Anda Seat T-Pro 2: Gaming Chair mit 4D-Armlehnen im Praxistest

Bürostühlen, die sich vornehmlich an Videospieler richten, wird gerne nachgesagt, dass sie wie Rennsitze aussehen. Vermutlich kommt diese Designentscheidung aus dem Wunsch heraus, eine jüngere Zielgruppe anzusprechen. Im Fall des kanadischen Unternehmens Anda Seat gibt es aber noch eine andere Erklärung: Die Firma hat bei ihrer Gründung im Jahr 2007 tatsächlich Sitze für Rennwagen produziert, bevor sie 2013 Herstellern von Gaming-Stühlen unter die Arme griff und 2016 schließlich selbst in das Segment einstieg.

Mit dem T-Pro 2 hat Anda Seat nun einen neuen Stuhl in ihr Hochklasse-Segment aufgenommen, der durch zahlreiche Funktionen und eine vergleichsweise geradlinige Optik zum Kauf animieren will. Doch ein Neupreis von etwa 500 Euro will gerechtfertigt sein. Ich hatte die Möglichkeit, den T-Pro 2 in der Farbe Blau einige Zeit lang zu testen und habe mir die 4D-Armlehnen, Wippfunktion und Lordosestütze genauer angesehen. Ich werde an passenden Stellen auch Vergleiche zum Backforce One von Interstuhl ziehen, der seit einigen Monaten meinen vier Buchstaben ein Zuhause ist und sich in der selben Preisklasse befindet.

Die Seitenabdeckungen aus Plastik wirken etwas billig. Über die "Handbremse" könnt ihr die Wipp-Funktion aktivieren oder die Rückenlehne fixieren.

Einfacher Aufbau, auch allein
Der T-Pro 2 wird in einem wuchtigen Karton geliefert, in dem alles enthalten ist, was ihr für den Zusammenbau braucht. Soll heißen: die Einzelteile und ein Sechskantschlüssel. Nachdem ihr die fünf Rollen und den Kolben zur Höhenverstellung am Fußkreuz angebracht habt, montiert ihr mit den dicken Schrauben die Armlehnen an die Unterseite der Sitzfläche. Etwas störend finde ich, dass die Schrauben zur Hochzeit von Sitz und Rückenlehne vorinstalliert sind, so dass ihr sie abschrauben und eine Minute später wieder anbringen müsst.

Nachdem die beiden Einheiten vereint sind, müsst ihr noch die Abdeckleisten aus Plastik anbringen. Das kann fummelig sein, zumal in der Rückenlehne keine Löcher im Stoffbezug sind, in die ihr die Schrauben einführen könnt. Ihr müsst also hoffen, dass ihr in der richtigen Position seid und durch den Stoff bohren. Das hätte man besser lösen können, ebenso dürfte das Material der Zierteile etwas hochwertiger sein in dieser Preisklasse.

Zum Abschluss verschraubt ihr noch die Einstell-Basis an der Unterseite der Sitzfläche, die Richtung ist deutlich markiert. Sind die vier Schrauben festgezogen, was mit dem mitgelieferten Imbusschlüssel aufgrund der beengten Arbeitsfläche nervig sein kann, bring ihr noch das Fußkreuz an, stellt den Stuhl auf und installiert optional das Nacken- und Lordose-Kissen. Selbst wenn ihr den T-Pro 2 allein aufbaut sollte euch der Aufbau weder vor große Probleme stellen, noch mehr als eine halbe Stunde beanspruchen.

Im Vergleich zum Backforce One (links) ist der T-Pro 2 richtiggehend wuchtig.

Hoher Sitzkomfort
Direkt beim ersten Hinsetzen fällt auf, wie bequem der T-Pro 2 ist. Durch den hochwertigen Stoffbezug wird die Schweißgefahr auch bei längeren Sitzungen reduziert, dank dem unaufgeregten Design passt er in eine Vielzahl von Büros und Zimmern. So schick ich meinen Backforce One auch finden mag, die deutlich mehr an Spieler gerichtete Optik ist nicht für jeden etwas. Zwar orientiert sich der T-Pro 2 an Rennsitzen, trotzdem fällt er im Vergleich zu Stühlen von beispielsweise DXRacer fast schon simpel aus.

Im direkten Vergleich zum Backforce One finde ich den T-Pro 2 etwas zu weich gepolstert. Mit meinen grob 85 Kilo sinke ich etwas mehr ein. Das ist aber natürlich subjektiv und es fühlt sich auch nicht wie eine durchgesessene Couch an. Müsste ich aber einen Sieger in der Duell-Kategorie Sitzkomfort definieren, wäre es der Backforce One. Das liegt auch an den seitlichen Polsterungen der Sitzfläche, die beim T-Pro 2 deutlich stärker ausgeprägt sind. Dadurch kann man sich etwas eingeschränkt fühlen und solltet ihr gerne im Schneidersitz arbeiten, werden sie euch wohl stören.

