Diese Mechs sind normalerweise ernst zu nehmende Gegner. Karol schaltet sie jedoch mit Leichtigkeit aus.

GamersGlobal: Gab es einen Glitch, wo du dir gedacht hast: "Wie konnten die Entwickler das nur übersehen?"

Es gibt sehr viele unsichtbare Wände in Deus Ex, doch die Designer haben Löcher gelassen.

Karol Urbanski: Auf jeden Fall. Es gibt sehr viele unsichtbare Wände in Deus Ex. Die meisten Levels sind sprichwörtlich davon umbaut. Allerdings haben die Entwickler oft riesige Löcher in dieser Wand gelassen. Im Friedhof-Level zum Beispiel gibt es ein mannshohes Loch, durch das man ohne Probleme durchspringen kann. Der wohl rätselhafteste Glitch ist hingegen der Gesprächsbug in Hong Kong. Im Prinzip ist der komplette Level umgehbar, indem man Tracer Tong dazu bringt, den Helikoper vorzeitig erscheinen zu lassen - volle zwei Untermissionen, bevor er es eigentlich tun soll! Noch rätselhafter ist, dass dieser Glitch nicht vorkommt, wenn man normal in Tracers Textbox hineinläuft - dann startet das Gespräch, wie es sollte. "Benutzt" man hingegen Tracer um den Dialog zu beginnen, kommt der Glitch ins Spiel. Technisch gesehen sollte zwischen beiden Aktionen eigentlich kein Unterschied existieren, und dennoch gibt es diesen Fehler. 

GamersGlobal: Wie kommst du überhaupt darauf, etwa einen befreundeten NPC mit einer Nahkampfwaffe schlagen, um das Gespräch zu umgehen oder das Benutzen von Granaten um durch geschlossene Fenster und Tore zu gelangen?

Karol Urbanski: Die meisten der großen Tricks wurden wie gesagt nicht von mir gefunden, aber ich habe sie in Situationen benutzt, in denen keiner damit gerechnet hat. Manchmal springt mich die Idee zu einem Trick einfach so an, wenn ich was völlig anderes tue. Oft kommt mir auch während dem eigentlichen Spielen eine Idee, die ich dann natürlich sofort ausprobiere. Und ein oder zwei Abkürzungen sind mir sogar vollkommen zufällig beim Herumspielen aufgefallen.

Einer der einfacheren Tricks: Granate auf den Boden werfen, draufspringen und in ungeahnte Höhen vorstoßen.

GamersGlobal: Hättest du deine Zeit von 43 Minuten und 20 Sekunden auch ohne die Community und vor allem Thrulls ersten Speedrun von Deus Ex geschafft?

Karol Urbanski: Ohne den Input der Community hätte ich vermutlich maximal 1 Stunde und 5 Minuten geschafft. Sie war und ist eine große Hilfe, obwohl ich am Ende derjenige war, der schauen musste, ob die genannten Tricks überhaupt funktionieren. Thrulls Speedrun hat mir hingegen weniger geholfen. Ich hatte bereits in meinem Proberun viel zu unterschiedliche Routen genommen, weshalb ich mich nicht mehr so richtig an ihm orientieren konnte. Aber dennoch hätte ich es nie im Leben ohne ihn und die Communty geschafft!

GamersGlobal: Mal ganz ehrlich: Hast du dir wirklich all die Zugangsdaten und Türcodes gemerkt, oder gab es einen Trick, um sie selbst unter Zeitdruck schnell zu finden?

Karol Urbanski: Nein, kein Trick. Ich habe sie mir tatsächlich alle gemerkt. Ich glaube, mittlerweile kenne ich sogar komplett alle Türcodes und Zugangsdaten des gesamten Spiels auswendig. Sowas geht nach einiger Zeit einfach ins Blut über.

GamersGlobal: Musstest du am Ende unbedingt J. C. töten oder hast du das nur aus Spaß getan?

