Anatol Locker meint:

Warum Spieler Nerds bleiben Meinung

Der Autor und Musiker und Kinogänger und Spielespieler Anatol Locker (PowerPlay, Bravo Screenfun) würde gerne auch mal Games als Anbaggerthema verwenden können, so rein prinzipiell. Kann er aber nicht -- wieso, lest ihr in seiner diesmaligen GamersGlobal-Kolumne.
Anatol Locker 25. Mai 2009 - 14:10 — vor 10 Jahren aktualisiert
Anfuehrung
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Vieles im Leben ist – auch wenn’s weh tut – eine Sache der Selbstdarstellung. Nehmen wir an, ihr habt jemand kennengelernt, den ihr richtig cool findet. Entsprechend wollt ihr das Objekt der Begierde beeindrucken. Worüber werdet ihr reden: Vom derben Shooter, den ihr gestern nacht gezockt habt? Oder doch lieber von der letzten Theaterveranstaltung, in die euch Freunde vor sechs Monate mal geschleppt haben? Na eben.
 
Kultur ist beliebt, um sich schnell und patent ins richtige Licht zu rücken. Redet man über Kino, findet man sofort Gleichgesinnte. Spricht man über die neue angesagte Band, gilt man als Musikkenner. Und wer gar ins Theater oder zu Ausstellungen geht, gilt als extrem kulturinteressiert (weshalb das Gegenüber meist mit angsterfüllten Augen das Thema wechselt, damit bloß die eigenen blinden Flecken nicht offenbar werden -- probiert's aus!). Doch sobald man über Computerspiele redet, ist man in den Augen von Nichtspielern ein… Nerd.
 
Über Spiele reden nur Spieler miteinander
Let’s face it: Es ist kaum möglich, Nichtzockern die Begeisterung eines guten Spiele-Erlebnisses rüberzubringen. Über Spiele reden nur Spieler miteinander.  Die meisten Gamer entschuldigen sich Fachfremden gegenüber damit, das sei eben ihr „Hobby“. Wie armselig! Ich lese viel, gehe gern ins Kino, höre extrem viel Musik… und liebe Computer- und Videospiele. Ich nutze alle kulturellen Angebote, die unsere Zeit zu bieten hat, und ich finde, damit liege ich auf der ganz normalen Schiene.

Die drei Gründe, wieso Spieler Exoten sind
 
Warum haben Computer- und Videospiele(r) auch nach 30 Jahren immer noch einen Exotenstatus? Ich finde, das hat drei Gründe.
 
Grund 1: Die meisten Spiele sind unzugänglich. Sie sind komplex, schwer, sperrig. Ein Strategieklopper oder gar ein Massively Multiplayer Online Spiel (allein der Name!) macht fortgeschrittenen Spielern Laune; doch verständlich wird er erst, wenn man die Maus selbst in die Hand nimmt. Casual Games sind kein Heilmittel. Sie bringen zwar mehr Leute vor den Bildschirm, sind aber derart simpel, dass es sich nicht lohnt, über sie zu sprechen. Oder kennen Sie jemand, der freiwillig über „Wii Tennis“ reden will? Mal abgesehen davon, dass es nicht viel mit Tennis zu tun hat?
 
Grund 2: Viele Außenstehende fühlen sich von der in vielen Spielen gezeigten Gewalt abgestossen. Das ist ein Fakt, den wir Gamer endlich akzeptieren müssen. Ich liebe beispielsweise den 50ies-Charme eines „Fallout 3“, aber es ist unmöglich, die Begeisterung mit jemand zu teilen, der das Spiel nicht kennt. Einem Fachfremden vorzuschwärmen, dass man Mutanten Körperteile einzeln wegballern kann, kommt einfach nicht gut an. Ich finde sogar, das ist nachvollziehbar.
 
Grund 3: Die Storys haben selten mit echten Menschen zu tun – sondern mit Aliens, Supersoldaten, Orks und anderen Tolkien-Derivaten. Menschen, Personen, Charaktere? Fehlanzeige. Nachvollziehbare Gefühle? Wenn, dann Wut, Rache, Überlegenheit. Irgendwie steht die Computerspielebranche derzeit der Stufe des 80’er-Jahre-Actionkinos. Eine „Hochkultur“, wie sie das Kino oder Musik ausgebildet haben? Bislang Fehlanzeige, von einzelnen umstrittenen Ausnahmen vielleicht einmal abgesehen.
 
Schade, dass das Kulturgut „Spiele“ en gros nicht mehr herzugeben scheint. Im Kino kann man spannende Geschichten erzählen, mit Musik die Zuhörer bei den Eiern packen, aber bei Spielen befinden wir immer noch im Kindergarten. Und das seit 20 Jahren. Klar, das Medium ist immer noch vergleichsweise jung… aber solange wir Prinzessinnen auf dem Bildschirm retten müssen oder mit dicken Waffen auf Cybersoldaten ballern, wird uns kein Außenstehender mit unserem „Hobby“ ernst nehmen. Sondern eher bemitleiden. Oder im schlimmsten Fall "mal kurz die Nase pudern" gehen. Bis Restaurantschluss.
 
Schade eigentlich!

Euer Anatol Locker
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