Teaser
In dem Open-World-Spiele könnt ihr theoretisch jeden NPC für eure Hackergruppe rekrutieren. Doch während dieses System viel Spaß verspricht, sorgte das Missionsdesign für Entwickler-Kopfweh.
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Auch wenn der Gameplay-Kniff von
Watch Dogs Legion, jeden NPC in der Welt für die eigene Hacker-Truppe zu rekrutieren, wie billige Bauernfängerei klingt, so konnte uns Ubisofts Abenteuer
im Test aber gerade mit diesem Ansatz für sich gewinnen. Doch für die Entwickler bedeutete der Ansatz natürlich einige Herausforderungen, nicht zuletzt beim Missionsdesign. Bei einem Vortrag im Zuge der
GDC 2021 sprach
Jurie Horneman, Lead Research-and-Development Programer bei Ubisoft, über das Missionsdesign von Watch Dogs Legion und wie man die knifflige Aufgabe bewältigt hat.
Um zu verstehen, woher das Problem beim Missionsdesign und der Logik dahinter kommt, muss man laut Jurie zunächst das Census-System von Watch Dogs Legion verstehen. Dieses steuert im Kern, dass der Spieler mit jedem interagieren und theoretisch jeden NPC steuern kann. Im Zusammenhang mit diesem Ansatz ist es also sehr herausfordernd, klassische Missionen zu entwerfen. Nicht zuletzt, weil sie am meisten Potenzial für die Immersion des Spielers bieten: Es gibt unzählige unterschiedliche Herangehensweisen, Abzweigungen innerhalb der Quests und Auswirkungen auf den Rest der Spielwelt.
Also definierte das Team gewisse Ziele für die Missionen von Watch Dogs Legion. Das erdachte System sollte Sinn ergeben, immer gleich funktionieren und möglichst viele coole Momente bieten. Nicht unbedingt einfacher machten es sich die Entwickler mit ihren unterschiedlichen Missionstypen: Hauptstory, Rekrutierung, Aufruhr, Koop, Rache. Alle funktionieren nach ihrer eigenen Logik, die in Kombination mit den prozedural generierten Charakteren funktionieren und für den Spieler sinnvoll dargestellt werden soll.
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Viele Missionstypen bedeuten viele Möglichkeiten, was viele potenzielle Problemquellen bereithält. |
Und noch eine weitere Einschränkung erlegte man sich selbst auf: Die Missionen sollten nicht "in der Zeit zurückreisen". Das bedeutet konkret, wenn ihr sterbt, werdet ihr nicht einfach zum Anfang zurückgesetzt. Stattdessen geht das Spiel weiter, Jurie Horneman und sein Team wollten ein Fail-Forward-Prinzip. Wenn euch zu große Teile eurer DeadSec-Truppe wegsterben, dann sollte ihr einfach neue Charaktere rekrutieren und es mit diesen dann nochmal versuchen oder an anderer Stelle weitermachen. Im Gegensatz zum direkten Vorgänger
Watch Dogs 2 findet das Geschehen also nicht quasi an ein und demselben Tag statt.
Doch bei all den selbst auferlegten Einschränkungen und Ausnahmen stand eine Regel immer an oberster Stelle: Census sollte so wenig wie möglich eingeschränkt werden. NPCs folgen dem System nach immer einer festen Routine oder sind dort wo Census es ihnen vorschreibt, hier verbleiben sie 24 Stunden eines virtuellen Tages. Das ist besonders wichtig, falls Charaktere für Quests wichtig sind, also mussten die Missionsdesigner hier eng mit dem Entwicklungsteam von Census zusammenarbeiten. Zu diesem Zweck war es bei der Programmierung von Watch Dogs Legion möglich, Figuren spezielle Rollen zugewiesen, ebenso wie Tags. So müssen manche Charaktere spezielle Eigenschaften erfüllen, beispielsweise aus Schottland kommen und einen militärischen Background haben. Sonst würde die gesamte Narrative keinen Sinn mehr ergeben. Die einzigen Charaktere, die von diesem System ausgenommen sind, sind die Bösewichte. Diese können nicht rekrutiert werden und haben ihren fixen Platz in der Welt, weil sie für die Geschichte so unerlässlich sind.
Laut Jurie musste bei der Verteilung von Attributen und Tags aber an vielen Stellen aufgepasst werden, denn in Watch Dogs Legion dürft ihr viele Missionen gleichzeitig aktiviert haben und sie auch parallel erledigen. Das ist zwar aus anderen (Rollen)Spielen bekannt, in Kombination mit dem Fail-Forward-Prinzip aber sehr knifflig. Nicht zu unterschätzen ist auch, dass Missionsorte dynamisch vom Census-System ausgewählt werden. Aufträge finden also nicht zwangsläufig am selben Ort statt, müssen aber trotzdem wie vorgesehen funktionieren.
Also hat sich das Team etwas überlegt, um bestimmte Knackpunkte zu kontern: Kann der Spieler einen NPC rekrutieren, der wichtig für eine Mission ist? Was ist wenn die Figuren sterben oder verhaftet werden? Für diese Härtefälle wurden Ausnahmen programmiert. Das hatte oftmals Kompromisse zur Folge, die sich auch auf das Rekrutierungssystem auswirkten. Für bestimmte Quests durften die Missionsdesigner also außerhalb von Census agieren und in den Auftragsdaten selbst definieren, dass gewisse Charaktere nicht rekrutiert werden dürfen. Auch wenn dieser Ansatz ähnlich zu den erwähnten Flags klingt, so sind sie doch Census übergeordnet und hebeln das Grundversprechen von Watch Dogs Legion zwar aus, aber mit dem Ziel, ein besseres Spielerlebnis zu schaffen.
