Der größte deutsche Spieleentwickler Goodgame Studios hat im Fahrwasser der gamescom am gestrigen 18. August in einer Pressemitteilung bekanntgegeben, dass sämtliche Casual- und PC-Client-Spiele-Titel eingestellt werden (siehe hierzu unsere News aus 2014 über die Entwicklung von Core-Games). Man wolle sich auf seine Kernkompetenz der Browser- und Mobile-Strategie-Free-to-play-Spiele konzentrieren. Goodgame Studios ist unter anderem bekannt für das Browserspiel Goodgame Empire oder das Mobile-Spiel Goodgame Empire Four Kingdoms.
Im Zuge der Umstrukturierung sollen von den etwa 1.200 Stellen bis zum September 2016 eine voraussichtlich niedrige dreistellige Zahl abgebaut werden. So sollen beispielsweise Zeitverträge nicht verlängert werden. Laut Informationen der Hamburger Morgenpost sei auch die Aussprache der Kündigungen ungewöhnlich. So erhalten nicht die zu kündigenden Mitarbeiter eine Nachricht, sondern diejenigen, die weiterhin beschäftigt werden sollen. Sie würden eine Email empfangen, in der sie darauf hingewiesen werden ein wertvoller Mitarbeiter zu sein, der gerne bleiben dürfe. Jedoch werden diese Nachrichten nach und nach verschickt. Daher bangen nun sehr viele um ihren Job.
Erst drei Tage zuvor hielt der frühere Goodgame-Mitarbeiter Andreas Wilsdorf im Vorfeld der Messe auf der Entwicklerkonferenz Respawn, die parallel zur GDC 2016 stattfindet einen Vortrag über die Vorfälle und das Scheitern bei der geplanten Betriebsratsgründung des Hamburger Entwicklers (siehe unsere News vom Ende letzten Jahres). Hierbei machte er bereits zu Beginn klar, dass er seine ehemaligen Arbeitgeber nicht diskreditieren werde, sondern nüchtern und ehrlich von den Vorkommnissen berichte.
Wilsdorf wurde Ende 2015 mit 27 weiteren Mitarbeitern gekündigt. Unter ihnen viele Befürworter eines Betriebsrates. Im Vortrag berichtete er peu à peu wie die Idee zum Betriebsrat langsam reifte, erzählte von schlechten Gehältern, kleinen Wohnungen am Rande der Hansestadt, dem Nichtvorhandensein von Bonuszahlungen, Zeitverträgen mit Mindestlohntarifen und Ängsten der Auslagerung von Arbeitsplätzen in Niedriglohnländer. Aber auch von einem Feelgood-Manager, einem Swimming-Pool und einem Fitness-Studio. Immerhin sei man mit den Bemühungen nicht gänzlich gescheitert, da es inzwischen zumindest eine Mitarbeitervertretung bei Goodgame Studios gäbe -- die freilich nicht die Befugnisse eines Betreibsrats hat. Am Ende der Präsentation werden Tipps zur Gründung eines Betriebsrats gegeben, damit andere Mitarbeiter nicht die Fehler begehen, die im Falle von Goodgame begangen wurden, etwa das Nutzen von firmeninternen Tools zur Absprache -- zudem wird Arbeitnehmern zu einer guten Rechtsschutzversicherung geraten. Andreas Wilsdorf ist aktuell bei dem Bamberger Free-to-play-Entwickler Upjers als Gamedesigner beschäftigt. Einen Betriebsrat gebe es auch dort nicht, er vermisse ihn aber auch nicht, da die Geschäftsführung stets ein offenes Ohr für die Anliegen der Mitarbeiter habe. Einen ausführlichen Bericht über den Vortrag findet ihr bei den Kollegen von Gameswirtschaft.de.
Bei den nun zu erfolgenden Kündigungen kommt der Geschäftsführung der fehlende Betriebsrat natürlich zu Gute. Denn letzterer, der bei der Firmengröße von 1.200 Beschäftigten aus immerhin 15 Mitarbeitern bestünde, hätte bei betriebsbedingten Kündigungen ein Mitspracherecht. Er müsste bei jeder Kündigung angehört werden und dürfe diesen auch nach entsprechenden gesetzlichen Regelungen widersprechen.
Danke für die News. Hatte vor längerem darüber in der SZ gelesen, dass es leider bei einigen deutschen Spielebranchenschwergewichten Probleme mit Mitarbeiterselbstbestimmung und Arbeitsverträgen gibt.
PS: Hier fehlt irgendwie der "Fehler melden" button, daher so.
