Trendsetter oder Couch Potatoes?

Spielemarkt USA Report

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Warhammer 40.000 - Space Marine bleibt der Vorlage treu und gibt sich in seiner Darstellung sehr brutal. Doch entgegen gängiger Vorurteile macht dies den Titel bei amerikanischen Spielern nicht automatisch zu einem Hit.

Jugendschutz und amerikanische Moralapostel

Achtung, Überraschung: Auch amerikanische Eltern wollen ihre Kinder nicht zu Brutalos heranziehen. In 93% der Fälle, in denen ihre Kinder ein Spiel kaufen oder leihen, ist zumindest ein Elternteil zugegen. 64% der Eltern finden, dass Computerspiele ein positiver Teil des Lebens ihrer Kinder sind. Und 86% der befragten Eltern gaben an, „manchmal oder immer“ zu überprüfen, was ihre Kinder da spielen. Amerikanische Eltern spielen sowieso gern gemeinsam mit ihren Kindern und geben dafür vier Gründe an (Mehrfachnennungen waren möglich): Weil es Spaß macht (87% - 2007 waren es noch 72%), weil sie darum gebeten werden (83% - 2007: 71%), weil sie dadurch Zeit mit dem Kind verbringen (75% - 2007: 66%) und weil sie so das Kind beim Spielen kontrollieren können (60% - 2007: 50%). Und auch, wenn man die Spieler insgesamt befragt, sagen 47%, dass Computerspiele ihre Familie näher zusammenbrächten. 83% (2007: 80%) der US-Eltern beschränken die Zeit, in der ihre Kinder spielen dürfen – den TV-Konsum beschränken nur 78% (2007: 71%), die Internet-Nutzung 75% (2007: 72%) und den Film-Konsum 66% (2007: 65%).

Auch in USA gibt es Politiker und andere selbsternannte Schutzpatrone der Jugend, die Spiele ungefähr so sehr mögen wie der Teufel das Weihwasser. Immer wieder werden auf lokaler oder bundesstaatlicher Ebene Vorstöße unternommen, den Verkauf von Spielen einzuschränken oder den von „M“-Titeln ganz zu verbieten. So trat im Dezember 2005 in Kalifornien ein Gesetz mit Namen „Violent video game law“ inkraft, das jedoch im August 2007 von Richter Ronald Whyte (der spätestens seit seinem Java-Urteil gegen Microsoft und für Sun Microsystems in 1998 bekannt ist) wieder kassiert wurde: Das Gericht befand, dass Computerspiele unter den Schutz des First Amendments der Verfassung fallen, und dass kein Zusammenhang zwischen virtueller und realer Gewaltausübung nachgewiesen werden könne. Kaliforniens Gouverneur Arnold Schwarzenegger, bekanntlich als Schauspieler mit kinderfreundlichen Filmen wie Conan der Barbar oder Der Terminator berühmt geworden, hatte damals Berufung gegen das Urteil eingelegt.

Mittlerweile liegt der Streitfall als "Schwarzenegger v. EMA" beim Supreme Court, dem obersten Gericht des Landes. Am 2 November 2010 wird dieser die mündlichen Plädoyers beider Seiten hören. Die Entertainment Consumers Association (ECA) hat eine Website eingerichtet, die über den Fall informiert. Außerdem wurde eine Online-Petition gestartet, bei der spielefreundliche US-Amerikaner unterzeichnen können, dass sie für die Meinungsfreiheit und gegen das Kalifornische Gesetz sind.

Während in Deutschland alle paar Jahre das Jugendschutzgesetz verschärft wird, ist in den USA in den letzten Jahren kein einziges Gesetz auf Bundesebene durchgekommen, das den Vertrieb von gewalthaltigen Games beschränkt hätte. Im Zweifel ist man in Amerika für Meinungsfreiheit und setzt auf Aufklärung statt auf Verbote. Der Branchenverband ESA kämpft für die Sache der Spiele, mit Kampagnen und vor Ort in Washington oder jährlichen Studien etwa zu „Computerspiele und Jugendgewalt“. Interessanterweise lautet darin eines der Argumente, dass Videospiele nicht für reale Gewalt verantwortlich seien, sinngemäß so: „In anderen der Länder der Welt werden die gleichen Spiele verkauft, doch ist dort die Gewalt viel geringer als in den USA. Also muss es andere Gründe geben, etwa die Herkunft und Sozialisierung der Menschen.“ Über 200.000 volljährige Mitglieder der Organisation „Video Game Voters Network“ haben zudem bislang gut 75.000 Briefe an Senatoren und andere Politiker geschrieben. Auf der VGN-Website wird regelmäßig über aktuelle, auch weltweite Entwicklungen in diesem Bereich berichtet und mitunter zu Aktionen aufgerufen.

