Gute Idee, mäßige Umsetzung

Rain Test

Indie-Spiele sind unter PS3-Spielern sehr beliebt und sorgten mit Werken wie Journey für neidische Blicke von PC- und anderen Konsolen-Spielern. Sony Japan Studio will mit ihrem kunstvollen Regen-Abenteuer in dieselbe Kerbe schlagen, aber mit ausgefeilterer Spielmechanik.
Benjamin Braun 2. Oktober 2013 - 13:04 — vor 10 Jahren aktualisiert
Dieser Inhalt wäre ohne die Premium-User nicht finanzierbar. Doch wir brauchen dringend mehr Unterstützer: Hilf auch du mit!
Alle Screenshots stammen von GamersGlobal

Spiele von unabhängigen Entwicklerstudios sind nicht nur auf dem PC, sondern auch auf Sonys PS3 beliebt unter den Spielern. Gerade von Titeln wie Journey (GG-Test: 9.0) oder Flower von That Game Company haben sich unzählige PS3-Besitzer trotz kaum vorhandener Spielmechanik oder Story verzaubern lassen. "Was Indie-Studios gelingt, das können wir schon lange", könnte sich Sonys Japan Studio gedacht haben, als es mit der Arbeit an Rain begann. Im auf der gamescom 2012 enthüllten Spiel schlüpfen wir in die Rolle eines kleinen Jungen, der nach unruhigen Träumen in seinem Bett erwacht. Irgendetwas zieht ihn nach draußen auf die Straßen, die einen heillosen Kontrast zu seinem Schlafgemach bilden. Auf den Straßen prasselt nämlich unaufhörlich der Regen vom Himmel, die Gassen sind wie leergefegt. Und noch etwas ist anders: Draußen ist der Junge unsichtbar, und nur der Regen enthüllt seine Gestalt. Ansonsten seht ihr lediglich die nassen Abdrücke seiner blanken Fußsohlen auf dem Boden oder auch das von ihm aufgewirbelte Wasser in einer Pfütze. Die von Aquire stammenden Animationen gefallen uns ausgesprochen gut.

Die Umgebung ist nass, kalt und gespenstisch leer: Außer dem Jungen hat offenbar niemand gewagt, auch nur einen Schritt vor die Tür zu setzen. Aber halt, da ist doch noch jemand anderes, ein kleines Mädchen, das dem Jungen vielleicht seine drängendsten Fragen beantworten könnte. Wo sind all die Bewohner der Stadt hin? Warum sind wir unsichtbar? Oder auch: Wer ist dieses grässliche Monster, das uns beiden offenbar nach dem Leben trachtet...?

Kunstvoller Ansatz
Später müssen der Junge und das Mädchen kooperieren. (1) Erst hilft er ihr aufs Dach. (2) Sie sorgt dann automatisch für einen Regenschutz. (3) Schließlich öffnen wir den Käfig der Zecken, die den angelockten Feind töten.
Rain verschreibt sich ganz bewusst einem künstlerischen Ansatz. Es beginnt mit einer Reihe von farbenfrohen, aber groben Aquarell-Malereien, die den Weg des Jungen in diese vollkommen andere Welt skizzieren. Sein Gesicht ist nicht zu erkennen und auch seine Stimme bekommen wir nicht zu hören. Stattdessen vermitteln Texte alles, was mit ihm, der Welt oder dem kleinen Mädchen zu tun hat. Fragen beantworten diese Texte jedoch allenfalls am Rande, vielmehr werfen sie neue auf.

Der künstlerische Ansatz manifestiert sich auch in der musikalischen Untermalung der trostlos wirkenden Szenerie. Klaviertöne und Klänge von Streichinstrumenten dringen mal bedrohlich, mal hoffnungsvoll sanft in unser Ohr. Manchmal mischen sich auch Instrumente wie ein Akkordeon ein, die der finster und kalt wirkenden Umgebung einen dezent fröhlichen Unterton verleihen. Beherrscht wird die Akustik des Spiels aber durchweg vom prasselnden Regen, der in manchen Situationen enorm an unseren Nerven schabt.