- "Aber auch von einem Feelgood-Manager, einem Swimming-Pool und eineM Fitness-Studio[]."
- In dem Absatz "Er wurde Ende..." wechselt nach zwei Dritteln sowohl Tempus als auch Modus.
Bitte.
Der Fehler-Melden-Button erscheint bei normalen News nicht, stattdessen können sämtliche User mit entsprechender Berechtigung Fehler korrigieren. Danke für die Fehlerhinweise -> fixed
Das hätte ich wahrscheinlich hier auch irgendwo nachlesen können. Manchmal hilft das ja, also lesen, wie was geregelt wird :-).
In Deutschland wird halt leider hauptsächlich F2P- und Mobile-Rotz produziert. Weil´s eben erfolgreich ist. Und von Good Game hab ich nix anderes erwartet als so ein hinterfotziges Geschäftsgebaren.
1200 Leute?
Also ziemlich viele Leute für ein paar Browser Games oO
Für was brauchte man denn so eine Menge an Leute?
Das Zynga-Phänomen: Millionen Einnahmen, ungesundes rapides Wachstum und jetzt platzt die Blase, weil die Einnahmen ausbleiben. Zudem wollte Goodgame ja in "echte" Spiele einsteigen, sogenannte Core-Games und hatte sich sogar die Unreal-4-Engine lizensiert.
Ich hab als Privatperson ohne einen Cent Entwicklungsbudget auch die Unreal-4-Engine lizensiert. :-)
Das Ding kann mittlerweile jeder nutzen, das ist kein wirkliches Qualitätsmerkmal für Spieleentwickler mehr. Aktuell hab ich sogar den Eindruck, dass gerade kleine, unbekannte Firmen die Engine am meisten verwenden, während die großen Studios mehr auf Eigenentwicklungen gehen.
Von dem was ich mitgekriegt habe, wollte die Geschäftsführung den Laden so groß wie möglich aufblasen, um ihn dann als Exit-Strategie teuer zu verkaufen (diese Taktik gibts leider echt häufig).
Nur gab es keinen willigen Käufer, also müssen sie sich jetzt wohl "gesund" schrumpfen mit mehr als fragwürdigen Methoden :-/
Das passt nicht, beim Verkauf versucht man die Anzahl der 'heads' zu verringern
Jein! Beim konkreten Verkauf evtl. schon. Um ein Unternehmen wertvoll erscheinen zu lassen, kann es aber helfen, Größe vorzutäuschen.
Bei der ersten Sekunde due dilligence fällt das aber auf, dass sich Umsatz/Ertrag nicht mitentwickelt haben :-)
"Im Zuge der Umstrukturierung sollen von den etwa 1.200 Stellen bis zum September 2016 die Mehrzahl abgebaut werden. Nur eine niedrige dreistellige Zahl Mitarbeiter wolle man weiter beschäftigen." - Nee, der Umfang der Kündigungen wird voraussichtlich im unteren dreistelligen Bereich liegen, s. Quelle ("the downsizing will be by a lower three-digit number"). Weiterhin alles andere als erfreulich, es werden aber nicht 90% der Angestellten gekündet, eher 10%.
Ups, kapitaler Fehler. Fixed! Danke.
Es lebe der Frühkapitalismus!
Immer wieder schlimm so etwas zu lesen. Habe so etwas gerade bei uns durchgemacht, da durften insgesamt auch um die 1800 Leute gehen..
1200 Leute und keinen Betriebsrat?
Das sind ja Verhältnisse wie innem Callcenter.
Nein, weil die Gründer sich, meiner Meinung nach, zu blöd angestellt haben und das Unternehmen dadurch das ganze durch Kündigungen verhindern konnte. Auch danach wurde ja nur eine "Mitarbeitervertretung" eingerichtet, weil die MA so abgestimmt haben. Jetzt bekommen sie die Quittung.
Nach allem was ich so über den Laden gehört habe: Praktikantenabteilungen, zum Teil Mindestlöhne (nach Einführung!), aufgeblasene mittlere Führungsebene ohne Kenntnisse usw. würde ich da niemals arbeiten wollen.
Einer der Gründer ist Jurist. Der weiß genau, warum er keinen Betriebsrat möchte.
Oder bei SAP (Zumindest bis vor wenigen Jahren; ob die inzwischen einen Betriebsrat haben, weiß ich nicht, da ich das nicht weiter verfolgt habe.).
Jup, gegen den Willen von ca. 80.000 Mitarbeiter :-)
Wenn du dort anfängst zu arbeiten musst du deine Leidenschaft am Eingang abgeben. Hier gehts nur um Cash! Widerlich. Pfui.
