Report: Größere Gelassenheit

Spielemarkt Österreich Report

Unser durch schöne Berge und räuberische Maut-Regelungen geprägtes liebstes Nachbarland ist in Sachen Spielemarkt in vielen Punkten eine kleinere Version des deutschen -- zeigt jedoch in anderen Punkten ganz erheblich Unterschiede. GamersGlobal blickt nach Süden...
Jörg Langer 25. Juni 2010 - 21:23 — vor 13 Jahren aktualisiert
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Im Vergleich zum deutschen Nachbarn im Norden hat Österreich einige Vorzüge: Nicht mal halb so viele Einwohner pro Quadratkilometer, ein höheres Pro-Kopf-Einkommen und viel mehr Berge. Ob die starke Zentralisierung hingegen ein Vorteil ist, werden Einheimische je nach ihrem Wohnort beantworten: Stolze 28 Prozent der Österreicher (2,4 von 8,4 Millionen) leben in der Metropolregion Wien. Damit ist diese zwar konkurrenzfähig zu vielen anderen Großstädten in Europa, doch in Österreich führt das zum Wasserkopfsyndrom: Für viele Jobs muss man nach Wien ziehen, die nächstgrößere Stadt (Graz) hat nicht einmal ein Fünftel der Einwohnerzahl (0,29 zu 1,7 Millionen). Alles bündelt sich in Wien: Ministerien, Verbände, Firmenzentralen, Ausbildungsstätten. Wer die Spieleverkaufszahlen in Wien kennt, kann sie aufs ganze Land hoch rechnen. Und wenn mal ein Publisher-Vertreter das zuständige Ministerium besuchen möchte, ist ein Flugzeug nicht notwendig, der Einstieg in die Straßenbahn reicht.

Eines der Wahrzeichen der Stadt: der Wiener Prater, wie man ihn vom berühmten Riesenrad aus sehen kann.
(Fotograf: Herbert Ortner; veröffentlicht unter CC und GNU bei Wikipedia.)

Marktgröße und Kaufverhalten

Die Bevölkerungszahl in Österreich (8,4 Millionen) beträgt rund 10 Prozent der deutschen (81,8). Diese Faustformel gilt auch für den Spielemarkt. Gute Titel schaffen in Österreich über 20.000 verkaufte Einheiten, insbesondere Multi-Plattform-Titel lassen sich gut verkaufen: Insgesamt beträgt die Hardwarebasis von Xbox 360, Playstation 3 und Nintendo Wii, mit der Bevölkerungszahl korrelierend, etwa ein Zehntel von der in Deutschland. Und wie dort sind die PC-Spiele auf hohem Niveau rückläufig, zumindest bei den Vollpreisspielen: Laut Michael Auer, Vertriebsleiter von Koch Media Austria, konnten aber die PC-Budgetspiele zulegen und befinden sich fast schon wieder auf dem hohen Niveau von 2003. Beim Thema Softwarepiraterie nehmen sich beide Länder wenig, auf beiden Seiten der Alpen werden Titel illegal weiterverbreitet, ohne dass sich merkliche Unterschiede feststellen ließen.

Budget-Packungen blockweise ins Regal gestellt.
Wie anderswo in der Welt sind erfolgreiche Vollpreisspiele die beste Garantie für gute Budget-Verkäufe: Für schlechte Spiele gibt man auch keine 10 Euro aus. Allerdings berichtet Michael Auer von einer landestypischen Schwierigkeit: "Da es sowohl im Lebensmittel- wie auch Elektronik-Bereich viel weniger Flächenmärkte gibt in Österreich, fällt es schwerer, spezielle Verkaufsmöbel zu platzieren." Generell lasse sich bei allen Handelspartnern die Tendenz erkennen, ein möglichst einheitliches Design in den eigenen Filialen durchzusetzen. Demzufolge wird es immer schwieriger, für Deutschland typische Verkaufskonzepte wie die Software Pyramide von ak Tronic oder den Hammerpreis-Tower von Koch Media zu verbreiten. Stattdessen werden die Budget-Packungen blockweise ins Regal gestellt, was die Kauflust bei den Konsumenten sicher nicht zusätzlich ankurbelt.