Ganz so erfolgreich wie ein Journey ist Rain mit diesem Konzept aber nicht, was in erster Linie der Eintönigkeit des Spiels geschuldet ist. Dass die Story sich auf kleine Fetzen beschränkt, ist dabei nicht das Problem – schließlich hat That Game Company mit Journey in dieser Hinsicht nicht mehr, sondern weniger zu bieten. In Rain fehlen allerdings die inspirierenden, faszinierenden Bilder, die den individuellen Erfahrungshorizont des Spielers beflügelten. Denn anders als Journey ist Rain viel mehr ein richtiges Spiel als eine interaktive Selbsterfahrung.

Vielfältige SpielmechanikAuch wenn der Einsteig in Rain etwas anderes nahelegt, bedient es sich einer vergleichsweise komplexen Spielmechanik. Der nur im Regen sichtbare Junge kann hüpfen, an bestimmten Stellen klettern und sogar rennen. Aber nicht immer muss er von den unterschiedlichen Monstertypen davonlaufen: Eine direkte Konfrontation führt zwar unweigerlich zu seinem Tod, er kann sich aber in überdachten Bereichen vor seinen Häschern verstecken – also überall, wo ihn der Regen nicht erreicht. Das kann auch mal ein Spind sein, in dem sich der Junge so lange verbirgt, bis seine Verfolger die Suche aufgeben. Das funktioniert allerdings nur, so lange er nicht mit Schlamm befleckt ist. Der muss durch einen Sprung in einer der vielen Pfützen im Spiel zunächst wieder abgewaschen werden. Indirekt töten kann der Junge die Monster aber schon. Zum Beispiel kann er sie anlocken und gegen ein Baugerüst stürmen lassen, unter dessen Trümmern sie begraben werden. Solche Aktionen sind aber nur an dafür vorgesehenen Stellen möglich, soll heißen: Ihr habt keine Entscheidungsfreiheit bei eurer Vorgehensweise, sondern müsst genau das tun, was das Spiel von euch verlangt.

Sobald der Junge und das Mädchen gemeinsam unterwegs sind, werden diese "Puzzles" komplizierter. An einer Stelle müsst ihr zunächst einen Käfig mit sogenannten Zecken vom Regen abschirmen, dann einen anderen Gegner durch eine Musikbox anlocken und schließlich dafür sorgen, dass Letzterer von den Zecken entsorgt wird. Gerade in den Fluchtszenen ergeben sich mit dem Mädchen spannende Situationen. Auch wenn wir gegenseitig Monster mithilfe einer Stoffpuppe ablenken (das Mädchen agiert dabei stets selbstständig), macht das Spaß. Im weiteren Verlauf des gerade mal dreistündigen Spiels kommen auch vermehrt klein
Anzeigen/v
ere Sprungpassagen und Abschnitte unter Zeitdruck hinzu. In den Sprungpassagen könnt ihr fast nirgends von den schmalen Laufstegen in den Tod stürzen.

Dennoch werdet ihr in manchen Situationen scheitern, was Rain nicht durch die Rücksetzung zu weit zurückliegenden Checkpoints bestraft. Stattdessen speichert das Spiel regelmäßig und lässt euch unmittelbar vor dem virtuellen Ableben erneut einsteigen – was, wie wir fairerweise anmerken – die Spielzeit zusätzlich gering hält. Allerdings gilt dieser Komfort nur, wenn ihr das acht Kapitel umfassende Abenteuer zwischenzeitlich nicht verlasst: Nach dem Neustart müsst ihr jeweils am Kapitelanfang beginnen, egal, wie weit ihr schon gespielt hattet in diesem Kapitel. Bei etwa 20 bis 25 Minuten pro Kapitel halten wir das aber für verschmerzbar. Schade finden wir angesichts der vielen netten Ideen, dass Rain aus der Spielmechanik zu wenig macht: Manche Elemente wie etwa friedliche Monster, die wie eine Art mobiler Regenschutz fungieren, kommen nur ein einziges Mal zum Einsatz. Und es bleibt nicht das einzige Feature, das die Entwickler später oder in anderen Konstellationen wieder hätten aufgreifen können.
In Rain gibt es einige sehr spannende Szenen wie etwa diese Fluchtpassage vor "dem Geschöpf".
EddieDean 16 Übertalent - P - 5343 - 2. Oktober 2013 - 16:00 #

schade, kaum drauf, wird es direkt wieder von meiner liste gestrichen :-(
danke für den Test!

volcatius (unregistriert) 2. Oktober 2013 - 18:00 #

Werde ich mir in einem Jahr auf PS+ mal anschauen.