Was aber nun, wenn ein NPC vom Spieler erschossen oder dem Bus überfahren wird und schlicht nicht mehr zur Verfügung steht? Dann wird Mission vom System entweder entsprechend abgeändert oder sie kann schlicht nicht mehr erfüllt werden.
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Im Zuge der Entwicklung hat das Team diverse Extremsituationen unter die Lupe genommen und Lösungen für diese gebastelt. |
Zum Thema der Rekrutierung hatte Jurie auch ein paar Worte zu sagen. So wird die Geschichte der Charaktere zufällig generiert, im Hintergrund wird bei dem Versuch der Anheuerung aus einem NPC ein Questcharakter – die Besonderheit des Census-Systems. Wenn jemand DeadSec aber wirklich hasst, weil man ihn oft verprügelt oder anderweitig verärgert hat, ist er nicht mehr für euer Team verfügbar, sogar viel schlimmer: Er kidnappt ein DeadSec-Mitglied und ihr müsst es in einer Rache-Mission retten. Damit diese dynamischen Events stattfinden können, scannt Census im Hintergrund ständig nach so verärgerten Charakteren. Zur tatsächlichen Eskalation kommt es nur selten, weil dafür viele Voraussetzungen erfüllt werden müssen. Das ist auch ein Beispiel dafür, dass bestimmte Charaktertypen nicht spezifisch geschaffen wurden. Stattdessen "injiziert" Census ihnen bestimmte Parameter, wodurch sie beispielsweise zu Aggressoren für Rache-Missionen werden.
Die Kernaussage von Juries Vortrag war also, dass sich Missionsdesigner bei Watch Dogs Legion deutlich mehr am Spielsystem orientieren mussten, als es bei anderen Titeln der Fall ist. Daraus können aber auch spannende technische Komponenten wie das "Story Sifting" entstehen: Bestimmte Parameter von bisher erledigten Events und Charakteren werden abgegriffen und das System im Hintergrund erstellt daraufhin eine Mission. Das kommt beispielsweise bei Rekrutierungs- und Rachemissionen zum Einsatz. So stammen eure Aufträge zwar zum Teil aus dem prozeduralen Baukasten, fühlen sich aber an, als wären sie von Hand erstellt worden. Allerdings musste Jurie auch einräumen, dass sich ihre Missionen deshalb teilweise generischer als die anderer Titel anfühlen können.
Viel Spaß beim Lesen!
Das ganze System war anscheinend so herausfordernd (und sinnlos), dass man es für den Story DLC zum Spiel einfach mal komplett gestrichen hat. Und ich muss sagen, der hat mir besser gefallen als das Hauptspiel. Bei dem fand ich es sehr seltsam, dass es erst am Ende und nur eine Mission im ganzen Spiel gibt, bei der man mal die Figuren wechselt, dabei wäre das so naheliegend gewesen, die Missionen darauf aufzubauen.
Ich habe das noch nicht gespielt, aber selbst wenn es nicht richtig funktioniert hat (im Sinne eines storygetriebenen Spielerlebnisses): Ich finde gut, dass sie was Neues probiert haben. Ich sehe Legions mehr als eine Art Sandbox, in der mal sich eigene Ziele steckt und eine eigene Geschichte entwickelt. Auch für solche Spiele gibt es ja einen Markt.
Nein das ist ziemlich linear und kaum Sandbox.
Sehr schön und interessant der Blick hinter die Kulissen. Auch wenn die Beiträge zur GDC anscheinend nicht so oft geklickt werden, lasst euch bitte nicht davon abbringen diese Inhalte zu bringen!
Kleiner Fehler: "Stattdessen geht das Spieler weiter,..."
Ansonsten: Vielen Dank für diesen Blick in den Maschinenraum. Spannend!
Auch ein Fehler: "In dem Open-World-Spiele".
Ach watt, nur eine etwas altertümliche Formulierung die nicht konsequent durchgezogen wurde ;)
Jenes mag itzo dergleich gewesen sein... ;)
Also ich spiele es gerade, weil ich es für 15EUR schnappen konnte und muss sagen, daß ich das Spiel gar nicht mal so schlecht finde.
Grafisch und technisch ist das Spiel schon ganz vorne mit dabei, spielerisch wiederholen sich halt die Elemente. Die Story ist an sich auch okay.
Die Sache mit der Rekrutierung ist ja ein gute Idee, aber es wirkt sich ja nur marginal auf das Spielen aus. Da hätte man die Fähigkeiten viel besser rausarbeiten müssen, auch mit der Einschränkung das man vielleicht nur bestimmte Personen rekrutieren kann.
Mir hat es auch ganz gut gefallen. Die Story läuft etwas indirekt mit, entwickelt sich aber und ansonsten bleibt viel Raum für eigene Vorlieben. Schon ein schöner Spielplatz.
Vor allem ist die Stadt sehr gut gelungen, selbst auf schwächeren Konsolen sind Verkehr und Passanten in ansprechender Zahl vorhanden. Das ist ja heutzutage nicht selbstverständlich.
Für mich ein schöner und spannender Blick hinter die Kulissen. :)
Ich möchte mal sagen, dass diese GDC Serie ein tolles Artikel Highlight ist. Durch die Bank interessant und gut zusammengefasst. Danke dafür.
Schöner Bericht zu Watch Dogs Legion. :) Muss endlich den Titel mal starten. ;)