Bournes heimlicher Zwilling

Alpha Protocol Report

Alpha Protocol bringt Abwechslung in den Fantasy-Muff der 3D-Rollenspiele. Agent Michael Thorton wartet auf seinen finalen Einsatzbefehl, um der größten Weltverschwörung aller Zeiten auf die Spur zu kommen. Zeit für einen kurzen Faktencheck vor Ort bei Sega: Ist Obsidians Spionage-RPG auf Kurs?
Armin Luley 19. Juli 2009 - 21:45 — vor 14 Jahren aktualisiert
PC 360 PS3
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Als wir Obsidians actionorientiertes Spionage-Rollenspiel Alpha Protocol vor zwei Monaten auf der E3 bewundern konnten, waren wir positiv überrascht. Das flotte Gameplay in Kombination mit einer tiefgängigen Agentenstory und Entscheidungen großer Tragweite machte uns sofort neugierig. Zusammen mit Produzenten Nathan Davis warfen wir letzte Woche nochmal einen Blick auf die Abenteuer des Agenten Michael Thorton. Bedauerlicherweise gab es im Vergleich zur E3 keine neuen Levels oder Spielinhalte zu sehen. Wir nutzten die Gelegenheit daher für ein paar genauere Beobachtungen und Fragen an Davis.

Immer noch ein Rollenspiel
Wir sind besorgt. Die Beschäftigung mit Verschwörungen scheint traumatische Wirkung auf die Entwickler zu haben.

Dass die Entwickler große Fans des Agentengenres sind, haben sie bereits mehrmals betont. Und in der Tat merkt man sofort den Einfluss der vielzitierten drei großen JBs: Jack Bauer, James Bond, Jason Bourne. Besonders an die Filmabenteuer des letzteren erinnert auch der optische Stil des gesamten Spiels. Sei es die verwendete Ausrüstung oder der Kampfstil, Michael Thorton (nur echt mit einem ‚n‘!) wirkt wie der jüngere Bruder des erinnerungsgeplagten Spezialagenten Jason Bourne.

Doch gerade Bourne und die in den Agentenfilmen neuerdings so beliebte Wackelkamera stehen für knallharte Actionsequenzen, die dem Betrachter nur wenig Zeit zum Nachdenken lassen. Alpha Protocol ist dagegen immer noch spürbar ein Rollenspiel. Würde man bei einem Spionagesetting nicht eher ein Actionspiel im Stile eines Metal Gear Solid oder Splinter Cell erwarten? Dazu Nathan Davis:
„In Metal Gear spielst du immer nur Snake, und er ist immer dieselbe Person. Ob du willst oder nicht, du hast keinerlei Einfluss auf seine Persönlichkeit. In Alpha Protocol spielst du zwar auch immer Michael Thorton, aber er ist genau so, wie du ihn haben möchtest. Du bestimmst sein gesamtes Verhalten, hast Einfluss auf seine Fähigkeiten und ob er sich besser mit technischen Geräten oder Martial Arts auskennt. In einigen RPGs wie Mass Effect und Fallout 3 konnte man bereits sehen, wie sich Action in Echtzeit mit dem Talentsystem eines Rollenspiels verbinden lässt. Wir versuchen diesen Ansatz weiter auszubauen und so eine funktionierende Synthese aus einem Rollenspiel-Talentsystem und den Fähigkeiten des Spielers herzustellen.“

Im zweiten Entwicklertagebuch erklären die Entwickler, welche Schwerpunkte wichtig für ein Rollenspiel sind.


Freie Entwicklungsmöglichkeiten

Individualsierung ist eines der Stichworte für Rollenspiele. Mike Thorton ist euch als männlicher Charakter inklusive seines Namens vorgegeben, doch an der Standardoptik könnt ihr zumindest noch feilen. So wie sich einst Cat Stevens in Yusuf Islam verwandelte, so wird auch aus Milchgesicht Michael Thorton im Handumdrehen der Träger eines Rauschebartes. Brillen, Haarschopf, auch am restlichen Aussehen dürft ihr herumtunen. Das hat zwar keinerlei Auswirkungen auf den Spielverlauf, verleiht Thorton jedoch ein persönlichen Touch. Essentielle Änderungen, etwa des Geschlechts, sind euch jedoch untersagt.

