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Dieses Mal wollen wir einen Blick über den Tellerrand hinaus werfen und uns in analoge Gewässer begeben. Brett- und Kartenspiele gibt es wie Sand am Meer und von der Befreiung der Normandie bis hin zur Besiedlung des Mars‘ reicht das breite Spektrum der Papp- und Plastikwelten auf dem Küchentisch. Nun gibt es mit
Cantaloop – Buch 1: Einbruch in den Knast aus dem Hause Lookout aber ein interessantes Novum. Der Titel aus der Feder von
Friedemann Findeisen schickt sich an, euch ein stilechtes Point-and-Click-Adventure mit Dialogen, Rätseln und zahlreichen Schauplätzen an die Hand zu geben. Wie und ob das Unterfangen gelingt, lest ihr im heutigen Spiele-Check.
Zurück im Spiel
Kleinganove Oz "Hook" Carpenter ist nach Jahren der Abwesenheit zurück im verschlafenen Küstenort Cantaloop. Dabei dürstet es ihm weder nach sonnenschwangeren Stunden am Sandstrand noch möchte er gemeinsam mit alten Bekanntschaften das Glas am Lagerfeuer heben. Nein, das Reiseziel der Stippvisite ist so kühl wie klar umrissenen: Rache. Beim letzten großen Coup wurde der Dieb nämlich von seinem Kompagnon White hintergangen und um die Beute betrogen. Während der Verräter mit dem Geld zum Industriemagnat und Anwärter um den Posten des Bürgermeisters aufstieg, blieb für den Betrogenen nur der unfreiwillige Gang ins Exil.
Insgesamt 20 Schauplätze besuchen wir im Verlauf des Abenteuers, die als ganzseitige Illustrationen in einem Spielbuch zum Leben erweckt werden. Über nummerierte Register am Seitenrand und entsprechende Pfeile an Türen und Abzweigungen navigieren wir schnell durch Cantaloop. Den Überblick wahren wir durch eine beiliegende Postkarte, die als Minimap fungiert. Die farbenfroh gezeichneten Szenen stammen von
Kerstin "noody" Buzelan und
Johannes Lott und erinnern deshalb nicht von ungefähr an die
Deponia-Titel oder die letzten Ableger der
Leisure Suit Larry-Reihe.
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Ein typische Szene in Cantaloop: Oben die Doppelseite samt Index, unten das Inventar, der Spielstand und die "Minimap". |
Alles wie gehabt
Damit der Racheakt gelingt, braucht es eine fähige Crew, die wir zunächst zusammentrommeln müssen. Dass der einzige Computerspezialist vor Ort ausgerechnet jetzt im Gefängnis residiert, ist nur der erste von vielen weiteren Stolpersteinen, die wir in klassischer Rätselmanier aus dem Weg räumen müssen. Dazu interagieren wir mit der Umgebung, führen Gespräche und kombinieren uns experimentierfreudig durch das Inventar – ganz wie auf der heimischen Glotze. Alle Hotspots, seien es Personen oder Objekte, sind mit einem kurzen Code versehen, den wir in einem Index nachschlagen können. Neben allerhand Fluff-Texten, die die Szenen ausschmücken, implementieren kurze Anweisungen die eigentliche Spielmechanik.
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Die rote Folie macht die Texte lesbar. |
Sprechen wir zum Beispiel eine Person an, finden wir meist einen Verweis auf das dazugehörige Dialog-Kapitel im Spielbuch, die stilistisch wie ein Text-Chat aufbereitet sind. Hook erweist sich hierbei als charmant-naiver Halunke, dessen Humor bisweilen etwas flach aber sympathisch geraten ist. Für die Vertonung der Gespräche seit ihr natürlich selbst verantwortlich, aber mit festen „Sprechrollen“ und verstellter Stimme kommt schnell die rechte Stimmung am Tisch auf. Bestimmte Themen und Fragen müsst ihr jedoch erst freischalten. Euren Spielstand verwaltet ihr in Form einer kleinen Tabelle, in der ihr bestimmte Felder nach Anweisung des Spiels (A1, B3, etc.) abhakt. Dies ist der Fall, wenn ihr eine bestimmte Information oder einen wichtigen Gegenstand erhalten habt.
