Lenhardts Nachtwache vom 12.12.15
Teil der Exklusiv-Serie Lenhardts Nachtwache

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Heinrich Lenhardt 9648 EXP - Freier Redakteur,R8,S3,A1
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12. Dezember 2015 - 3:39 — vor 8 Jahren zuletzt aktualisiert

Teaser

Die zwei Gesichter des eSports: Konzerne wittern Millionen, Altherren ermitteln den Kick-Off-Weltmeister und ein neuer Hardware-Kickstarter ist abseitsverdächtig.
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Live aus Vancouver für GamersGlobal: Während Deutschland friedlich schläft, grummelt Heinrich Lenhardt an der fernen Westküste in seine Tastatur und kommentiert aktuelle Spielegeschehnisse. „Lenhardts Nachtwache“ erscheint (fast) jeden Samstagmorgen und ist die Gute-Nacht-Geschichte für Rotaugen beziehungsweise der Muntermacher für Frühaufsteher.

Abt. „Organisierter Spielbetrieb“: 
Die WM-Helden von 1990

Komischer Zufall auch: Kaum lässt sich viel Geld mit eSport machen, entdecken die großen Publisher ihre Liebe für organisierte Spielturniere. Activision Blizzard hat erst Ende Oktober die Gründung einer entsprechenden Abteilung bekanntgegeben. Und jetzt befördert Electronic Arts seinen COO Peter Moore auf den neu geschaffenen Posten „Chief Competition Officer“ weg („Competition Pro“ wäre die noch coolere Positionsbezeichnung gewesen). Das klingt vielleicht nach jemanden, der bei Preisausschreiben die Gewinner-Postkarten zieht, aber da steckt doch ein wenig mehr dahinter. Mit FIFA und Madden hat EA zwei höchst erfolgreiche Sportspiel-Dauerbrenner im Angebot, da gibt es einiges an Turnieren zu organisieren und zu vermarkten. Moore spricht schon davon, dass die Multiplayer-Bemühungen bei zukünftigen EA-Spielen stärker auf eSport-Bedürfnisse zugeschnitten sein werden.
 
Auslöser für diese Aktivitäten sind natürlich Dollarzeichen und Wachstumsprognosen. Laut dem Marktforschungsinstitut Newzoo wurden letztes 194 Millionen US-Dollar im eSport-Bereich umgesetzt, 2017 sollen es schon 465 Millionen sein, das Potential für eine Milliarden-Industrie sei vorhanden. Turnierpreisgelder, Übertragungsrechte, Sponsorendeals, Wettgeschäfte, Merchandising – das läppert sich bei steigender Reichweite erheblich. Die wahren Helden sind für mich aber die Amateure, die gänzlich ungesponsert  den Weltmeister bei einem 25 Jahre alten Amiga-Spiel ermitteln.
 
Ars Technica hat eine schöne Reportage von der diesjährigen Kick Off 2-Weltmeisterschaft veröffentlicht. Ausgetragen wurde sie in einem runtergekommenen Fabrikgebäude in Dublin, auf schäbigen Tischen und mit minimaler Dekoration. Der Sieger kassiert keinen fetten Scheck, sondern eine billige Trophäe. Statt eines Live-Streams gibt’s abgefilmte Wackelvideos und statt eines Chief Competition Officers eine Schar freiwilliger Helfer. Mangels Online-Spielmöglichkeit ist die Qualifikation unkompliziert: Wer persönlich vorbei schaut und 50 Euro Startgeld entrichtet, kann mitmachen. Am Ende holt der Engländer Andy Gregoris den Titel, die deutsche Hoffnung Oliver Stender scheitert im Halbfinale. Und es gibt amüsante Randnotizen wie die Klage von Teilnehmer Pedro Quaresma über Nachwuchssorgen: Sein 14jähriger Sohn hilft bei der Turnierorganisation, lässt sich aber nicht zum Mitspielen bewegen: „Seine Generation ist es wirklich gewohnt, in Fußballspielen viele Tasten bedienen zu können“ – die Freuden der Ein-Feuerknopf-Steuerung erschließen sich der Jugend nicht.
 
Vielleicht gibt’s beim großen eSport-Boom auch Chancen für Altherrenmannschaften? Das Vermarktungspotential wird wahrscheinlich von all den Jugendwahn-Anhängern unterschätzt. OK, die 40jährigen Kick-Off-Wettkämpfer können Energy-Drinks vielleicht nicht ganz so überzeugend verkaufen wie hyperaktiv klickende Starcraft-Teenager. Dafür wären im gesetzten Retro-Gaming-Umfeld Produktkategorien wie Bausparverträge, Rheumadecken oder Sehhilfen bestens aufgehoben. Unsere Hoffnungen auf eine Sprite-Liga, bei der neumodische Polygongrafik-Sportspiele ausgeschlossen sind, ruhen auf EAs Wettbewerbs-Chef Peter Moore. Der hat die nötige Reife und ist Liverpool-Fan, wäre da ein Mega-Drive-FIFA-Schaukampf gegen Jürgen Klopp nicht naheliegend?