"So erhalten nicht die zu kündigenden Mitarbeiter eine Nachricht, sondern diejenigen, die weiterhin beschäftigt werden sollen. Sie würden eine Email empfangen, in der sie darauf hingewiesen werden ein wertvoller Mitarbeiter zu sein, der gerne bleiben dürfe. Jedoch werden diese Nachrichten nach und nach verschickt."
Dieses Vorgehen empfinde ich auch alles andere als gut. Schließlich hat man ja auch als Arbeitgeber eine gewisse Fürsorgepflicht und so wird die Ungewissheit dann doch recht lange aufrecht gehalten, was bei den einen oder anderen ja schon Existenzängste schüren kann.
Die zu kündigenden Mitarbeiter erhalton wohl nur dann irgendwann das Kündigungsschreiben oder merken es halt, wenn ihr Zeitarbeitsvertrag am xten endet und sie keinen neuen bekommen? Da würde ich es ja der Firma schon wünschen dass die eine oder andere Email verloren geht und "wichtigere" Zeitmitarbeiter sich frühzeitig was neues suchen.
Bei Leuten bei denen man schon jetzt weis, dass man auf diese in Zukunft verzichten mag, sollte man dies schon jetzt in einem persönlichen Gespräch mitteilen und am besten auch gleich ein Zeugnis in die Hand drücken.
"Man wolle sich auf seine Kernkompetenz der Browser- und Mobile-Strategie-Free-to-play-Spiele konzentrieren"
Kein Wunder, daß ich noch nie von denen gehört habe.
Noch nie Clash of Candy Flappy Birds gespielt?
Willkommen in Deutschland, wo die Rechte nur auf dem Papier stehen.
Naja, das ist immer auch eine Sache der Einstellung bei den Arbeitnehmern. Frag mal einen gut verdienenden Jung-Ingenieur bei Daimler (der vielleicht sogar intern angestellt ist und nicht über einen Dienstleister), was er von Gewerkschaften hält. Nix. Man nimmt mit, was früher erstritten wurde und will ansonsten nichts davon wissen.
Das ist ein generelles Problem, man schaut zu dehr auf sich und nicht auf das große ganze
Exakt. In meinem Beruf als Arbeitnehmer bin ich sogar froh darüber keinen Betriebsrat zu haben. Und eine Gewerkschaft brauche ich auch nicht. In anderen Unternehmen kann das schon wieder ganz anders aussehen -- wie man im aktuellen Fall sieht.
Warum froh keinen Betriebsrat zu haben?
Ich hab unseren noch nie gebraucht, aber bin schon froh dass er da ist... Solange man ihn nicht braucht, stört er sich auch keinen.
Wenn der Betriebsrat darauf achtet, dass man nur 10 Stunden pro Tag arbeiten darf sowie eine bestimmte wöchentliche Arbeitszeit nicht überschreitet, selbst wenn man mehr möchte, ist das im deutschlandweiten Service-Außendienst eher hinderlich -- aus verschiedenen Gründen. Vorausgesetzt natürlich man hat einen sozialen Arbeitgeber, der dies nicht ausnutzt -- was bei mir der Fall ist.
Zwei Beispiele:
- Ich bin die ganze Woche bei einem Kunden mitten im Nirgendwo. Ein Mitbewerber-Arbeitnehmer mit Betriebsrat würde täglich 8-9 Stunden arbeiten und den Rest gelangweilt im Hotelzimmer verbringen. Ich arbeite 11-12 Stunden täglich und anstatt mich im Hotelzimmer zu langweilen, mache ich ein paar Überstunden die ich dann entweder als Freizeitausgleich nehmen kann und die Folgewoche halt nur 2 oder 3 Tage arbeite oder mir auszahlen lasse. Oder aber die ich einfach auf dem Stundenkonto belasse um mich später zu entscheiden.
- Ich bin bei einem Kunden (2 Stunden Anfahrt, 4 Stunden Arbeit) und soll danach noch zum einem "Notfall", der in einer Stunde behoben ist, mit 4 Stunden Anfahrt. Ich fahre hin, behebe den Fehler und gehe ins Hotel. Mein Mitbewerber-Kollege fährt hin, geht ins Hotel und behebt den Fehler erst am nächsten Morgen. Wenn es beim Kunden teilweise um 10.000 Euro Verlust pro Stunde geht, ist das ein himmelweiter Unterschied in der Service-Qualität.
Wie gesagt, der Arbeitgeber muss natürlich sozial eingestellt sein und dir dabei auch deine Freiheiten lassen. Es ist ein Geben und Nehmen. Solange das klappt, ist das ohne Betriebsrat wesentlich angenehmer für alle Beteiligten.