Alpha Protocol teilt sich in zwei Hauptbereiche auf: Den Planungsvorgang, mit Ordnen der Ausrüstung oder Einholen der Informationen, und den eigentliche Einsatz. Die Vorbereitung zu den Missionen und die Charakterentwicklung finden weitestgehend in eurens Apartments statt, die ihr in jedem der vier großen Kapitel besitzt. Hier spürt man deutlich die Rollenspieleinflüsse. Wichtig für ein Rollenspiel ist immer ein Angebot an Talenten. Grob gesagt gibt es in Alpha Protocol vier Themenrichtungen, in denen sich euer Geheimagent neue Fähigkeiten aneignen kann: Ballermann, Prügelknabe, Technikfreak und Schleicher. Bei genauem Hinsehen erkennt ihr sehr schnell die Grundzüge des gängigen Drei-Klassen-Systems eines jeden Fantasy-Rollenspiels, bestehend aus Magier, Krieger, Dieb. In Alpha Protocol seid ihr allerdings nicht auf eine Spezialrolle festgelegt. Ihr habt die freie Auswahl, welche Fähigkeiten ihr erlernen möchtet, alle Talente sind miteinander kombinierbar.
Alle Kernprinzipien eines Rollenspiels sind auch in diesem Spiel vorhanden. Auch in Alpha Protocol gibt es einen Magieanwender, nur sind seine Wunderwaffen die Gadgets, die ihr bei den Händlern kaufen könnt. Der Feuerball wird ersetzt durch die Granate. An die Stelle des Ritters tritt der gutgerüstete Soldat, der hart im Austeilen und im Einstecken ist. Und anstelle des Diebes haben wir den Spion, der Gegner mit gezielten Attacken sofort außer Gefecht setzen kann und durch die Level schleichen kann, ohne gehört oder gesehen zu werden. Zusätzlich haben wir ein offenes Klassensystem, so dass ihr euren Charakter viel individueller gestalten könnt ohne in dieses starren Archetypensystem zu verfallen. Mehr in die Richtung wie das S.P.E.C.I.A.L.-System von Fallout 3."
Der Talentbildschirm erinnert allerdings sehr stark an Mass Effect. Verschiedene Fähigkeiten wie Schleichen, Umgang mit Pistolen oder Hacking-Skills sind dort untereinander gelistet und können in mehreren Stufen ausgebaut werden. Dazu benötigt ihr Talentpunkte. Durch das Sammeln von Erfahrungspunkten erhaltet ihr bei jedem Levelaufstieg 10 solcher Talentpunkte, die ihr dann frei verteilen könnt. Die Fähigkeiten variieren leicht im Preis. Die Aufwertung eurer Schleichfähigkeit ist mit 6 Punkten pro Stufe beispielsweise recht teuer. Auch im Missionsverlauf ist die heimliche Tour oftmals wesentlich herausfordernder, als wenn man den waffenstarrenden Amokläufer mimt. Dafür erhaltet ihr zur Belohnung auch wesentlich mehr Erfahrungspunkte, sodass sich das Ganze wieder ausgleicht.

Der Planungsvorgang
Anonym und bequem vom heimischen Laptop: Shoppingtour beim freundlichen Schwarzhändler.

Vom jeweiligen Safe House aus beginnt ihr auch mit der Aufklärung für eure nächsten Missionsziele. Ihr führt Gespräche, deren Verlauf ihr über das ebenfalls an Mass Effect erinnernde Dialogsystem entscheidend beeinflussen könnt. Es gibt dabei kein richtig oder falsch, doch eure Entscheidungen bestimmen das Verhalten bestimmter Fraktionen im Spiel, oder welche Wahlmöglichkeiten euch im Verlauf einer Mission bleiben. Und das teilweise auch lange im Nachhinein – die NPCs in Alpha Protocol haben ein gutes Gedächtnis! Ihr könnt außerdem Dossiers zu Personen und Einsatzorten erwerben. Vollständige Dossiers zum Zielgebiet enthüllen auf der im Menü einsehbaren Minimap beispielsweise Überwachungskameras. Je nachdem, wie ihr mit euren Informanten umspringt, sorgen diese beispielsweise auch dafür, dass feindliche Soldaten vor Ort schlechter ausgerüstet sind. Ordentliche Vorarbeit erleichtert daher den Missionsverlauf.

Der dritte Schritt ist die Bestimmung der Ausrüstung. Ihr habt Platz für maximal zwei Waffen, die mit bis zu vier Modifikationen versehen werden können. Dazu kommt die Wahl einer Schutzweste oder ähnlichem. Die Bekleidung bestimmt, wieviele Gadgets  ihr zusätzlich mitnehmen können. Maximal bis zu acht Helferlein wie Granaten oder Geräuschmacher könnt ihr einstecken. Die Auswahl erfolgt vor der Mission, seid ihr einmal vor Ort angelangt, müsst ihr mit eurer Ausrüstung zurechtkommen.

Sollen wir diesen skrupellosen Verbrecher umlegen? Oder könnte er uns noch nützlich sein? Guter Rat ist hier teuer.


Vidar 19 Megatalent - 15012 - 21. Juli 2009 - 13:13 #

schöner und interessanter bericht!
ich hoffe es wird wirklich gut werden bin gespannt auf den titel

Yonderball (unregistriert) 21. Juli 2009 - 15:17 #

Wow, hört sich nach einem sehr interessanten Titel an. Hab noch etwas Bauchweh, wenn du schreibst, dass es noch Abstürze sowie sehr hölzerne Figuren gibt und das Spiel schon im Oktober kommen soll. Ich sag mal, Daumen drücken!

Und gut geschrieben ist der Artikel auch, danke dafür!

Armin Luley 19 Megatalent - 13755 - 21. Juli 2009 - 16:27 #

Es gab einen Absturz. Und ganz ehrlich, ich hab das Gefühl, das war die gleiche Version wie noch auf der E3 Anfang Juni.

Kavendish (unregistriert) 27. Juli 2009 - 0:33 #

Dieses Dialogsystem mit Zeitlimit hat das gewisse Etwas finde. Weil du wirklich fast aus dem Bauch heraus entscheidest und mal nicht minuten lang abwägen kannst, was dich weiterbringt. Sowas haben Agenten im Einsatz ja meist auch nicht.
Technisch sollte sich aber am Spiel noch etwas tun, da muss noch aufpoliert werden.