Die ESA-Mitglieder


505 Games
Capcom USA, Inc.
Crave Entertainment
Deep Silver
Disney Interactive Studios, Inc.
Eidos Interactive
Electronic Arts
Epic Games, Inc.
Her Interactive, Inc.
Ignition Entertainment
Konami Digital Entertainment
Microsoft Corporation
MTV Games
Namco Bandai Games America Inc.
Natsume Inc.
Nexon America, Inc.
Nintendo of America Inc.
NVIDIA
O-Games, Inc.
Playlogic Entertainment, Inc.
Realtime Worlds
SEGA of America, Inc.
Seven45 Studios
Slang
Sony Computer Entertainment America
Sony Online Entertainment, Inc.
SouthPeak Interactive Corporation
Square Enix, Inc.
Take-Two Interactive Software, Inc.
Tecmo Koei America Corporation
THQ, Inc.
Trion Worlds, Inc.
Ubisoft Entertainment, Inc.
Warner Bros. Interactive Entertainment Inc.
XSEED Games

E3 im Aufwärtstrend

Mittlerweile kann sich die ESA (Entertainment Software Association) wieder über die guten 2009er Zahlen sowie die Erfolge in der Abwehr amerikanischer Spielehasser freuen (meist auf der Ebene von Bundesstaaten, die härtere Jugendschutzgesetze bei Spielen fordern, damit aber regelmäßig scheitern). Den Abschied wichtiger Publisher wie Activision aus dem Verband können zwar Neuzugänge wie Deep Silver (ein Label von Koch Media) oder XSEED Games nicht 1:1 ausgleichen, doch von einem bevorstehenden Zerfall des Herstellerverbands ist nicht mehr die Rede. Zudem hat sich die von der ESA kontrollierte E3 von ihrem Tief anno 2007 erholt und ist wieder die führende Fachbesucher-Messe für Computerspiele geworden – auch wenn es mit den Penny Arcade Expos (Prime und East), der Tokyo Games Show und nicht zuletzt der gamescom drei Messen gibt, die im Endkundenbereich sehr viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen.

Das wichtigste Ziel des Verbands bleibt die Förderung der Spiele-Industrie. Darunter fällt nicht nur die Zusammenstellen von Statistiken (auf denen dieser Artikel zu einem Teil beruht). Die ESA ist auch im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit sehr aktiv und macht sich besonders für Kinder stark. Die von ihr veranstaltete Benefizveranstaltung „A Nite To Unite – For Kids“ existiert seit mittlerweile zwölf Jahren und hat allein im vergangenen Jahr 800.000 Dollar an Wohltätigkeitsorganisationen ausgeschüttet.

Insgesamt zeigt sich der US-Markt nicht mehr als der monolithische Supergorilla, als der er aus deutscher Perspektive oft erscheinen mag. Er kämpft mit vielen Problemen, die wir auch hierzulande kennen, ist aber um ein Vielfaches größer, konsolenlastiger und umsatzstärker. Doch wie im deutschen Markt fehlen Instrumente, um die unbestreitbaren Trends hin zu Online-Spielen, Digitalen Vertriebsformen, Apps und Browserspielen adäquat abzubilden. Würde das gelingen, die Umsatzzahlen wären noch deutlich höher. Und ein Problem der herkömmlichen Spiele-Industrie würde dann sichtbar werden: Sie kämpft nicht nur auf dem iPhone immer mehr mit kleinen Firmen und Quereinsteigern, die auch ohne große Apparate, millionenschwere Projekt-Vorfinanzierungen und insbesondere Handelskompetenz auskommen.

Autor: Jörg Langer (GamersGlobal)

Bildnachweis: Karte des Aufmacherbilds veröffentlicht bei Wikipedia unter CC und GNU.

Jörg Langer 11. September 2010 - 15:03 — vor 13 Jahren aktualisiert
McStroke 14 Komm-Experte - 2276 - 11. September 2010 - 19:56 #

Haben die Publisher auf der Karte im Teaserbild eigentlich wirklich an besagten Stellen ihren Firmensitz (also EA in Kalifornien, Sega in Arizona, id in Texas etc.) oder ist das rein zufällig gewählt?