Verbandswesen: Eine Nummer kleiner

Den Österreichischen Verband für Unterhaltungssoftware (ÖVUS) gibt es seit April 2007; Anlass für die Gründung war ein schlecht recherchierter Artikel aus Österreich über "Killerspiele".  Der ÖVUS fokussiert sich auf die Kommunikation von Branchenanliegen und Jugendschutzthemen sowie die Aufklärung der Öffentlichkeit über den Umgang mit Spielen. Präsident Dr. Niki Laber zeigt sich "zufrieden" mit der Entwicklung seines Verbandes in den letzten drei Jahren, auch wenn der Spielemarkt in Österreich natürlich zu klein sei, um wie der BIU fünf Festangestellte zu beschäftigen. Laber und seine Mitarbeiter engagieren sich daher ehrenamtlich, werden dabei aber von einer professionellen PR-Agentur unterstützt. Dass die Arbeit Früchte trägt, sieht Laber durch eine Gesetzesnovellierung in 2008 bestätigt, die im Bundesland Wien eine Alterskennzeichnung von Videospielen erforderlich macht. Der Vorschlag ist binnen weniger Monate umgesetzt worden, mit Zustimmung aller Fraktionen – ein unüblicher Vorgang, nicht nur in der österreichischen Politik. Der ÖVUS habe mittlerweile sehr viel an Aufbauarbeit geleistet und sich als Ansprechpartner zum Thema Videospiele in Medien, Öffentlichkeit und Politik etabliert, fährt Laber fort.

Viele Publisher (hier Koch Media) packen wenn möglich sowohl PEGI- als auch USK-Siegel auf ihre Packungen. Denn in Österreich gelten je nach Bundesland beide Kennzeichnungen, und je nach Bundesland als Empfehlung oder zwingend.
PARALAX (unregistriert) 25. Juni 2010 - 21:42 #

Schöner Bericht. :-)

DELK 16 Übertalent - 5488 - 25. Juni 2010 - 21:51 #

Sehr schöner Bericht. Wobei auch in Ländern, wo die Altersfreigabe nicht geregelt ist (Erfahrungsbericht aus Niederösterreich) normalerweise auf die jeweilige Altersfreigabe geschaut wird, vor allem in den großen Ketten wie Media Markt oder Gamestop. Aber generell ist der Umgang mit Spielen hier einfach, wie so vieles, entspannter als in Deutschland. Und es heißt Stephansplatz, nicht Stephanplatz :)

Green Yoshi 22 Motivator - P - 36260 - 25. Juni 2010 - 21:59 #

Interessanter Bericht, dank Consol.AT Abo und dem gleichnamigen Podcast hab ich in den letzten Jahren schon ein bisschen was über den österreichischen Videopsielmarkt erfahren, im Urlaub wandert man dann ja doch lieber auf die Berge als durch die Spieleläden.^^

NedTed 19 Megatalent - 13364 - 26. Juni 2010 - 10:30 #

Den pragmatischen Ansatz unserer Politiker kann ich bestätigen (insbesondere bei Politdiskussionen im Tv zu beachten). Nur generell gesprochen werden Computerspiele nachwievor verunglimpft...

Acka81 10 Kommunikator - 458 - 26. Juni 2010 - 11:55 #

sehr interessanter Artikel, super mal Einblick bei unseren Nachbarn zu bekommen

Ne0n 09 Triple-Talent - 271 - 26. Juni 2010 - 16:08 #

Interessant finde ich den Jugendschutz.
Jedes Bundesland kann selbst wählen.
Finde ich gelinde gesagt, schon richtig Krass ^^

rknall 10 Kommunikator - 513 - 27. Juni 2010 - 0:29 #

Das kann man wie immer so oder so sehen. Im täglichen Umgang ist es eher lässig. Wobei sich das nicht auf die Spiele bezieht. So ziemlich jeder Laden geht nach dem Pegi System (die Großen, wie Saturn und Media Markt sowieso).

Das prüft auch in regelmäßigen Abständen unsere AK.

Das Problem hast du dann, wenn der Jugendschutz in anderen Bereichen eingreift, wie zum Beispiel bei den Sperrstunden. Da wirds dann richtig kompliziert.