Ich mag es, lustige Sachen in einen Run zu packen. Es gibt dem Ganzen eine Seele.

Karol Urbanski: Nur aus Spaß. Ich mag es, lustige Sachen in einen Run zu packen. Das macht nicht nur das Erstellen, sondern auch das Anschauen viel unterhaltsamer. Es gibt dem Ganzen eine Seele, wenn du so willst. Nur Zeit dürfen die Gags nicht kosten!

GamersGlobal: Deus Ex wurde besonders für seine spielerische Freiheit gelobt. Dein Speedrun scheint aber eher das Gegenteil zu beweisen.

Karol Urbanski: Ich denke, es spricht schon einiges für den Freiraum, den das Spiel bietet, wenn es in nur 43 Minuten zu meistern ist und ein normaler Durchgang 30 Stunden verschlingt. Einige Leute meinen zwar, dass das Spiel nicht dafür gemacht wurde, es so zu spielen wie ich, aber dem stimme dem nicht zu. Die Designer haben dem Spieler eine Menge Freiheiten gegeben, und ich habe mir einfach nur noch mehr genommen – auch wenn sie das so nie beabsichtigt hatten.

Auf der anderen Seite sind die unsichtbaren Wände und die anderen künstliche Limitationen des Spielerlebnisses. Die meisten Tricks sind nur dazu da, um genau diese "Sicherheitsmaßnahmen" der Entwickler zu umgehen. In Deus Ex fällt es sogar noch stärker auf, eben weil es sowieso schon einen hohen Grad an Freiheit bietet und den Spieler dann doch mit unsichtbaren Wänden umgibt. Das ist nicht nur unschön, in meinen Augen schadet es dem Spiel auch mehr als natürliche Barrieren. Wenn du zum Beispiel eine hohe Wand siehst, reduziert sie zwar deine Freiheit, aber sie ist realistisch. Sie holt dich nicht aus dem Spiel heraus. Läufst du hingegen irgendwo entlang und plötzlich kannst du nicht mehr weitergehen, zerfällt die Illusion. Dabei ist es doch gerade das Eintauchen und sich in einem Spiel verlieren, das soviel Spaß macht!

Hier sollte eigentlich eine unsichtbare Wand das Durchkommen verhindern. Ein großes (ebenso unsichtbares) Loch wurde jedoch von den Entwicklern übersehen.

GamersGlobal: Du versuchst derzeit, deine alte Zeit zu überbieten. Gibt es tatsächlich noch so viele Verbesserungsmöglichkeiten, ohne auf Scripts oder Modifikationen zurückzugreifen?

Karol Urbanski: Auf jeden Fall! Mir fallen bereits jetzt zahlreiche Optimierungsmöglichkeiten ein. Bereits nach einer Handvoll von Segmenten haben mir meine kleinen Verbesserungen bereits rund 30 Sekunden eingebracht. Zu den wirklich großen Änderungen bin ich bislang noch gar nicht gekommen! Auf der anderen Seite sehe ich jedoch keine Möglichkeit, den Run unter 40 Minuten zu drücken ohne auf Scripts zurückzugreifen – und das wäre für mich dann kein echter Speedrun mehr.

GamersGlobal: Deus Ex besitzt mehrere Enden. Glaubst du es wäre sinnvoll, einen zweiten oder dritten Speedrun zuzulassen, die einfach nur darauf hinarbeiten?

Es gäbe durchaus noch Raum für einen Einzelsegment-Run.

Karol Urbanski: Es gäbe durchaus noch Raum für einen Einzelsegmentrun. Aber nur wegen den unterschiedlichen Enden einen anderen Run? Nein, denn das "Töten-Finale" wäre größtenteils gleich. Ich müsste nur durch ein paar zusätzliche Räume laufen. Selbst der Trick am Ende, um den Run zu beenden, wäre genau derselbe. Und obwohl das "Helios-Finale" ein wenig anders ist, rechtfertigt es keinen zusätzlichen Speedrun.

