Test: Harpoon-Klon à la 2012

Naval War – Arctic Circle Test

Die Klimaerwärmung macht Seepassagen am Polarkreis schiffbar, die bislang nur einige Monate pro Jahr oder gar nicht passierbar waren – Konfliktstoff zwischen Anrainern wie Kanada, Norwegen, Russland und China. Klassischer geht's bei Arctic Circle zu: Die russische Nordflotte schlägt gegen die NATO los, zwischen Grönland und Holland.
Mick Schnelle 15. April 2012 - 14:53 — vor 12 Jahren aktualisiert
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Wie lange ist es her, dass kernige Seeschlachten mit modernem Equipment auf der heimischen Festplatte ausgetragen wurden? Uns fällt eigentlich nur Dangerous Waters von 2005 ein – und das war eher Simulation denn Strategiespiel. Davor gab es viel maues bis mäßiges Zeug wie AEGIS - Guardian of the Fleet (1994), das niemanden so recht überzeugte. Letztlich ist Harpoon aus dem Jahr 1989 nicht nur die Genremutter, sondern das einzige Spiel dieser Gattung, das moderne Seeschlachten mit ausreichender Komplexität verbindet. Kein Wunder, lag dem Klassiker doch das Brettspiel von Hochsee-Experte Larry Bond zu Grunde, der seinerzeit Tom Clancy bei seinem Roman Red Storm Rising (deutscher Titel: Im Sturm) beriet. Zu viel Historie? Nun ja, aber dennoch war der kleine Ausflug in die Geschichte notwendig. Denn die Entwickler von Naval War – Arctic Circle, das soeben bei Paradox Interactive erschienen ist, scheinen sich das Werk des Altmeisters sehr genau angesehen zu haben. Wenigstens auf den ersten Blick wirkt die Schlacht am Polarkreis wie ein naher Verwandter des Klassikers.

Heiße Gefechte in kühler See Die Welt ist blau. Hellblau, dunkelblau, blaugrau. Im Zentrum jedes Gefechts bei Arctic Circle steht eine Seekarte des Einsatzgebiets. Das ist stets dasselbe und liegt zwischen Russland, Skandinavien, Grönland und England. Im Süden begrenzt von Polen, Deutschland, Holland, Belgien und ein bisschen Frankreich. Das klingt nach viel, doch der Hauptteil aller Einsätze spielt sich im Wesentlichen nahe des besagten Polarkreises ab – wobei dem GIUK-Gap eine besondere Bedeutung zukommt. Diese gedachte Linie zwischen Grönland (G), Island (I) und dem Vereinigten Königreich (UK) markiert den Übergang der russischen Streitkräfte in den Atlantik. Irgendwo dazwischen gilt es, entweder als westlicher Admiral die Russen zu bekämpfen oder als russischer Kommandeur NATO-Flottillen auf den Meeresgrund zu schicken.

Die Einsatzziele klingen recht unterschiedlich, erfordern aber eigentlich immer dasselbe Vorgehen – egal ob russische U-Boote versenkt, eine norwegische Ölplattform mittels Hubschraubern eingenommen oder Spionagetrawler aufgespürt werden sollen. Immer müssen wir erst mal dem umfangreichen Pool aus Schiffen und sonstigen Einheiten die richtigen Befehle geben. So schicken wir U-Boote los, lassen AWACS Patrouille fliegen oder senden Jäger aus, um feindliche Tankerflugzeuge abzufangen. Sehr wichtig dabei: Der Einsatz der Ortungssysteme und die Abwägung, wann passive und wann besser aktive Systeme eingesetzt werden. Ein Beispiel: Spult ein U-Boot seine zig Meter lange, mit Hydrophonen gespickte Leine aus, kann durch reines Lauschen nach Feinden gesucht werden. Deutlich schneller geht es mit aktivem Sonar, dem berühmten Ping. Nur wissen dann Freund und Feind gleichermaßen, dass unser Tauchboot vor Ort ist.
Wenig Liebe zum Detail: Startende und landende Flugzeuge sind auf dem karg texturierten Flugzeugträger nicht zu sehen.

Renitente KI, komplizierte KontrolleWer angesichts der zahlreichen Einheiten Panik vor den vielen Ortungssystemen bekommt, kann auch die vorgegebenen Setups nutzen. Zumindest auf den unteren beiden Schwierigkeitsgraden finden wir die Gegner auch so. Nur auf der schwierigsten Spielstufe müssen wir tatsächlich jede einzelne Einheit per Hand auf den optimalen Sensor einstellen. Ist das erledigt, kann man sich ein Weilchen entspannt zurück lehnen: In Ruhe gucken wir zu, bis die ersten Feinde erfasst werden und nehmen sie danach per Knopfdruck unter Beschuss. Oder wir aktivieren die Zeitbeschleunigung. Klingt alles ganz simpel und ist wohl auch simpel gedacht.

