayer-Gefechte über E-Mail (!) und an epische Weltkriegsschlachten zwischen den Achsenmächten und den Alliierten – trotz der damals kruden, weil detailarmen und kantigen 3D-Grafik des Strategiespiels. Positiv formuliert, fühle ich mich beim Anblick von Combat Mission – Black Sea also sofort 20 Jahre jünger. Negativ gesagt: Der jüngste Part der langlebigen Serie sieht noch fast genauso aus und spielt sich wie das Original vor zwei Jahrzehnten – und das ist ein echtes Problem.
Frappierenderweise beschäftigt sich das alte Spiel mit fiktiven, aber sehr aktuell wirkenden Kämpfen ums Schwarze Meer herum, wobei die Macher wert darauf legen, dass die Arbeit an dem (vor sechs Jahren bereits auf battlefront.com erschienenen) Spiel vor der 2014er russischen Annektion der Krim und Aufwiegler-Unterstützung in der Ostukraine begonnen haben.
Einzelne Soldaten werden zu Infanteriegruppen und Zügen zusammengefasst, jeweils mit eigener Kommandostruktur. |
Zusammen statt abwechselnd
Der Clou von Combat Mission war und ist bis heute, dass die simulierten Scharmützel zwar rundenweise ablaufen, aber sich die beiden Seiten nicht wie üblich abwechseln. Vielmehr geben die Kontrahenten gleichzeitig ihre Befehle, die anschließend in einer Art berechnetem Action-Film simultan ausgeführt werden. Die Truppen beider Parteien – im Fall von Combat Mission – Black Sea moderne Infanteriezüge, Fahrzeuge und Geschütze aus den Streitkräften der NATO und der Russischen Föderation – befolgen die Order soweit wie möglich, genießen aber in den Echtzeit-Sequenzen eine gewisse Entscheidungsfreiheit.
Das macht den Ablauf und den Ausgang der Züge weniger berechenbar und damit wesentlich spannender als bei den meisten Genrekollegen. Wenn ich beispielsweise einem Panzer befehle, auf eine Straßenkreuzung vorzurücken, mein menschlicher Gegenspieler oder der Computergegner aber parallel das gleiche Ziel verfolgt, dann ist nicht absehbar, was passiert, wenn die beiden Tanks aufeinander treffen. Die Entwickler von Battlefront nennen dieses Spielprinzip „We go“ oder „Wego“ (statt „I go, you go“, „Ich bin dran, du bist dran“); es kommt außer in der Combat Mission-Serie beispielsweise auch in Frozen Synapse oder Battlestar Galactica – Deadlock zum Einsatz. Ähnlich funktioniert auch das pausierbare Echtzeit-System der Paradox-Strategiespiele.
Alternativ zum rundenweisen Ablauf lassen sich die neueren Combat-Mission-Titel auch komplett in Echtzeit spielen. Diese Variante ist allerdings wesentlich weniger populär, das machen Konkurrenten wie Steel Division deutlich besser.
Szenario des Spiels ist ein fiktiver Konflikt zwischen West und Ost in der Ukraine. Und ja, die Missionstexte erscheinen anno 2021 tatsächlich in 1024x768-Aulösung. |
Das Jahr 2000 hätte gerne seine Grafik zurück
Combat Mission – Black Sea erschien ursprünglich bereits 2014 und war damals thematisch brandaktuell. Die Macher hatten nämlich, wie der Name schon verrät, das Schwarze Meer zum Schauplatz eines fiktiven Konflikts zwischen westlichen und östlichen Armeen erklärt – mitten im aufkochenden Bürgerkrieg in der Ukraine. Allerdings gab es den Titel nur bei Battlefront.com zu kaufen.
Publisher Slitherine macht nun eine aktualisierte Fassung über Steam einem größeren Publikum zugänglich. „Aktualisiert“ klingt für mich im vorliegenden Fall allerdings beschönigend. Denn wenn es nicht schon die Screenshots zeigen, dann machen spätestens die offiziellen Systemanforderungen deutlich, dass hier nach wie vor 20 Jahre alte, bestenfalls leicht aufpolierte Technik werkelt. Empfohlen wird ernsthaft ein System mit (festhalten!) Pentium 4 und 2,8 Gigahertz sowie OpenGL-kompatibler Grafikkarte mit 1 GB Speicher und 1024x768 Auflösung. Tatsächlich präsentieren sich beispielsweise viele Menüs und Übersichtsbildschirme nach wie vor im antiquierten 4:3-Format. Die Gefechte an sich laufen zwar auch in Full-HD, dann sind aber viele Beschriftungen und Schaltflächen viel zu klein und schwer zu treffen.
Profis spielen Combat Mission zwar weitgehend über Tastaturkommandos, aber die ohnehin schon hohe Einstiegshürde dieses Komplexitätsmonsters wird durch solche Versäumnisse noch weiter erhöht.
Weit herausgezoomt werden aus hässlichen 3D-Modellen übersichtliche Symbole. |
Wer dranbleibt, wird belohnt?
Wer sich durchbeißt, die Tutorials aufmerksam verfolgt und zumindest die ersten 50 Seiten des umfangreichen PDF-Handbuchs studiert, wird mit nach wie vor spannenden Gefechten belohnt, die sich trotz der veralteten Grafik teils erschreckend wirklichkeitsnah anfühlen. So enttäuschend die Optik ist, so komplex und verzahnt präsentiert sich die Spielmechanik.