Abt. „Untragbare Crowdfunding-Kampagnen“: 
Warum das Steam-Handheld eine schlechte Idee ist

Tolle neue Feature-Idee für Kickstarter: Wie wäre es mit einer Negativ-Backer-Option, um die Realisierung eines Projekts zu verhindern? Also Geld spenden, damit sich die Kampagne weiter von ihrem Ziel entfernt, um die Menschheit vor Frust und Ärger zu bewahren. Eine gute Tat, die im Idealfall steuerlich absetzbar wäre. Gibt es aber nicht, also beschränken wir uns aufs Augenverdrehen angesichts des Handheld-PCs Smach Z. 900.000 Euro will ein dahergelaufenes Team „Videospieleindustrie-erfahrener Entwickler“ dafür sammeln, um einen Spielcomputer im Game-Boy-Format zu bauen: Fette PC-Games unterwegs zocken, ohne dafür einen dicken teuren Laptop kaufen zu müssen. Wenn’s denn nur so einfach wäre.
 
Was ist das Ding überhaupt? Eine „Handheld-Steam-Machine“ schreibt die Presse etwas unvorsichtig, dabei heißt es auf der Kickstarter-Seite explizit „SMACH Z is not a official Steam™ Machine.“ Denn auch wenn Steam-OS-Spiele auf dem Ding laufen sollen, hat Valve nichts damit zu tun (deshalb wurde  der frühere Arbeitstitel „SteamBoy“ verworfen). Das kann zu Bedienungsproblemen führen: Die Smach-Enthusiasten wollen ihre eigene Version von haptischen Touchpads für Mausersatz-Steuerung verwenden. Nun hat es eine nicht gerade arme Firma wie Valve viele Jahre, Revisionen und sicher mehr als 900.000 Euro gekostet, den Steam-Controller vernünftig hinzukriegen. Da möchte ich mir lieber nicht ausmalen, welche Bedienungs- und Kompatibilitätsprobleme die Hobbyistenlösung von Smach haben könnte.
 
Mal abgesehen davon, dass Windows-only-Titel nicht laufen, lässt die Schmalbrüstigkeit der Hardware Zweifel an dem Claim „Spiel deine PC-Spiele überall“. Selbst wenn wir optimistisch alle Augen zudrücken, dürften selbige nur begrenzt Freude daran haben, dass die Spiele auf einem 5-Inch-Bildschirm dargestellt werden. Die Benutzeroberfläche vieler PC-Titel berücksichtigt nur Monitor-Schreibtisch-Gebrauch. Das ist auch bei den offiziellen Steam Machines ein Problem, wenn man von der Wohnzimmercouch aus die Bildschirmtexte kaum lesen kann. Dann viel Spaß dabei, kleinteilige Klassiker wie Civilization V oder FTL auf einem Winz-Display zu entziffern. Das erste Stretch Goal sollte eigentlich eine Lesebrille für alle Unterstützer sein.
 
Die Smach-Kampagne läuft bislang eher schwach: 140.000 der angestrebten 900.000 Euro sind beisammen. Aktuell gibt es über 300 Leute, die 200 Euro oder mehr rausrücken würden, um in den Besitz eines solchen Geräts zu kommen. Für den Betrag könnte man sich einen schönen Nintendo 3DS leisten und gleich ein Spiel dazu, das auch wirklich auf die Hardware und deren Bedienungselemente abgestimmt ist.

guapo 18 Doppel-Voter - 11864 - 12. Dezember 2015 - 8:33 #

die passenden Spiele fuer den Steamboy werden schon kommen

Grohal 15 Kenner - 2840 - 12. Dezember 2015 - 8:38 #

so sicher wie flugfähige Autos für den Massenmarkt. *fg

guapo 18 Doppel-Voter - 11864 - 12. Dezember 2015 - 8:55 #

Smartwatches verkaufen sich nunmal auch - obwohl Excel nicht optimiert dafuer ist :)

Hyperbolic 21 AAA-Gamer - P - 25232 - 12. Dezember 2015 - 10:21 #

Wird dann bestimmt eine Spieleumsetzung von Steamboy (wer's nicht kennt, einfach mal in Youtube eingeben).