Es gibt nunmal sowas wie ein Arbeitszeitgesetz.
Ist mir bekannt, und nun?
Schön das es bei dir so reibungslos läuft, ist nicht die Regel und wenn sich Mitbewerber an Gesetze halten, sollte man den Fehler nicht unbedingt bei denen suchen.
Ich suche den Fehler überhaupt nicht beim Mitbewerber, ich suche gar keinen Fehler. Zudem sind das konstruierte Beispiele. Ich sagte lediglich, dass ich froh darüber bin, keinen Betriebsrat zu haben und habe dies auf Nachfrage begründet. Nicht mehr und nicht weniger.
Alles gut, ich finde die Begründung lediglich etwas kurzsichtig, nicht mehr und nicht weniger. Müssen wir auch nicht weiter fortführen, da sind wir diametraler Meinung ;)
Dann ist das so. :)
PS: Ich hatte ja einschränkend hinzugefügt, dass das sicher nicht überall gut funktioniert und der Arbeitgeber entsprechend eingestellt sein muss. Grundsätzlich begrüße und befürworte ich Betriebsräte -- nur eben mit Ausnahmen. So diametral dürfte unser beider Ansichten dann doch nicht sein. :)
Denke wir würden uns grundsätzlich bei einem alkoholischen/nicht alkoholischen Erfrischungsgetränk sehr entspannt darüber unterhalten. Cheers :)
Hauptsach Kaltgetränk, bin dabei, und in diesem Fall stimme ich Floppi zu :)
Apropo, was ist denn eigentlich aus dem Grillabend bei der Redaktion geworden? Da war doch was um den Messezeitpunkt herum.
"2 Stunden Anfahrt, 4 Stunden Arbeit) und soll danach noch zum einem 'Notfall', der in einer Stunde behoben ist, mit 4 Stunden Anfahrt." Und auf der dritten der vier Stunden Anfahrt nach insgesamt bereits elf Stunden Arbeit baust Du ermüdet einen Unfall. Du selbst bist unverletzt, aber der Unfallgegner ist tot. Und dann? Oder in der 13. Stunde Deines Einsatzes machst du einen kapitalen Arbeitsfehler, der den Kunden und Deine Firma mehrere 10000 Euro kostet. Und dann?
1. Passiert nicht, da ich sobald ich müde werde auf den nächsten Parkplatz fahre um ein Stündchen zu schlafen oder das nächste Hotel aufsuche. Zudem das ein konstruiertes Beispiel ist. Ich mache das auch während regulärer Arbeitszeit, raus und schlafen bei Müdigkeit. Sicherheit auf der Straße geht über Arbeit.
2. Dann müssen sich mein Arbeitgeber und mein Kunde zusammensetzen und überlegen wie der Schaden bezahlt wird.
Sonst noch Fragen? ;)
Da ist was dran. Bin froh, dass ich in der IG Metall bin und daher recht gute Arbeitsbedingungen habe. Ein Bekannter fährt Busse für Fernbusunternehmen und da rollen sich einem die Zehennägel auf. Wenn Lokführer unter solchen Bedingungen arbeiten müssten, dann würde die GDL eine Woche alle Züge still legen. Und anders als Piloten müssen Lokführer wenig finanzielle Risiken bei der Ausbildung in Kauf nehmen.
Insgesamt betrachtet wirft der boomende Dienstleistungssektor auch einfach nicht so viele Gewinne ab wie der schrumpfende Industriesektor. Und das wirkt sich dann auf Löhne aus.
Klar. Gewerkschaften kosten schließlich Beitrag. Und engagieren muss man sich auch noch. Motto: "Im Krieg sind die Kirchen voll".
Zeitverträgen mit Mindestlohntarifen und Ängsten der Auslagerung von Arbeitsplätzen in Niedriglohnländer.
Das wäre ja Dland. Oh wartet mal...
Ach Goodgame Empire ist kein Casual-Spiel? Soso...
Ich denke sie beziehen sich damit auf Spiele, die einen Client benötigen, also ausführbare Dateien und nicht Browsergames.
"Viele Entlassungen..." - das könnte man auch positiv als "Goodgames gibt vielen Kreativen die Chance zur Selbstentfaltung" schreiben. Wir sind doch nicht bei der Bild und benötigen Sensationsschlagzeilen. Noch ist keiner entlassen, es soll sich nur der Marktsituation angepasst werden und es werden nur wenige Key-Personen gebeten zu bleiben.
Es bleiben aber schon "Entlassungen", oder?