Angefangen beim guten Dutzend Befehlsoptionen (von der einfachen Bewegung bis hin zum Sturmangriff) über die Berechnung von Sicht-, Schuss- und Kommunikationslinien bis hin zu den detaillierten Moral- und Schadenssystemen lässt sich die enorme Spieltiefe von Combat Mission nur nach unzähligen Stunden halbwegs ausloten. Ob die Motivation selbst eingefleischter Taktiker so lange vorhält, ist allerdings wieder eine andere Frage, denn statt spannender Kampagnen bietet Black Sea nur eine etwas zusammenhanglose Ansammlung von Einzelszenarien eher durchschnittlicher Qualität, die obendrein unter Gigantomanie leiden: Mit dutzenden Trupps und Vehikeln arten manche Missionen regelrecht in Arbeit aus. Dank Editor ist aber für Fan-Nachschub gesorgt.
Autor: Rüdiger Steidle, Redaktion: Jörg Langer (GamersGlobal)
Selbst ich als Combat-Mission-Fan der ersten Stunde habe anno 2021 einfach keine Lust mehr auf eine so knochentrockene Präsentation und ein derart unzugängliches, umständliches Spielsystem. Dass Combat Mission – Black Sea trotz der überalterten Engine auf meine Test-Rechner nur mit spürbarer Eingabeverzögerung und gefühlt 5 Frames pro Sekunde lief, hat mir die gelegentlich trotz allem aufkeimende Spannung regelmäßig und letztlich gründlich verdorben. Nein, danke!
Viel Spaß beim Lesen!
Wann kommt das Jörgspielt zu dem Titel? Sieht irgendwie nach deinem Beuteschema aus. ;-)
Du scheinst mich nicht gut zu kennen.
Ach, für mich sehen halt alle Hardcore-Military-Rundentaktikspiele gleich aus. ;-)
Hardcore-Rundentaktik interessiert mich seit den späten 80ern nicht mehr, ich glaube, wir verstehen darunter was anderes.
Vermutlich. Wenn du bei so einem Spiel schreibst "ist nicht allzu komplex", weiß ich schon, dass es mir mehrere Nummern zu hoch ist. :D
Warte noch auf den "Defend the US-Capitol 2021" DLC.
Kommt erst in 20 Jahren.
Sind Indizierungen in Deutschland nicht erst nach 25 Jahren aufgehoben?
*verwirrt*
*umherschleichend*
*fogofwar*
Wie ist das eigentlich mit Titeln die indiziert sind und nur online erhältlich sind.
Indizierte Spiele/Filme auf physischen Medien kann man dann ja immer noch „unterm Ladentisch“ kaufen.
Kommt drauf an. Bei Steam haben die üblicherweise einen Regionlock, können aber evtl. mit VPN gekauft werden. Ist aber nie garantiert, dass die dann auch bei dir laufen. Ich weiß nicht, ob man solche Spiele bei Keysellern in Deutschland kaufen kann, die sind mir zu dubios.
Hah, not bad.
Das erste Combat Mission hat mich damals auch begeistert. Habe mir deshalb vor einigen Jahren CM2 gekauft aber mir ging es ähnlich wie Rüdiger mit diesem Spiel. Einige Features verbessert, einige zumindest aus meiner Sicht schlechter, etwas bessere Grafik okay aber die Bedienung ein Horor. Insgesamt habe ich das Interesse an der Serie komplett verloren.
Oh je, das liest sich nicht so gut. Wenn das selbst für Rüdiger als Fan der Serie nix ist.
"Fan der Serie" muss ich soweit einschränken, dass mir die ersten drei Teile (im Wesentlichen das gleiche Spiel, aber mit verschiedenen Szenarien) gut gefallen haben. Danach habe ich aber genau wie bluemax71 das Interesse verloren, weil sich Combat Mission inhaltlich kaum weiterentwickelt hat beziehungsweise in die falsche Richtung.
Stimmt, du hast recht. Ich hätte "Kenner" schreiben müssen. Hast du mal Shock 2 gespielt, das ist ja der aktuellste Titel, sieht zumindest spürbar besser aus finde ich.
Die Grundidee des taktischen Vorrückens und Positionen beziehens finde ich sehr cool.
Nein, habe ich bisher ausgelassen, weil ich erstens das Szenario nicht spannend finde und mir zweitens das Spiel zu teuer ist. Zumindest, um es einfach mal auszuprobieren. Das ist auch wieder so ein DLC-Monster, wo dich das "komplette" Programm gut 100 Euro kostet oder sogar noch mehr, wenn du's Stück für Stück kaufst. Die DLC-Schwemme ist auch einer der Hauptgründe, warum ich inzwischen keine Paradox-Spiele mehr kaufe. Ich stand beim Weihnachts-Schlussverkauf kurz davor, mich bei Stellaris einzudecken (damals nur den Basistitel gespielt), und habe es dann irgendwann sein gelassen, weil mich das gefühlt eine Stunde kostet zu recherchieren, welche DLCs ich für den Titel jetzt haben muss, welche nett sind, welche ich weg lassen kann und was womit am besten funktioniert. Das artet in Arbeit aus!
danke für den Einblick..
Puh, mehr zu dem Spiel muss ich nicht wissen.
WeGo-Strategie finde ich immer spannend. Wirklich schade, dass Combat Mission so durchängt :(
Wer das Diplomacy-Prinzip "WeGo" mal in Perfektion spielen möchte und nicht immer das bekannte "IgoUgo", dem empfehle ich: Last Regiment. Tolles Spiel. Hat auch ne super User-Wertung auf GG :}
Eine einzige und die ist von dir :-)?