Schmuhf (unregistriert) 26. Juni 2010 - 16:13 #

Ich finde vieles in Österreich etwas bedenklich, aber Ihre Orientierung am PEGI-System finde ich super. Schade, dass die USK hierzulande schon so etabliert ist... :/

rknall 10 Kommunikator - 513 - 27. Juni 2010 - 0:33 #

Darf ich fragen, was du unter Anderem bedenklich findest. Nur so aus Interesse.

robsetabse 10 Kommunikator - 490 - 26. Juni 2010 - 19:13 #

sehr schöner artikel!
wohne selber in wien, von daher hab ich einen schönen bezug dazu.

die meisten leute die ich kenne kaufen sich spiele übrigens in england oder bei steam.

Daeif 19 Megatalent - 13820 - 26. Juni 2010 - 19:48 #

Hach, wie ich diese Auslands-Artiek liebe... Ist immer interessant zu sehen, was in anderen Ländern spielemäßig vor sich geht. Besonders bemerkenswert, dass die Österreicher Spiele nicht kollektiv verurteilen. Wie eigentlich in ganz Europa. Was läuft denn hier so falsch, dass quasi alle Nachbarn Computerspiele zumindest akzeptiert haben, nur wir Deutschen nicht?

rknall 10 Kommunikator - 513 - 27. Juni 2010 - 0:32 #

Von mir ein Kudos, für diesen guten Artikel. Der Grundtenor, dass wir Österreicher die Diskussion wirklich ein wenig entspannter sehen, kommt ganz gut rüber. btw, auch wir hatten schon Fälle, wo Kids ein wenig durchdrehten und Lehrer verprügelten, oder Ähnliches. Amoklauf war dabei noch keiner, Gott sei Dank. Aber trotzdem kam dann wieder der eine oder andere Politiker auf die Idee mit den Killerspielen. Da wird dann aber vor Allem von den Medien schnell zurück gepfiffen.

Ich denke mal, dass unsere Medienlandschaft, noch ein wenig kritischer den Themen gegenüber steht wie in Deutschland, und nicht so sehr auf Populismus abzielt. Daher können dann solche Themen eben auch ein wenig differenzierter betrachtet werden.

Anonymous (unregistriert) 27. Juni 2010 - 1:33 #

Sehe ich auch so, gibt natürlich auch in Ö. grausige Blätter/Medien, aber im großen und ganzen halten sich unsere Freunde aus Austria noch ein bischen an den Presse Ethos. Armes Deutschland, leider betreffen die medialen Indifferenzen ja nicht nur Videospiele.

Arandor 10 Kommunikator - 428 - 27. Juni 2010 - 21:53 #

Vielen Dank für diese Spielemarkt-Berichte. Können wir uns in naher Zukunft auch auf einen Blick auf den Asien-Markt freuen?

Earl iGrey 16 Übertalent - 5093 - 28. Juni 2010 - 5:16 #

Ganz ausgezeichneter Artikel, sehr informativ! Vielen Dank.

MTR 12 Trollwächter - 1033 - 28. Juni 2010 - 12:55 #

Sehr guter Artikel und sehr interessant. Gerade die Thematik der Killerspiele wird dort glaub besser gehandhabt. Ich denk mir manchmal, dass solche Artikel ruhig mal die hießigen Politiker lesen sollten.

Gecko 13 Koop-Gamer - 1518 - 28. Juni 2010 - 14:24 #

Hierzulande auch eine solche Messe umsetzen zu wollen klingt wirklich noch ziemlich nach Zukunftsmusik.

Früher oder später wird man aber auch hier mehr Einsicht zeigen müssen und durch den Wegfall gewisser Politiker dürfte sich die Sache auch automatisch etwas entspannen.

Interessant da mal etwas mehr zu erfahren, der Artikel bringt ja wirklich viele Infos. :)

MeckGeiwa 11 Forenversteher - 631 - 1. Juli 2010 - 11:38 #

Sehr interessanter Artikel. Bin selbst aus Österreich - nicht aus Wien - Wien ist anders!
Bin heute erst auf diese Seite gestoßen - solche Artikel findet am auf anderen Spieleseiten so gut wie gar nicht!

Aber Jörg Langer birgt halt für Qualität - wie früher bei der GameStar (die immer noch das beste Spielemagazin am Markt ist)

Markus 14 Komm-Experte - 1878 - 3. Juli 2010 - 13:16 #

toller Artikel, sehr interessant!