Was aber definitiv für manche von euch zum Dealbreaker werden kann, ist die Größe des T-Pro 2. Mit meinen 1,85 Metern fühle ich mich gerade so wohl. Eine zweite Testperson war mit 1,75 Metern aber definitiv am unteren Ende des komfortablen Bereichs angesiedelt. Zwar konnte sie einigermaßen bequem auf dem Stuhl sitzen, das mitgelieferte Nackenkissen konnte sie aber nicht nutzen. Das liegt auch daran, dass es nicht wie bei anderen Stühlen durch Löcher gefädelt, sondern um das Kopfteil des T-Pro 2 herum befestigt wird. Somit könnt ihr es nicht so vielseitig einstellen.

Das Lordose-Kissen für den Lendenbereich könnt ihr hingegen gar nicht befestigen, es wird einfach an die Rückenlehne gedrückt. Die Verarbeitung ist aber, wie auch beim Rest des Sessels, so anstandslos, dass ihr euch keine Sorgen über ein Verrutschen machen müsst. Ich würde euch definitiv empfehlen, das Kissen zu nutzen. Im Gegensatz zum Backforce One unterstützt der T-Pro 2 eure Lendenwirbel nämlich nicht durch seine eigentliche Form. Wie auch die Nackenstütze ist das Kissen aus hochwertigem Memory Foam und schmiegt sich so perfekt an eure Körperform an.

Betrachtet man den T-Pro 2 von hinten, ist er vergleichsweise dezent gestaltet. Im Vergleich zum Backforce One fällt das noch mehr auf.

4D-Armlehnen und Wippfunktion
Bei der allgemeinen Funktionalität des T-Pro 2 kann ich keine Kritikpunkte feststellen. Die „4D“-Armlehnen lassen sich auf vielfältige Art und Weise an eure Bedürfnisse anpassen. So könnt ihr sie nicht nur nach oben und unten verstellen, sondern auch drehen und seitlich weiter heraus- beziehungsweise hereinfahren. Im Vergleich zum hochwertigen Rest des Stuhls kommt mir das verwendete Weichplastik billig vor, das ist aber wirklich Detailkritik.

Wenn ihr gerne mal ein Nickerchen in eurem Stuhl macht, dürftet ihr euch über die einstellbare Rückenlehne freuen. Sie lässt sich von 90 bis 160 Grad neigen, so dass ihr fast waagrecht darauf liegen könnt. Ausgelegt ist der T-Pro 2 für bis zu 150 Kilogramm – und auch wenn nach hinten kippen immer etwas gruselig ist, hatte ich zu keinem Zeitpunkt Sorge, dass das Material unter mir aufgibt.

Sehr angenehm finde ich die Wippfunktion. Über einen Drehregler könnt ihr den Widerstand an euer Gewicht anpassen, so dass ihr nicht beim kleinsten Druck auf die Rückenlehne um 160 Grad nach hinten klappt. Im direkten Vergleich zum Backforce One fällt die fehlende Synchronfunktion auf, durch die sich nur die Rückenlehne bewegt, die Sitzfläche aber in ihrer Position bleibt. So ist ergonomischeres Wippen gewährleistet. Beim T-Pro 2 bewegt sich hingegen der gesamte Stuhl. Ohne den direkten Vergleich wäre es mir wohl gar nicht aufgefallen, hat man sich aber einmal daran gewöhnt, ist es sehr angenehm und wird im Umkehrschluss beim T-Pro 2 vermisst.

Fazit
Der T-Pro 2 von Anda Seat ist ein gelungener Sitz für Homeoffice oder Spielezimmer – wenn ihr euch mit ein paar kleineren Abstrichen abfinden könnt. Das größte Contra dürfte wohl sein, dass ihr unter einer Körpergröße von 1,80 Meter nicht wirklich glücklich mit ihm werdet. Die Hersteller vermarkten ihn allerdings auch als XL-Sitz. Außerdem bin ich seit dem Backforce One und seiner ergonomischen Form kein Fan von zusätzlichen Kissen zur Unterstützung der Lendenwirbel – auch wenn das beim T-Pro 2 mitgelieferte sehr hochqualitativ ist.

Ansonsten ist der T-Pro 2 ein gelungener, hochklassiger Gaming-Stuhl. Die Verarbeitung ist durchweg sauber, der Zusammenbau geht auch allein gut von der Hand. Abgesehen von den Plastik-Armlehnen fühlen sich alle Materialien hochwertig an; ich bin durchaus angetan von dem verwendeten Stoff. Im Sommer ist der sicherlich deutlich angenehmer und schweissfreier als ein Lederbezug. Allerdings ist er auch deutlich schwerer zu reinigen. Die Wipp-Funktion funktioniert zuverlässig und durch das stabile Standkreuz aus Aluminium habe ich keine Bedenken, den T-Pro 2 etwas schwereren Spielern zu empfehlen.

Abgesehen von den komfortablen und funktionalen Vorteilen fertigt Anda Seat einen Gaming-Stuhl, dessen Design nicht übermäßig ausgefallen ist. Und das, obwohl der Hersteller aus der Rennsport-Branche kommt. Letztlich sind es Kleinigkeiten wie die hohen Seitenpolster der Sitzfläche und das etwas zu weiche Polster, die den T-Pro 2 für mich hinter dem Backforce One zurückfallen lassen. Was aber nicht heißen soll, dass die 500 Euro schlecht investiertes Geld wären – schließlich könnten meine Kritikpunkte genau das sein, was ihr bei einem Gaming Chair sucht.