GamersGlobal: Was haben Sie festgestellt, als Sie selbst das WiiU-GamePad zum ersten Mal in den Händen hielten?
 
Shigeru Miyamoto: Ich hatte natürlich ganz konkrete Erwartungen, da ich ja schon viele Handheld-Games designt habe. Darunter auch Spiele, bei denen Konnektivität ein wichtiges Thema war. Meine Erwartungen wurden aber vollends erfüllt. Auch meine Sorge,  dass das GamePad zu schwer sein würde und man sich beim Spielen leicht erschöpfen könnte, war völlig unbegründet. Durch die Distanz zwischen dem Fernseher und dem Bildschirm des GamePads war es am Anfang schwierig zu verstehen, auf welchen Bildschirm man gerade schauen sollte. Das wurde aber behoben, indem entsprechende Hinweise in die Spiele implementiert wurden. Außerdem hatte ich die Befürchtung, dass ein Spiel plötzlich zu klein wirken könnte, wenn man es vom großen TV-Bildschirm auf den Touchscreen des GamePads überträgt. Aber das Gegenteil ist der Fall: Dadurch, dass man auf ein Handheldgerät mit einem sehr großen Bildschirm schaut, macht es sogar noch mehr Spaß.
 
GamersGlobal: Welche Spielegenres passen Ihrer Meinung nach besonders zu WiiU?
 
Shigeru Miyamoto: Wir entwickeln für WiiU im Moment Spiele unterschiedlichster Genres. Besonders wichtig ist uns aktuell natürlich Nintendo Land, da es Spieler aller Altersklassen und mit den unterschiedlichsten Videospielerfahrungen zusammenbringen kann. Ähnlich wie bei Wii Sports oder Mario Party für Wii trifft man sich zu Hause und kann mit mehreren Leuten gleichzeitig spielen. Nur dass der Spaß dank der neuen Möglichkeiten von WiiU nun noch größer ist. Ich wünsche mir wirklich, dass viele Menschen diese Erfahrung machen werden.
 
GamersGlobal: Nintendo war immer ein Synonym für familientaugliche Unterhaltung, schon seit FamiCom-Zeiten. Mit WiiU scheint Nintendo aber ganz bewusst zu versuchen, auch die Core Gamer anzusprechen.
 

Es heißt oft, wenn Gamer erwachsen werden, hören sie mit dem Spielen auf. Ich aber bin dem Videospiel überhaupt nicht entwachsen

Shigeru Miyamoto: Ich selbst zähle mich zu den Spielern aus der Pionierzeit der Videospiele. Es heißt oft, wenn Gamer erwachsen werden, dann hören sie mit dem Spielen auf. Ich aber bin dem Videospiel überhaupt nicht entwachsen. Videospiel-Konsolen sind nicht einfach nur Spielkonsolen, sondern interaktive Medien. Ich möchte allen Menschen dieses interaktive Medium näherbringen. Irgendwann wird jeder Mensch Computer benutzen. Und dann werden Geräte von Nintendo weder reine Computer noch reine Unterhaltungselektronik sein, sondern etwas dazwischen. Etwas, dass immer da ist und im Wohnzimmer den Mittelpunkt für Entertainment bildet. Für diese Vision möchte ich Software entwickeln.
 
GamersGlobal: Ihre Spiele sind manchmal sehr kompetitiv, verlieren aber nie ihren warmen Ton. Wohingegen es in westlichen Spielen oft Gewalt und drastische Darstellungen gibt. Denken Sie, dass das ein überstrapaziertes Stereotyp des Storytellings ist?
 

Shigeru Miyamoto (60) stellte sich in Paris unseren Interviewfragen.

Shigeru Miyamoto: Das denke ich leider wirklich. Videospiele decken eine große Bandbreite von Genres ab. Ein Teil davon definiert sich tatsächlich über Gewaltdarstellung. Wie Sie zu Beginn erwähnten, habe ich kürzlich den Prince of Asturias-Preis für unsere Videospiele verliehen bekommen – und zwar in der Kategorie „Humanität und Kommunikation“. Das ist eine große Ehre, für die ich dem Auswahlkomitee sehr dankbar bin. Ich befürchte, dass Menschen die selbst keine Videospiele spielen, sie oft in erster Linie als gewaltdarstellend einschätzen. Ich sehe es als meine Aufgabe, besonders für diese Menschen Spiele zu entwickeln. Der Trend zu gewaltdarstellenden Actionspielen liegt daran, dass deren Hersteller ständige und immer größere Reize für den Spieler erzeugen wollen. Ich versuche in meinen Spielen, dieses Reizschema nicht einfach zu übernehmen, sondern durch andere, phantasievollere und überraschende Elemente Spannung zu erzeugen. Zwar verwende ich auch Formen von Gewalt oder Action, aber eben nicht ausschließlich und nur als einen Teil des Entertainments. Mir ist immer bewusst, dass viele junge Menschen spielen und es ist mir ein großes Anliegen, keinen schlechten Einfluss auf sie auszuüben. Nach diesen Prinzipien entwickeln wir bei Nintendo Spiele. Gundsätzlich bin ich überzeugt: Je größer die Bandbreite der Spiele wird, desto interessanter werden sie. Denn dann kommt das Künstlerische immer mehr zum Vorschein.
 