Bruno Lawrie 22 Motivator - - 33453 - 12. Dezember 2015 - 18:10 #

Wie die Spiele für die Ouya gekommen sind? :-)

guapo 18 Doppel-Voter - 11864 - 12. Dezember 2015 - 19:18 #

So wie der Erfolg der AppleWatch gekommen ist - trotz aller Unkenrufe zur CeBIT 2000 :-)

Maverick 34 GG-Veteran - - 1329101 - 12. Dezember 2015 - 8:49 #

Danke für die wieder mal gelungene Ausgabe der Nachtwache. ;)

EddieDean 16 Übertalent - P - 5343 - 12. Dezember 2015 - 9:08 #

Ich bin immer wieder fasziniert davon, wie die so exakte Prognosen bezüglich zukünftiger Umsätze machen können. Oder soll die genaue Angabe von 465 Millionen im esport übernächstes Jahr Seriosität etwa nur vortäuschen?! ;-)

Namen (unregistriert) 12. Dezember 2015 - 13:16 #

Keiner behauptet, dass das exakt ist. Aber wenn deren Formeln eine Schätzung von 465 Millionen ergeben, warum sollten sie das noch mehr runden und so noch einen Fehler einbauen ?

Elfant 25 Platin-Gamer - 63208 - 13. Dezember 2015 - 0:19 #

Die Zahl könnte sogar deutlich übertroffen werden. E - Sport wird auch langsam im Westen ein Massenthema (was die Prognose enthält) und wenn nun die großen Verlage anfangen mitzumischen und jenes zu unterstützen (was die Prognose vielleicht nicht berücksichtigt), wäre auch deutlich mehr drin.

Sierra 27 Spiele-Experte - 84767 - 12. Dezember 2015 - 9:47 #

Eine Nachtwache, bei der ich mich gut und schlecht zu gleich fühle.
Einerseits lässt mich der Absatz eSports alt fühlen. ESports ist eine Faszination, die sich mir so überhaupt nicht erschließen will. Vermutlich ärgere ich mich vielleicht auch nur, dass ich einfach nicht jung genug bin, um davon gehyped zu werden.
Aber ich fühle mich gleich besser, wenn ich weiß, den Steamboy nicht unterstützt, sondern mir jüngst eben besagten 3DS mit Spiel geholt zu haben, was mich weit weniger als die aufgerufenen 200 Euro gekostet hat.

Happy End zum Schluss. Danke Heinrich.

Onwine 13 Koop-Gamer - 1342 - 12. Dezember 2015 - 10:01 #

Danke für die Nachtwache.

Aladan 25 Platin-Gamer - P - 57121 - 12. Dezember 2015 - 10:05 #

Danke für die Nachtwache. eSport interessiert mich schon, jedoch nicht das Standard Moba Zeug, dass finde ich ehrlich gesagt nur langweilig.

Und diese Hardware darf einfach kein Erfolg werden, das ist Kundenverarsche hoch drei, was die da versuchen abzuziehen.

schlammonster 31 Gamer-Veteran - P - 277636 - 12. Dezember 2015 - 10:45 #

Retro-eSport-Meisterschaften, die Alternative für die in Verruf gekommene Branche rund um Busreisen? ... :D
Schöne Nachtwache lieber Heinrich, danke :)

Unregistrierbar 18 Doppel-Voter - 10829 - 12. Dezember 2015 - 10:45 #

Ich frage mich immer, wieso Leute ohne jegliche Ahnung glauben, den Erfolg einer Sache (Gameboy) einfach mal eben kopieren zu können. Vielleicht deshalb, weil sie glauben, einen Geniestreich einfach in seine Einzelteile zerlegen zu können. Ein bisschen Handheld da, ein wenig PC-Games dort ... na, das MUSS ja ein Erfolg sein. Bestimmt wirds noch erfolgreicher, wenn sie es mit VR kombinieren.

Slaytanic 25 Platin-Gamer - - 62062 - 12. Dezember 2015 - 12:02 #

Das Kick-Off 2 Turnier hört sich doch grossartig an, ansonsten war es wieder ein sehr schöne Nachtwache.

Ein kleiner Fehler ist mir aufgefallen: "wurden letztes 194 Millionen US-Dollar"

Arno Nühm 18 Doppel-Voter - 9327 - 12. Dezember 2015 - 13:33 #

Feine Nachtwache :-)

pbay 18 Doppel-Voter - 9251 - 12. Dezember 2015 - 16:53 #

Grundsätzlich interessiert wäre ich ja an einer handheld Steammachine. Auf uneinheitliches UI und Gefrickel mit Grafikeinstellungnen habe ich allerdings keinerlei Lust mehr. Mal schauen, ob es was wird und vor allem, was es wird. Zur Zeit scheint es mir doch eine ziemliche Katze im Sack zu sein.

Der Marian 21 AAA-Gamer - P - 29632 - 14. Dezember 2015 - 0:10 #

Passt ja zur Sonntagsfrage:
Warnzeichen hier: Schlechtes Englisch in der Beschreibung, kein wirkliches Eingehen auf Risiken (technische/wirtschaftliche), kein echter Prototyp vorhanden (ist das nicht so gar Kickstarter-Ausschlusskriterium?). Also: Nicht Backen!

Ein Altheeren/-frauen-Team in E-Sports wäre ja mal was ;). Hieße dann wahrscheinlich aber zunächst Spieler Ü30.