Eine kurzer Hinweis in der Form „wenn A3“ erlaubt euch dann das Weiterlesen an bestimmten Stellen und schafft den spielmechanischen Kontext, den sonst der Rechenknecht herleitet. Dabei müsst ihr keine Scheuklappen aufsetzen, um euch nicht versehentlich selbst zu spoilern. Alle Texte im Spiel, die ihr nur unter bestimmten Voraussetzungen lesen dürft, müssen ihr zunächst mit einer transparenten, roten Plastikfolie (wie in Rätselbüchern für Kinder) dechiffrieren. Nach kurzer Eingewöhnungszeit habt ihr euch sowohl an das Fortschrittssystem als auch die „Lesehilfe“ gewöhnt.
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(vorher) Der Barkeeper ist von unserm Vorhaben natürlich nicht begeistert. |
(nachher) Aber natürlich finden wir Mittel und Wege den guten Mann von seinem Platz zu vertreiben. |
Kartentricks
In einem Adventure klassischer Bauart dürfen natürlich manipulierbare Objekte und Inventarrätsel nicht fehlen. Cantaloop greift hierbei auf verdeckt platzierte, aber nummerierte Karten zurück. Habt ihr den richtigen "Pixel" eines Schauplatzes untersucht, weist euch das Spiel an, eine bestimmte Karte aus dem Stapel zu suchen und eurem Inventar hinzuzufügen. Diese könnt ihr dann sowohl untereinander als auch mit Objekten der Spielwelt kombinieren. Ihr legt dann den Schlüssel neben den Hotspot der Tür und schlagt den neu entstandenen Code abermals im Index des aktuellen Ortes nach.
Habt ihr alles richtig gemacht, aktualisiert ihr den Spielstand, erhaltet veränderte Gegenstände und schaltet neue Orte frei. Zum Teil überdeckt ihr mit den Karten auch Ausschnitte der Illustrationen, sodass die vormals verschlossene Tür jetzt offen steht und der Raum dahinter zugänglich ist. Natürlich kommentiert das Spiel auch irrwitzige Kombination und nimmt euch als Spieler auf den Arm. Überhaupt ist die Grundstimmung des Titels sehr humoristisch und selbstironisch. Wir treffen etwa auf einen Jazzclub-Besitzer, der seine Kundschaft für randalierende Wilde hält und sein Umsatz deshalb ausschließlich mit seiner Toilette erzielt, die weit und breit das einzige stille Örtchen darstellt. Für besonders absurde Aktionen hält das Spiel sogar Achievements bereit.
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Die Dialoge lest ihr am besten abwechselnd und mit verstellter Stimme. |
Fazit
Als bekennender Brett- und Videospieler war ich gespannt, wie Cantaloop die Point-and-Click-Mechanik in die analoge Welt überführen würde. Und wurde nicht enttäuscht. Rätsel, Dialoge und bunte Schauplätze voller Details – das alles und noch viel mehr stecken in dem Stapel Papier auf meinem Tisch. Sogar ein mehrstufiges Hilfe-System. Die "technische Umsetzung" ist somit gelungen, doch wie ist es um das Narrativ bestimmt?
Cantaloop ist als Trilogie angelegt und dementsprechend fällt der Serienauftakt eher gemächlich aus und konzentriert sich vor allem auf die Einführung der Charaktere und Hintergründe. Der Titel ist sehr leichtherzig inszeniert und geschrieben, den Humor muss man mögen oder zumindest stellenweise ertragen können. Wer sich für die Eskapaden von Rufus in den Deponia-Titeln begeistern konnte, ist hier bestens aufgehoben.
Am besten spielt sich der Titel mit einem oder zwei Mitstreitern. Ihr könnt dann gemeinsam knobeln und durch die Arbeitsteilung minimiert sich der Verwaltungsaufwand. Zudem steigert ihr euer Spielerlebnis, wenn ihre die Texte abwechselnd lest und die Dialoge lebhaft "inszeniert". Einem ersten Eindruck vom Spiel könnt ihr der Vorgeschichte der Trilogie entnehmen. Diese bietet der Verlag als
kostenlose Print-and-Play-Version auf der Webseite zum Download an.
