Past Cure angespielt - Zwischen Schleich-Action und Survival-Alptraum

Ian sitzt auf einem Stuhl, der von der Decke hängt. Die vergilbten Tapeten und der Boden im düsteren Zimmer starren vor Schmutz. Ein Satz schießt ihm durch den Kopf: "Träume verraten, wer wir wirklich sind." Die Kamera fährt auf ihn zu, die Szenerie dreht sich. Unser Protagonist steht auf, geht über den Boden, es ist eigentlich das restliche Mobiliar, das der Schwerkraft trotzt. Wir befinden uns mitten in einem Alptraumabschnitt von Past Cure, dem Erstlingswerk des deutschen Studios Phantom 8.

Verfolgt von weißen Gestalten

Simon Gerdesmann, Managing Director von Phantom 8, gibt Hagen Gehritz Tipps zu einem Alptraum-Level aus Past Cure.

Wir untersuchen die düstere Gegend aus der Schulterperspektive. "I am sorry" prangt groß in weißer Farbe an den Wänden neben weiteren Botschaften. Zwischen einem dutzend flackernder Kerzen finden wir eine geladene Pistole, und aufs Stichwort erscheint ein weißes Wesen hinter uns. Die einer zum Leben erwachten Statue gleichende Gestalt stampft schnell auf uns zu. Wir überlegen nicht lange und feuern. Der Gegner zerbirst in dutzende weiße Fragmente. Vorsichtig gehen wir weiter.

Als Simon Gerdesmann, Managing Director und einer von nur zehn Angestellten bei Phantom 8, von der Vision hinter Past Cure spricht, so kommt er schnell auf filmische Vorbilder wie John Wick und Fight Club zu sprechen. Die anfängliche Kamerafahrt erinnert uns also nicht zufällig an die Perspektivenspiele aus Inception. Den Berlinern war es zudem wichtig, dass die Grundlagen des Gameplays überzeugen. Die weiche und präzise Zielsteuerung legt Zeugnis davon ab. Ein nettes Detail: Das Fadenkreuz zeigt uns, wenn die gewünschte Schussrichtung von einem Objekt blockiert wird. Hier stand Ubisofts MMO-Shooter The Division Pate.

Zurück im Alptraum: Plötzlich schlagen die Türen im Gang vor uns zu. Begleitet von einem lauten Dröhnen scheinen farbige Lichter durch die Türspalten. Dann brechen mehrere der weißen Figuren aus verschiedenen Zugängen hervor. Einige Räume und Gegnerwellen später lesen wir wieder "I am sorry" und müssen erkennen: Wir sind im Kreis gelaufen. Dutzende der Kreaturen brechen aus allen Türen. Wir weichen zurück, erschießen sie. Doch wir schießen vor Hektik zu oft daneben. Schließlich besiegelt das Klicken unserer Waffe unser Schicksal. Ohne Munition nimmt die Alptraumszene ihr unausweichliches, grausames Ende

Erreicht uns diese Kreatur, sterben wir sofort.

Heimlich, tödlich, wahnsinnig
Das ist nur der Anfang von Past Cure. Ian wird von dem Horror aus seinen Träumen auch zusehends im wachen Zustand heimgesucht. Schuld daran sind Experimente, die an ihm in einer geheimen Einrichtung irgendwo in Europa durchgeführt wurden. Doch wer tat ihm das an, und was haben die Träume zu bedeuten? Ian bricht auf, um Rache an den Verantwortlichen für sein Martyrium zu üben und Antworten zu erhalten. Simon führte uns eine Mission aus dem zweiten Drittel des Spiels in der realen Welt vor. Dort verschlägt es uns in eine Tiefgarage.

Ian folgt über Funk den Anweisungen seines Bruders Marcus. Doch entgegen des Plans sind alle Türen versperrt. Nach einem kurzen Erkundungsgang ist ein Schraubenzieher für die Lüftungsschachtabdeckung gefunden und es geht weiter. Der Fokus in diesem Abschnitt liegt nun auf Heimlichkeit: Kameras meiden, unter Autos verstecken, Wachen still beseitigen. Der Ex-Agent ist nicht wehrlos, beherrscht neben Schusswaffen auch Nahkampfmanöver. Doch bei zu offensivem Vorgehen rufen die Gegner scharenweise Verstärkung.

In den Schleichabschnitten kommen dem Helden immerhin die Kräfte zugute, die er durch die mysteriösen Experimente entwickelt hat. So kann er beispielsweise mit seiner Mind-Fly-Fähigkeit Kameras ausschalten oder in Schusswechseln blitzschnell die Köpfe der Gegner anvisieren. Der Einsatz dieser Kräfte zehrt jedoch an seiner Anzeige für geistigen Gesundheit. Zu häufiger Gebrauch führt zu Wahnsinn, der sich in grafischen Effekten niederschlagen wird.

In der realen Welt ist unerkanntes Vorgehen das A und O.

Hübscher Anfang
Ob nun die Alptraumwelt im Kerzenlicht oder das Parkhaus im hellen Schein der kalten Neon-Lampen: Past Cure glänzt mit ansehnlicher Grafik auf Basis der Unreal-4-Engine. Die Lichteffekte und auch die Gesichter wirken klasse. Simon Gerdesmann weiß viele Anekdoten zu berichten von den Widrigkeiten, die ein kleiner unabhängiger Entwickler auf sich nehmen muss, um beachtet zu werden. Studio 8 hat es geschafft, ihr Spiel wird im 4. Quartal 2017 digital und auch als Retail-Fassung für PC, PS4 und Xbox One erscheinen.

Die uns präsentierten und angespielten Ausschnitte zeigen Potential für ein gelungenes Debüt. Bei seinem Besuch vermittelte der Managing Director von Studio 8 ein großes Bewusstsein dafür, was Past Cure bieten soll und wozu die zehn Angestellten fähig sind. Damit stehen die Chancen gut, dass sich die Truppe mit dem Projekt nicht überhebt. Wir sind definitiv gespannt, mehr von dem Titel zu sehen.

Meinung: Hagen Gehritz
Da ich sehr genreflexibel bin, gefällt mir die Zweiteilung von Past Cure in Stealth-Action-Missionen und Alptraum-Level mit Survival-Horror-Anstrich sehr gut. Die bedrohlich heranstampfenden weißen Gestalten mit der Pistole abzuwehren ging dank der guten Zielsteuerung flüssig und spaßig von der Hand. Dazu kommt eine schöne Grafik: Ob das in Kerzenlicht getauchte verfallene Haus oder das feuchte Parkhaus im Neon-Licht: Beides erschien mir ansehnlich in seinem Unreal-4-Gewand. Daher bin auf jeden Fall gespannt, was die Berliner bis zum Launch im 4.Quartal noch vom Spiel zeigen und ob sie sich einen Platz in der zuletzt fast verschwundenen Nische der AA-Titel etablieren können.