In der Praxis funktioniert das allerdings nicht ganz so einfach. Zum einen beginnt Arctic Circle bei hochgeschalteter Zeitbeschleunigung gern heftig zu ruckeln, wenn mal mehr als drei, vier Einheiten auf dem Bildschirm zu sehen sind. Kein Problem: Regeln wir die Spielgeschwindigkeit wieder ein bisschen runter, ruckelt es nicht mehr so deftig. Deutlich unangenehmer ist die immer wieder mal auftretende Befehlsverweigerung. Vor allem die Angriffsorder wird gern ignoriert oder glatt ganz vergessen, wenn der allererste Torpedo abgefeuert wurde. Auch hierbei hilft nur die niedrigste Geschwindigkeitsstufe zu wählen und wirklich jede einzelne Attacke von Hand zu regeln. Manch einer würde wohl sagen: It’s not a bug, it’s a feature. Wir aber finden, dass nicht der Admiral höchstpersönlich (also
Anzeigen/v
wir) jeden einzelnen Raketenabschuss anordnen sollte in einem Spiel, das doch realistisch sein will.

In der Werbung verspricht Publisher Paradox für Arctic Circle die "intuitivste Benutzeroberfläche der Welt". Auch hier liegen Anspruch und Wirklichkeit auseinander. So wählen wir zu startende Flugzeuge grundsätzlich mit der linken Maustaste aus. Patrouillengebiete werden hingegen mit Rechtsklick markiert. Sensoren wählen wir mit Linksklick an, Sonderbefehle, wie den Abwurf von Sonarbojen, bestätigen wir wiederum mit Rechtsklick. Ebenfalls doof: Die Karte scrollt nicht automatisch weiter, wenn wir mit Mauszeiger an den Rand stoßen. Das geht nur mit gedrückter Maustaste. Und wer zu weit reinzoomt, verliert mangels Mittenzentrierung schnell die Einheiten aus dem Blickwinkel. Wer mehrere Einheiten derselben Sorte zusammenfasst, muss Spezialbefehle wie "Gebiet absuchen" einzeln für jede Einheit separat erteilen. Da ist es fast schon unverschämt, dass die Tasten nicht frei belegt werden dürfen. Oder anders gesagt: Ihr müsst euch schon eine Weile mit der „intuitivsten Benutzeroberfläche der Welt“ beschäftigen, bevor ihr sie annähernd benutzen könnt.
Die Suchpfade der Hubschrauber sehen arg nach Schnittmuster aus, werden aber automatisch von der KI gesetzt.
totalwarzone 13 Koop-Gamer - 1554 - 15. April 2012 - 14:59 #

Danke, dann mal sehen was ich eventuell gewonnen hab^^. Ich wollts eigentlich kaufen aber bis Heute abend warte ich noch.
Weiteres Feedbakc folgt nach dem zur gemüte führen des Tests. Das kann dauern, Micks tests les ich besonders gern und aufmerksam.

Deathsnake 20 Gold-Gamer - 22556 - 15. April 2012 - 15:05 #

Bestätigt mein Eindruck bereits der Demo. Viel Potential verschenkt. Dann doch lieber Dangerous Waters weiterspielen ^^

Pomme 17 Shapeshifter - P - 8623 - 15. April 2012 - 15:12 #

Mh, das klingt ja gar nicht so schön. Schade.

Ketzerfreund 16 Übertalent - 5978 - 15. April 2012 - 15:13 #

Dangerous Waters mag ja vom Genre her eher Simulation sein... Was aber ist mit Fleet Command von den gleichen Machern, das nicht gar so alt ist wie Harpoon? ;)

Ole122 12 Trollwächter - 1034 - 15. April 2012 - 15:31 #

Aye, genau die Frage ging mir auch grade durch den Kopf. Finde eh, dass Naval War so ziemlich genau Fleet Command modernisiert ist (oder sein will, seis drum)

Ketzerfreund 16 Übertalent - 5978 - 15. April 2012 - 16:08 #

Den Eindruck hatte ich durch die Trompetentöne vor der Veröffentlichung auch gewonnen. Er ist mir nach diesem Test aber schnell wieder verlustig gegangen.
Fleet Command ist jedenfalls - finde ich - ein Spiel, das vielleicht nach den Jahren, die es existiert, auch nicht viel besser aussehen mag als dieses hier. Aber es funktioniert tadellos, und es gibt jede Menge Missionsfutter aus dem Netz.
Tja, schade, dieses Genre ist schon nicht sonderlich überversorgt, gelinde gesagt. Ein guter, moderner Vertreter wäre erfreulich gewesen. :(

Mick Schnelle Freier Redakteur - 7940 - 15. April 2012 - 17:35 #

Fleet Command konnte am original Harpoon nie kratzen. Um nicht mit zu vielen Namen zu verwirren bin ich deshalb gleich zum Genrevater und letztlich auch Genrekönig gekommen.