Rondrer (unregistriert) 11. September 2010 - 20:18 #

Also id ist in Texas und EA in Kalifornien, aber Microsoft an der Ostküste haut nicht so richtig hin (zumindest vom Hauptsitz her).
Von daher würd ich sagen es ist teils richtig, teils zufällig ;)

Rubio The Cruel 12 Trollwächter - 1078 - 11. September 2010 - 20:22 #

seit wann ist microsoft in virgina? d'oh!

Jörg Langer Chefredakteur - P - 469822 - 11. September 2010 - 20:36 #

Nee, die würden sich ganz stark im Westen drängeln.

DELK 16 Übertalent - 5488 - 11. September 2010 - 21:24 #

Wobei man bei den Altersfreigaben auch darauf aufmerksam machen sollte, dass bei Gewalt in Spielen generell lascher als von der USK gewertet wird.

Ketzerfreund 16 Übertalent - 5978 - 12. September 2010 - 4:49 #

"...Umsätze wie die Retail-Zahlen, die NPD meldet." - Ich glaub, da fehlt ein 'wie'.

CrazyChemist 18 Doppel-Voter - - 9005 - 12. September 2010 - 8:39 #

Interessanter Artikel für einen baldigen Auswanderer, danke!

Christoph 18 Doppel-Voter - P - 10234 - 13. September 2010 - 8:30 #

...na dann viel Glück! Wenn Du am PC spielst, geht dann ohne downloads nicht mehr viel; ich hatte in den USA echte Probleme, die PC-Spiele in irgendwelchen Läden überhaupt nur zu finden ;) ...aber Super-Donuts gibt's überall!

Bernd Wener 19 Megatalent - 14832 - 12. September 2010 - 9:11 #

Danke, sehr interessanter Artikel.

Andreas (unregistriert) 12. September 2010 - 20:35 #

Solche Artikel gibt es nur auf Gamer's Global - fantastisch.

Slomo86 06 Bewerter - 95 - 12. September 2010 - 22:28 #

Wirklich interessant, danke.

Ganon 27 Spiele-Experte - - 83928 - 13. September 2010 - 11:44 #

Höchst interessanter Bericht. Diese Serie ist echt super. Ich hoffe, es geht noch weiter. Schließlich fehlen noch Deutschland und andere europäische Länder.

Anonymous (unregistriert) 14. September 2010 - 1:12 #

Hallo!

Das mit den Preisen kann ich nicht nachvollziehen,
die "UVP"-Dollar-Preise bei amazon sind meistens
günstiger als bei uns die "UVP"-Euro-Preise.
(Ist bei uns vielleicht der Zweitverwertungsmarkt
grösser und drückt den Umsatz pro Spiel?).

Das Gehalt mit 92 000 Dollar ist sehr hoch und
ist ja nur ein Durchschnittswert.
Das klang neulich noch ganz anders:
gamersglobal.de/news/19011
Und das ist ja nur der Durchschnitt.
Das war zwar keine amerikanische Umfrage, aber auch
für die USA habe ich generell niedrigere Zahlen im Kopf:
payscale.com/research/US/Country=United_States/Salary

Jörg Langer Chefredakteur - P - 469822 - 14. September 2010 - 18:31 #

Hallo Anonymous, das ist etwas anders gemeint:

Pro Dollar bekommst du in Amerika (insbesondere im Elektronikbereich, aber auch im Spielebereich) in vielen Fällen den Gegenwert, den du in Deutschland für einen Euro bekommst -- obwohl der Euro nominell mehr wert ist. Dein Beispiel (Dollarpreise sogar unter Europreisen) unterstreicht das noch, der Dollar ist dann also auf dieses Spiel bezogen sogar noch mehr wert, als dein Euro hier in Deutschland.

Das bedeutet, da es ja um Umsatzzahlen und Marktgröße geht, dass der US-Spielemarkt von USA aus betrachtet sogar noch etwas wichtiger/größer ist in tatsächlicher Kaufkraft, als er, in Euro umgerechnet, von hier aus betrachtet wirkt.

Ist jetzt nicht die Riesenerkenntnis, aber so war das gemeint im Text :-)

Christoph 18 Doppel-Voter - P - 10234 - 16. September 2010 - 16:56 #

Es verdient aber nicht der durchschnittliche computerspielkaufende Amerikaner über 90.000 Dollar im Jahr. Wegen größerer arm-reich-Unterschiede in den USA sagt der Durchschnitt auch nicht so viel aus. Der Median wäre mal interessant, und zwar der Median der Spielekäufer-Einkommen.