In der wöchentlichen Rubrik "Die 2. Chance" stellt Sven Ohnstedt gute Spiele vor, die eine eben solche verdient haben aus seiner Sicht -- weil sie etwas älter sind oder ein Nischendasein führen.
Der Vorhang öffnet sich. Zwei Videospiele betreten die große Bühne, ambitioniert und selbstbewusst, doch sie sind zum Scheitern verurteilt. Und wir wussten es, noch bevor überhaupt die Scheinwerfer auf sie gerichtet wurden. Möge die Tragödie beginnen!
Exposition
Sowohl Child of Eden als auch Shadows of the Damned, schenkt man den einschlägigen Quellen Glauben, legten einen denkbar schlechten Verkaufsstart hin. Selbstverständlich lässt sich kommerzieller Misserfolg nie gänzlich ausschließen, aber wieso nur trifft es nun schon wieder zwei Titel, die weitgehend in der Gunst der Kritiker stehen, aber sonst offensichtlich kaum einen interessieren? So ist das eben in Dramen: Zwar mag sich die berechtigte Frage nach der Schuld stellen, Zuweisungen sind jedoch müßig – der Held muss in jedem Fall sterben, die Katastrophe darf nicht ausbleiben, so vorhersehbar sie auch sein mag, der starren Struktur der Tragödie muss Folge geleistet werden.
Muss es das wirklich? Oh nein, dieses eine Mal nicht!
Klimax
Einfach fliegen. In Jamestown - Legend of the Lost Colony geht es einfach ums Fliegen. Ja, es mag albern klingen, wenn die Briten bereits im 17. Jahrhundert den Mars besiedeln und sich gegen allerlei unliebsame Maschinen und Kreaturen zur Wehr setzen müssen – Steampunk scheint derzeit wieder in Mode zu sein, schön inszeniert ist das Spiel allemal, aber es geht hier, wie gesagt, einfach ums Fliegen. Denn dieses wohlige Gefühl, zu orchestralen Klängen über den Wolken zu schweben und dabei tausenden Geschossen auszuweichen, lässt sich kaum in Worte fassen. Gelegentlich ertappe ich mich dabei, wie ich mit meinem Kopf den runden Flugbewegungen folge und sie in der Luft nachzeichne: rechts werde ich beschossen, also nach links, da passiert mir nichts, an einzelnen Geschossen vorbei, oder zwischen ihnen durch, und auf dem Weg, schön langsam, Gegner ins Visier nehmen – wie Ikaruga oder R-Type ist auch Jamestown ein sehr schweres Spiel, eine Partikelschleuder der alten Schule, um genau zu sein. Jedoch befindet sich der Erfolg hier stets in greifbarer Nähe: An Stelle von Schweißperlen auf der Stirn fördert es die innere Ruhe, die es zu wahren gilt. Ich kann mich jedenfalls an kein Spiel dieser Art erinnern, dass mir wie Jamestown, den sechs sorgfältig gestalteten Missionen sei Dank, den Weg weisen statt mir meine Grenzen aufzeigen wollte. Und das ganz ohne halbautomatische Flughilfe! Ich habe die Kontrolle, zu jeder Zeit. Ich fliege einfach. Ihr auch?
Katastrophe
Wieso ist das Schicksal dir nicht wohlgesinnt? Ich kann nicht ohne dich! Ich werde dich vor der Katastrophe bewahren, ich weiß zwar noch nicht wie, aber ich schaffe das schon, irgendwie muss es schließlich gehen, alles ist möglich – Not macht erfinderisch! Bitte bleibe nur lange genug bei mir, höre nicht auf diejenigen, die deinen Tod wollen, halte dir die Ohren zu, höre nicht hin! Ich trage dich nicht zu Grabe, meine Liebe, mein Herz hängt an dir. Möge der letzte Vorhang ohne uns fallen!
Fakten: Jamestown - Legend of the Lost Colony
Jamestown ist ein nettes Spiel, hatte beim Steam Summer Camp zugeschlagen!
Tolles Spiel für Arcade-Jünger! :)
Besonders erwähnenswert ist die - grade für eine Bullet Hell (und nix anderes ist Jamestown) - sehr sanft und fair ansteigende Schwierigkeitskurve. Allerdings muß man, um den Abspann sehen zu dürfen, schon eniges an Reflexen und Können mitbringen. Sich wie z.B. in einem Deathsmiles durchsterben ist nicht drin, außerdem muß man für die höheren Stages (4,5,6) die vorherigen Levels auf den nächsthöheren Schwierigkeitsgraden durchziehen. Dank der vier verschiedenen Schiffstypen sind aber auch unterschiedliche taktische Ansätze möglich.
Vom Spielgefühl erinnert Jamestown dann doch eher an die moderne Cave-Schule als an die klassische R-Type-/Gradius-/Aleste-Tradition, auf den höheren der fünf Schwierigkeitsstufen sieht man vor lauter Projektilen den Hintergrund kaum und das Ausweichen der Kugeln hat oberste Priorität. Und eine Scoring-/Powerupmechanik wie in Jamestown findet man auch eher in einem Deathsmiles oder DoDonPachi.
Leider ein bißchen viel Blabla im Artikel, nicht genug "harte" Fakten für jemanden, der sich das Spiel zulegen möchte. Ich hab fast das Gefühl, daß der Autor nur die ersten drei Stages (wenn überhaupt) angespielt hat...
Hier kommt ja ungeahntes Fachwissen zu Tage - Respekt, werter Herr, zumal: Wer Aleste kennt und schätzt, kann kein schlechter Mensch sein!
Stellt sich mir einzig die Frage: Dies ist eine Webseite, auf der im Grunde jeder mitmachen und Spiele vorstellen kann (und auch soll!). Wieso musste denn ich erst einen Artikel über Jamestown verfassen, damit du dich zu Wort meldest?
Das "Blabla", wie du es nennst, ist Bestandteil dieser Rubrik. Eben etwas Künstlerisches abseits der ansonst vorherrschenden harten Fakten im Videospiel-Journalismus. Erfrischend anders.
Kannst du mir die Seite mit diesen "harten Fakten" bitte verlinken?
@Carsten: Schon. Aber ich hab das so verstanden, daß "Die 2. Chance" dazu gedacht ist, Leute auf Spiele aufmerksam zu machen, die sonst unter dem Radar durchflutschen würden. Ich hätte vielleicht den Ton etwas anders wählen sollen (Sorry, Sven!), aber ein klein wenig mehr über's Gameplay erzählen hätte den Artikel sicher noch aufgewertet.
Für Leute, die Shoot-'em-ups spielen, sind diese Infos durchaus relevant. Nicht jeder mag Bullet Hells. Und das schraubenbefeuerte Powerup-System (50% mehr Schaden, kurzfristiger Schild während der Aktivierung oder beim "Cancel") ist - obwohl dezent bei Cave abgeguckt - durchaus erwähnenswert, weil halt eben nicht Standard-Waffen-Pickup-System.
Nunja. Werde mich beizeiten auch mal an einen Artikel setzen und stelle mich damit gerne dem Kreuzfeuer. Hab auch schon einen Kandidaten in der Hinterhand.
> Werde mich beizeiten auch mal an einen Artikel setzen und stelle mich damit gerne dem Kreuzfeuer.
Gute Sache. :-)