Ketzerfreund 16 Übertalent - 5978 - 15. April 2012 - 17:49 #

Okay, verständlich. Richtig schlecht ist Fleet Command allerdings aber nun auch nicht. ;)

Mick Schnelle Freier Redakteur - 7940 - 15. April 2012 - 18:01 #

nö, das war und ist auch immer noch ganz solide. :-)

Ole122 12 Trollwächter - 1034 - 15. April 2012 - 22:50 #

Okay. Wobei ich (leider) nie dazu gekommen bin Harpoon zu zocken. Gibts da eigentlich noch irgendwo käuflich zu erwerben? Versuch wärs ja mal wert, auch wenn ich sicherlich gnadenlos untergehe :)

Zaunpfahl 19 Megatalent - 17564 - 15. April 2012 - 15:34 #

Die Beschreibung auf Steam las sich ja ganz viel versprechend, zumal es ja auch noch ne Dreingabe von einem anscheinend ähnlichen Spiel in historischem Setting gibt (gab?). Ich verzichte dann wohl trotzdem erstmal...

Sturmrabe85 13 Koop-Gamer - 1481 - 15. April 2012 - 16:16 #

Der Test deckt sich mit dem was ich anhand der Demo erlebt habe. Dabei ist die Idee an sich und die Thematik ja eigentlich ganz spannend, selbst über die Grafik könnte ich hinweg sehen. Aber leider ist die Umsetzung insbesondere im Bereich der Steuerung komplett in den Sand gesetzt worden, was man ja schon anhand der Demo erleben konnte. Ich fand auch das Tutorial nicht gerade hilfreich und nun noch dieses starre Missionsdesign. Da muss ich dann leider sagen Idee wirklich gut aber die 30 € spare ich mir dann doch lieber. Schade

Anonymous (unregistriert) 15. April 2012 - 17:37 #

Das ist ein sehr gutes Review - obwohl mich das Spiel nicht die Bohne interessiert, nur der Name und das Cover mich her geklickt haben. Wirklich hilfreich für Leser und Entwickler.

Ich fänd ja das Thema spannend, und Strategietitel grundsätzlich auch. Darf nur nicht so über-komplex sein. Hätte die Entwickler mal das 3D rausgelassen, die 2D-Grafik schöner gemacht und das Ganze (+ die Missions-/Story-Vorschläge von Herrn Schnelle) als rundenbasierte Tablet-Version für 5-10 €. Top! Zumindest besser als das hier. Ich frag mich nur, warum die soviel Publicity mit dem Spiel bekommen. Auf RPS gibt's auch mächtig Banner.

Ketzerfreund 16 Übertalent - 5978 - 15. April 2012 - 17:48 #

Die PR-Abteilung bei Paradox hat wohl zuviel Geld. *g
Im Laufe der letzten Jahre sind die PR-Aktivitäten für von P'dox vertriebene Spiele doch irgendwie recht stark gewachsen, hab ich das Gefühl. Ich habe den Eindruck, P'dox möchte eine ausführliche Vorberichterstattung für ihre Spiele nicht wie früher nur auf nischenspezifischen Online-Plattformen sehen.

Anonymous (unregistriert) 15. April 2012 - 18:22 #

Eines sollte man bei Test zu Paradoxspielen vielleicht gleich am Anfang schreiben.
"Reift beim Nutzer"

Bei den Spielen der Paradox Studios hat es sich mit den letzten Veröffentlichungen durchaus gebessert, aber bei den Spielen bei denen Paradox als Publisher fungiert ist es immernoch so.
Mal ein paar Patches abwarten und schauen was draus wird.

Anonymous (unregistriert) 15. April 2012 - 18:28 #

Test gelesen und soeben "Harpoon Classic 2002" auf meinem neuen PC installiert. Läuft prima unter Win7 und hat sich, seit ich es Anfang der 90er auf Amiga gespielt hab, kaum verändert- zum Glück. :-)

MicBass 21 AAA-Gamer - P - 28976 - 15. April 2012 - 19:05 #

Ich hatte mich erst geärgert dieses interessant klingende Spiel wegen Zeitmangels gar nicht spielen zu können. Jetzt ärgere ich mich nicht mehr, danke. :)

Toranaga 11 Forenversteher - 721 - 15. April 2012 - 21:48 #

Ich hoffe, dass sich die Modding-Community dieses Titels annehmen wird, um dann doch noch etwas daraus zu machen. Bei einem Paradox-Game wäre es zu erwarten.

Ketzerfreund 16 Übertalent - 5978 - 16. April 2012 - 3:32 #

Wer weiß, vllt. haben die Entwickler gerade bzgl. der ärmlichen Ausstattung an Missionen genau darauf gespechtet. Aber ein Spiel muss schon noch erstmal überhaupt was taugen, um an der Schaffung eigenen Materials dazu - seien es Missionen und/oder Mods - auch nur einen Funken Interesse zu entwickeln.

Amco 19 Megatalent - P - 19342 - 16. April 2012 - 13:39 #

Ich habs mir gekauft und hab bis jetzt spass gehabt.

RyMosh 13 Koop-Gamer - 1497 - 16. April 2012 - 16:50 #

"Mangels Konkurrenz".

Spontan ist mir dieser Titel eingefallen, auf den ich kürzlich aufmerksam wurde. Macht einen vielversprechenden Eindruck:

http://www.warfaresims.com/?page_id=1101