Guldan 17 Shapeshifter - 8554 - 2. Oktober 2013 - 18:21 #

Werd ich mir mal im Angebot holen, momentan bin ich ausgelastet.

joernfranz (unregistriert) 2. Oktober 2013 - 18:47 #

Rain bleibt trotz der nachvollziehbar geschilderten Mängel auf der "werde ich zeitnah spielen" Liste. Idee und Design sind einfach sehr reizvoll.

vicbrother (unregistriert) 2. Oktober 2013 - 19:04 #

4Players gibt 85 Punkte...

Kringel (unregistriert) 2. Oktober 2013 - 21:04 #

Falsch.... Luibl gibt 85 Punkte! 90% der Spiele, die der für gut befindet, kannst in die Tonne treten!

vicbrother (unregistriert) 3. Oktober 2013 - 11:29 #

Das bedeutet, dass das Spiel einen höheren Anspruch hat und bedient.

Gnu im Schuh (unregistriert) 3. Oktober 2013 - 12:02 #

Höheren? Ich wäre für das Wort "anderen" - und wenn der hiesige Tester dafür nicht empfänglich ist, dann ist das nun mal so.

Manchmal denke ich man sollte eine Art Wahl-O-Mat für Gamingsites aufmachen. Man bewertet einige Titel und der Wahl-O-Mag sagt dann, welche Gamingsite den ähnlichsten Geschmack hat.

Benjamin Braun Freier Redakteur - 440299 - 3. Oktober 2013 - 12:11 #

Wenn du dir mal die Mühe machen würdest, unseren Test zu lesen, würdest du bemerken, dass das Spiel gerne einen höheren Anspruch hätte, an diesem Vorhaben allerdings aus verschiedenen Gründen scheitert.

J.C. (unregistriert) 3. Oktober 2013 - 21:54 #

Das ist auch nur eine Meinung.

Benjamin Braun Freier Redakteur - 440299 - 4. Oktober 2013 - 1:07 #

Hat auch niemand was Gegenteiliges behauptet. Ich habe lediglich unterstrichen, dass wir eine fundierte Meinung zum Spiel abgegeben haben.

vicbrother (unregistriert) 4. Oktober 2013 - 16:10 #

Meinung oder Test?

Benjamin Braun Freier Redakteur - 440299 - 4. Oktober 2013 - 17:04 #

Ein Test ist eine fundierte Meinung – jedenfalls sollte es das nach unserer Auffassung sein. Die reine Meinung gibt es bei uns im Meinungskasten.

Kringel (unregistriert) 3. Oktober 2013 - 12:51 #

so wie seine 90% zu Dear Esther ?? ;-)

J.C. (unregistriert) 3. Oktober 2013 - 22:02 #

Es ist lächerlich Dear Esther mit einer Wertung versehen zu wollen. Ich fand dieses Stück Software brillant gemacht. Vielen anderen ging es ebenso. Gameplaytechnisch kann man es scheiße finden, damit offenbart man dann aber nur eine gewisse Begriffsstutzigkeit - es ist eben kein Spiel. Ich kann mich auch generell öfter in den Luibl Meinungen wiederfinden.

Ich habe aber immer wieder den Eindruck, dass dies in dieser Community verpönt ist. Das ist albern.

Orschler77 18 Doppel-Voter - - 10788 - 2. Oktober 2013 - 19:33 #

Bleit trotzdem mal weiterhin auf meiner "Will ich mal spielen" Liste

Goldfinger72 15 Kenner - 3366 - 4. Oktober 2013 - 13:38 #

Mir gefällt das Spiel aufgrund seiner Atmosphäre ausgesprochen gut.