GamersGlobal: Auf dem PC gibt es viele Möglichkeiten,  einen Speedrun aufzuzeichnen. Was hast du benutzt?

Karol Urbanski: Mit FRAPS habe ich die Spielszenen auf meine Festplatte gebannt. Damals hatte ich allerdings einen schlechten Rechner, somit verkam die Aktion zu einer qualvollen Erfahrung – nur 30 Frames pro Sekunde, Frameeinbrüche und solche Sachen. Oft musste ich einen perfekten Versuch nur deshalb neu starten, weil in der Aufzeichnung Frames gefehlt haben! Bildaussetzer sind dein größter Feind, wenn das Ergebnis noch anschaubar sein soll. Komplett konnte ich sie allerdings nicht vermeiden. Vor 1 1/2 Jahren habe ich mir dann einen neuen High-End-Rechner geholt, und seitdem klappt es mit dem Aufnahmen wesentlich besser.

GamersGlobal: Spielst du Deus Ex trotz deines Runs noch regelmäßig, oder hattest du es nach all den unzähligen Stunden satt und hast es erst einmal nicht mehr angerührt?

Karol Urbanski: Ich spiele es natürlich immer noch, allerdings nicht regelmäßig. Derzeit ist es mehr ein spontanes "Hey, es ist Deus-Ex-Zeit!" und dann gehe ich und arbeite an einem weiteren Segment. Ich habe aber das Spiel zwischendurch auch noch einmal normal durchgespielt.

Karol arbeitet derzeit unter anderem auch an einem Speedrun zum LucasArts-Klassiker Outlaws - Die Gesetzlosen.

GamersGlobal: Abseits von Deus Ex: Was waren deine letzten Runs und arbeitest du an etwas neuem?

Karol Urbanski: Ich habe vor kurzem ein paar Levels in Quake und Max Payne 2 fertiggestellt. Außerdem arbeite ich an mehreren neuen Runs, für Deus Ex, Ballance, Outlaws. Und an einem Geheimprojekt. Man kann also sagen, dass ich ein vielbeschäftigter Speedrunner bin...

GamersGlobal: Muss jemand das entsprechende Spiel gespielt haben, bevor er den zugehörigen Speedfun mit Genuss anschauen kann? Muss man sogar selbst Speedrunner sein?

Karol Urbanski: Nicht unbedingt, aber es macht das Anschauen wesentlich unterhaltsamer. Jemand, der das Spiel kennt, versteht die ganzen Abkürzungen und wird beeindruckt sein. Und jemand, der auch Speedrunner ist, wird darüber staunen, wie stark verfeinert der Run ist und ihn schon deshalb mögen.

GamersGlobal: Welchen Speedrun würdest du also jemanden zeigen, der noch nie vorher einen gesehen hat?

Karol Urbanski: Hmm, diese Frage umgehe ich geschickt mit der Antwort: "Einen Speedrun zu einem Spiel, das er gut kennt." Eben weil er dann auf den ersten Blick die ganzen Abkürzungen erkennt und sieht, wieviel Planung und Anstrengung im Run steckt. Er wird ständig überrascht werden und damit durchgehend am Speedrun interessiert sein. Wenn ich dir hingegen meinen Deus-Ex-Run zeige, und du hast das Spiel vorher nicht gespielt, wirst du vielleicht meine Art zu spielen bewundern – mehr aber auch nicht. Deshalb sollten Neueinsteiger auf jeden Fall einen Speedrun zu einem Spiel anschauen, dass sie bereits kennen.

GamersGlobal: Was wünscht du dir für die Zukunft des Speedrunnnings?

Karol Urbanski: Ich will die Community wachsen und noch mehr Runner geile Runs veröffentlichen sehen. Aber am meisten wünsche ich mir, dass sowohl den Zuschauern als auch den Machern das Thema noch mehr Spaß bereitet.

Das Interview führte Christoph Hofmann (GamersGlobal)