 GamersGlobal: In früheren Interviews sagten Sie, dass Sie mit dem neuen Zelda für WiiU den Massenmarkt erreichen wollen. Können Sie das näher erläutern?
 
Shigeru Miyamoto: Das war nicht auf einen spezifischen Zelda-Titel bezogen. Was ich meinte: Fans, die früher Zelda gespielt haben, sind dieser Serie nun zum Teil entwachsen. Inzwischen gibt es natürlich neue Zelda-Fans. Ich würde gerne die inzwischen „entwachsenen“ wieder zu Zelda zurückbringen. Die Zelda-Serie ist nach und nach sehr anspruchsvoll geworden. Mir ist es aber wichtig, dass Zelda auch für Einsteiger interessant bleibt und jeder Spielertyp damit seine Freude haben kann. Wir prüfen zurzeit, wie wir durch die neuen, fortschrittlichen Möglichkeiten von WiiU das Spiel weiterentwickeln können – wobei wir der Serie natürlich gleichzeitig treu bleiben wollen.
 
GamersGlobal: Ihre Multiplayer-Spiele waren immer konzipiert für eine Handvoll Spieler, die sich normalerweise im selben Raum aufhalten. Was halten Sie von MMOs? Planen Sie, für WiiU Spiele zu designen, die online von einer großen Zahl von Menschen gleichzeitig gespielt werden können?
 
Shigeru Miyamoto: Ein MMO werden wir erst einmal nicht entwickeln. Wir werden aber sowohl Software anbieten, bei der man gemeinsam im Wohnzimmer spielt, als auch solche, bei der man online miteinander interagiert. Beide Spielarten unterscheiden sich voneinander. Die verbindenden Elemente all unserer Spiele aber bleiben: Dass die Menschen kommunizieren, Informationen austauschen und gemeinsam Spaß haben. In Kürze wird Miiverse starten, ein virtueller Treffpunkt, bei dem sich Spieler auf vielfältige Art austauschen können, bei dem sie Informationen miteinander teilen und auch sehen können, wer gerade was spielt. Miiverse wird ein besonderes, neues Erlebnis werden - ein Ort, an dem Spieler zusammenkommen.
 
GamersGlobal: Wird man sich auch als 3DS-Besitzer ins Miiverse einklinken können?
 

Wenn also der Vater abends heimkehrt, würde WiiU das als erstes merken...

Shigeru Miyamoto: Ja, da mir Konnektivität sehr wichtig ist, wird man sich auch mit seinem Nintendo 3DS verbinden können. Da viele Spieler die gleichen Systemvoraussetzungen haben werden, weil sie WiiU besitzen, lohnt es sich für die Entwickler, Spiele zu erschaffen, die diese Konnektivität nutzen. Wenn man zusätzlich einen Nintendo 3DS besitzt, ist der Spielspaß sogar noch größer. Der Nintendo 3DS hat zum Beispiel einen Mii-Editor, mit dem man einfacher als auf Wii sein Mii basteln kann [auf Grundlage eines Fotos von sich. – Anm. d. Red.]. Diesen Avatar kann man dann einfach auf WiiU transferieren. Es gibt aber auch andere Ideen für Konnektivität, ein Beispiel aus meinem Privatleben: Unser Hund spürt, wenn sich eines unserer Familienmitglieder unserem Haus nähert – er wedelt dann mit dem Schwanz. Das brachte mich auf die Idee, dass WiiU doch auch die einzelnen Familienmitglieder anhand des mitgeführten Nintendo 3DS erkennen könnte. Wenn also der Vater, der einen Nintendo 3DS bei sich hat, abends heimkehrt, würde WiiU das als erstes merken und im Wohnzimmer sagen „Vater ist zurück“. Das auch dann, wenn gerade niemand spielt. Das wäre doch ein großer Spaß! Über diese Idee haben wir nachgedacht und auch erste Experimente gemacht. Es ist zumindest nicht unmöglich.

Das Interview führte Anatol Locker für GamersGlobal