- Solospiel, auch für Gruppen geeignet
- Point-and-Click-Adventure
- Für Einsteiger und Fortgeschrittene
- Erhältlich seit 25.1.2021 für 24,99 Euro
- In einem Satz: Charmantes Point-and-Click-Abenteuer für den Spieltisch.
Das klingt doch sehr spannend, danke für diesen Blick über den Tellerrand!
Edit: Frau ist überzeugt, wird bestellt und im Idealfall am Wochenende gespielt :) Leider nicht beim lokalen Spielwarenladen, die führen das nicht :/
Das ist ja Mal richtig cool, danke für den Test. Klingt nach einem schönen Spiel für den nächsten WG-Abend.
Mist, da wollte ich auch was zu schreiben. Bin aber bisher nicht zum spielen gekommen. Leider.
Das klingt super. Vielen Dank für die Vorstellung.
Interessantes und witziges, im positivem Sinne, Konzept.
Klingt ganz interessant, ich werd nur keine Mitspieler zusammenbekommen.
Ist auch wunderbar alleine spielbar. Probier es doch mit dem kostenlosen Prolog mal aus. Der kann auf der Herstellerseite geladen und dann gedruckt werden.
Danke für den Tip, gleich den Drucker anwerfen (bzw. hätte ich direkt den letzten Absatz im Artikel gelesen...).
Ich habe, alleine, für den Prolog knapp zwei Stunden gebraucht. Hatte aber auch nen Hänger. Als der Groschen da gefallen war ging der Rest ganz fix.
Da freut man sich doch dann umso mehr. Deswegen spiele ich Point&Click :)
Für solche Checks komme ich gern auf GG :]
Selber spielen werde ich das eher nicht, ich mag Point-and-Click schon auf dem Computer nicht so doll, aber das ist eine tolle Geschenkidee!
Falls du in einen Fachhandel vor Ort gehst, kannst du nach der Vorgeschichte fragen. Wenn diese noch vorhanden ist, solltest du sie als kostenlose Promo-Beilage dazu bekommen. Bei Online-Händern bekommst du sie in der Regel nicht.
Wie cool!!! Das Konzept hört sich super spannend an!
Den Prolog besorge ich mir mal und dann schaue ich weiter.
Danke für den Check. Das werde ich dann mal bestellen.
Abgefahrene Idee, aber äußerst interessant. Ein Konzept, was ich mir analog kaum vorstellen kann. Vielen Dank für den Test und ich weiß schon, wer es zum nächsten Geburtstag bekommt!
Falls du in einen Fachhandel vor Ort gehst, kannst du nach der Vorgeschichte fragen. Wenn diese noch vorhanden ist, solltest du sie als kostenlose Promo-Beilage dazu bekommen. Bei Online-Händern bekommst du sie in der Regel nicht.
Ich hätte diverse Fachläden, aber muss gestehen in meiner Coronablase weiß ich nicht mal, ob sie überhaupt aufhaben dürfen. Aber vielen Dank für den Hinweis!
Ach nett, ich sehe gerade, dass das Spiel auch "hier bei uns" verkauft wird. Dann muss ich mir bei Gelegenheit mal einen Termin besorgen.
Da habe ich es auch her :)
Schönen Dank für den Check, vor dem Lesen konnte ich mir nicht vorstellen das das funktionieren wird. Wurde jetzt aber doch eines besseren belehrt.
Ich hätte nicht gedacht, dass man diese Art Spiel analog umsetzen kann. Ich bin begeistert. :)
Aber warum musste es dieser Rufus-Humor sein. :(
Interessaner Ausflug mti einem "etwas anderem" Check. :-)
Ich bleibe aber lieber bei digitalen Adventures, wenn ich ehrlich bin...
Sehr faszinierend. Danke für diesen Check!